Gesellschaftliche Sprengkraft

Jean Villain. Mit grossem Engagement und Leidenschaft begannen die Kommunemitglieder sich unter anderem für die Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen in Paris einzusetzen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag gestellt.

Am 2.April 1871 erliess die Kommune ein Dekret über die Bezahlung der Kommunemitglieder. Sie wurde auf 15 Francs pro Tag festgesetzt. Dadurch, dass die Mitglieder der Kommune sich ungefähr die Summe bewilligten, die in Paris ein tüchtiger, intelligenter und fleissiger Arbeiter in einem guten Beruf verdiente, haben sie so uneigennützig gehandelt, dass es darüber nichts zu erörtern gibt. Für 15 Francs täglich nahm jeder von ihnen drei bis vier Funktionen wahr, von denen eine jede unter jeder Monarchie ebenso wie unter der Republik Mac Mahons auf 30000 bis 100000 Francs geschätzt wurde. Doch im gleichen Augenblick, da sich die Kommune gegenüber ihren eigenen Mitgliedern und Angestellten so sparsam erwies, verdoppelte sie das Gehalt der Lehrer*innen; sie setzte es auf 2000 Francs fest und erhöhte das der Assistenten auf 1500 Francs.

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Aus dem Ratssaal der Kommune

Jean Villain. Wie ging es im Ratssaal der Kommune zu, wenn soziale Fragen zur Debatte standen? Das Protokoll der Sitzung vom 25.April 1871 beweist die respektheischende Leidenschaftlichkeit, mit der um gerechte Lösungen der Existenzprobleme der Werktätigen gerungen wurde.

Es geht hier um die Frage, wie die an die Leihhäuser verpfändeten Gegenstände am besten freizugeben seien. «Der Bürger Avrial: Ich habe diesen Dekretentwurf auf Freigabe vorgelegt, weil wir zeigen müssen, dass wir uns um das Volk kümmern, das die Revolution vom 18. März gemacht hat. Das Volk, das von Schwarzbrot lebt, darf mit Recht verlangen, dass man sich um seine Leiden kümmert, und um es durch gesetzliche Massnahmen zufriedenzustellen, darf man sich nicht an einigen Millionen stossen. Die Leihhäuser müssen verschwinden. Inzwischen soll man den Tapferen, die jetzt in den Kampf ziehen, eine vorläufige Genugtuung geben.

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Stürmt den Himmel nach dem Vorbild der Pariser Kommune

Jakob Kascher. Zuerst Marx und Engels, dann später auch Lenin setzten sich eingehend mit den Ereignissen in Paris vom Frühling 1871 auseinander. Für Marx waren die 72 Tage der Arbeiter*innenregierung «ein historischer Versuch ungeheurer Tragweite». Aber sie übten auch Kritik, um aus den begangenen Fehlern lernen zu können.

In einem Brief an Ludwig Kugelmann schrieb Karl Marx 1871 über die Pariser Kommune: «Die Geschichte hat kein ähnliches Beispiel ähnlicher Grösse!» Und Lenin erwähnte in seiner Schrift «Staat und Revolution», wie die einzige «Korrektur», die Marx am Kommunistischen Manifest für notwendig erachtete, er und Engels nur aufgrund der revolutionären Erfahrungen der Pariser Kommunard*innen machten. So überzeugt Lenin seine Leser*innen nur noch mehr von der Signifikanz der Pariser Kommune.
Und auch nach 150 Jahren ist es schwierig, die Wichtigkeit sowie die grossen, heroischen Errungenschaften der Pariser Kommune, des Pariser Proletariats zu unterstreichen, und dies trotz ihrer Kurzlebigkeit. Ähnlich verhält es sich auch mit den Lehren, die aus der Praxis der Kommune gezogen werden konnten. Insbesondere die Lehren von Marx und Lenin, welche heute noch grundlegendes und gültiges Wissen aller Kommunist*innen bilden sollten. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Artikel über die Pariser Kommune in diesem Jubiläumsjahr gerade wieder aus dem Boden spriessen wie Unkraut. Hoffen wir doch, dass dieser hier nicht zum Unkraut gehört.

