Alle an den 1.Mai!

1.mai_Zürich. Besammlung in der Lagerstrasse um 9.30 Uhr, Schlusskundgebung auf dem Bürkliplatz. Anschliessend mehrtägiges Fest auf dem Kasernenareal. Als RednerInnen geladen sind Sofia Roditi (Sprecherin des Frauenkomitees im Stahlwerk von Aspropyrgos, Griechenland), Marina Carobbia (SP-Nationalrätin und Präsidentin MieterInnen-Verband Schweiz) sowie Susi Stühlinger (Journalistin bei der WOZ und Schaffhauser AL-Kantonsrätin)

Volksfest auf dem Kasernenareal

Unter dem Motto «Todo para Todos» oder auf Deutsch «Alles für Alle» ruft das 1. Mai-Komitee zum diesjährigen 1. Mai in Zürich auf. Die Aktivitäten zum 1. Mai in der Stadt Zürich werden auch dieses Jahr wieder gemeinsam vom Gewerkschaftsbund des Kantons Zürich GBKZ und dem 1. Mai-Komitee organisiert. Und wie jedes Jahr ist das 1. Mai-Fest in Zürich immer ein mehrtägiges Fest. Deshalb wird im 2013 auch am 4. Mai und 5. Mai gefeiert. Und wie? Mit viel Musik, Politik und zahlreichen Essensständen. Sämtliche Infos auf: www.1mai.ch

Aarau. Besammlung auf dem Bahnhofsplatz um 15.30 Uhr bei der Kantonalbank. Nach dem Umzug Festwirtschaft mit Info- und Marktständen. Poetry-Slam mit Lisa Christ, Tanzgruppe «flow2flow» und Musik mit «Gogos Black Box».

Basel. Besammlung um 10.30 Uhr in der Clarastrasse, Umzug zum Marktplatz. Anschliessend Festbetrieb auf dem Barfüsserplatz.

Bern. Besammlung um 16 Uhr in der Kramgasse, anschliessend 1. Maifeier auf dem Bundesplatz. Ab 18.30 Uhr Konzerte David Emanuel (Singer/Songwriter) und Dezmond Dez + Tommy Vercetti & Band (Rap). Bei regnerischem Wetter finden Feier und Fest im Hotel Bern statt. Risotto von 18 bis 19 Uhr mit Maibändel gratis.

Biel. Besammlung um 16 Uhr auf dem Bahnhofplatz und Umzug zum Zentralplatz. Ab 18.15 Uhr Barbetrieb und Konzert.

Chur. Besammlung um 13.30 Uhr auf dem Bahnhofplatz. 14.00 Uhr Umzug zum Arcas mit anschliessendem Fest.

Luzern. Ab 11 Uhr auf dem Kapellplatz. 17.00 Uhr Umzug via Hauptpost-Jesuitenkirche-Weinmarkt wieder zurück zum Kapellplatz. Danach Festbetrieb mit Speiss, Trank, Politik und Kultur.

Schaffhausen. Besammlung  auf dem Fronwagplatz und um11 Uhr Umzug.

St.?Gallen. Besammlung um 17 Uhr auf dem Bahnhofplatz, Umzug mit anschliessendem Fest in der Marktgasse.

Winterthur. Ab 11.15 Uhr Kundgebung auf dem Neumarkt. 12.30 Uhr Demonstration. Ansprachen von David Roth (Präsident JUSO Schweiz) und Cédric Wermuth. Danach Festbetrieb in der Reithalle

 

Die neue Weltordnung Gaia

grillo_casaleggio1Die Geschichte der Geburt der neuen Weltordnung Gaia liest sich wie ein Science-Fiction Horrorkrimi, ist es aber nicht. Es ist die Zukunftsvision eines Mannes. Er sitzt in der Machtzentrale des «Movimento 5 Stelle» von Beppe Grillo, die von über acht Millionen ItalienerInnen gewählt wurde und nun die Regierung bilden will. Ein Ausflug ins Jahr 2054, um die Aktualität besser zu verstehen.

Aus der vorwärts-Printausgabe vom 26. April 2013. Unterstütze uns mit einem Abo.

«2018: Die Welt ist in zwei grosse Lager geteilt: Der Westen mit der direkten Demokratie und dem freien Zugang zum Internet. Russland, China und der mittlere Osten in Orwell-Diktaturen ohne freien Zugang zum Internet.

2020: Beginn des 3. Weltkriegs, der 20 Jahre dauern wird. Die Folgen: Zerstörung der westlichen Symbole St. Petrus-Platz, Notre Dame, Sagrada Famiglia; Klimakatastrophen und die Erhöhung des Meeresspiegels um 12 Meter; Dekadenz; Reduktion der Weltbevölkerung auf eine Milliarde Menschen.

2040: Der Westen gewinnt und somit die Demokratie des Internets.

2043: Der Plantet ist in Tausende von Gemeinschaften unterteilt, die miteinander durch das Internet verbunden sind.

2047: Jede Person hat ihre eigene Identität im weltweiten sozialen Netzwerk mit Namen EARTHLINK, das von Google erarbeitet und verwaltet wird. Um zu sein, musst du in EARTHLINK sein, sonst hast du keine Identität. Ein Pass oder eine ID ist nicht mehr nötig.

2050: BRAIN TRUST, eine kollektive soziale Intelligenz erlaubt es den Menschen, die komplizierten täglichen Probleme zu lösen dank dem Online-Zugang zu allen Arten von Informationen.

2054: Erste weltweite Wahl über das Internet der Regierung von Gaia. Gaia, eine neue Weltordnung, ist heute, am 14. August 2054, geboren. Rassistische, ideologische, religiöse und territoriale Konflikte gehören der Vergangenheit an. In Gaia gibt es keine Parteien, PolitikerInnen, Ideologien und Religionen mehr. Das kollektive Bewusstsein ist die neue Politik. Jede Person ist die eigne Besitzerin ihres Schicksals. Geheime Organisationen werden abgeschafft. Jede Person kann Präsident werden und das Handeln der Regierung durch das Internet kontrollieren. Jeder Mensch ist ein Bürger der Welt, Subjekt des gleichen Gesetzes. Das Internet war das Vehikel des Wechsels durch die weltweite Kommunikation, Kenntnis und die Organisation.»
Nein, das ist keine Szene aus einem neuen Science-Fiction Horrorkrimi, sondern die Zukunftsvision, für die über acht Millionen ItalienerInnen an den Parlamentswahlen von Ende Februar 2013 gestimmt haben. Kein Witz! Die Geschichte der Gründung der neuen Weltordnung Gaia ist der Inhalt des Videos auf der Homepage der «Casaleggio Associati», mit dem die Philosophie und die Strategie des Unternehmens vorgestellt werden. Die «Casaleggio Associati» ist die Gründerin und Verwalterin des Blogs von Beppe Grillo und des «Movimento 5 Stelle». Und da die ganze Bewegung sich ausschliesslich über das Internet organisiert, ist das auf Internetmarketing- und Sicherheit spezialisierte Unternehmen «Casaleggio Associati» buchstäblich das Machtzentrum der Bewegung.

Global und mit eiserner Hand
Doch der Reihe nach: Will man den Erfolg von Grillo und seiner Bewegung «Movimento 5 Stelle» verstehen, muss als aller Erstes ein Mythos aus der Welt geschaffen werden: Die Bewegung entstand nicht von unten als «freie Vereinigung von BürgerInnen im Netz», wie es die Webseite der «Grillini» vorgibt. Sie ist hauptsächlich das Produkt eines Mannes, der in Sachen Internetmarketing- und Sicherheit zu den Top Fünf der Welt gehört. Sein Name ist Gianroberto Casaleggio. Im Jahr 2005 lernte er Grillo kennen. Zusammen gründeten sie den Blog «beppegrillo.it». Bald darauf folgte die Geburtsstunde des «Movimento 5 Stelle».
Der 59-jährige Casaleggio gründete seine eigene Firma im Jahr 2004. Seine Karriere begann er bei IBM. Dann war er lange Zeit Chef der Webegg AG, eines der ersten italienischen Unternehmen, die sich auf Marketing und Sicherheit im Netz spezialisierten. Während dieser Zeit hat Casaleggio viele wichtige und vor allem globale Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Wenige Monat nach der Gründung der «Casaleggio Associati» wurde die Partnerschaft mit der US-amerikanischen Firma «Enamics» unterschrieben, die weltweit führend im «Business Technology Managament» (Btm) ist. So unterhält Casaleggio direkte Geschäftsbeziehungen zu «Pepsico», «Northrop Grumman», «JP Morgan», «Shell», «Tesco» oder zum «US Department of Tresury» (Finanzministerium der USA), um nur einige zu nennen.
Die «Casaleggio Associati» verfügt über hervorragende Kontakte zu Politik und Wirtschaft in Italien. Das Unternehmen ist in der «American Chamber of Commerce in Italy» vertreten, Treffpunkt der Topmanager von Weltkonzernen wie «Google», «BNP», «IBM», «Mediaset», «Coca Cola» und vielen mehr.
Lange war Casaleggio der grosse, starke Unbekannte im Hintergrund. Dies änderte sich mit dem Fall Giuseppe Favia. Kurz nachdem Favia für den «Movimento 5 Stelle» ins Parlament der Region Reggio Emilia gewählt worden war, kritisierte er öffentlich die «fehlende Demokratie» und die von Casaleggio durchgesetzte «vertikale Führung» innerhalb der Bewegung. Favia wurde kurzer Hand von Grillo aus der Bewegung ausgeschlossen. Das gleiche Schicksal erlitt auch Valentino Tavolazzi, der im Blog einen Protest gegen «die diktatorische Führung von Casaleggio» lancierte. In einem Interview mit der Tageszeitung «Il Fatto Quotidiano» sagt Tavolazzi: «Casaleggio schmeisst alle raus, die ihm nicht passen. Er schreibt die politischen Blog-Einträge und gibt den Gewählten klare und unumstössliche Befehle.»

Der 14. August 2054
«Die ‹Casaleggio Associati› verwaltet den Blog von Beppe Grillo, das Meetup-Netz, die externe Kommunikation und bestimmt die Internetstrategie der Bewegung», schreibt der Buchautor und Journalist Pietro Orsatti, der seit einigen Jahren Grillo und die Bewegung beobachtet und analysiert. Auch seine kritischen Beiträge und Fragen zur Demokratie innerhalb der Bewegung wurden sehr rasch vom Blog von Grillo gelöscht. Orsatti fragte mehrmals nach einer Begründung, erhielt jedoch nie eine Antwort.
Wer an den Schalthebeln des «Movimento 5 Stelle» sitzt, zeigt auch die Wahl der Grillini ihres Kandidaten für das Amt des Staatspräsidenten. Der erste Wahlgang wurde annulliert. Angeblicher Grund war ein «Hackerangriff», wie Grillo in seinem Blog bekannt gab. Kann sein, auch wenn die «Casaleggio Associati» weltführend in Sachen Internetsicherheit ist und ein erfolgreicher Hackerangriff für sie die schlechteste aller möglichen Werbung wäre. Doch wer kann einen möglichen oder durchgeführten Hackerangriff überhaupt feststellen? Nur die «Casaleggio Associati»! Es ist daher möglich, ja es liegt schon fast auf der Hand, dass die Resultate der ersten Runde nicht ganz dem Wunsch von Casaleggio und Grillo entsprachen und der Angriff erfunden wurde. Wer kann es schon wissen und feststellen ausser der Führungscrew von «Casaleggio Associati»? Nur sie ganz alleine. Was ist die nun: Moderne digitale Zukunftsdemokratie oder Internetdiktatur in der neuen Weltordnung Gaia?
Über Casaleggio, Grillo und den «Movimento 5 Stelle» gibt es noch einiges zu berichten und der vorwärts wird am Ball bleiben. Zum provisorischen Schluss aber noch dies: In Gaia wäre Gianroberto Casaleggio Präsident und Beppe Grillo sein Vize. Bleibt zu hoffen, dass die sozialistische Revolution vor dem 14. August 2054 siegt!

Klassen und Klassenkämpfe

arbeiter_auf_balkenEntgegen der herrschenden Mode versucht der vorwärts mit dem Schwerpunkt «Klassen und Klassenkämpfe» daran zu erinnern, dass der Widerspruch zwischen ArbeiterInnen und Kapital für eine revolutionäre Perspektive nach wie vor zentral ist. Der vorliegende Text will einige Banalitäten zu diesem Themenfeld aktualisieren, die vor Jahrzehnten durch moderne und postmoderne Ideologien verschüttet wurden.

Aus der Printausgabe vom 26. April. Unterstütze uns mit einem Abo.

Es ist längst nicht mehr en vogue, sich auf die alten Begriffe von Klasse und Klassenkampf zu berufen. SoziologInnen und andere staatlich finanzierte IdeologInnen haben den grossen Abschied vom Proletariat längst vollzogen. Aber auch grosse Teile der Linken haben sich abgewandt und mit grossem Eifer auf allerhand Ersatzobjekte gestürzt. Von den BerufsdenkerInnen soll im Weiteren keine Rede mehr sein. Ihre aufwendige Kategorisierung der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft mag man spannend finden oder gar zur Profession machen, für revolutionäre Absichten sind zumindest ihre aktuellen Varianten von untergeordneter Bedeutung.

