Keine Gäste!

Statt mit der Ausschaffungsinitiative Symptombekämpfung zu betreiben, sollte die SVP die Ursachen der Kriminalität erforschen.  Ob man nun kriminelle Ausländer ausschafft oder nicht, es wird weiterhin kriminelle Ausländer geben. Die Massnahme löst keine Probleme, sie schafft sie nur aus den Augen. Selbst wenn man kriminelle Schweizer ausschaffen würde, würde es weiterhin Schweizer geben, die sich eines Verbrechens schuldig machen würden.

Es mag sein, dass die Kriminalitätsrate unter Ausländern höher ist. Doch warum? Diese Frage hat keinen Platz im Weltbild einer SVP. Man will schliesslich keine fundierten Analysen, man will Wählerstimmen und Sympathien in der Bevölkerung. Solange die SVP aber nicht wissenschaftlich beweisen kann, dass Kriminalität an Gene gebunden und diese Gene vorwiegend bei Ausländern zu finden sind, macht eine derartige Konzentration auf die Ausländerkriminalität keinen Sinn. Das Wort Ausländerkriminalität selbst drückt schon aus, dass die Initianten nicht die Kriminalität an sich bekämpfen wollen, sondern lediglich eine Initiative gegen kriminelle Ausländer lancieren. Es geht also nicht um die Kriminalität an sich, sondern um eine bestimmte Gruppe krimineller Menschen.

Populistische Offensive gegen Ausländer

Warum aber setzt man nicht bei der Kriminalität als gesellschaftliches Phänomen an sich an? Warum nicht bei der Wurzel des Problems ansetzen statt Symptome zu  bekämpfen? Wäre die Sicherheit der Schweizer Bürger, als deren Schutzpatron sich die SVP sieht, die Mühe nicht wert? – Anscheinend nicht.

Das Ziel ist also nicht die Bekämpfung der Kriminalität, die nicht an Nationalität gebunden ist, sondern die Lancierung einer populistischen Offensive gegen Ausländer. Die Demagogen der SVP nutzen geschickt die Ängste und Ressentiments im Volk, um mehr Sympathie zu gewinnen und auf Stimmenfang zu gehen. Die SVP ist somit unfreiwillig das allerbeste Beispiel dafür, dass die bürgerliche Parteiendemokratie nicht fähig ist, Widersprüche, die aus ihrer innersten Struktur her entstehen, zufriedenstellend und ein für alle mal zu lösen.

Sowohl in den Köpfen der Menschen als auch in der Realität sind wir in einer Sackgasse angelangt (Stichwort Politikverdrossenheit). Da aber grundlegende Infragestellungen des Status quo und Entwürfe von Utopien heute schon fast an ein Verbrechen grenzen, hört man auch so wenige Stimmen, die bereit sind, Grenzen des uns als möglich verkauften zu überschreiten. Wir sollten uns die zentralen Worte der Bloch’schen Philosophie in Erinnerung rufen: «Denken heisst Überschreiten» (Ernst Bloch).

Ausgeschafft verschnürt wie ein Gepäckstück

In den letzten Tagen hat augenauf erfahren, dass zwei von der Polizei für die Vorbereitung der Ausschaffung in den Kongo verhaftete Flüchtlinge im «provisorischen» Polizeigefängnis in der Zürcher Kaserne versucht haben, sich das Leben zu nehmen.

Nach dem Besuch einer kongolesischen Delegation im Dezember 2008 hat sich der Druck der Ausschaffungsbehörden auf die zum Teil seit Jahren in der Schweiz lebenden kongolesische Sans-Papiers für viele Betroffene zu einer unerträglichen Härte gesteigert.

Bundesrätin Widmer-Schlumpf versucht ihren abgewählten Vorgänger vergessen zu machen und lässt die Behörden mit äusserster Härte gegen abgewiesene Flüchtlinge aus Afrika vorgehen. In den letzten Wochen kam es zu einer ganzen Reihe von Verhaftungen von Flüchtlingen, insbesondere von Menschen aus der Demokratischen Republik Kongo, sowie zu mindestens zwei Ausschaffungs-Sonderflügen.

Ein Abkommen und die traurigen Folgen

Am 23. Februar 2008 schloss das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ein Abkommen mit der DR Kongo «über die einvernehmliche Steuerung der Migration». Darin wurde unter anderem festgelegt, dass die Schweiz die Kosten für Reise und Unterkunft einer kongolesischen Delegation übernimmt, die regelmässig in die Schweiz reisen soll, um hier die Nationalität von abgewiesenen Flüchtlingen „festzustellen“. Solche Delegationsreisen kongolesischer Beamten sind vor Jahren nach einem gescheiterten Ausschaffungsversuch und aufgrund massiver Korruptionsvorwürfe gegen die zuständige kongolesische Ausländerbehörde eingestellt worden.