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Europäische Solidaritätsaktion «Unblock Cuba» gestartet

Über 100 Organisationen, darunter auch die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) aus 27 Ländern fordern ein Ende der von der US-Regierung verfügten Wirtschaftsblockade gegen Kuba und ein aktives Handeln der europäischen Regierungen.

Am Samstag, den 17. April 2021, startet die europäische Solidaritätsaktion «Unblock Cuba». Die mehr als 100 beteiligten Organisationen, Vereine, Verbände und Medien aus 27 Ländern fordern ein Ende der über 60 Jahre andauernden Wirtschaftsblockade der USA gegenüber Kuba. In die Blockade werden durch immer neue Verschärfungen auch Unternehmen aus Europa hineingezogen. So weigern sich verschiedene deutsche sowie auch schweizerische Bankinstitute mit Verweis auf die US-Blockadebestimmungen, für ihre Kunden Finanztransaktionen mit kubanischen Banken durchzuführen. Unter der US-Regierung Donald Trump sind die Regelungen mehrfach verschärft worden. Eine Rücknahme oder gar Beendigung der Blockade stehen derzeit nicht auf der Agenda des neuen US-Präsidenten Josef Biden.

Die Solidaritätsaktion richtet sich nicht nur gegen die Blockadepolitik der USA. Sie wendet sich auch gegen die inkonsequenten Haltungen der europäischen Regierungen. Zwar bekunden die meisten EU-Staaten öffentlich ihre Ablehnung der Blockade und stimmen regelmässig auf UN-Vollversammlungen für deren Verurteilung. Allerdings belassen sie es bei wohlfeilen Worten, und gehen nicht gegen die Blockadegesetze vor, die auch den Handlungsspielraum europäischer Unternehmen rechtswidrig einschränken.

Kuba entstehen jährlich Milliardenverluste mit schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung. Der von der US-Regierung angestrebte Regime-Change konnte nicht erreicht werden, weshalb der damalige US-Präsident Barack Obama am 17. Dezember 2014 die ursprüngliche Strategie der USA für vollkommen gescheitert erklärte. Das Leiden der Bevölkerung geht aber bis heute weiter.

Die Aktion «Unblock Cuba», die von der in Berlin erscheinenden Tageszeitung «junge Welt» initiiert wurde, soll auf die für den 23. Juni geplante UN-Vollversammlung in New York einstimmen, für die Kuba erneut eine Verurteilung der völkerrechtswidrigen Blockadepolitik der USA beantragt hat. Auch in diesem Jahr werden fast alle Staaten des Gremiums diesem Antrag zustimmen. Diesmal sollen aber, so fordern die an der Kampagne beteiligten Organisationen, endlich Taten folgen. Um dieser
Forderung Nachdruck zu verleihen, sind in den europäischen Hauptstädten ab dem 24. April zahlreiche Aktionen geplant. So werden etwa für Berlin, Wien und Bern Veranstaltungen, Proteste, Plakat-, Radio- und Anzeigen- und Onlinewerbung organisiert. Die crossmedial abgestimmten Massnahmen werden über Spenden finanziert. Bisher wurden bereits über 30 000 Euro
eingesammelt.

Weitere Infos unter: https://www.unblock-cuba.org

Nur eine Antwort möglich: Streik!

sit. Als der Weltkonzern Amazon seinen Angestellten in Italien mitteilte, die
Zuschläge für Sonn- und Feiertage zu streichen, platzte den Arbeiter*innen der Kragen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Lieferkette von Amazon unterbrochen. Ein Arbeitskampf, der weltweit Schule machen muss.