Der Abschied vom Proletariat

Ein guter Teil der Linken machte sich nebst Oberflächenbeschreibungen kaum die Mühe zu begründen, warum man nun die Klasse als alten Hut ansah, und stürzte sich recht blindlings auf allerhand neue Objekte der Begierde. In jenen Kreisen spricht man heute lieber vom Prekariat, von der Multitude oder man imaginiert sich in eine Front mit irgendwelchen kämpfenden Völkern. Ab und zu sind diese Lieblingsobjekte nach Geschmackskriterien gewählt, wie etwa die liebste Musikrichtung. Doch in welchem Zusammenhang stehen diese mehr oder weniger modernen Subjekte mit der Überwindung des Kapitalismus? Auch jene, die es ein wenig ernster meinen, können diese Frage kaum und nur schlecht beantworten. Nimmt man Abstand von der Klasse (oder ersetzt sie durch bestimmte Fragmente derselben oder durch einen kruden Volksbegriff), bleibt für immer im Dunkeln, wie man die Totalität durch die Aneignung und Veränderung der Produktionsmittel sowie der gesamten Art und Weise der gesellschaftlichen Reproduktion aufheben will.

Der marxistisch verbrämte Abschied von der Klasse führte über ihre nahtlose theoretische Integration ins Kapitalverhältnis. Da verordnete man den Widerspruch zwischen Kapital und ArbeiterInnen als dem Kapitalverhältnis gänzlich immanent und dachte damit die Proletarisierten bloss noch als Anhängsel des Kapitals. Eine andere Variante desselben Irrsinns erklärte, dass mit der reellen Subsumtion – also mit der Unterordnung des Arbeitsprozesses unter das Kapital – jegliche revolutionäre Sprengkraft verloren gegangen sei. In aller Kürze: Beiden Varianten ist eigen, dass sie Arbeit und Arbeitskraft in eines setzen. Die Arbeit als der Prozess, in welchem die Proletarisierten am Arbeitsplatz beschäftigt sind, wird heute tatsächlich komplett vom Kapital bestimmt und ist nicht mehr, wie etwa die Tätigkeit der HandwerkerInnen im Frühkapitalismus, bloss formell subsumiert. Die Arbeitskraft jedoch liegt immer in Gestalt eines Menschen mit all seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen vor, die eben der Vernutzung durch das Kapital widersprechen können.

Histomat und Arbeiterbewegung

Es waren häufig dieselben Linken, die vor dem Abschied vom Proletariat dessen glühendste VerfechterInnen waren. Da geisterte der historische Materialismus als Verbürgung der Zwangsläufigkeit der proletarischen Revolution durch allerhand eigentlich recht helle Köpfe. Man stellte sich vor, dass die objektiven Entwicklungsgesetze zur Revolution drängten. Es musste bloss noch die Kommunistische Partei zwischen die Klasse und ihre Befreiung treten. Auch die linken KritikerInnen dieser Vorstellung waren meist nicht wesentlich weiter. Ihre Perspektive unterschied sich vor allem darin, dass die Befreiung der Arbeiterklasse das Werk nur dieser Klasse sein könne und mit historischer Notwendigkeit auch sein werde. Diesen fixen Ideen machten die faschistische und die stalinistische Konterrevolution einen Strich durch die Rechnung. Dies führte dazu, dass eine ganze Generation kritischer MarxistInnen den Weltenlauf nicht mehr auf die Revolution gerichtet verstanden, sondern hauptsächlich als eine Dialektik von Anpassung und Konterrevolution. Die Abkehr vom Proletariat war in vielen Fällen die Abkehr von metaphysischen Gewissheiten, bei der allerdings auch ein wahrer Kern verloren ging. Die proletarische Sache hatte in ihren eifrigsten VertreterInnen häufig sehr schlecht FürsprecherInnen.

Dazu kam, dass sich die traditionelle Arbeiterbewegung – die von vielen fälschlich mit der kämpfenden Klasse gleichgesetzt wurde – zusehends in die bürgerliche Gesellschaft auflöste. Die «Gesellschaft in der Gesellschaft», die sich auch ausserhalb von Kampfphasen in diversen ArbeiterInnenvereinen und -organisationen kristallisierte, verlor zusehends an Kraft. Die politische Anerkennung, die sozialstaatliche Integration und die sich in oftmals abgetrotzten Lohnerhöhungen manifestierenden Produktivkraftzuwächse leisteten ganze Arbeit. Den alten Zeiten und Strukturen trauern heute noch verschiedene proletarische Gesangsvereine und Folkloretruppen nach und kopieren mit wenig Erfolg all deren Fehler. Es folgte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit der relativen Stabilität, in der die Proletarisierten nebst lebenslangen Arbeits- und Ausbeutungsverhältnissen auch auf Waschmaschine und Kleinwagen zählen durften. Die aktuelle aber latent schon seit den 70ern schwelende Krise und die dazugehörigen materiellen Angriffe auf die Proletarisierten kündigten und kündigen diesen Zustand mit ziemlicher Wucht auf. Darin liegt, bei aller Härte für die Betroffenen, ein Potential – nicht aber eine Notwendigkeit –, das weit über die alte ArbeiterInnenbewegung mit ihrer Identifikation mit der Arbeit und ihren ProtagonistInnen hinausweist und stattdessen die Möglichkeit nach deren Aufhebung in einer klassenlosen Gesellschaft auf die Tagesordnung setzen könnte.

Die Klasse an sich…

Einige besonders kritische KritikerInnen meinen, man habe den Begriff der Klasse ad absurdum geführt, wenn man auf den unscharfen Rändern der Klassen beharrt. Es darf nicht erstaunen, dass in Zeiten von Kleinaktionärin, Manager und arbeitsloser Akademikerin die Begriffe flöten gehen und man sich stattdessen in der bunten Oberfläche der Gesellschaft verliert. Dabei ist es eigentlich relativ einfach: Zur Arbeiterklasse gehören erst mal alle, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen oder müssten, um in dieser Gesellschaft zu leben. Dazu zählen auch jene, die indirekt vom Lohn oder von staatlichen Transferleistungen abhängig sind. Man kann natürlich weiter differenzieren und etwa die Verfügungsgewalt über Kapital oder die bestimmte Stellung zur aktiven Aufrechterhaltung dieser Gesellschaft zum Thema machen. Obwohl die Klasse auf der Seite des Kapitals zusehends abstrakt und auf der Seite der Proletarisierten diffus wird, verlieren die Unklarheiten relativ schnell an Gewichtung, wenn man die Sache zu Ende denkt: Der Kleinaktionär etwa muss trotz seinen paar UBS-Aktien weiterhin Lohnarbeit verrichten, während der hohe Manager nach einigen Jahren gut von seinem erworbenen Kapital wird leben können. Ebenso flach sind die Einwände, dass die MalocherInnen in ihrer grossen Masse heute nicht mehr im Blaumann an der Stanze stehen. Das ist verkehrt, weil die Klasse als globaler Zusammenhang in grossen Teilen immer noch Industriearbeit verrichtet. Auch bleibt ein ultra-flexibilisierter Dienstleistungsangestellter nach wie vor von seinem Lohn abhängig und leistet sogar – entgegen linker Legendenbildung – unter bestimmten Umständen produktive Arbeit. In der ökonomischen Bestimmung der Klasse wird man sich mit den vernünftigeren Zeitgenossen nach einiger Diskussion dann meist auch einig.

Dennoch ist es nicht ganz so einfach. Die Klasse ist keine homogene Masse, sie ist weitestgehend fragmentiert: In ihrer globalen Zusammensetzung gibt es etwa zwischen der Peripherie und den Metropolen massive Unterschiede und es steht auf der Tagesordnung, dass billige Arbeitskräfte aus dem Trikont gegen die Stammbelegschaften in Europa ausgespielt werden. Wer allerdings den Begriff der Klasse ernst nimmt, muss diese als globale Grösse denken. Nur so kann man auch der Falle entgehen, sich in isolationistische und nationalistische Irrwege zu verirren, wie das einigen, vermeintlich kommunistischen, Gruppen im Zuge der Diskussion um die Personenfreizügigkeit passiert ist. Nebst dieser internationalen Fragmentierung ist die Klasse auch entlang von rassistischen oder sexistischen Spaltungslinien geteilt, in ArbeiterIn und Arbeitslose gespalten und in unterschiedlichste Interessensgruppen zersplittert (von denen die berühmte Mittelschicht nur eine der bekanntesten und wirkungsmächtigsten ist). Auch darum ist der Übergang von der Klasse als objektiver Bestimmung zur Klasse als kämpfendem Subjekt so unendlich schwierig. Hier soll der Hinweis genügen, dass in kollektiven Kämpfen zumindest das Potential entsteht, dass man gemeinsam vorherrschende Spaltungen überwindet und aus atomisierten Lohnabhängigen und Arbeitslosen gesellschaftliche Wesen werden, die beginnen, ihr Leben gemeinsam neu zu organisieren.

...und der legendäre Übergang

Die subjektive Seite des Klassenbegriffs ist in den vergangen Jahrzehnten zusehends verschüttet worden. Tatsächlich lässt sich diese Konstitution der Klasse als handelndes Kollektiv nicht mit derselben Genauigkeit aus den ökonomischen Verhältnissen ableiten wie ihre objektive Bestimmung. Man muss sich deshalb aber nicht dumm machen lassen wie einige akademische MarxistInnen, die aus diesem Notstand – dass sich der sprengende Klassenkampf nicht mit derselben Stringenz wie die Wertformanalyse begründen lässt – gleich ihre Kapitulation folgen liessen. Trotzdem: Selbst die Operaisten aus Italien haben mit ihrer Suche nach dem zentralen widerständischen Subjekt und ihrer peniblen Bestimmung der technischen und der politischen Klassenzusammensetzung nach interessanten Anfängen nicht wesentlich mehr erreicht, als die Überstilisierung eines bestimmten (bei Antonio Negri dann nur noch diffusen) Typus‘ des Arbeiters – auch wenn sie das nicht aus dem «Kapital», sondern aus den reellen Arbeitsbedingungen der Klasse ableiteten. Man sollte sich davor hüten, mit zu grosser Sicherheit den Umschlagpunkt zu prognostizieren und ihn aus bestimmten Bedingungen ableiten zu wollen. Allerdings ist es nur vernünftig, die Beweislast umzukehren: Man muss nicht beweisen, dass die Proletarisierten dereinst die Revolution machen. Das wäre im Resultat ein metaphysisches Unterfangen und würde dem alten Histomat alle Ehre machen. Wenn man es aber mit der kommunistischen Revolution ernst meint, dann sollte man sich klar darüber sein, warum man auf die proletarische Insubordination verwiesen ist. Sonst bleibt, und das kann man an den verschiedenen sonderbaren Ausformungen der Linken erkennen, in der Regel nicht viel mehr übrig, als blanker Dezisionismus, hoffnungsloser Aufklärungsidealismus oder krude Zusammenbruchfantasien.

Auch wenn man historisch argumentiert und auf wiederkehrende Kampfwellen der Proletarisierten verweist, kann man nie mit Bestimmtheit sagen, was neben den konkreten Konfliktsituationen die untergründigen Auslöser für die Aufstände waren. Der heisse Mai 1968 in Paris und der lange Mai in Italien haben aber gezeigt, dass Teile der Klasse sehr wohl auch ausserhalb oder sogar gegen die traditionellen Organe der Arbeiterbewegung kämpfen können, und dass sich die Klasse als Subjekt unter widrigsten Umständen konstituieren kann.

Warum die ArbeiterInnen?

Proletarisiert sind heute weltweit so viele Menschen wie noch nie zuvor: Die Menge an Arbeitsplätzen hat weltweit absolut zugenommen. Gleichzeitig wächst die schiere Masse an lebenslänglich Überflüssigen an der Peripherie, aber zunehmend auch in den krisengeschüttelten Metropolen. Die Fähigkeit des Kapitals, die ArbeiterInnenmassen in den Produktionsprozess zu integrieren, wird heute zusehends in Frage gestellt. Damit drängt sich bei vielen Menschen die recht banale Frage auf, wie sie ihr Leben ausserhalb der Reproduktionskreisläufe des Kapitals organisieren können. Die schlichte Masse der von diesem Prozess Betroffenen, wie etwa die Masse der zusehends prekären BesitzerInnen der Arbeitsplätze, macht es gewissermassen unumgänglich, dass sie sich der Revolution anschliessen, soll sie nicht wieder in Bevormundung und Stellvertretertum enden. Oder wie ein bärtiger Mann in einem recht berühmten Agitationsbüchlein geschrieben hat: «Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl.» Die Aneignung der Produktionsmittel und ihre Umwandlung in Mittel der Produktion für eine vernünftige und klassenlose Gesellschaft ist ohne jene, die heute diese Maschinerie bedienen, ohnehin undenkbar – auch wenn die Maschinerie für eine vernünftige Gesellschaft in grossen Teilen erst mal geändert werden müsste.

Die ArbeiterInnen, und das ist entscheidend, sind jene Menschen, die das Kapital produzieren und reproduzieren. Nicht nur haben sie als die ProduzentInnen des gesellschaftlichen Reichtums eine grosse Macht gegenüber dem Kapital, sie sind es, die es tagtäglich überhaupt (re)produzieren und die darum auch damit aufhören können – auch wenn ihnen das Kapital als fremde Macht gegenübertritt; als tote Arbeit, die davon lebt, lebendige Arbeit einzusaugen. Ohne die Ausbeutung der ArbeiterInnen kann das Kapital nicht existieren. Es ist schlicht nicht denkbar ohne seinen gesellschaftlichen Gegenpol. Darum sagt der Begriff der Klasse weit mehr über die innere Funktionsweise des Kapitalismus aus, als jede noch so differenzierte Ausmalung der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Die ArbeiterInnen sind als variables Kapital selber Bestandteil des Kapitalverhältnisses, aber sie treten immer in ihrer ganzen Subjektivität in den Arbeits- und Verwertungsprozess ein. Es ist etwa mit dem Verkauf der Arbeitskraft noch längst nicht Intensität und Länge der Ausbeutung bestimmt. Diese Spannung schlug – nebst der täglichen kleinen Verweigerung – in der Geschichte immer wieder in handfeste gesellschaftliche Auseinandersetzungen um. Nicht umsonst ist dem Kampf um die Länge des Arbeitstages im ersten Band des «Kapitals» ein ganzes Kapitel gewidmet. Gerade in der Krise wird deutlich, dass das Kapital immer wieder auf die Ausdehnung des absoluten Mehrwerts angewiesen ist.