Vom 16. bis zum 18. Dezember hielt sich eine kongolesische Delegation in Bern auf, wo ihr verschiedene, abgewiesene Flüchtlinge, davon 13 aus dem Kanton Zürich, vorgeführt wurden. Seitdem werden die in Zürich* seit Jahren systematischen Kontrollen von Menschen schwarzer Hautfarbe dazu benützt, um papierlose Flüchtlinge aus dem Kongo «einzusammeln» und zu verhaften. So ist augenauf der Fall eines psychisch schwer kranken Flüchtlings (Name und Dossier liegen augenauf vor) aus der DR Kongo bekannt, der im Februar aus dem Tram heraus verhaftet und ins Polizeigefängnis Kaserne gebracht wurde. Trotz seiner dringenden Bitte um einen Arzt und dem Hinweis, er sei absolut auf seine Medikamente angewiesen, wurde ihm beides am Tag seiner Verhaftung verweigert. In der Zelle begann der Mann, eine Decke zu zerreissen, um sich aufzuhängen. Die Gefängnisbeamten, die dies bemerkt haben, warfen ihn nackt in eine kalte Überwachungszelle. Der Gesundheitszustand des kongolesischen Mannes, der über keinerlei Papiere verfügt, hatte sich nach drei Tagen Haft soweit verschlechtert, dass er sich für einige Tage in stationäre Behandlung begeben musste. Die Schweiz beharrt weiterhin auf seine Ausschaffung. Eine weitere Verhaftung eines Flüchtlings aus der DR Kongo zwecks Ausschaffung endete am 9. März 2009 im Zürcher Polizeigefängnis mit einem Selbstmordversuch, der fast tödlich verlaufen wäre. P. (Name und Dossier sind augenauf bekannt) wurde auf dem Migrationsamt Zürich verhaftet und ins Polizeigefängnis Kaserne gebracht. Man präsentierte ihm ein Flugbillet nach Kinshasa, worauf er sich in der Zelle aufgehängt hat. Der Mann, der in einer intakten Beziehung lebt und das Kind seiner Partnerin betreut, wurde nur durch Zufall rechtzeitig gefunden und in eine Klinik gebracht. Die Ausschaffungshaft wurde trotz des nur zufällig glimpflich ausgegangenen Selbstmordversuchs verlängert und erst auf eine Beschwerde hin (vorläufig) aufgehoben.

Sonderflug: «Verschnürt wie Gepäckstücke»

augenauf hat in den letzten Tagen auch von zwei Sonderflügen zwecks Ausschaffung nach Afrika erfahren**. In einem Flug im März flogen sechs Polizeibeamte mit rund drei Dutzend Flüchtlingen aus dem Kongo nach Brüssel. Dort führten die Beamten die abgewiesenen Flüchtlinge in eine Maschine der äthiopischen Fluggesellschaft, die den Weiterflug über Addis Abbeba nach Kinshasa organisiert hat.

Ebenfalls im März ging ein Flug von Zürich nach Kinshasa. Gemäss einem ersten telefonischen Bericht eines der Opfer befanden sich in der Maschine sechs Ausschaffungshäftlinge sowie über zwei Dutzend Polizeibeamte. Die Flüchtlinge seien «wie Gepäckstücke verschnürt» gewesen, so der Bericht des ausgeschafften Flüchtlings aus Kinshasa.

Die unmenschliche Hatz muss aufhören

Die bestens funktionierende Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Regime von Präsident Joseph Kabila bei der Beschaffung von Papieren hat offenbar bei den Zürchern Behörden die Hoffnung geschürt, unerwünschte und abgewiesene Flüchtlinge aus dem Kongo gleich im Multipack loszuwerden. Anders lässt sich die systematische Verhaftung von Schwarzen, insbesondere von Kongolesen in den letzten Wochen nicht erklären. Viele der Flüchtlinge aus dem Kongo, die teilweise seit vielen Jahren in der Schweiz leben, können unmöglich in dieses von Bürgerkrieg, Ressourcenraub und Korruption zerrüttete Land zurück. Daran können auch Entscheide der Schweizer Asylbürokratie nichts ändern. Die von einer Ausschaffung nach Kinshasa bedrohten Sans-Papiers sind verzweifelt und gehetzt; manche von ihnen werden sich eher umbringen, als sich in den Kongo zurückschaffen zu lassen.

Schweigen verboten!