«Wir alle haben eine Flasche zum Pinkeln im Wagen, um keine Zeit zu verschwenden, auch wenn man immer hofft, dass man sie nicht benutzen muss», erzählen sie fast im Refrain. Natascia, Andrei, Marco und Dario sind »Driver» (Fahrer*innen). Angestellt sind sie bei der Transportfirma Unicotras, ein Subunternehmen des Weltkonzerns Amazon. Sie liefern täglich Pakete in der Stadt Rom und Umgebung aus. «Als uns mitgeteilt wurde, Amazon wolle Sonn- und Feiertage als normale Arbeitstage vergüten, um so Lohnkosten zu sparen, platzte uns der Kragen. Streik ist die einzige mögliche Antwort darauf», sagen sie der Kollegin der kommunistischen Tageszeitung «il manifesto».
Es ist der erste Streik der drei Arbeitskolleg*innen. Und es ist gleich ein historischer: Am 22.März fand der erste nationale Arbeitskampf beim US-Onlinehändler Amazon in Italien und somit weltweit statt. Die für den Konzern so wichtige Lieferkette wurde unterbrochen. Die «Driver» und die Arbeiter*innen in den sogenannten «Hubs» (Magazine) verschränkten die Arme für 24 Stunden und forderten Rechte, Schutz und Garantien. » Weiterlesen

Big Pharma gewinnt immer

dab. Wie die Strategien von Pharmakonzernen zur Profitmaximierung funktionieren und wie Big Pharma damit die Krise zu ihrem Vorteil ausnutzt – und erst noch massiv von öffentlichen Geldern profitiert: Dies zeigt die für die Einhaltung der Menschenrechte engagierte NGO Public Eye in ihrem neuen Report «Big Pharma takes it all».

Obwohl Gesundheit ein Menschenrecht ist, schützen reiche Länder wie die Schweiz die Interessen ihrer Pharmaindustrie, indem sie internationale Bestrebungen für einen gerechten Zugang zu Pharmaprodukten verhindern. Die durch weltweit verfügte strenge Hygienemassnahmen grassierende Krise mit gravierenden Auswirkungen auf Gesundheit, Lebensunterhalt und Sozialleben der Menschen zeigt, wie problematisch das Geschäftsmodell der grossen Pharmakonzerne ist. In ihren Schönwetter-Visionen betonen die Konzerne ihren Einsatz für die Gesellschaft. In Tat und Wahrheit nutzen sie die Covid-19-Krise zu ihrem Vorteil und gegen benachteiligte Menschen. Public Eye formulierte zehn Strategien? für den grösstmöglichen Gewinn der Pharmakonzerne (siehe auch Grafik).
Forschung am Profit orientieren (1.Strategie): Die Pharmakonzerne entwickeln Behandlungen für Kranke, die zahlen können, sowie für chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Krebs und Diabetes, die über lange Zeiträume verschrieben werden können. Behandlungen für Krankheiten in einkommensschwachen Ländern sind nicht lukrativ – genauso wenig wie Antibiotika und Impfstoffe, ausser der Staat bezahlt.
Patente missbrauchen (2.Strategie): Patente sollen Unternehmen für die Entwicklung eigener Innovationen entschädigen. Das 1995 in Kraft getretene Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) führte zu einer Globalisierung von fehlerhaften und sozial nicht nachhaltigen Anreizen. Konzerne missbrauchen ihre Monopolmacht und verlangen trotz massiver öffentlicher Finanzierung überhöhte Preise, die zu explodierenden Gesundheitskosten führen.

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Schuldig des Tods Zehntausender!

sit. Syngenta stellte über Jahrzehnte hinweg den Profit über die Produktsicherheit und nahm so bewusst Tausende von Toten in Kauf. Dies beweisen die «Paraquat Papers», die von Public Eye und Unearthed, der britischen Investigativabteilung von Greenpeace, analysiert wurden.