Grenzen des Kapitals

Diese furchtbar abstrakten Bestimmungen sind keine bloss theoretische Spielerei. Die Begriffe, mit denen wir die Welt erfassen, haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie wir gesellschaftliche Veränderungen und Kämpfe wahrnehmen. Es wäre also wichtig, die jüngeren Proteste unter dem Gesichtspunkt des Klassenkampfes zu analysieren. Auch in ihrer politischen Beschränktheit weisen einige Kämpfe im arabischen Raum oder in den krisengeschüttelten Euro-Staaten ein Potential auf, das über ihren engen politischen Horizont hinausweist. Aber auch die Aufstände der für das Kapital häufig schlicht überflüssigen untersten Segmente der Proletarisierten in den Banlieus in Frankreich oder in London, müssen mit demselben Instrumentarium analysiert werden. Da formiert sich möglicherweise etwas, was von proletarisierten Massen getragen wird und sich objektiv gegen Angriffe auf ihr Lebensniveau richtet – deren Gelingen aber auch davon abhängt, wie man die Inter-essen der ungeheuren Masse an überflüssigen Proletarisierten einbeziehen kann. In der Aufkündigung des alten Konsenses von oben zeichnet sich auch langsam – momentan wieder etwas verstockt – eine Aufkündigung von unten ab. Denn vielen Menschen scheint mittlerweile zu dämmern, dass die Krise für grosse Teile kaum mehr einen Spielraum lässt zwischen dem vollumfänglichen Akzeptieren von Austritätsmassnahmen und der radikalen Umwälzung ihres ganzen Lebens. Wenn man sich diesen Widerspruch vergegenwärtigt, die potentiellen Lernprozesse in den Kämpfen beobachtet und sich nicht wieder in den Führerstand des zum Weltgeist aufgeblasenen Proletariats imaginiert, dann besteht zumindest die Chance, dass KommunistInnen dieses Mal schlaueres zu den kommenden Klassenkämpfen zu sagen und beizutragen haben.

Die eierlegende Wollmilchsau?

Gefängnis, Gefangenschaft, Haft, Freiheitsentzug, FreiheitFoto: Clemens FabryAm 9. Juni stimmen wir über die dringlichen Verschärfungen des Asylgesetzes ab. Dabei geht es um verschiedene Massnahmen und Ziele. Immer mehr im Vordergrund steht allerdings ein Ziel, das in der geplanten Form verfehlt wird: die Beschleunigung der Asylverfahren. 

Aus der vorwärts-Printausgabe vom 26. April 2013. Unterstütze uns mit einem Abo!

Seit ihrem Amtsantritt arbeitet Bundesrätin Sommaruga an einer Neustrukturierung des Asylbereichs. Das Hauptziel ist die Beschleunigung der Asylverfahren. Wir kennen diese Umstrukturierungspläne unter dem Namen «Modell Holland» oder «Projekt Sommaruga». Etwas technischer ausgedrückt ist es die zwölfte Revision des Asylgesetzes. Richtig gelesen: die Zwölfte! Während wir am 9. Juni über die zehnte Revision abstimmen, reden wir gleichzeitig über die Inhalte der Zwölften. Inhaltlich verzahnt sind die beiden Revisionen über die Testphase, die heute schon die Grundlage liefert, um die wesentlichen Merkmale der Umstrukturierung zu erproben. Die Beschleunigung der Asylverfahren ist dabei die eierlegende Wollmilchsau: sie verspricht die Lösung aller Probleme, macht alles für alle besser und ist deshalb so unabdingbar und unantastbar. Sie findet ohne genaue Faktenanalyse Zustimmung bis in alle politischen Kreise hinein, legitimiert bei vielen die Verankerung der Testphase innerhalb der aktuellen Abstimmungsvorlage und macht deren restliche -Verschärfungen zu einem annehmbaren Kollateralschaden.

Beschleunigung: zu welchem Preis???

Basis des Beschleunigungswahns ist indes eine Falschinformation: Asylverfahren dauern im Schnitt 1400 Tage. Diese Zahl ist falsch. Sie stammt zwar aus dem Beschleunigungsbericht (März 2011) des Bundesrats, errechnet sich aber aus der durchschnittlichen Verfahrensdauer jener Verfahren, in denen von abgewiesenen Asylsuchenden sämtliche Rechtsmittel ergriffen werden. Allerdings werden bei den wenigsten Asylgesuchen alle Rechtsmittel genutzt. Im Gegenteil: Bei Dublinfällen wird in über 97 Prozent der Fälle überhaupt kein Rechtsmittel ergriffen, und die Dublinfälle machen über 40 Prozent der Asylgesuche aus.

Schon 2010 dauerte ein durchschnittliches Asylverfahren nicht 1400, sondern durchschnittlich 413 Tage. Seither haben sowohl das Bundesamt für Migration (BFM) wie auch das Bundesverwaltungsgericht (BVG) die Behandlungsfristen weiter gekürzt. Das BFM hat das erstinstanzliche Verfahren von 231,5 Tagen (Schnitt 2008 bis 2010) auf 170 Tage (Schnitt Juli 2012) gekürzt. Das BVG wiederum erledigt fast 50 Prozent der Fälle innert 30 Tagen und weitere 10 Prozent innert höchstens drei Monaten. Man muss sich nun also die Frage stellen, welche Asylverfahren beschleunigt werden müssten, und welche im Projekt Sommaruga beschleunigt werden sollen. Die Analyse hierzu ist einfach: Im Projekt Sommaruga werden vorwiegend Dublinfälle und die Asylgesuche mit potentiell negativem Asylentscheid beschleunigt. Die Zahlen zeigen hingegen, dass dies nicht unbedingt die dringendste Handlungsoption darstellt. Vielmehr ist es so, dass Gesuche, die zu einer Schutzgewährung führen, überdurchschnittlich lange dauern. Diese Gesuche gelten im Projekt Sommaruga allerdings als nicht prioritär, sie werden erst im erweiterten Verfahren behandelt. Weshalb? Einfach gesagt, weil diese Gesuche bei Behandlung automatisch einen positiven Entscheid bewirken würden (so zum Beispiel die Asylgesuche aus Syrien, deren Behandlung bis vor kurzem schlicht sistiert war.) Um einen Pulleffekt zu verhindern oder anders gesagt, weil man keine positiven Asylentscheide will, ist vor allem eine Beschleunigung der «aussichtslosen» Asylverfahren geplant. Eine Beschleunigung der potentiell positiven Asylgesuche wäre indes auch heute schon ohne das ganze Projekt Sommaruga und ohne die Testphase möglich. Alles was man dazu machen müsste, wäre die Asylgesuche zu behandeln.

Nein am 9.Juni??!

Was bringt die Beschleunigung der Verfahren also tatsächlich? Opium fürs Volk in Form von Segregation, Ausschaffungen und Repression. Die Beschleunigung, wie sie heute angedacht ist, bringt den allermeisten Betroffenen nichts. Sie wird vielmehr bewirken, dass im Endeffekt mehr Leute in die Nothilfe und somit früher oder später in die Illegalität gedrängt werden. Die Beschleunigung ist somit der vielleicht wichtigste Punkt für ein vorläufiges NEIN am 9. Juni.

Weitere Infos: www.asyl.ch/beschleunigung

Öcelan als Hauptredner in Zürich

apoDas Zürcher 1.-Mai-Komitee lädt Abdullah Öcalan als Gastredner für den 1. Mai 2013 ein. Mit einem Brief hat sich das Komitee an den seit 1999 in der Türkei inhaftierten politischen Repräsentanten der KurdInnen gewendet.

Bereits vor zwei Wochen hat das Zürcher 1.-Mai-Komitee die Griechin Sofia Roditi als Rednerin für den diesjährigen 1. Mai bekannt gegeben. Als Sprecherin des Frauenkomitees im Stahlwerk Aspropyrgos wird sie über ihren Kampf für bessere Arbeitsbedingungen berichten. Nun hat das Komitee mit Abdullah Öcalan -einen zweiten Redner eingeladen.

Öcalan wird von vielen KurdInnen als ihr politischer Repräsentant gesehen. Die kurdische Bevölkerung kämpft seit langer Zeit für ihre Unabhängigkeit. Nach den Umbrüchen im Nahen Osten scheint im türkischen Kurdistan endlich Frieden in Sicht. Der seit 1999 inhaftierte Öcalan kann als kurdischer Kämpfer sehr gut über den Unabhängigkeitskampf der kurdischen Bevölkerung berichten. Natürlich ist dem 1.-Mai-Komitee bewusst, dass Öcalan aufgrund seiner Inhaftierung kaum am 1. Mai in Zürich auftreten wird.

Der Brief an Öcalan

Sehr geehrter Herr Öcalan,

Als 1.-Mai-Komitee bitten wir Sie, beim diesjährigen 1. Mai in Zürich als Hauptredner aufzutreten. Das aus rund 60 Organisationen bestehende 1.-Mai-Komitee ist eine Dachorganisation für politische und kulturelle Organisationen aus dem In- und Ausland. Im 1.-Mai-Komitee vereinigen sich Linksparteien, Gewerkschaften, Komitees, ImmigrantInnenorganisationen, ausländische Linksparteien, Befreiungsorganisationen und Kulturgruppen. Wir setzen uns ein für die Solidarität, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Emanzipation der Menschen und widersetzen uns Rassismus, Xenophobie und allen Formen der Ausbeutung. Der internationale Kampftag für eine gerechte und menschliche Gesellschaftsordnung bestimmt Ziel und Zweck des 1.-Mai-Komitees in Zürich.

Herr Öcalan, der Nahe Osten ist im Umbruch. Die Umwälzungen die in Nordafrika begonnen haben, hat nun Türkei und Kurdistan erreicht. Der Zerfall Syriens und des Iraks haben nicht nur den KurdInnen dieser beiden Länder neue Möglichkeiten eröffnet, sondern auch die Verhältnisse in der Türkei verändert. Noch nie war die grösste staatenlose Nation der Region so nahe daran, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Obwohl die kurdische Frage das Hauptproblem der Türkei darstellt, wurde sie bislang nicht gelöst. Der Hauptgrund hierfür liegt in der Verweigerung der universellen Rechte und Freiheiten für die kurdische Bevölkerung durch den türkischen Staat. Allein in der Türkei leben ca. 15–20 Mio. Kurden. Infolge der Kriegspolitik haben bislang zehntausende kurdische und türkische Menschen ihr Leben verloren; Millionen von KurdInnen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Nun scheint im Türkisch-Kurdistan die Hoffnung auf Frieden in Sicht zu sein. Ein jahrzehntelanger blutiger Konflikt kann in den nächsten Jahren beendet werden, wenn die entscheidenden Akteure die Nerven behalten und sich von absehbaren Provokationen nicht von ihrem Ziel abbringen lassen. Durch Ihr Engagement für Frieden haben Sie massgeblich dazu beigetragen, dass der Prozess überhaupt im Gange kam. Wir als 1.-Mai-Komitee Zürich haben stets den Befreiungskampf des kurdischen Volkes für Freiheit und Unabhängigkeit unterstützt und verfolgen die neuen Entwicklungen mit grossem Interesse. Es ist uns bekannt, dass Sie in diesem Prozess einer friedlichen und demokratischen Lösung eine zentrale Rolle spielen. Für viele KurdInnen gelten sie als der wichtigste politische Repräsentant. Aus all diesen Gründen hoffen wir, Sie an diesem Kampftag in unserer Mitte begrüssen zu dürfen.

Ihre Rede zum 1. Mai, die zweifellos auf Ihrer reichhaltigen Erfahrung in Ihrem langen politischen Kampf gründet, wird für das progressive Lager, das am 1. Mai auf der Strasse ist, von grossem Interesse sein.

Mit freundlichen Grüssen

Vorstand des 1.-Mai-Komitees Zürich

Hallo SP Züri?!

sp_zuerichDie SP verhält sich wie die Bürgerlichen und trägt so ihren Teil dazu bei, dass die Volksinitiative «Steuerbonus für Dich» der Partei der Arbeit Zürich nicht zur Abstimmung kommen soll. Die PdA strebt die politische Diskussion an.  Zum Beispiel über die Tatsache, dass 1,5 Prozent der Steuerpflichtigen rund 45 Prozent des gesamten Vermögens besitzen.

«Ich bin doch etwas überrascht und erstaunt, dass die SP unsere Initiative für ungültig erklären lassen will», sagt Rita Maiorano, Präsidentin des Initiativkomitees «Steuerbonus für Dich» und Mitglied der Partei der Arbeit Zürich (PdAZ). Die Geschäftsleitung des Kantons Zürich hat sich Ende März mit 11:1 Stimmen für die Ungültigkeitserklärung ausgesprochen. Nur die Grüne Partei stimmte dafür, dass die Initiative, die über 7200 Stimmberechtigte unterschrieben haben, zur Abstimmung kommt. Die Genossin fügt hinzu: «Die Bürgerlichen verteidigen logischerweise die Interessen ihrer Klientel. Dass sich aber auch die SP auf die Seite der wenigen Superreichen stellt, ist doch sehr fragwürdig.»

Warum??

Zur Erinnerung: Im Kanton Zürich verfügen rund 12?900 (1,5 Prozent!) der Steuerpflichtigen über ein Vermögen von mehr als 3 Millionen Franken. Ihr gemeinsamer Reichtum beläuft sich auf mehr als 123 Milliarden Franken (45 Prozent des gesamten, versteuerten Vermögens im Kanton!). Etwa 2400 (5,2 Prozent) der Firmen im Kanton Zürich haben ein Eigenkapital von über 5 Millionen Franken und kommen gemeinsam auf ein Vermögen von 405 Milliarden Franken. Sie besitzen somit 96 Prozent (!) des gesamten Eigenkapitals.

