Das kleinere Übel?

Die Umfrageresultate zur Ausschaffungsinitiative waren schockierend, aber nicht wirklich überraschend. 58 Prozent der Stimmberechtigten sprechen sich derzeit für ein Ja zur Ausschaffungsinitiative aus.

Auch bei Wählerinnen und Wählern links der Mitte ist der Rückhalt für die Initiative erstaunlich gross. 35 Prozent jener Personen, die sich als «SP-nah» charakterisieren, wollen ein Ja in die Urne legen. Schockierend ist dies, weil die Initiative Kriminalität mit ausländischer Herkunft gleichsetzt und damit eine willkürliche und an rassischen Kriterien festgeschriebene Doppelbestrafung begründet. Nicht überraschend ist es, weil Menschen, die muslimischen Gläubigen den Bau von einigen wenigen Türmchen verbieten, auch kein Problem damit haben, für kriminelle AusländerInnen ein separates und willkürliches Rechtssystem zu schaffen.

Der Gewinn beim Gegenvorschlag?

Was können wir Linke also bei einem strategischen Ja zum Gegenvorschlag gewinnen? Im «bestmöglichen » Szenario verhindern wir willkürliche Ausschaffungen, insbesondere bei Bagatelldelikten in der Sozialhilfe. Dies wäre der Fall, wenn am 28. November sowohl die Ausschaffungsinitiative, als auch der Gegenvorschlag angenommen würde und der Gegenvorschlag dank linker Stimmen in der Stichfrage obsiegen würde. Allerdings ist fraglich, ob der Willkür der SVP-Initiative nicht sowieso durch übergeordnete Instanzen ein Riegel geschoben würde. Es ist schwer vorstellbar, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte tatsächlich der Ausschaffung «kleiner Fische» im Sozialhilfebereich zustimmen würde.

Selbst in diesem «bestmöglichen» Szenario verlieren wir durch die Wahl des leicht kleineren Übels etwas, nämlich eine linke Grundhaltung. Wir müssten unsere ureigensten Überzeugung über Bord werfen, dass vor dem Gesetz alle Menschen – egal ob arm oder reich, ob Mann oder Frau, ob AusländerIn oder SchweizerIn – gleich sein sollen. Diesen Anspruch müssten wir aufgeben. Wie können wir aber dann in Zukunft noch glaubwürdig eine progressive Migrationspolitik einfordern, die sich an der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der «Anderen» orientiert?

Im schlimmstmöglichen Szenario verhilft die Linke durch ihre Zustimmung dem Gegenvorschlag zum Durchbruch, während die Ausschaffungsinitiative abgelehnt würde. In diesem Fall wären wir hauptverantwortlich für die Verschärfung der Schweizerischen

Ausschaffungspraxis. Ohne unsere – wenn auch nur strategische – Zustimmung, wäre neben der Initiative auch der Gegenvorschlag durchgefallen. Mit einem konsequenten doppelten Nein hätten wir in dieser Situation beides verhindern können.

Nein zum Rentenklau

Eine Senkung der Renten gegenüber heute um gegen 10 Prozent ist schlicht unzumutbar. Heute lebt jede siebte Rentnerin und jeder siebte Rentner in der Schweiz unter der Armutsgrenze. Mit einer Senkung der Renten würde sich diese Zahl deutlich erhöhen. Das wissen auch die Befürworter des Umwandlungssatzes. «Die Renten aus der staatlichen und beruflichen Vorsorge decken in der Regel nur ca. 40-60 Prozent des bisherigen Einkommens ab. Schliessen Sie diese Lücke mit einer privaten Vorsorge.» Dies schreibt die AXAWinterthur, eine der grössten Lebensversicherer der Schweiz, wortwörtlich in ihrem jüngsten Prospekt.

Die Ziele der Versicherer sind klar: Erstens wollen sie die Renten senken, um ihre Profite zu erhöhen. Die privaten Versicherungsgesellschaften haben in den vergangen Jahren Milliarden an Gewinnen und überhöhten Verwaltungskosten mit der beruflichen Vorsorge verdient. In Zukunft sollen es noch mehr sein. Und zweitens wollen sie den Arbeitnehmenden nach der Rentensenkung eine dritte Säule verkaufen können und dabei nochmals profitieren.

Der Präsident der economiesuisse Gerold Bührer ist gleichzeitig Vizepräsident der grössten Versicherungsgesellschaft SwissLife. Kein Wunder versucht er alle Arbeitgeber für eine Senkung der Renten zu mobilisieren. Darum ist Gerold Bührer der oberste Rentenklauer der Schweiz. Völlig unglaubwürdig ist, wenn die economiesuisse an ihrer Medienkonferenz mit einem Stiftungsratsmitglied aus einer Pensionskasse versucht den Eindruck zu erwecken, die Arbeitnehmer seien in dieser Frage gespalten. Alle Arbeitnehmerorganisationen lehnen den Rentenklau geschlossen ab.

Senkung ist unnötig

Inhaltlich gibt es keine Gründe für eine Senkung des Umwandlungssatzes. Der Deckungsgrad der privatrechtlichen Pensionskassen liegt im Schnitt wieder bei rund 105 Prozent. Die durchschnittliche Rendite einer Pensionskasse betrug 2009 gemäss Pictet Index LPP25 +11,74%. Wer im vergangenen Jahr also vernünftig anlegte und kein hohen Summen in Hedge Founds versenkte, wie das die Versicherungsgesellschaften zum Teil gemacht haben, kann die Renten problemlos sichern.

Die steigende Lebenserwartung wurde bereits bei der BVG-Revision 2003 eingebaut – damals aber gleichzeitig mit den notwendigen flankierenden Massnahmen, um unzumutbare Rentensenkungen zu verhindern. Eine erneute Anpassung ist heute nicht nötig. Sollte sich mittelfristig eine Finanzierungslücke öffnen, dann müssen dafür Lösungen gesucht werden und nicht einfach den Arbeitnehmenden unzumutbare Rentenkürzungen auferlegt werden. Aus diesem Grund lehnt die Gewerkschaft Unia den Rentenklau ab und ist zuversichtlich, dass dies auch eine Mehrheit der StimmbürgerInnen tun wird.