Der Bericht beginnt mit einer traurigen Erzählung: Warunika war sechzehn Jahre jung, als sie einen Schluck «Gramoxone» aus einer Flasche trank, die im Haus ihrer Familie herumstand. Ihre Eltern sind sich sicher: Sie wollte nicht sterben. Nach einem Streit mit ihrem Bruder hatte sie sich wütend die Flasche geschnappt und einen Schluck genommen. «Hier, ich habe das getrunken!», rief sie ihrer Mutter zu. «Sie hat das getan, um mir Angst zu machen», erklärt Kumarihami. Warunika starb am nächsten Tag im Krankenhaus.
Ihre Eltern, Kleinbauern im Norden Sri Lankas, benutzten Gramoxone als Unkrautvernichter auf ihren Reisfeldern. Das Produkt enthält Paraquat – eines der giftigsten Herbizide der Welt – in hoher Konzentration. Und wie die traurige Geschichte von Warunika beweist: Bereits ein Schluck kann tödlich sein. Ein Gegenmittel gibt es nicht.

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Kaum Gerechtigkeit für Fidel

Philipp Gerber. Mit dem Attentat auf Fidel Cruz trafen seine Mörder und deren Auftraggeber ein Symbol der Umweltschützer*innen in Südmexiko. Fidel und seine Gemeinde stehen für den erfolgreichen gewaltfreien Widerstand gegen Staudammprojekte und für die Verteidigung der Territorien. Der Mord sät Schrecken, aber die Widerstandsstruktur ist nicht gebrochen.

«Unser Compañero Fidel Heras Cruz wurde am 23.Januar 2020 in seinem Pick-up am Eingang zum Dorf La Esperanza in der Gemeinde Santiago Jamiltepec in Oaxaca erschossen. Sein Leben wurde ihm auf grausame und feige Weise genommen», schreiben lokale Menschenrechtsverteidiger*nnen nach dem Mord. „Wir können nicht zulassen, dass noch mehr kommunitäre Menschenrechtsverteidiger*innen ermordet werden. Der Mord an unserem Compañero darf nicht ungestraft bleiben», betont der Rat der Vereinigten Dörfer zur Verteidigung des Río Verde (Copudever). Doch trotz Pressewirbel und Protestnoten, inklusive UNO und aller europäischen Botschaften in Mexiko, ist auch zwei Monate nach der Tat von Strafverfolgung keine Spur.

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Die Wahrheit ist auch Opfer des Kriegs

Matin Baraki. Die herrschende Meinung ist eben die Meinung der Herrschenden. In ihrem neuen Buch unterzieht die Medienwissenschaftlerin, Professorin und Friedensaktivistin Sabine Schiffer eine präzise und gut dokumentierte Kritik und Analyse der Agenturen und führenden Medienmonopole.

Als ich das theoretische Teil dieses Werkes gelesen habe, dachte ich, es könnte eine Habilitations-Arbeit sein, die eigentlich zu fachspezifisch ist und nur für Akademiker*innen von Interesse wäre. Beim weiteren Studieren hat sich aber herausgestellt, dass es sich hier um eine unerschöpfliche Informationsquelle und exakte Analyse der Berichterstattung in den herrschenden Medien handelt. Und dies ist für alle politisch interessierten Menschen wichtig, um zu verstehen, wie wir von Politiker*innen, Schreibsöldner*innen und vielen Medien belogen werden. Die herrschende Meinung ist eben die Meinung der Herrschenden.

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30 Jahre Leprahilfe Vietnam

Anjuska Weil. Der kleine Verein Leprahilfeplus Vietnam wird in diesem Frühjahr 30 Jahre alt. In Vietnam hat die Bekämpfung dieser schrecklichen Krankheit grosse Fortschritte erzielt. Gab es 1990 noch rund 10000 Neuansteckungen im Jahr, so liegt diese Zahl heute deutlich unter 300. Zu diesem stolzen Erfolg hat Leprahilfe Vietnam beigetragen.