Die Initiative der PdAZ verlangt die einmalige Besteuerung von mindesten 1 Prozent dieser Vermögen. Mit den Einnahmen von über 5 Milliarden soll für die unteren und mittleren Einkommen ein Steuerbonus in der Höhe von 5000 Franken pro erwachsene Person und 3000 Franken pro Kind bis zum 18. Alters-jahr finanziert werden. So bekäme eine alleinerziehende Mutter mit einem Einkommen von unter 100?000 Franken eine Steuererleichterung (Steuerbonus) von 8000 Franken. Dies will die SP nun verhindern. Ihr Verhalten ist wirklich fraglich. Dies umso mehr im Hinblick darauf, dass die Initiative in Form einer «Allgemeinen Anregung» eingereicht worden ist. Diese Form der Initiative lässt einen ziemlich grossen politischen und juristischen Spielraum offen, um eventuelle juristisch strittige Punkte so zu formulieren, dass über die Forderung abgestimmt werden kann. Auch diesen Spielraum will die SP nicht nutzen. Sie versteckt sich hinter fragwürdigen juristischen Argumenten. Warum «liebe» SP Züri???

Eine Frage des politischen Willens

Der definitive Entscheid fällt der Kantonsrat voraussichtlich Ende April. Für die Ungültigkeitserklärung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Anders gesagt: Enthält sich das links-grüne Lager bei der Abstimmung, kommt die nötige Mehrheit nicht zu standen und die Initiative zur Abstimmung. Für die PdAZ (aber wohl nicht nur für sie) ist klar, dass es nur und ausschliesslich eine Frage des politischen Willens ist, ob ihre Initiative zur Abstimmung kommt oder nicht.

In einem Schreiben an die KantonsrätInnen der SP, GP und AL hält die PdAZ fest: «Wir sind uns sicher einig, dass der Reichtum im Kanton Zürich äusserst ungleich verteilt ist. Diese Ungerechtigkeit und diesen Missstand zum breiten, politischen Thema zu machen, ist das erklärte politische Ziel unserer Volksinitiative. Wir laden euch deshalb herzlich ein, die politische Diskussion über unsere Initiative zu ermöglichen.»

In einem Mail hat die PdAZ die SP gebeten, ihre Position hinsichtlich der Abstimmung im Kantonsrat zu überprüfen. Eine Antwort blieb auch nach fünf Tagen (bis Redaktionsschluss) aus. Die Position der SP hat auch bei der Mitgliederversammlung der PdAZ von Mitte März für Kopfschütteln gesorgt. Die Versamlmung beschloss mit grosser Mehrheit den Gang zum Bundesgericht, falls der Kantosrat die Initiative für ungültig erklären wird.

Keine Hausarbeiterin ist illegal!

illegalMitte März 2013 lancierte der Verein «?Hausarbeit aufwerten – Sans-Papiers regularisieren?» die Kampagne  «?Keine -Hausarbeiterin ist illegal?». Gefordert werden mehr Rechte für die rund 40?000 Hausangestellten, die ohne – Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz leben und arbeiten.

Seit einigen Jahren wird die Problematik der Care-Arbeit – also Tätigkeiten wie putzen, bügeln, kochen, Kinder hüten, Kranke und Alte betreuen – in Wissenschaft und Politik breit diskutiert. Einigkeit herrscht über drei grundlegende Tatsachen: Erstens ist seit Anfang der 90er Jahre der Hauswirtschaftssektor massiv gewachsen, so auch in der Schweiz. Zweitens ist der Care-Bereich traditionell Frauensache, wobei Migrantinnen – mit und ohne Aufenthaltsbewilligung – eine grosse Mehrheit der externalisierten Hausarbeit übernehmen. Drittens gehört der Care-Bereich zum prekarisierten Arbeitsmarktsegment. Genau an diesen drei Punkten knüpft die Kampagne an.

Ein boomender Sektor

Bei der Lancierung der Kampagne wurde eine Petition an den Bundesrat vorgestellt. Salvatore Pittà, Kampagnen-Koordinator, erklärt auf Anfrage des vorwärts die Gründe für diese Petition: «Wir erhoffen uns vom Bundesrat, dass er die Bedeutung der Hausarbeit anerkennt und Lösungen umsetzt, um den dort Arbeitstätigen ohne geregelten Aufenthaltsstatus menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.» Tatsächlich arbeiten in der Schweiz mehr als 40?000 ArbeiterInnen ohne geregelten Aufenthalt – sogenannte Sans-Papiers – in einem Privathaushalt. 90 Prozent dieser HausarbeiterInnen sind Frauen.

Wie in der Petition hervorgehoben, sind die Arbeitsbedingungen im Bereich Privathaushalt besonders prekär: ungeregelte Arbeitszeiten, niedrige Löhne, soziale Isolation, grosse Abhängigkeit von den Arbeitgebenden und Fehlen von sozialem Schutz. Nun wurde die im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Union (EU) bestehende Möglichkeit, in denjenigen Sektoren und Branchen sogenannte Normalarbeitsverträge (NAV) zu etablieren, in denen wiederkehrend Lohn- und Sozial-dump-ing festgestellt wird, von den Gewerkschaften genutzt, um den Bereich der Privathaushalte zu regulieren. Im Juli 2004 wurde im Kanton Genf ein NAV mit verbindlichen Mindestlöhnen für Hausangestellte durchgesetzt. Fünf Jahre später wurde ein NAV auf schweizweiter Ebene unterzeichnet. Zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen werden tripartite Kommissionen des Bundes (TPK) eingesetzt, wobei auch der Aufenthaltsstatus der ArbeiterInnen überprüft wird. Dies führt zur widersprüchlichen Situation, dass bei der Kontrolle der Arbeitsbedingungen Sans-Papiers aufgrund ihrer fehlenden Aufenthaltsbewilligung ausgeschafft werden können. Wie positioniert sich die Kampagne «Keine Hausarbeiterin ist illegal» dazu? Pittà erklärt: «Wir unterstützen die engagierten Gewerkschaften bei den Neuverhandlungen und wollen somit eine bedeutende Verbesserung des NAV erreichen, sowohl bezüglich Wirkungsbereich wie auch bezüglich Mindestlohn. Die Kontrolle des NAV befürworten wir bezüglich der Durchsetzung der vereinbarten Arbeitsbedingungen, nicht aber bezüglich der Überprüfung des Aufenthaltsstatus‘.»

Die Falle des «?linken Utilitarismus?»

Die Kampagne muss als Bestandteil einer breiteren Bewegung verstanden werden, die für ein Bleiberecht für alle einsteht. Nicht alle in diesem Bereich tätigen Organisationen haben den Appell der Kampagne jedoch unterzeichnet. «Die Organisationen, die sich gegen einen Beitritt entschieden haben, gaben nachvollziehbare Gründe dafür an, die wir respektieren. In der Zusammenarbeit mit ihnen möchten wir auf bestehende Gemeinsamkeiten bauen. Wir sind erst am Anfang unserer Kampagne und zuversichtlich, dass dies gelingen kann. Eine innere Zerfleischung lehnen wir ab», so Pittà.

Wie sooft bei Kampagnen, die auf einer breiten Koalition von Organisationen mit unterschiedlichen Interessen basieren, besteht auch bei «Keine Hausarbeiterin ist illegal» die Gefahr, in die Falle des «linken Utilitarismus» zu tappen. So soll laut Petition an den Bundesrat die Verbesserung der juristischen Situation sowie der Arbeitssituation von Sans-Papiers darum erfolgen, weil «die Hausarbeiterinnen ohne geregelten Aufenthalt in bedeutender Weise dazu beitragen, dass der Wohlstand und die Lebensqualität unzähliger Menschen in der Schweiz zunehmen». Hier wird also argumentativ die utilitaristische Logik weitergeführt, wonach Sans-Papiers Rechte erhalten sollen, weil sie funktional sind für die hiesige Wirtschaft und Gesellschaft. In der Petition fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die Regularisierung der Sans-Papiers im Kontext einer weltweiten Bewegungsfreiheit zu verorten ist, durch die allen Menschen – unabhängig von ihrer Herkunft – die gleichen Rechte zugestanden werden sollen.

Tanzen oder Boxen?

Ist diese Perspektive einer Nachlässigkeit der InitiatorInnen geschuldet oder ist sie vielmehr in der Kampagne selbst angelegt? Die Kampagne erinnert stark an das, was sich im gewerkschaftlichen Vokabular als «Organizing» durchgesetzt hat. Es geht um den Versuch einer Kombination von Selbstorganisation der Betroffenen und «politischer Neupositionierung» bestehender Sans-Papiers Strukturen. Darauf weist auch die Liste der Organisationen hin, die hinter dem Verein stehen, nämlich in erster Linie Gewerkschaften und Sans-Papiers Anlaufstellen. So unterstreicht Pittà, dass die Selbstorganisation der direkt Betroffenen ein besonderes Anliegen der Kampagne ist: «In erster Linie sind wir daran, diese Strukturen zu stärken, wo sie vorhanden sind, oder dort aufzubauen, wo sie noch nicht existieren. Das gelingt uns sehr gut. Wir können bereits beobachten, dass sich Hausarbeitende ohne geregelten Aufenthaltsstatus zunehmend auch auf überregionaler Ebene einbringen. Mit unserer Argumentation und Bündnispolitik unterstützen wir darüber hinaus bewusst weiter gehende Bestrebungen, die schon seit Jahren dafür kämpfen, dass ein tiefer gehendes Umdenken in der Gesellschaft stattfinden kann.»

Organizing-Politik weist nun aber stets einen ambivalenten Charakter auf: Wie kann der Spagat zwischen Selbstorganisation und sozialpartnerschaftlicher Bündnispolitik gelingen? Oder, um in Bildern zu sprechen: Ist es möglich, mit PolitikerInnen, dem Bundesrat und den Arbeitgebenden «zu tanzen» und gleichzeitig gegen sie «zu boxen»? Zentral für die Beantwortung dieser Frage ist die Form der Aneignung des sozialen und politischen Terrains durch die Sans-Papiers selbst, die auf der Grundlage der (noch) marginalen und verstreuten Konflikte ihre Rechte einfordern.

WEITERE INFORMATIONEN ZUR KAMPAGNE  UND ZUR PETITION: WWW.KHII.CH

Dreckiges Gold

dreckiges_goldDie Schweiz hat eine zentrale Stellung im weltweiten Gold-Geschäft.  Mitte April trifft sich in Zürich die internationale Riege der Goldminen-BetreiberInnen. Ihr tägliches Geschäft hat neben Umweltverschmutzung auch die  Verschleuderung wichtiger Ressourcen zur Folge. Doch es rührt sich weltweit Widerstand, auch in Zürich.

Wenn man an Goldabbau denkt, dann hat man das Bild von Kumpels vor Augen, die in schlecht beleuchteten Stollen mit Spitzhacken oder Dynamit dem Berg mühevoll Geld abtrotzen – und mit etwas Glück auf eine reichhaltige Ader stossen. Doch dieses Bild ist veraltet, diese Vorkommen weitgehend aufgebraucht: Heute geht es meist um wenige Gramm Gold pro Tonne Fels. So werden Tausende Tonnen von Gestein gesprengt und dann mechanisch zu einem Pulver zermahlen. Dieses wird mit hochgiftigem Zyanid benetzt, um das Gold zu lösen. Das Verfahren hinterlässt eine grosse Menge an giftigem Schlamm, der in der Regel in Staubecken gelagert wird. Diese Becken sind oftmals undicht und werden bei starkem Regen überschwemmt. Bricht so ein Damm, bedeutet es die Vergiftung einer ganzen Region. Der Dammbruch in einer Golderz-Aufbereitungsanlage im Jahr 2000 im rumänischen Baia Mare führte zur grössten Umweltkatastrophe Osteuropas seit dem GAU in Tschernobyl: 1400 Tonnen Fisch starben. In einigen ungarischen Städten war die Trinkwasserversorgung für mehrere Tage unterbrochen. In Rumänien floss das Gift über Wassergräben in das Dorf Bozânta Mare und vergiftete Trinkwasser und Erdboden. Ähnliche Vorfälle in Ländern ausserhalb der Metropolenstaaten sind schlecht dokumentiert. In einzelnen Fällen wird der Giftmüll auch einfach in Flüsse oder ins Meer geleitet, mit verheerenden Folgen. Nebst den Umweltschäden braucht es für diese Art der Goldgewinnung immense Mengen an Energie, Sprengstoff, Chemikalien und Wasser – oft in Regionen, die unter Wassermangel leiden. Die Bevölkerung vor Ort lässt sich die Zerstörung ihrer Umwelt und die Verschleuderung wichtiger Ressourcen häufig nicht mehr widerstandslos gefallen. So kam es an verschiedenen Orten zu Protesten und Demonstrationen.

Das Treffen in der Schweiz

Vom 16. bis 18. April treffen sich am «European Gold Forum» (EGF) im Hyatt-Hotel in Zürich die Verantwortlichen für diese Verheerungen. Das EGF ist der Europäische Ableger des «Denver Gold Forum», der wichtigsten Konferenz für Goldminen-Firmen. Teilnehmen dürfen nur ausgewählte und eingeladene FirmenvertreterInnen sowie besonders wichtige InvestorInnen. Hinter geschlossenen Türen werden Deals verhandelt und abgeschlossen. Die meisten teilnehmenden Firmen sind von mittlerer Grösse und brauchen darum finanzstarke PartnerInnen, um neue Minen anzulegen. Sie umwerben die grossen Player in diesem Game: Newmont, Barrick Gold, Xstrata oder chinesische InvestorInnen.

