Ein kleines Vorpostengefecht

Redaktion. Franz Mehring war Sozialdemokrat und später Kommunist, bedeutender Historiker, Literaturwissenschaftler, Publizist und Redakteur. 1871 war er 25-jährig, heute wäre er 175 Jahre alt. Interessant für die Betrachtung der Geschichte der Arbeiter*innenbewegung ist Mehrings Text zu den Lehren der Pariser Kommune.

«Franz Mehring ist der Vollstrecker des Vermächtnisses von Marx und Engels», schrieb Rosa Luxemburg 1916 in ihrem Glückwunsch zum 70.Geburtstag Franz Mehrings aus dem Gefängnis. Am 27.Februar 1846 im pommerschen Schlawe, dem heutigen polnischen Slawno, als Sohn eines ehemaligen Offiziers geboren, entwickelte sich Franz Mehring vom Gegner der ursprünglichen Sozialdemokratie zum Anhänger und dann auch anerkannten Mitglied der Bebelschen SPD.
Marx und Engels blieben dem Sohn aus bürgerlichem Hause gegenüber skeptisch. Sie sollten sich täuschen. Zusammen mit Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht stand er an der Spitze derjenigen Sozialdemokraten, die während des imperialistischen Weltkriegs nicht ins Lager des Klassenfeinds überliefen. Er war Gründungsmitglied des Spartakusbunds und später der KPD. Schwer krank verstarb er in der Nacht vom 28. zum 29.Januar 1919 in Berlin, nachdem er noch Tage zuvor die Nachricht von der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts durch die weissgardistische Soldateska erhalten hatte.

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Kommune soll Staat ersetzen

dab. Für Lenin war die Pariser Kommune ein Lehrstück für den Klassenkampf, die Autorität des bewaffneten Volks, die Diktatur des Proletariats und die Abschaffung und Zerstörung der bürgerlichen Staatsmaschine. An Stelle der Repressionsgewalt trat die Bevölkerung.

In der bürgerlichen Republik übe «der Reichtum seine Macht indirekt, aber um so sicherer aus», sagt Friedrich Engels in «Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats», und zwar durch «direkte Beamtenkorruption und die Allianz von Regierung und Börse». Der bürgerliche Staat ist laut Karl Marx Produkt und Ausdruck von Klassengegensätzen und ein Organ der Klassenherrschaft, und kann laut Lenin nicht, wie es bürgerliche und revisionistische Autoren wie Plechanow und Kautsky schreiben, ein Organ der Klassenversöhnung sein.
Für Engels, Marx und Lenin muss der Staat im Sozialismus aus dem Proletariat als herrschende Klasse bestehen, die die Ausbeuterklasse unterdrückt, enteignet und dadurch die Klassengegensätze zum Verschwinden bringt; es geht also um Klassenkampf und Diktatur des Proletariats. Dies bedeute Abschaffung und Zerstörung der Staatsmaschine, die die Bourgeoisie für sich geschaffen habe, so Lenin in «Staat und Revolution».

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Wir wollen frei sein!

sit. Der Beitrag der Frauen* im Kampf für die Pariser Kommune ist von grosser Wichtigkeit und nicht nur, weil sie an vorderster Front auf den Barrikaden standen. Angetrieben wurden die Kommunardinnen vom Wunsch nach einer geschlechtergerechten Gesellschaft und der Liebe zur Freiheit und zur Revolution.