Blenden wir zurück: Im Mai 1990 erhielt unsere Genossin Els Goldstein ihre Krebsdiagnose. Für sie war rasch klar, dass sie sich nicht einer Operation mit ungewissem Ausgang unterziehen wollte. Die verbleibende Zeit wollte sie – unterstützt durch Palliativmedizin – vielmehr dafür nutzen, noch Dinge zu tun, die ihr wichtig waren. Dazu gehörte ihr Erspartes aufzuteilen. Menschen im Trikont, die krank, arm und ausgegrenzt waren, sollten zu den Begünstigten gehören. Vietnam war eines der Länder, in denen sie sich schon früher engagiert hatte. Was lag da näher als ein Beitrag zugunsten der Leprakranken in Vietnam?

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Auch mit Verbot nicht tot

flo. Erneut versucht der türkische Staat die Opposition mundtot zu machen. Staatspräsident Erdogan verspricht sich so klare Vorteile bei den nächsten Wahlen. Von der Repression stark betroffen ist die linksgerichtete HDP. Der vorwärts sprach mit Zya Pir, der für die Partei ins türkische Parlament gewählt wurde.

Und wieder schlägt der türkische Staatspräsident Erdogan nach dem politischen Gegner: Mit einem Verbotsverfahren, Schikanen und Verhaftungen soll die prokurdische Halklar?n Demokratik Partisi (HDP) mundtot gemacht werden. Die Vorwürfe sind vage, die «Beweise» gesucht. Für Beiträge in sozialen Medien, wie Twitter, werden in der Türkei linke Politiker*innen verfolgt, verhaftet, ihrer Mandate beraubt und kriminalisiert. Besonders populär: Der Gummiparagraf, der es ermöglicht, linkspolitisch Aktive wegen diffuser Terrorvorwürfe einzusperren.

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Verhaftet eure eigenen Leute

flo. Nach dem abscheulichen Mord an der jungen Britin Sarah Everard diskutiert das Vereinigte Königreich über Gewalt an Frauen*. Dabei geht diese Gewalt oft von jenen aus, die eigentlich für den Schutz der Frauen* zuständig wären: Angeklagt des Mordes ist ein Londoner Polizist.

Sarah Everard war gerade mal 33 Jahre alt, als sie am 3.März auf dem Heimweg entführt und ermordet wurde. Sie hatte einen Freund in Südlondon besucht, wo auch sie selbst wohnte. Am 9.März, einen Tag vor dem Fund ihrer Leiche, wurde Wayne Couzens, ein Polizist der Londoner Metropolitan Police, verhaftet. Er war aufgefallen, da er sich drei Tage vor Everards Verschwinden vor einer Frau entblösst hatte. Der Vorfall wurde auf Kamera aufgezeichnet. Couzens wurde nicht suspendiert, seine Waffe, die er als Mitglied einer Spezialeinheit trug, die Botschafts- und Regierungsgebäude bewacht, konnte er behalten. Couzens war kein hundskommuner Streifentschugger, sondern – anders als viele britische Polizist*innen – berechtigt, im Dienst eine Waffe zu tragen.
Mittlerweile wurden gegen Couzens Anzeige wegen Entführung und Mordes gestellt. Doch die Metro Police hat nicht nur dabei versagt, einen Sexualstraftäter aus ihren Reihen zu entfernen. In kaum überbietbarem Zynismus haben die Kolleg*innen von Couzens ihren ganz eigenen misogynen Gewaltexzess veranstaltet.

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Frauen*rechte? Egal!

sah. Die Türkei verlässt das internationale Abkommen zum Schutz der Frauen* vor Gewalt – auch bekannt als Istanbul-Konvention. Der Entscheid hat schwerwiegende Folgen und ist auch ein deutliches Zeichen an die internationale Gemeinschaft. Aktivist*innen rufen nun zu Protesten auf.