Die meisten Gold-Minen-Firmen haben ihren Sitz in Kanada, aber das Schweizer Kapital ist stark daran beteiligt. Konzerne wie Glencore und Banken wie UBS, Credit Suisse oder Julius Bär investieren in Aktien dieser Firmen, oder sie kaufen ihnen Gold ab, um es als Basis für Fonds an ihre KundInnen weiter zu reichen. Die Schweiz hat ohnehin eine zentrale Stellung im weltweiten Gold-Geschäft. Nach Schätzungen wird über die Hälfte des jährlichen Bedarfs von 3800 Tonnen über die Schweiz verschoben. Nicht nur als virtuelle Werte, sondern als handfestes Material. Fünf der elf wichtigsten europäischen Goldraffinerien befinden sich in der Schweiz. Sie schmelzen Altgold wie auch rohes Gold, das direkt aus den Minen der ganzen Welt eingeflogen wird, zu reinen Goldbarren um. Genaueres über die Herkunft des Goldes ist nicht bekannt, da die Export-Import-Statistik der Schweiz nicht angegeben werden. Die GegnerInnen des Goldforums kennen die Gründe: «Diese Geheimhaltung wurde zur Zeit des UNO-Embargos gegen das Apartheid-Regime in Südafrika eingeführt, um zu verschleiern, dass die gesamte Südafrikanische Produktion in die Schweiz geliefert wurde. Ohne dieses Einkommen wäre das rassistische Regime sicherlich früher zusammengebrochen.»

Günstige Bedingungen 

Wie in kapitalistischen Unternehmen üblich, müssen die Kosten der Produktion möglichst tief gehalten werden. So suchen sich die Unternehmen Standorte aus, die günstige Bedingungen bieten. «Subventionierte Preise für Energie und Wasser, tiefe Löhne, tiefe Steuern, schwache Umweltbestimmungen und eine Bevölkerung, die sich schlecht wehren kann» (Homepage der GegnerInnen des Goldforums). Oft können die Minenkompanien auf die bedingungslose Unterstützung durch die Regierungen wirtschaftlich schwacher Länder setzen. Diese bieten nicht nur hervorragende Abbaubedingungen, sondern sind auch bereit, jeglichen Widerstand mit Gewalt zu unterdrücken.

Doch ruhig bleibt es trotzdem nicht: Menschen wehren sich weltweit gegen ihre Ausbeutung und gegen die Verschmutzung der Umwelt durch Minen. In den Philippinen etwa, wo eine riesige Gold-Kupfer Mine von Xstrata geplant ist, kam es schon vor Baubeginn zu Kämpfen mit mehreren Toten. In Erinnerung dürften jene MinenarbeiterInnen in Südafrika sein, die im August gegen die miesen Arbeitsbedingungen gestreikt haben – und von der Polizei niedergeschossen wurden. In Griechenland wurden kürzlich Baustellen einer geplanten Grossmine sabotiert und über 20 000 Menschen nahmen an einer Demonstration teil. Auch aus Argentinien, Kolumbien und Peru hört man immer wieder von Widerstandsaktionen. Zürich soll kein ruhiges Hinterland für die MinenbetreiberInnen bleiben: Am 17. April wird zu einer Demonstration in Zürich aufgerufen. Besammlung ist um 17.30 Uhr vor dem Park Hyatt Hotel.

Mehr Infos auf:

http://goldforumblog.wordpress.com

Weltsozialforum in Tunis

wsf_2013Unter dem Leitmotiv «?Würde?» fand Ende März in Tunis das Weltsozialforum statt – dort, wo vor gut zwei Jahren der Arabische Frühling seinen Anfang nahm. Die engagiert geführten Debatten und der Hang zum hektischen -Aktionismus konnten eine gewisse Ratlosigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Widersprüchen nicht verdecken. 

Derzeit blicken viele TunesierInnen mit gemischten Gefühlen den Wahlen vom kommenden Oktober entgegen, dann entscheidet sich die politische und gesellschaftliche Zukunft des Landes. Es scheint alles andere als gesichert, dass die progressiven Kräfte die Wahlen gewinnen. Zu gut organisiert und vor allem finanziell zu potent ist die «Ennahda» (islamische Partei), so dass viele mit ihr rechnen oder sie fürchten, je nach Perspektive.

Inmitten dieser unsicheren Situation fand Ende März unter dem Leitmotiv «Würde» das Weltsozialforum in Tunis statt. Es war eine Würdigung des tunesischen Aufstandes von 2011 mit seiner dreiteiligen Parole «Arbeit, Freiheit, Würde». Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet dieser unscharfe Begriff gewählt wurde, hält die Worthülse doch für allerlei her. Problematisch wird es, wenn «Würde» Recht ersetzt – und damit Ansprüche, die in Anschlag gebracht werden können. Bezeichnend war, dass sich diese Unschärfe auch in den Debatten wiederfand, kombiniert mit einem nervösen, ziellosen Aktionismus. Darüber konnte auch das immer noch den Geist des Aufbruchs des Arabischen Frühlings atmende Veranstaltungsgelände an der Universität El Manar nicht hinwegtäuschen – abgesehen von einigen düsteren Ecken mit iranischen Holocaustleugnern und konservativen islamischen Hilfswerken.

 

Wiederkehrende Debatten

Die einfältige Kritik, das Sozialforum sei von NGOs vereinnahmt, von kapitalistischen Unternehmen gekauft und von staatlichen Sicherheitskräften infiltriert, zielt am wesentlichen Punkt vorbei. Kann das Forum als eine globale Momentaufnahme des Zustands sozialer Bewegungen gelesen werden, so lassen sich zwei Problemfelder benennen. Erstens sind es die selben wiederkehrenden Themen, die seit Jahren dominieren: Migration und Bewegungsfreiheit, Landwirtschaft und Ernährungssouveränität, Ökologie, Frauenrechte. Dazu natürlich die Palästinafrage. Befremdlich war in letzterem Fall, dass nicht Akteure der «Zivilgesellschaft» den Ton angaben, sondern halboffizielle Gruppen, die von der Hamas, der Fatah oder dem Iran organisiert werden.

Doch die Debatten haben sich trotz ihrer Konstanz über die Jahre hinweg kaum weiterentwickelt. Zum Beispiel im Themenblock Migration: Als die grosse und einende Forderung aller Gruppierungen stellte sich im Schlussplenum wenig überraschend die Bewegungsfreiheit heraus. Das ist zwar durchaus ein drängendes und ungelöstes Problem, doch wurden die damit verbundenen Aporien nie auch nur ansatzweise ausformuliert. Bewegungsfreiheit ist zuallererst eine durch und durch neoliberale Forderung nach maximaler Flexibilität und der Widerspruch, dass eine kapitalistische Wirtschaftsordnung dennoch auf der temporären Festsetzung der Individuen als verwertbare Arbeitskräfte beruht, blieb unbeachtet. Ebenso ungeklärt blieb das Verhältnis von globaler Bewegungsfreiheit und dem engagierten Eingreifen in herrschende soziale Verhältnisse, das immer an einen konkreten Ort gebunden ist.

Die entscheidende Frage wäre also, wie die wichtige Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit in einer emanzipatorischen Perspektive artikuliert werden kann. Bezeichnenderweise war es ein junger Aktivist aus dem südtunesischen Zarzis, der in einer der Diskussionsrunden diesen Aspekt andeutete: Der exakte Moment der Migration ist der Entscheid, sich der Konfrontation an diesem singulären Ort zu entziehen, so sein Fazit. Während viele seiner Freunde im Januar 2011 diesen Weg wählten, blieb er. Diese Beobachtung darf aber auch nicht zum Argument gegen Bewegungsfreiheit umgemünzt werden, wie das die deutsche Kanzlerin Angela Merkel machte, als sie sich über all jene wunderte, die nach dem Sturz Ben Alis nicht im Land blieben, um am sozialen und politischen Umbau mitzuarbeiten.

Partikularismus allenthalben

Als zweites Problem stellte sich heraus, dass die einzelnen Themen kaum in einen grösseren gemeinsamen Zusammenhang gestellt wurden. So zerfielen die Diskussionen in Partikularismus. Dazu passte, dass ein hektischer Aktionismus die Reflexion dominierte. Unzählige Aktionen und Projekte wurden vorgestellt, entworfen und diskutiert. Ironischerweise wurde das reproduziert, was Basisbewegungen gerne den grossen NGOs vorwerfen – und zwar so weit, dass sogar in falsch verstandener Professionalität dieselbe Sprache des Managements nachgeahmt wurde.

Hinter den engagiert und lebhaft geführten Debatten und hinter den vielen Aktionen und Projekten wurde so immer wieder eine gewisse Orientierungslosigkeit greifbar. Das vergangene Weltsozialforum war eine grosse Auslegeordnung und ein idealer Platz des globalen Austausches. Über einen grossen Marktplatz der globalen Zivilgesellschaft kam es aber nicht hinaus

NEIN zur Asylgesetzrevision

AktionZuerich_gross.jpg.client.x675Die heute  vom Bundesrat verteidigte Verschärfung des Asylgesetzes ist eine weitere in einer langen Reihe. Mit jeder Revision innert der letzten 30 Jahre entfernte sich die Schweiz ein Stück mehr vom eigentlichen Sinn des Asylwesens: Verfolgten Schutz zu bieten.

Der Bundesrat legitimierte den Abbau von Flüchtlingsrechten heute erneut als „Kollateralschaden”, der auf Grund des dringenden Bedürfnises nach einer Beschleunigung der Asylverfahren in Kauf zu nehmen sei. Das Abstimmungskomitee möchte in diesem Kontext noch einmal klar betonen, dass die dringlichen Massnahmen zu keinerlei Beschleunigungen im Sinne der Aslysuchenden führen. Eine Beschleunigung der Verfahren in diesem Sinne wäre indes heute schon möglich, ohne dass eine Umstrukturierung des Asylwesens und somit die dazu in den dringlichen Massnahmen platzierte Testphase von Nöten wäre. Um bereits heute die Asylverfahren zu beschleunigen, müsste das Bundesamt für Migration (BFM) lediglich die potentiell aussichtsreichen Aslygesuche priorisieren und behandeln. Doch dies ist schlicht und einfach nicht im Interesse der rechtskonservativen Entscheidungsträger.

Die aktuelle Revision ist in diesem Sinne besonders fragwürdig, weil sie mit der Abschaffung des Botschaftsasyls die Hilflosesten unter den Schutzbedürftigen trifft. Frauen und Kinder müssen eine von Schlepperbanden organisierte, gefährliche Reise unternehmen, weil sie gezwungen werden, das Asylgesuch in der Schweiz zu stellen. Dass Kriegstdienstverweigerung zum Asylausschluss-Grund wird, selbst wenn sie zu Folter und unmenschlicher Behandlung führte, schwächt die Position von mutigen Menschen – Menschen, die sich gegen diktatorische Militärregimes zur Wehr setzen, wie sie zum Beispiel in Syrien oder Eritrea herrschen.

Abschreckung funktioniert nicht

Die Bildung von Lagern für „renitente“ Asylsuchende öffnet aufgrund der vagen Kriterien der Willkür Tür und Tor. Die Verkürzung der Beschwerdefristen gegen asylrechtliche Entscheide von 30 auf 10 Tage, wie sie die Testphasen vorsehen, verunmöglicht ein faires Verfahren. Hier setzt die Testphase einen Standart für die Zukunft, der so nur schwer wieder aus dem Gesetz zu tilgen sein wird.

Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge findet Schutz in der Schweiz Die Anzahl der Asylsuchendem in der Schweiz entwickelt sich – unabhängig von Verschärfungen – im gleichen Mass wie in den umliegenden Ländern. Fluchtursachen sind die unzähligen Bürgerkriege, Menschenrechtsverletzungen und das Elend, welches das Schicksal der Menschen global prägt. 43 Millionen Vertriebene sind weltweit auf der Flucht. 80 Prozent von ihnen bleiben in ihrer Herkunftsregion, also in erster Linie in Entwicklungsländern. In Europa und in der Schweiz findet nur ein Bruchteil der verfolgten Menschen Schutz. Dass die Schweiz über eine Abschreckungspolitik Flucht zu unterbinden versucht, funktioniert nicht. Zu diesem Schluss kamen diese Woche erfreulicherweise auch die CVP Frauen.

Das Referendumskomitee beginnt heute mit einer Vorkampagne zu der eigentlichen Abstimmungskampagne. Wir verweisen in diesem Kontext auf die neue Kampagnenseite: www.asyl.ch

«AHV-plus» lanciert

rentner

Heute können viele Menschen mit ihren Renteneinkommen aus erster und zweiter Säule im Alter ihr «gewohntes Leben» nicht mehr «angemessen» weiterführen, wie es die Verfassung verspricht. Zudem hinken die AHV-Renten immer mehr den Löhnen hinterher und die Leistungen der zweiten Säule stehen unter Druck. Deshalb sollen die AHV-Renten umDie AHV ist die sicherste, effizienteste und sozialste Altersvorsorge der Schweiz. Seit Jahren wird die AHV von Sozialabbau-Ideologen schlechtgeredet. Die so geniale wie einfache und solidarische Finanzierung der AHV sorgt jedoch dafür, dass die wichtigste Schweizer Sozialversicherung solide dasteht. Wider besseren Wissens werden die Angriffe auf das Erfolgsmodell AHV fortgesetzt. Jetzt ist es Zeit für ein Gegenprojekt, das den Bedürfnissen breiter Kreise Rechnung trägt. Der SGB fordert zusammen mit seinen Mitgliedsverbänden, weiteren Arbeitnehmer-Organisationen (etwa den Lehrerverbänden), der SP, den Grünen sowie Rentner/innen-Organisationen einen Zuschlag von 10 Prozent auf allen AHV-Renten. Für Alleinstehende steigt so die durchschnittliche AHV-Rente um rund 200 Franken und für Ehepaare um rund 350 Franken pro Monat.