Paris, 18.März 1871: In der Morgendämmerung versuchen Regierungstruppen die Kanonen, die sich im Stadtteil Montmartre und im Besitz der Volksmiliz (die Nationalgarde), befinden, aus der Stadt zu schaffen. Es sind Frauen*, die Alarm schlagen. Sie sind – wie gewohnt – schon so früh auf den Beinen, um Nahrungsmittel zu organisieren. Die Frauen* stellen sich zwischen die Kanonen und die anrückende Armee. Sie verzögern so den Abtransport der Waffen und reden ins Gewissen der Soldaten.
Der Kommunard und Journalist Prosper-Olivier Lissagaray (1838 – 1901) schildert es 1876 in seinem Buch «Geschichte der Kommune von 1871» wie folgt: «Die Frauen gingen zuerst vor. (…) Sie umringten die Mitrailleusen und sprachen auf die Geschützführer ein: ‹Es ist eine Schande! Was macht ihr hier?› Die Soldaten schwiegen. Dann und wann sagte ein Unteroffizier: ‹Geht, gute Frauen, macht, dass ihr fortkommt!› Der Ton seiner Stimme war nicht rau, und die Frauen blieben (…) Eine grosse Menge von Nationalgardisten mit erhobenen Gewehrkolben, Frauen und Kinder stürmen durch die Rue des Rosiers vor. [General] Lecomte sah sich umzingelt, er befahl dreimal, das Feuer zu eröffnen. Aber seine Leute blieben Gewehr bei Fuss. Als die Menge näherkam, verbrüderten sie sich, und Lecomte und seine Offiziere wurden festgenommen.»

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La bonne Louise

sit. Die Lehrerin und Journalistin Louise Michel ist eine der bekanntesten Kommunardinnen. Sie kämpfte in den Reihen der Nationalgarde an vorderster Front und mehr. Auch nach dem blutigen Niederschlag konnten weder Verbannung noch mehrere Haftstrafen ihren Kampfwillen brechen.

Louise Michel wird am 29.Mai als Tochter der Dienstmagd Marianne Michel und des Hausherrn von Schloss Vroncourt, Etienne Charles Demahis, geboren. Sie wächst bei den Eltern ihres Vaters auf und geniesst eine liberale Erziehung.
Nach dem Tod ihres Grossvaters 1850 besteht sie das Examen für Lehrerinnen. Ihre Ablehnung von Napoléon III. verhindert ihre Einstellung im staatlichen Schuldienst. Als sie 1853 eine Stelle in Paris antritt, schafft sie als erstes das Morgengebet ab. Sie wird zur entschlossenen Gegnerin des Bonapartismus und übernimmt nach dem Tod der Leiterin 1866 die Schule.

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Gesellschaftliche Sprengkraft

Jean Villain. Mit grossem Engagement und Leidenschaft begannen die Kommunemitglieder sich unter anderem für die Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen in Paris einzusetzen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag gestellt.

Am 2.April 1871 erliess die Kommune ein Dekret über die Bezahlung der Kommunemitglieder. Sie wurde auf 15 Francs pro Tag festgesetzt. Dadurch, dass die Mitglieder der Kommune sich ungefähr die Summe bewilligten, die in Paris ein tüchtiger, intelligenter und fleissiger Arbeiter in einem guten Beruf verdiente, haben sie so uneigennützig gehandelt, dass es darüber nichts zu erörtern gibt. Für 15 Francs täglich nahm jeder von ihnen drei bis vier Funktionen wahr, von denen eine jede unter jeder Monarchie ebenso wie unter der Republik Mac Mahons auf 30000 bis 100000 Francs geschätzt wurde. Doch im gleichen Augenblick, da sich die Kommune gegenüber ihren eigenen Mitgliedern und Angestellten so sparsam erwies, verdoppelte sie das Gehalt der Lehrer*innen; sie setzte es auf 2000 Francs fest und erhöhte das der Assistenten auf 1500 Francs.

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Aus dem Ratssaal der Kommune

Jean Villain. Wie ging es im Ratssaal der Kommune zu, wenn soziale Fragen zur Debatte standen? Das Protokoll der Sitzung vom 25.April 1871 beweist die respektheischende Leidenschaftlichkeit, mit der um gerechte Lösungen der Existenzprobleme der Werktätigen gerungen wurde.

Es geht hier um die Frage, wie die an die Leihhäuser verpfändeten Gegenstände am besten freizugeben seien. «Der Bürger Avrial: Ich habe diesen Dekretentwurf auf Freigabe vorgelegt, weil wir zeigen müssen, dass wir uns um das Volk kümmern, das die Revolution vom 18. März gemacht hat. Das Volk, das von Schwarzbrot lebt, darf mit Recht verlangen, dass man sich um seine Leiden kümmert, und um es durch gesetzliche Massnahmen zufriedenzustellen, darf man sich nicht an einigen Millionen stossen. Die Leihhäuser müssen verschwinden. Inzwischen soll man den Tapferen, die jetzt in den Kampf ziehen, eine vorläufige Genugtuung geben.