Der Ausstieg aus der Istanbul-Konvention war seit einiger Zeit Thema in der Türkei. Nun wurde im März das Vorhaben Realität und die Türkei ist ausgetreten. Die Istanbul-Konvention gilt als wichtiges Werkzeug auch zur Bekämpfung der steigenden häuslichen Gewalt. 2011 wurde dieser völkerrechtliche Vertrag ausgearbeitet. Ziel dabei war es, verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen* zu schaffen und eine Grundlage zu bieten, wie sie vermindert wird. Das internationale Übereinkommen hat die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen zum Ziel. Eckpfeiler des Übereinkommens sind die Bereiche Gewaltprävention, Opferschutz, Strafverfolgung sowie ein umfassendes und koordiniertes Vorgehen. Die Konvention trat am 1.August 2014 in Kraft.

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Die Ehe gehört abgeschafft

Lucas Zeise. Die bürgerliche Ehe schützt Homosexuelle vor Diskriminierung, aber die Frauen* nicht vor der Überlast der Reproduktionsarbeit. Beide Geschlechter sollten in grösseren Haushalten die Reproduktion, die Kindererziehung und das gemeinschaftliche Wohnen organisieren.

Konzerne haben sich verpflichtet, ein paar mehr weibliche Mitglieder in ihre Vorstandsetagen zu hieven. An manchen Stellen werden Frauen* im gleichen Job so gut wie Männer bezahlt. Die Kanzlerin ist schon seit 2005 im Amt und hat die Menschen daran gewöhnt, dass Frauen* an der Spitze stehen können. Formulare und Behördenschreiben werden geschlechtsneutral oder doppelt formuliert. Talkshow-Moderator*innen formulieren knackig atemholend mit Binnen–I. Kurz, die Frauen* stehen kurz vor dem Ziel: Diskriminierung in Bild, Ton, Wort und Paragraphen wird wunderbar weit eliminiert. Das faktische doppelte Elend der Frauen* im System der Ehe aber bleibt.

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Auf offenem Feuer

Andreas Boueke. Über ein Drittel der Weltbevölkerung kocht auf offenen
Feuerstellen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass häusliche Abgase jedes Jahr 3,5 Millionen Menschen töten. Mehr Kinder sterben an Lungenentzündungen als an Malaria, Durchfallerkrankungen und Masern zusammen.

Konzentriert kurvt der guatemaltekische Ingenieur Herber Santos einen Geländewagen mit voller Ladefläche über die schmale Schotterpiste am Rand eines steilen Abgrunds. Im Auftrag der Hilfsorganisation Helps International ist er auf dem Weg in ein Armenviertel im Westen von Guatemala-Stadt. In der Siedlung La Alborada leben Menschen in Hütten ohne die elementarste Ausstattung, die eng beieinander stehen. Am Ende einer Stichstrasse parkt er den Wagen und klopft an eine Wand aus Wellblech. Eine Frau mit Schweissperlen auf der Stirn und einem freundlichen Lächeln auf den Lippen öffnet die Tür. In Begleitung des Sozialarbeiters Cesar Puac betritt Herber Santos einen staubigen Hof. Sofort werden die beiden Männer von einem Dutzend Kinder umringt. Hinter ihnen folgt die Grossmutter, Delfina Castillo.

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Nur die Spitze des Eisbergs

flo. Die skandalösen Arbeitsbedingungen beim Paketliefergiganten DPD in der Schweiz sind keine Ausnahme. Auch im Ausland macht der Konzern Negativschlagzeilen. Trotz hervorragender Umsatzzahlen sollen die Angestellten für noch mehr Gewinn ausgepresst werden.