Von der Erhöhung würden insbesondere Frauen profitieren: Wegen Mutterschaft und Kinderbetreuung erhalten Frauen oft nur kleine Pensionskassenrenten. Bei der AHV dagegen werden die Erwerbsunterbrüche dank Erziehungsgutschriften ausgeglichen, so dass auch Frauen mit Kindern gute AHV-Renten ausbezahlt werden. Ein Zuschlag auf den AHV-Renten zahlt sich damit für Frauen überdurchschnittlich aus. Eine Stärkung der AHV ist vor allem auch für die junge Generation interessant. Für Personen mit tiefen und mittleren Einkommen ist die mit AHVplus erzielte Rentenerhöhung viel günstiger als wenn das gleiche Ziel über die Pensionskasse erreicht werden müsste. Denn privates Sparen für das Alter kostet viel mehr, weil Banken und Versicherungen mitverdienen.

Was etwas wert ist, kostet auch etwas: Die Rentenverbesserung wird auf 3,6 Milliarden Fr. veranschlagt. Würde die Schweiz eine nationale Erbschaftssteuer einführen, so wären 2 Milliarden bereits finanziert. Und würde die Tabaksteuer direkt in die AHV fliessen statt in die Bundeskasse, stünden der AHV auf einen Schlag weitere 2,2 Milliarden Frankenmehr zur Verfügung.

Sämtliche Info zur Initiative: www.sgb.ch

Am Fundament des Kapitalismus gekratzt

SAMSUNG DIGITAL CAMERADie Initiative «Steuerbonus für dich» der Partei der Arbeit Zürich soll verfassungswidrig sein. Hingen ist das Belügen des Volkes im Interesse des Kapitals völlig legal, wie die Unternehmersteuerreform II eindrücklich beweist. Eine Reise in die Welt der Interessenvertretung des bürgerlichen Staates.

Aus der Printausgabe des vorwärts vom 15.März. Unterstütze uns mit einem Abo.

Der Zufall wollte es, dass am 15. Februar zwei Nachrichten in der Presse zu lesen waren, welche einmal mehr mit aller Deutlichkeit aufzeigen, welche und wessen Interessen in einem kapitalistischen Staat unter dem Deckmantel der Demokratie vertreten werden: Die erste Nachricht betrifft die Initiative «Steuerbonus für dich» der Partei der Arbeit Zürich: Der Regierungsrat des Kantons Zürich wird beim Kantonsrat beantragen, die Initiative für ungültig zu erklären, da sie «verfassungswidrig» sei. Dies weil es durch die von der Initiative «klar festgeschriebenen Beträge zu Brüchen und Sprüngen in der Steuererhebung kommt» und der Steuerbonus «eine abrupt einsetzende, erhebliche Umverteilungssteuer ist». Die juristischen Details sind dabei Nebensache. Es handelt sich um eine politische Frage, ob die Initiative gültig oder nicht ist, denn darüber stimmt am Ende der Kantonsrat ab und der ist ein politisches und kein juristisches Gremium.

Zur Erinnerung: Die Initiative fordert die einmalige Besteuerung von mindestens 1 Prozent des Privatvermögens ab 3 Millionen und des Eigenkapitals bei Firmen ab 5 Millionen Franken. Mit diesen Einnahmen von über 5 Milliarden Franken wird der Steuerbonus für rund 80 Prozent der Steuerpflichtigen finanziert. In den Genuss des Bonus’ kommen die Einkommen bis 100 000 Franken, bzw. 150 000 bei Ehepaaren. Die Höhe beträgt 5000 Franken pro Person plus 3 000 Franken pro Kind bis zum 18. Lebensjahr, was zu einer erheblichen Entlastung der unteren und mittleren Einkommen führen würde. Ein Beispiel: Eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind bekäme einen Steuerbonus von 8 000 Franken.

Verfassung und Demokratie

Die zweite Nachricht betrifft die Unternehmersteuerreform II: Der Bundesrat gab bekannt, dass er die jährlichen Steuerausfälle auf «480 bis 600 Millionen Franken pro Jahr» schätzt, wovon «200 bis 300 Millionen auf Kantone und Gemeinden entfallen». Zur Erinnerung: Die Unternehmenssteuerreform II ist 2008 mit 50,5 Prozent Ja-Stimmenanteil gutgeheissen worden. Die Reform erlaubt es den Unternehmen, Kapitaleinlagen, die den Aktiennennwert übersteigen, an die Aktionäre zurückzuzahlen, ohne dass diese darauf Steuern entrichten müssen. Dies führte dazu, dass «bis Ende 2012 mehrere tausend Unternehmen gut 1008 Milliarden Franken Reserven aus Kapitaleinlagen zur steuerfreien Ausschüttung angemeldet» haben, informierte der Bundesrat weiter. 1008 Milliarden, das ist 1 Billion und 8 Milliarden und so sieht die Zahl ausgeschrieben aus: 1?008?000?000 000.

Doch bei der Abstimmung wurde das Volk bilderbuchmässig angelogen! Im Abstimmungsbüchlein – und das ist immerhin die offizielle Dokumentation der Regierung, mit der sich das Volk eine Meinung bilden kann – hatte der Bundesrat geschätzt, dass der Systemwechsel zu Steuerausfällen von insgesamt (!) 83 Millionen Franken beim Bund und etwa 850 Millionen Franken bei den Kantonen führen würde. Nun beträgt das Steuergeschenk an die Unternehmen – wie gesehen – bis zu 600 Millionen pro Jahr! Sicher, auch die grössten FinanzexpertInnen im Finanzdepartement können sich mal verrechnen, doch der Unterschied zwischen «83 Millionen insgesamt» und «600 Millionen pro Jahr» ist derart massiv, dass es sich nicht nur um einen Rechenfehler handeln kann. So ist in der logischen Konsequenz die Lüge des Bundesrats im Gegensatz zur Initiative der PdAZ verfassungskonform. Das Volk anzulügen für die Interessen der KapitalistInnen ist legal, das Volk für die einigen Interessen demokratisch abstimmen zu lassen hingegen illegal. So viel zum Thema Verfassung und Demokratie!

Eine ganz simple Frage

Zurück zur Initiative: Es mutet seltsam an, wenn der Kanton Zürich, der selbst ausreichend über Fachkräfte verfügt, ein Rechtsgutachten einholen muss. Dies gewissermassen, um die Ungültigkeit der Initiative zu beweisen, wofür ein Gutachten von 27 (!) Seiten nötig ist. Der Kern, das politische Epizentrum des ganzen Gutachtens, ist folgender Satz: «Die Wegnahme und Umverteilung als erklärter Primärzweck der Initiative steht mindestens in einem Spannungsverhältnis zur Eigentumsgarantie.» In der Tat: Die Initiative kratzt – denn viel mehr ist wirklich nicht – an den Eigentumsverhältnissen. Sie kratzt am Privateigentum, am Fundament, an der Voraussetzung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Sie stellt die simple Frage: Wie ist es möglich, dass so wenige so viel besitzen und im Gegensatz so viele so wenig haben? Im Kanton Zürich besitzen 1,5 Prozent der Steuerpflichtigen gemeinsam mehr als 123 Milliarden Franken und somit 45 Prozent des gesamten Privatvermögens. Noch eklatanter wird das Verhältnis bei den Firmen: Rund 2400 (5,2 Prozent) der Firmen im Kanton Zürich haben ein Eigenkapital von mehr als fünf Millionen Franken und kommen gemeinsam auf ein Vermögen von über 405 Milliarden (!) Franken. Sie besitzen somit 96 Prozent des gesamten Eigenkapitals. Die HüterInnen der kapitalistischen Ordnung, in diesem Fall die bürgerliche Regierung des Kantons Zürich, tun alles, damit über diese krassen Missverhältnisse nicht mal diskutiert werden soll und kann. So wird die Ungerechtigkeit im Namen des Gesetzes geschützt.

Wie erwähnt .?.?.

«Hat der Regierungsrat Angst vor dem Volksentscheid?», fragt die PdAZ in ihrer Stellungnahme. Die Partei hält weiter fest, dass «die Initiative von mehr als 7 200 Stimmberechtigten unterschrieben worden ist und daher die demokratische Legitimation besitzt, dass die Bevölkerung über diese Vorlage entscheiden darf.» Dafür wird die PdAZ bis vor Bundesgericht gehen. Zuvor wird sie aber die Kantonsräte der SP und der Grünen einladen, sich bei der Abstimmung über die Gültigkeit der Initiative zu enthalten. So käme die geforderte Zweidrittelmehrheit im Kantonsrat nicht zustande und die Initiative müsste zur Abstimmung vorgelegt werden. Wie bereits erwähnt: Es ist eine politische und keine juristische Frage, ob über den «Steuerbonus für dich» abgestimmt wird oder eben nicht.

Hugo Chávez ist tot

hugo-chavezAm Dienstag, 5 März 2013 um 16:47 Uhr (Ortzeit) erlag der venezolanische Präsident und Mitbegründer der bolivarischen Bewegung Hugo Chávez seinem Krebsleiden. Dies gab Vizepräsident Nicolás Maduro nach einem Treffen mit den führenden Politikern der sozialistischen Partei PSUV in Caracas bekannt. Unmittelbar vor der Todesnachricht hatte Vizepräsident Nicolás Maduro erklärt: «Unsere Revolution ist vorbereitet und stärker als jemals zuvor.»

«Heute verstarb Kommandant und Präsident Hugo Chavez, nachdem er seit fast zwei Jahren hart mit seiner Krankheit kämpfte, in Liebe zum Volk, mit dem Segen der Menschen und der absoluten Loyalität seiner Genossinnen und Genossen, in Liebe zu all seinen Familienangehörigen», heisst es in der Erklärung von Nicolás Maduro.

Er rief die Unterstützer der sozialistischen Bewegung auf, sich vor dem Militärhospital «Dr. Carlos Arvelo» in Caracas und auf den öffentlichen Plätzen des Landes zu versammeln. «Wir singen das Lied von Alí Primera: Diejenigen, die für das Leben starben, darf man nicht als tot bezeichnen», sagte Maduro in einer landesweit übertragenen Ansprache um 17 Uhr (Ortszeit).

Revolutionär und Präsident

Hugo Chávez, Sohn eines Dorfschullehrers aus dem Dorf Sabaneta im ländlichen Bundesstaat Barinas, regierte Venezuela seit dem Jahr 1999. Nach seiner ersten Wahl im Dezember 1998 berief er eine verfassunggebende Versammlung ein, deren Vorschlag 1999 in einem Referendum als neues Grundgesetz angenommen wurde. Nach einer seit 1984 anhaltenden Wirtschaftskrise galt der verfassunggebende Prozess als eine Neugründung des Landes.

Seit seinem offiziellen Amtsantritt bestätigte die venezolanische Bevölkerung den 1954 geborenen Politiker drei Mal bei Präsidentschaftswahlen sowie in einem Abwahlreferendum – jeweils mit sehr hohen Zustimmungswerten.

Seine politische Laufbahn begann Hugo Chávez im Jahr 1978 als Mitglied der illegalen Revolutionären Partei Venezuelas (PRV) des Guerilla-Kommandanten Douglas Bravo. Ab 1982 organisierte er für die PRV eine Struktur von oppositionellen Offizieren, die im Jahr 1992 zwei Aufstände gegen den sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andrés Pérez durchführten.

Anlass für die Umsturzversuche war die blutige Niederschlagung eines Volksaufstandes (Caracazo), welche zwischen 300 und 3.000 Menschenleben kostete. Die spontane Revolte richtete sich gegen ein Kürzungsprogramm, dass Carlos Andrés Pérez kurz nach seiner Wahl verabschiedete. Der Sozialdemokrat war nach zehn Jahren Wirtschaftskrise im Dezember 1988 zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden, weil er versprochen hatte die unsozialen Kürzungsmassnahmen zu beenden.

Hugo Chávez erlangte landesweite Berühmtheit, weil er nach dem Scheitern der ersten Militärrevolte am 4. Februar 1992 im Fernsehen live die Verantwortung für die Unternehmung übernahm. Mit den Worten «Wir sind gescheitert, vorerst» richtete er sich an die am Aufstand beteiligten Offiziere und bat sie, weitere Blutvergiessen zu verhindern. Das Schlagwort «por ahora» (vorerst) entwickelte sich später zum Kennzeichen einer breiten Bewegung der Bevölkerung.

Nach den zivil-militärischen Umsturzversuchen gründete Hugo Chávez ab 1995 das Wahlprojekt «Bewegung Fünfte Republik» (MVR), für das er schliesslich 1998 die Präsidentschaftswahlen gewann und damit die 40-jährige Herrschaft von Sozial- und Christdemokraten in dem ölreichen Land beendete. Zu diesem Zeitpunkt lebten mehr als 60 Prozent der Venezolaner unter der Armutsgrenze, die Inflation betrug 110 Prozent.

Staatstrauer in Kuba und Argentinien

Unmittelbar nach der Nachricht vom Tod des venezolanischen Präsidenten gingen aus ganz Lateinamerika Beileidsbekundungen ein.

In Havanna rief Präsident Raul Castro eine zweitägige Staatstrauer aus, in Argentinien Präsidentin Cristina Fernandez eine dreitägige. Der Präsident von Ecuador, Rafael Correa, sagte seinem Freund einen dauerhaften Einfluss in Lateinamerika voraus: «Wir haben einen Revolutionär verloren, aber Millionen von uns bleiben (von ihm) inspiriert.».