An einem Podium der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht(SBAA) hielten sie fest, dass seit den Gesetzesneuerungen Asylsuchende in der Schweizvermehrt in prekären Situationen leben. Kritisiert wurden insbesondere die Nothilfe und diefehlende Umsetzung der Härtefallregelung in verschiedenen Kantonen.

Zwei Beispiele

Eine Asyl suchende Familie, die nicht ausreisen kann, weil ihr Heimatland keinen Passfür sie ausstellt, wird plötzlich zu «Illegalen» – obwohl sie ausreisen möchte. Sie erhältnur noch Nothilfe und gerät in eine Bettelexistenz. Beide Eltern sollen zudem Bussenwegen illegalen Aufenthalts bezahlen.

Eine gut integrierte Familie, deren Kinder in der Schweiz geboren und hier zur Schulegegangen sind, soll trotz 21jährigen Aufenthalts des Vaters in der Schweiz ausreisenmüssen. Grund: Dieser ist nach einer Diabeteserkrankung erwerbslos geworden und die Familie hat zeitweise Sozialhilfe bezogen.

Dies sind nur zwei Beispiele, die aufzeigen, wie sich das Asyl- und das Ausländergesetz aufdie betroffenen Personen auswirken. Über die beiden Gesetze diskutierten am Samstag, 28. März Expertinnen und Experten an einem Podium der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht. Die Asylgesetzrevision, so der Tenor des Podiums, hat ihr Ziel –die Senkung der Zahl der Asylsuchenden – verfehlt. Hingegen geraten beide Gesetze immerwieder mit internationalen Konventionen oder der Bundesverfassung in Konflikt.

Kritisiert wurde insbesondere die Nothilfe: Sie bringe die Betroffenen in eine prekäre Lageund verletze die Menschenwürde. Auch zur Härtefallregelung, laut der in persönlichenHärtefällen Aufenthaltsbewilligungen erteilt werden können, wurde Kritik laut. «Die Härtefall-Artikel der neuen Gesetze sind in diversen Deutschschweizer Kantonen toter Buchstabe»,hielt Rechtsanwalt Marc Spescha fest. Die übersteigerten Anforderungen an einzelne Kriterien liefen, so der Experte im Ausländerrecht, auf eine Rechtsverweigerung hinaus. CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer forderte in ihrem Votum die Einrichtung vonHärtefallkommissionen. Diese seien zentral, damit Familien in prekären Verhältnissen eingeordnetes Leben ermöglicht werde.

Einhellig lehnten die Podiumsteilnehmerinnen und Teilnehmer die erneute Gesetzesrevisionab. Diese reduziere noch mehr die Möglichkeiten für Flüchtlinge, in der Schweiz Schutz zu erhalten, und sei aus menschenrechtlicher Sicht fragwürdig. Hintergrund der Flucht sei zudem nicht die Attraktivität der Schweiz, sondern die Situation im Herkunftsland: Verfolgung, Krieg, Verwüstung, Armut und fehlende Perspektiven.

Schweigen verboten!

Die ebenfalls am Samstag abgehaltene Generalversammlung der SBAA unter der Leitungder Präsidentin und alt-Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot bekräftigte, dass die Anwendungder Gesetze beobachtet, dokumentiert und öffentlich gemacht werden müsse. Denn immer wieder geraten die beiden Gesetze in Konflikt mit der Menschenrechtskonvention, der Kinderrechtskonvention, der Flüchtlingskonvention, Schweizer Gesetzen oder der Bundesverfassung.

Zürich: Kirche besetzt!

Ab heute besetzen Sans-Papiers und Schweizer AktivistInnen die Predigerkirche in Zürich, um gegen die Migrationspolitik im Kanton Zürich und in der Schweiz zu protestieren. Sie fordern eine bessere Umsetzung der Härtefallregelung, Ausweispapiere für alle und eine Aufhebung des Arbeitsverbots für Asylsuchende.

Auf den Tag genau ein Jahr nach der symbolischen Besetzung der Grossmünster-Kirche, fanden sich 150 Sans-Papiers und AktivistInnen in der Predigerkirche ein, um gegen die Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht zu protestieren. Auch im vergangenen Jahr, so halten die BesetzerInnen in ihrer Stellungnahme fest, habe das Migrationsamt Zürich an seiner unmenschlichen und irrationalen Migrationspolitik festgehalten.