Paketdienste haben in den letzten Jahren immer stärker sowohl den Detailhandel als auch die Post in die Mangel genommen. Aber spätestens mit Corona sind die Player auf dem Markt endgültig ökonomisch angekommen. Der wohl bekannteste der Lieferbarone ist Jeff Bezos, der bis zu seiner Scheidung letztes Jahr der reichste Mensch der Welt war. Amazon, für das er als CEO amtet, hat an den Börsen von 1785 Punkten im März 2020 auf 3090 Punkte im März 2021 aufgeholt. Ein weiterer Profiteur der Krise ist das Verpackungsunternehmen DPD (ehemals Deutscher Paket Dienst, heute Dynamic Parcel Distribution). Der Konzern beschäftigt weltweit 75000 Angestellte, die einen Umsatz von elf Milliarden Euro erwirtschaften. Zumindest in Europa ist man damit Marktführer.
Doch die Führungsriege des Unternehmens wünscht sich noch mehr: Im März kündigte sie an, dass man eine Verdopplung des Profits in den nächsten fünf Jahren anpeilt. Und für diese kapitalistische Interpretation eines Fünfjahresplans müssen die Arbeiter*innen des Betriebs leiden. Schon heute sind die Arbeitsbedingungen lausig. Die Gewerkschaft Unia berichtet von nicht bezahlten Überstunden, überlangen Arbeitszeiten, grossem Stress – und keinem Einsehen des Betriebs. Auf die Missstände angesprochen schiebt DPD die Verantwortung auf extern angestellte Subunternehmen ab. » Weiterlesen

Rojava: «Wir widerstehen, weil wir das Leben lieben!»

Maja Hess. Rojava ist der Ort, an dem die Sonne untergeht, der Westen. So bezeichnen die Kurd*innen den Nordosten Syriens. Hier versuchen sie, ein demokratisches konföderales System aufzubauen mit dem Ziel, dass Menschen verschiedener religiöser und ethnischer Herkunft in Frieden zusammenleben können. Der Pluralismus soll eine wichtige Basis für Frieden sein, genauso wie die demokratische Beteiligung aller Gesellschaftsschichten und die Befreiung der Frauen* aus dem engen patriarchalen Korsett.

Die Vision einer friedlichen Gesellschaft ist beeindruckend und gibt Hoffnung. Für Rojava wurde sie jedoch zur Bedrohung. Die kurdische Region wird an verschiedenen Fronten angegriffen, seine Bestrebungen nach Selbstbestimmung werden nicht toleriert. Die Türkei hat mit der seit 2018 andauernden militärischen Besetzung von Afrin gegen das Völkerrecht verstossen und im Leben der Menschen grosses Leid angerichtet. «Unser Herz ist gebrochen», sagte mir eine junge Freundin. «Unser Traum von Freiheit und Frieden ist zerrissen.» Als Folge leidet die junge Frau wie viele andere an Albträumen und Angstzuständen und weiss nicht, wo sie Unterstützung finden kann. » Weiterlesen

Aus der Schusslinie gebracht

dab. Vor zehn Jahren, im März 2011, brachte der Fukushima-Unfall verheerende Verstrahlung in Japan. Radioaktives Material breitete sich auf der ganzen Nordhalbkugel aus. Der in der Schweiz im Schock nach der Katastrophe verkündete Atomausstieg stagniert und die fehlende Erdbebensicherheit der Schweizer AKWs wird verwedelt.

«Nach dem Super-GAU von Fukushima waren die Menschen in Japan vielerorts radioaktivem Niederschlag ausgesetzt», schreiben die Ärzt*innen für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkriegs PSR/IPPNW auf ihrer Webseite ippnw.ch Anfang Februar 2021. «Manche leben bis heute in verstrahlten Regionen, wo sie tagtäglich mit erhöhten Strahlenmengen konfrontiert sind: Radioaktive Hotspots am Strassenrand, im Reisfeld oder im Sandkasten, kontaminierte Pilze oder Algen, verstrahltes Grundwasser und Rekontaminationen durch Waldbrände oder Überschwemmungen.»

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