Der bolivianische Präsident Evo Morales, ebenfalls Weggefährte von Chávez, sagte, der Verstorbene werde allen Völkern eine Inspiration sein, «die für ihre Befreiung kämpfen». Castro sagte: «Das kubanische Volk betrachtet in als einen seiner herausragendsten Söhne.» In Nicaragua sagte Rosario Murillo, Frau und Sprecherin von Präsident Daniel Ortega, Chávez sei «einer der Toten, die niemals sterben» und fügte hinzu: «Wir sind alle Chávez.»

Der gerade im Amt bestätigte Präsident Ecuadors, Rafael Correa, erklärte: «Ecuador solidarisiert sich angesichts dieses unermesslichen Verlustes für Venezuela und ganz Lateinamerika.»

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos bezeichnete den Tod von Hugo Chávez als grossen Verlust für Venezuela und die gesamte Region. «Die beste Wertschätzung, die wir seinem Andenken entgegen bringen können, ist, dass wir eine Regelung über das Ende des Konfliktes in Kolumbien erreichen. Er sagte, dies sei das, was Bolívar wollte.»

Aus den USA meldete sich Präsident Barack Obama mit den Worten: «Heute beginnt ein neues historisches Kapitel für Venezuela. Die Vereinigten Staaten bestätigen ihre Unterstützung für Politikansätze, die demokratische Prinzipien, den Rechtsstaat und Respekt für die Menschenrechte befördern.»

Quelle und weitere Infos; www.amerika21.de

Erste Proteste in der Druckindustrie

sindycomDie Arbeitsbedingungen in der grafischen Industrie sind seit dem 1. Januar 2013 nicht mehr durch einen GAV abgesichert; es herrscht der vertragslose Zustand. Der Arbeitgeberverband Viscom hat im Dezember 2012 die Vertragsverhandlungen mit den Gewerkschaften syndicom und syna abgebrochen. Etwa 750 Beschäftigte folgten dem Aufruf zu einem Aktionstag am 1. März als erstem öffentlichem Protest gegen diese Situation.

Zwei Ziele bezweckte der Aktionstag vom 1. März: Einerseits untermauerten die Gewerkschaften syndicom und syna ein weiteres Mal ihre Forderung nach einem GAV ohne Abstriche. Weder die von Unternehmerseite geforderte Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit um 2 auf 42 Stunden noch die weitere Senkung der Zuschläge für Nachtarbeit sind die richtige Antwort auf die strukturellen Probleme der grafischen Industrie. Andererseits wurde am 1. März gegen Betriebe protestiert, die die Arbeitsbedingungen schon jetzt verschlechtert haben oder dies beabsichtigen.

Die Gewerkschaften sind sehr zufrieden mit der Beteiligung an den Aktionen in Winterthur, Luzern, Genf, Glovelier und Fribourg. Zwei Versammlungen waren besonders erfolgreich: In Winterthur unterstützten rund 150 Personen die Beschäftigten der Druckerei Ziegler Druck AG, die gegen den von der Geschäftsleitung geplanten, massiven Abbau der Zuschläge kämpfen, der für sie einen Verlust zwischen 500 und 1000 Franken pro Monat bedeuten würde!

Vor der Druckerei St-Paul in Fribourg demonstrierten über 500 Personen für die Wiederinkraftsetzung des GAV und gegen die geplante Schliessung der Zeitungsdruckerei St-Paul per Ende 2014, bei der 50 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Mit einem Protestmarsch wurde dem Verwaltungsrat der Freiburger Nachrichten und dem Regierungsrat des Kantons Freiburg eine Petition mit über 11´500 Unterschriften überreicht, die innert kürzester Zeit von breiten Teilen der Bevölkerung gesammelt worden waren. Die Unterzeichnenden fordern Kanton und FN auf, alles zu tun, um diese Arbeitsplätze zu sichern und die Unabhängigkeit der Freiburger Presse zu gewährleisten.

Mit dem Aktionstag fordern die Gewerkschaften den Unternehmerverband Viscom ein weiteres Mal auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren – der alte GAV soll möglichst rasch ohne Abstriche wieder in Kraft gesetzt werden. syndicom weist darauf hin, dass sich an einer Urabstimmung 95 Prozent der Abstimmenden für Kampfmassnahmen ausgesprochen haben. Weitere Aktionen sind jederzeit möglich.

Quelle und weitere Infos: www.syndicom.ch

Verschärfung der Einbürgerungspraxis

ch-passDie SPK-N hat es verpasst, die Schweizer Migrationspolitik auf einen zeitgemässen Kurs zu bringen und die Legitimität der hiesigen Demokratie breiter abzustützen. Stattdessen will sie die äusserst restriktive Einbürgerungspraxis der Schweiz noch verschärfen – und somit die Glaubwürdigkeit des demokratischen Systems weiter untergraben.

In Ihrer abschliessenden Beratung über die Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes hat die SPK-N heute entschieden, dass in Zukunft ein Einbürgerungsgesuch nur stellen dürfe, wer im Besitz einer  Niederlassungsbewilligung ist. Diese Änderung bedeutet eine massive Einschränkung der Einbürgerungspolitik.

In der Schweiz leben derzeit rund 1,8 Millionen Personen ohne Schweizer Pass. Rund die Hälfte dieser Personen leben hier bereits seit mehr als 10 Jahren – ein Fünftel von Ihnen ist sogar hier geboren. Die hier lebenden Migrantinnen und Migranten tragen einen grossen Teil zum Funktionieren der hiesigen Wirtschaft, den hiesigen Gesundheitseinrichtungen, den hiesigen Schulen – kurz zum ökonomischen und gesellschaftlichen Wohlstand der Schweiz bei. Diese Menschen systematisch die politische Partizipation zu verweigern und sie aus wichtigen gesellschaftlichen Teilen des Zusammenlebens auszuschliessen, ist schlicht undemokratisch – und birgt auch gewisse Gefahren.

War in der Variante des Bundesrates wenigstens noch eine Verkürzung der erforderlichen Aufenthaltsdauer vorgesehen (von 12 auf 8 Jahre), so wurde dieses Vorhaben von der SPK-N gestrichen.

MigrantInnen werden zunehmend mit Forderungen konfrontiert, die sie erfüllen sollten, um als „erfolgreich integrierte“ Personen ein Einbürgerungsgesuch stellen zu können. Die in diesem Gesetz aufgestellten Forderungen sind äusserst realitätsfremd und diskriminierend – viele Schweizerinnen und Schweizer würden dieselben Bedingungen niemals erfüllen. Das Schlüsselwort „Integration“ wird so in sein Gegenteil verkehrt: MigrantInnen gelten als „Menschen zweiter Klasse“ und werden aus dem sozialen und politischen Leben ausgegrenzt.

Die Schweizer Migrationspolitik sollte sich endlich der Realität stellen: Das Erlangen des Bürgerrechtes kann nicht die Belohnung für eine – wie auch immer definierte – „gelungene Integration“ sein. Im Gegenteil:Bürgerrechte bilden die Voraussetzung für jede Form der Integration in respektive durch eine Gesellschaft. Wer will, dass sich Einwohnerinnen und Einwohner in und an der jeweiligen Gesellschaft beteiligen, muss sie auch an dieser Gesellschaft teilnehmen lassen.

Es bleibt zu hoffen, dass der Nationalrat die Problematik dieser Verschärfungen erkennt, und die Gesetzesvorlage in der Frühjahrssession mit Blick auf eine zeitgemässe und demokratiefreundlichere Migrationspolitik korrigiert.

Quelle: Medienmitteilung der FIMM (Forum für die Integration von Migrantinnen und Migrangten)

www.fimm.ch

Bedroht Staumauer das AKW Mühleberg?

Nuclear Power Plant Muehleberg in Switzerland Atomkraftwerk M¸hlebergDie Gutachten der BKW zur Erdbebensicherheit der Wohlensee-Staumauer weisen gravierende Mängel und Widersprüche auf. Zu diesem Schluss kommen zwei heute in Bern vorgestellte unabhängige Expertengutachten. Ein Versagen der Staumauer würde unweigerlich zu einem Atomunfall im AKW Mühleberg führen. Greenpeace fordert das Bundesamt für Energie als zuständiges Amt für die Sicherheit der Talsperren eindringlich auf, umfassende Vorsichtsmassnahmen zu prüfen. Die Staumauer darf unter diesen ungeklärten Umständen nicht als sicher eingestuft werden.

Im Nachgang zur Atom-Katastrophe in Fukushima mussten die Bernischen Kraftwerke (BKW) im Januar 2012 die Erdbebenfestigkeit der Wohlensee-Staumauer beweisen. Fazit der Aufsichtsbehörden ENSI und Bundesamt für Energie (BFE): Sicherheitsnachweis erbracht. Dem widersprechen nun die Einschätzungen von zwei Experten, die ihre Erkenntnisse zusammen mit Greenpeace heute an einer Medienkonferenz in Bern vorstellten.

Markus Kühni, Ingenieur und profunder Kenner und Kritiker des AKW Mühleberg, hat die Unterlagen der BKW untersucht und das Vorgehen der zuständigen Aufsichtsbehörden rekonstruiert. Sein Fazit: „Die Staumauer oberhalb des AKW Mühleberg erfüllt die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht und darf somit nicht als sicher eingestuft werden. Es deutet alles darauf hin, dass das BFE und das ENSI ihren Aufsichtspflichten nicht nachgekommen sind.“ Besonders irritierend ist die Tatsache, dass die BKW ein erstes Gutachten seiner Fachgutachterin (Firma Stucky) einreichte, das zum Schluss kam, dass die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten seien. Danach folgten zwei weiteren Versionen, die ohne plausible Begründung zu gegenteiligen Schluss kamen.

Greenpeace hat Kühnis Befund durch den Geotechnik-Professor Dr. Wei Wu der Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) überprüfen lassen. Die Dokumentation der BKW sowie die Stellungnahmen des BFE halten auch der unabhängigen Prüfung dieses Spezialisten nicht stand: „Sie sind lückenhaft und reichen aus geotechnischer Sicht als Sicherheitsnachweis nicht aus.“ Wu‘s Kritikpunkte reichen von widersprüchlicher Anwendung von Sicherheitsrichtlinien über nicht plausible Annahmen in Bezug auf bodenmechanische Kennwerte (Kohäsion) bis zu fehlenden Nachweisen zum Verhalten der Staumauer im Erdbebenfall.

Die Staumauer muss auch bei einem Erdbeben 20 Millionen von Kubikmetern Wasser halten und das AKW Mühleberg schützen, das sich nur 1,3 Kilometern flussabwärts befindet. Ein Versagen der Staumauer hätte verheerende Konsequenzen für das AKW und damit für die Bevölkerung in der Agglomeration von Bern. Gemäss Selbsteinschätzung der BKW wäre ein nicht beherrschbarer Unfall im AKW Mühleberg die Folge.

Greenpeace fordert das BFE eindringlich auf, umgehend umfassende Vorsichtsmassnahmen zu prüfen. Es hat sich zu den kritisierten? Sicherheitsmängeln zu äussern, wie auch das Zustandekommen des mehrmals beschönigten Gutachtens der Firma Stucky zu erklären. Greenpeace hat zudem Bundesrätin Doris Leuthard, die Aufsichtsbehörden und den Berner Regierungsrat brieflich über die unhaltbare Situation informiert und sofortiges Handeln gefordert: „Eine unabhängige Expertenkommission muss den Fall untersuchen. Weder darf das BFE der Wohlensee-Staumauer, noch das ENSI dem AKW Mühleberg unter diesen Umständen eine Erdbebensicherheit attestieren“, betonte heute Kaspar Schuler von Greenpeace.

Quelle: Medienmitteilun Greenpeace

Demokratie des Vorurteils

03_WahlurneEine aktuelle Studie zeigt auf, dass sich Urnenabstimmungen diskriminierend auf Einbürgerungsentscheide auswirken. Insbesondere rassistisch Marginalisierte wurden ohne Begründung massenhaft abgelehnt. Unter den Bedingungen der -kapitalistischen Gesellschaft stellt sich die Frage, inwiefern eine radikale Linke für die direkte Demokratie einstehen kann.

Aus dem vorwärts vom 15.Februar 2013. Unterstütze uns mit einem Abo!

Im Amtsbulletin der meisten Schweizer Gemeinden gab es bis vor etwa zehn Jahren auf den hinteren Seiten eine veritable Menschenschau. Da wurden jene Menschen abgebildet und beschrieben, die seit mindestens zwölf Jahren in der Schweiz lebten und sich nun anmassten, vollwertige Schweizer BürgerInnen werden zu wollen. Über diese Gesuche durften dann die alteingesessenen Schweizer StimmbürgerInnen an der Gemeindeversammlung entscheiden. Noch 1990 wurde in 80 Prozent der Schweizer Gemeinden bei Einbürgerungen auf diese Weise auf die direkte Demokratie gesetzt. Einen Wechsel gab es erst vor zehn Jahren aufgrund eines Entscheides des -Bundesgerichtes. Dessen Richter hatten Negativentscheide an der Urne für unrecht erklärt. Jede abgelehnte BewerberIn habe das Recht auf einen Rekurs, dieser sei aber an der Urne nicht möglich, argumentierte das Gericht. Die SVP ging damals auf die Barrikaden. Sie wusste genau, auf welche Sorte stolzer Stimm-bürgerInnen sie zählen konnte. Und so setzte sie auf eine politische Offensive für die Abstimmung an der Urne. Ihre Volksinitiative «für demokratische Einbürgerungen» wurde allerdings 2008 mit über 63 Prozent klar abgelehnt. Heute entscheiden nur noch 30 Prozent der Gemeinden an der Urne über Einbürgerungen. Eine aktuelle Studie förderte nun zu Tage, welche Diskriminierung die Einbürgerungspraxis der direkten Demokratie zur Folge hatte und in einigen Gemeinden immer noch hat.