Die betroffenen Sans-Papiers sind nun nicht mehr länger bereit, die Haltung der Behörden und der Zürcher Regierung stillschweigend zu akzeptieren. Anscheinend gelte für den Kanton Zürich das Schweizer Recht nicht: «Wie kommt es, dass der Kanton Zürich unterdessen der einzige Kanton ist, wo keine Härtefallgesuche behandelt werden? Wie kommt es, dass eine Behörde uns zwingt, strafbare Handlungen zu begehen und uns so zu Kriminellen stigmatisiert? Viele von uns Sans-Papiers, welche in den Notunterkünften leben, müssen wöchentlich einmal auf dem Migrationsamt erscheinen, wo wir eine neue Unterkunft zugeteilt bekommen. Die Nothilfe wird jedoch in Form von Migros-Gutscheinen ausbezahlt und uns bleibt nichts anderes übrig, als schwarz zu fahren!» So fassen sie die behördliche Schikaniererei in ihrem Communiqué zusammen. Und: «In allen anderen Kantonen hätte der Grossteil von uns längst ein Bleiberecht erhalten!»

Mit der Kirchenbesetzung wollen die Sans-Papiers und andere solidarische Personen auf die unerträgliche Situation aufmerksam machen und auf ihre Rechte zu pochen. Insbesondere fordern sie:

1.    Humane und unbürokratische Umsetzung der gesetzlich verankerten
Härtefallregelung!

2.    Papiere für alle! – Schluss mit der Kriminalisierung und
Inhaftierung von Sans-Papiers!

3.    Aufhebung des Arbeitsverbotes – Arbeit statt Nothilfe!

Personen, die diese Anliegen unterstützen möchten, sind herzlich eingeladen, sich an der Besetzung zu beteiligen: Einfach mit einem Schlafsack bei der Predigerkirche Zürich einfinden.

Italien: Tausende demonstrieren gegen Rassismus

Nach den gewaltsamen und zum Teil tödlichen Angriffen auf Ausländer haben in Italien tausende Menschen gegen Rassismus demonstriert. Bei einer Kundgebung in der Nähe des Kolosseums in Rom erinnerten am Samstag Hunderte chinesische Demonstranten an einen 36-jährigen Landsmann, der in der italienischen Hauptstadt am Donnerstag von Jugendlichen attackiert worden war.

Demonstrationen auch in Caserta

15.000 Menschen auf der Demonstration in Caserta, die übergroße Mehrheit von ihnen Immigranten, sehen sich dagegen als Opfer einer systematisch von oben geschürten fremdenfeindlichen Stimmung im Land. Die Einwanderer erbittert eine Fülle weiterer Übergriffe, in der mal brave Bürger, mal Staatsbeamte sich gehen lassen.

In der letzten Woche wurde in Parma ein 22-jähriger Abendschüler aus Ghana von einem Greiftrupp von Stadtpolizisten in Zivil festgenommen. Die Polizisten glaubten, einen Drogendealer vor sich zu haben. Schon im Wagen, dann im Kommissariat verprügelten sie ihn. Drogen fanden sie nicht. Nach fünf Stunden entließen sie ihn mit einem zugeschwollenen Auge. Dazu erklärten die Beamten, der Junge sei „hingefallen“. Außerdem händigten sie ihm einen Umschlag mit dem Verhörprotokoll aus; obendrauf hatte ein Beamter „Emmanuel Neger“ geschrieben.

Parallel dazu wurde in Rom bekannt, dass Polizisten am Flughafen Ciampino eine 50-jährige Frau aus Somalia mit italienischem Pass stundenlang festgehalten und nackt ausgezogen hatten. Auch sie war als Drogenkurier verdächtigt, auch sie sprach hinterher von üblen rassistischen Beleidigungen.

Die von Berlusconis Rechtsregierung angeheizte „Immigranten-Notstand“-Stimmung im Land findet aber auch willige Nachahmer unter einfachen Bürgern. Ebenfalls in der letzten Woche schlugen Minderjährige einen chinesischen Arbeiter an einer Bushaltestelle nieder. Ehe ein Faustschlag ihm das Nasenbein brach, brüllte der Schläger „Drecks-Chinese“. In Neapels Stadtviertel Pianura kam es zu wütenden Einwohnerprotesten gegen etwa 200 Afrikaner, die seit Jahren dort leben. In Mailand ging ein Marktverkäufer mit einem Baseballschläger auf einen Senegalesen los, weil auch der seine Ware feilbieten wollte.

Erstmals meldete sich mit Gianfranco Fini – dem Frontmann der postfaschistischen Alleanza Nazionale und Präsidenten des Abgeordnetenhauses – ein Politiker der Berlusconi-Koalition zu Wort. Fini hält es für „verfehlt, die Gefahr des Rassismus zu leugnen“. Doch er verlor kein Wort über die Politik der Regierung, die systematisch die „illegalen Immigranten“ zum Sicherheitsproblem Nummer eins erklärt hat und die das Ausländergesetz verschärfen will.

Quellen: Taz.de / Global Project