 

Diskriminierung an der Urne

Im Rahmen der vom «Schweizerischen Nationalfonds» geförderten Studie analysierten ForscherInnen die Daten von mehr als 2400 Einbürgerungsanträgen, über die in den Jahren 1970 bis 2003 in 44 Gemeinden entschieden wurde. Die Untersuchung kam zu einem wenig überraschenden Resultat: Menschen aus Ex-Jugoslawien oder der Türkei wurden an der Urne zehnmal so oft abgelehnt wie die AntragstellerInnen aus Italien oder Spanien. Die xenophoben Präferenzen verhalten sich dabei dynamisch und reagieren auf den Zustrom neuer MigrantInnen: Immer diejenige Gruppe von EinwandererInnen, die zuletzt ins Land kommen, wird am stärksten abgelehnt. Dabei haben Faktoren wie Sprachkenntnisse, Stellung im Arbeitsleben oder die überall so hoch gelobte Integration praktisch keinen Einfluss. In Gemeinden mit einem hohem Anteil an SVP-WählerInnen ist die Diskriminierungsrate am höchsten. Man muss es so drastisch sagen, wie es ist: An der Urne entschied und entscheidet in den allermeisten Fällen das Ressentiment über die Einbürgerungen.

Die Studie untersuchte auch den Wechsel der Einbürgerungspraxis von der Urnenabstimmung zur Bearbeitung durch gewählte PolitikerInnen. Im ersten Jahr nach dem Wechsel stiegen die Einbürgerungsraten sprunghaft um 50 Prozent an. Innerhalb von zwei Jahren verdoppelten sie sich. Je marginalisierter die Gruppe der AntragstellerInnen war, desto stärker stieg die Einbürgerungsquote: Für Menschen aus der Türkei um 65 Prozent, für jene aus Ex-Jugowslawien gar um 75 Prozent, während die Rate für italienischstämmige GesuchstellerInnen mit einem Anstieg von 6 Prozent nur leicht zunahm. «Ohne den Wechsel wären zwischen 2005 und 2010 rund 12?000 Immigranten weniger eingebürgert worden», erklärt Dominik Hangartner, einer der Wissenschafter. Die Studie empfiehlt, dass künftig Einbürgerungen von GemeinderätInnen, Parlamenten oder spezialisierten Kommissionen vorgenommen werden sollen, um Diskriminierungen zu vermeiden.

Direkte Demokratie von rechts

Die Gründe für den frappanten Unterschied in der Einbürgerungsquote sieht die Studie nicht etwa darin, dass die gewählten PolitikerInnen weiter links oder offener seien als ihre WählerInnen. Der Grund sei ein anderer: Wenn ein Antrag gestellt wird, dann können die WählerInnen an der Urne frei nach Gutdünken und Vorurteil walten, ohne jemandem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen. Anders sieht das bei den gewählten VertreterInnen aus. Diese müssen bei einer Ablehnung eine schriftliche, stichhaltige und allenfalls rekursfähige Begründung -abgeben.

Man muss dem hinzufügen, dass es der SVP in den vergangen Jahren immer wieder gelungen ist, die vorhandenen Ressentiments in der Bevölkerung zu schüren und ihr die entsprechenden -Objekte zu bieten. Ob es dabei um «Scheininvalide», «Sozial-schmarotzerInnen» oder eben jene «kriminellen Aus-län-derIn-nen» ging, man konnte sie an der Urne abstrafen. Auch wenn der Aufstieg der SVP in den letzten Jahren – auch durch interne Machtkämpfe – etwas gebremst wurde, es gelang ihr nach wie vor, über die direkte Mobilisierung des Stimmvolkes Erfolge zu erzielen. Darum griff die SVP in der Vergangenheit immer wieder im Namen des Plebiszits rechtsstaatliche Institutionen an. Sie weiss genau, mit welchen StimmbürgerInnen sie rechnen kann. Was die SVP anstrebt, ist nicht weniger, als eine autoritäre Herrschaft in direkt-demokratischer Form. Eine formierte Gesellschaft, die fremde und störende Elemente immer wieder marginalisiert und aussondert. Die tragenden Ressentiments werden dabei nicht von der SVP erschaffen – auch wenn sie sie immer wieder forciert und verstärkt –, sondern von einer Gesellschaft hervorgebracht, die auf der Konkurrenz basiert und den Einzelnen als Warenmonade atomisiert und gegen alle anderen wirft.

Emanzipatorische Perspektive?

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, inwiefern sich eine radikale Linke für die direkte Demokratie stark machen kann. Es ist eben gerade nicht jener atomisierte Stimmbürger, der für das Projekt der Emanzipation stehen kann. Gleichzeitig kann man sich auch nicht für jene Strukturen einsetzen, die die Verwaltung der kapitalistischen Gesellschaft rationaler organisieren – wie etwa Expertenkommissionen oder Parlamente. Es zeigt sich hier in aller Deutlichkeit, dass die kommunistische Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft mit ihrer Totalität brechen und neue Formen finden muss, statt sich auf politische Formen der alten Gesellschaft zu stützen. Es ginge darum, den Inhalt der gesellschaftlichen Reproduktion und damit auch das Bewusstsein darüber zu ändern und damit zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden. Darunter ist die emanzipatorische Mitbestimmung aller Gesellschaftsmitglieder leider nicht zu haben.

Gegen die von oben: Kanton Oberland

Karte_Helvetik_3Im Schloss Thun ist bis Ende Februar die Ausstellung  „Canton Oberland – Eine Episode der Berner Geschichte“ zu sehen, um deren Thema sich allen voran das Berner Oberland selber lange gedrückt hat. Es geht um einen Teil der eigenen Geschichte, um den des kurzlebigen Kantons Oberland während der Helvetik 1798 bis 1803.

Der Stein des Anstosses für die Ausstellung „Canton Oberland – Eine Episode der Berner Geschichte“ ist im Kleist-Jahr zu suchen. Im Jahre 2011 gab es eine Serie von Veranstaltungen in Thun, weil der Schriftsteller auf dem Oberen Inseli 1802 und 1803 weilte, um ein einfaches Bauernleben zu führen. Das Inselchen wurde dann auch im Zuge des Jubiläums in Kleist-Inseli umbenannt. Verdutzt stellte man fest, dass im Rahmen der Kleist-Ausstellung im Schlosse zu Thun nicht auf Kleists Verhältnis zur Helvetischen Revolution verzichtet werden konnte, eine Stellwand wurde dieser ambivalenten Liaison gewidmet. Daraus wurde dann mehr.

Nie hat man sich im Kanton Bern an die die Helvetischen Republik gross erinnert, geschweige denn das Jubiläum gefeiert, ausser in den alten, befreiten Teilen davon wie im Kanton Waadt oder im Kanton Aargau, ebenso wenig im Kanton Oberland, der bei der eigenen Bevölkerung nicht gut ankam und dem ein kurzes Dasein beschieden war.

Widerstand gegen Fortschritt

Die Oberländer waren schon immer rückständig. Während der Reformation im 16. Jahrhundert wehrten sie sich und kämpften erfolglos für den Katholizismus, während des Bauernkrieges 1653 unterstützten sie nicht die aufständischen Genossen aus dem Emmental und Entlebuch, sondern kämpften grösstenteils an der Seite der Stadtberner Patrizier gegen sie. Diese Sympathie für die Unterdrücker hatten sie auch 150 Jahre später nicht verloren, als 1798 Napoléon die Untertanenlande und die gemeinen Herrschaften von der Eidgenossenschaft der 13 Orte befreite. Der Kanton Bern, der damals als kleinste Grossmacht Europas galt, oder wahlweise auch der grösste Kleinstaat genannt wurde, wurde in vier Kantone aufgespalten: Waadt, Oberland, Aargau und (Rest-)Bern. Die Kantone wurden von eigenständigen Staaten in Verwaltungsregionen umfunktioniert. Alle waren gleichberechtigt. Andere Kantone wurden zusammengelegt, wie es zum Beispiel für Uri, beide Unterwalden, Zug und Teile von Schwyz geschah, die zum Kanton Waldstätte verschmolzen.

Doch die Oberländer wussten, im Gegensatz zu den Waadtländern und Aargauern, nichts mit dem Geschenk anzufangen. So gesehen ist es auch heute noch evident, wie sie mit einer Art Neid auf den Kanton Jura schauen und jegliche Autonomie- oder Fusionstendenzen des Südjuras, der immer noch zum Kanton Bern gehört, vehement ablehnen.

Thomas Knutti, SVP-Grossrat aus Weissenburg, ist so ein Beispiel. Als es um die teilweise Schliessung, resp. um die Zusammenlegung der Spitäler im Obersimmental und im Saanenland ging, hat er nicht die vielen teuren Privatspitäler für die Oberschicht in und um die Stadt Bern angegriffen, sondern die öffentlichen im Berner Jura, bei denen nicht gespart und zusammengelegt werde.

Dieser Geist, dass die Oberländer immer auf der falschen Seite standen, schimmert auch etwas an der Ausstellung durch. Das Beste sind die Stellwände, welche die Sachverhalte und Widersprüche zum Teil sehr schön aufzeigen. Wenn man die Ausstellung der Reihe nach anschauen will, muss man sich aber zuerst durch die Familienwappen und -namen mit den dazugehörigen Amtszeiten der alten Berner Geschlechter durchkämpfen, die als Schultheissen in Thun eingesetzt worden sind. Man kann sie aber getrost links liegen lassen. Neben ein paar Schriftstücken und Ausstellungsgegenständen gibt es auch noch eine Nachbildung eines Freiheitsbaums zu bewundern, wie sie in der Zeit gestellt wurden. Die Jakobinermütze aus Filz sieht zwar eher etwas billig aus, und trotz der grünen Farbe Wilhelm Tells sahen und sehen die meisten Oberländer darin wohl eher einen Gesslerhut, ohne zu merken, dass die Herren von Bern die fremderen Vögte waren als die Armee der französischen Bürger, welche ihnen z.B. die Pressefreiheit brachten, bis erstere diese wieder erstickten.

Die Segnungen der Helvetischen Revolution kamen wegen deren Kurzlebigkeit nicht über das geduldige Papier hinaus, doch im Oberland wären sie wohl auch noch nicht angekommen. Schulpflicht und demokratische Rechte wurden im ersteren Falle abgelehnt und im letzteren nicht wahrgenommen.

Brot und Spiele

Aber das war nicht überall so. Während das westliche Oberland, allen voran das Simmental, aber auch das Frutigland, das in den Dreissigerjahren eine faschistische Hochburg war und wo noch heute Schwarzenbachs Republikaner-Nachfolgerin, die EDU, sehr stark ist, war das östliche Oberland immer fortschrittlicher. Die Herren von Bern mussten diese Region nach dem Ende des autonomen Kantons sogar entschädigen, indem sie ihnen Brot und Spiele anboten, und auf dem Bödeli zwischen Thuner- und Brienzersee das Unspunnenfest installierten. Dieser Klassenfrieden wurde „Versöhnung zwischen Stadt und Land“ genannt. Doch auch das war nicht lange nötig, nach 1805 gab’s nur noch 1808 eine Ausgabe. Danach war fast hundert Jahre Funkstille, 1814 fand zwar noch ein Aufstand der Oberländer gegen die Stadt statt, aber ein Jahr später, mit dem Wiener Kongress, wurde aus dem Bundesstaat wieder ein Staatenbund, das Ancien Régime war zurück. 1905 wurde das Fest folkloristisch wieder aufgenommen und entleert, zuerst durch Tourismusorganisation, dann durch Trachtengruppe. Heutzutage findet der Anlass alle zwölf Jahre statt, dazwischen ein Unspunnenschwinget. Politik ins Spiel brachte erst wieder die 17 Jahre andauernde Entführung des Unspunnensteins durch die jurassische Jugendorganisation Béliers.

Von all diesen Zusammenhängen ist an der Ausstellung nicht die Rede, aber einen Ausflug ist sie wegen der Fakten trotzdem Wert. Sie beschränkt sich, bis auf die erwähnte Ahnengalerie, auf die Periode von 1798 bis 1803. Die Ausstellung ist wegen des Interesses sogar verlängert worden, eigentlich wäre letztes Jahr Schluss gewesen. Im Museum lohnt sich ansonsten noch die Dauerausstellung über eine historische nachgebaute Porzellanmanufaktur aus Heimberg eine Étage tiefer, und auch auf dem Boden darüber die industriegeschichtliche Relevanz der verkehrstechnischen Erschliessung des Tors zum Oberland durch die Eisenbahn. Doch die Reaktion ist auch dort präsent und der Fortschritt, räumlich von unten nach oben angeordnet, wird etwas getrübt. Der grösste Teil dieses dauerhaften Ausstellungsteils handelt von der Thuner Militärgeschichte und Kadettentradition, die jedes Jahr im närrischen „Fulehung“ und dem damit verbundenen „Ausschiesset“ gipfelt. Als Zwischenstation zu den vier Türmen des Schlosses, welche einen wunderschönen Ausblick auf Stadt, See und Berge bietet, lohnt sich dieser Spiessrutenlauf aber alleweil.

 

Canton Oberland – Eine Episode der Berner Geschichte

Ausstellung bis 28. Februar 2013, täglich 13–16h, Schlossmuseum Thun, Schlossberg 1, Thun.

Die Helvetische Revolution 1798 brachte die kurzlebige Helvetische Republik hervor, diese wiederum den Kan­ton Oberland, dessen Verwaltungssitz Thun war. 1803 mit der Mediation war alles wieder vorbei, viele Fortschritte wurden rückgän­gig gemacht, und 1815, mit dem Wiener Kongress und der damals eingeleiteten Restauration, kam es abermals zu einem Backlash.

Eintritt frei mit Museumspass/Raiffeisen-Mitgliederkonto, ansonsten Wegzoll…

www.schlossthun.ch/ausstellungen/sonderausstellungen/canton-oberland.html

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