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Stürmt den Himmel nach dem Vorbild der Pariser Kommune

Jakob Kascher. Zuerst Marx und Engels, dann später auch Lenin setzten sich eingehend mit den Ereignissen in Paris vom Frühling 1871 auseinander. Für Marx waren die 72 Tage der Arbeiter*innenregierung «ein historischer Versuch ungeheurer Tragweite». Aber sie übten auch Kritik, um aus den begangenen Fehlern lernen zu können.

In einem Brief an Ludwig Kugelmann schrieb Karl Marx 1871 über die Pariser Kommune: «Die Geschichte hat kein ähnliches Beispiel ähnlicher Grösse!» Und Lenin erwähnte in seiner Schrift «Staat und Revolution», wie die einzige «Korrektur», die Marx am Kommunistischen Manifest für notwendig erachtete, er und Engels nur aufgrund der revolutionären Erfahrungen der Pariser Kommunard*innen machten. So überzeugt Lenin seine Leser*innen nur noch mehr von der Signifikanz der Pariser Kommune.
Und auch nach 150 Jahren ist es schwierig, die Wichtigkeit sowie die grossen, heroischen Errungenschaften der Pariser Kommune, des Pariser Proletariats zu unterstreichen, und dies trotz ihrer Kurzlebigkeit. Ähnlich verhält es sich auch mit den Lehren, die aus der Praxis der Kommune gezogen werden konnten. Insbesondere die Lehren von Marx und Lenin, welche heute noch grundlegendes und gültiges Wissen aller Kommunist*innen bilden sollten. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Artikel über die Pariser Kommune in diesem Jubiläumsjahr gerade wieder aus dem Boden spriessen wie Unkraut. Hoffen wir doch, dass dieser hier nicht zum Unkraut gehört.

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Europäische Solidaritätsaktion «Unblock Cuba» gestartet

Über 100 Organisationen, darunter auch die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) aus 27 Ländern fordern ein Ende der von der US-Regierung verfügten Wirtschaftsblockade gegen Kuba und ein aktives Handeln der europäischen Regierungen.

Am Samstag, den 17. April 2021, startet die europäische Solidaritätsaktion «Unblock Cuba». Die mehr als 100 beteiligten Organisationen, Vereine, Verbände und Medien aus 27 Ländern fordern ein Ende der über 60 Jahre andauernden Wirtschaftsblockade der USA gegenüber Kuba. In die Blockade werden durch immer neue Verschärfungen auch Unternehmen aus Europa hineingezogen. So weigern sich verschiedene deutsche sowie auch schweizerische Bankinstitute mit Verweis auf die US-Blockadebestimmungen, für ihre Kunden Finanztransaktionen mit kubanischen Banken durchzuführen. Unter der US-Regierung Donald Trump sind die Regelungen mehrfach verschärft worden. Eine Rücknahme oder gar Beendigung der Blockade stehen derzeit nicht auf der Agenda des neuen US-Präsidenten Josef Biden.

Die Solidaritätsaktion richtet sich nicht nur gegen die Blockadepolitik der USA. Sie wendet sich auch gegen die inkonsequenten Haltungen der europäischen Regierungen. Zwar bekunden die meisten EU-Staaten öffentlich ihre Ablehnung der Blockade und stimmen regelmässig auf UN-Vollversammlungen für deren Verurteilung. Allerdings belassen sie es bei wohlfeilen Worten, und gehen nicht gegen die Blockadegesetze vor, die auch den Handlungsspielraum europäischer Unternehmen rechtswidrig einschränken.

Kuba entstehen jährlich Milliardenverluste mit schwerwiegenden Folgen für die Bevölkerung. Der von der US-Regierung angestrebte Regime-Change konnte nicht erreicht werden, weshalb der damalige US-Präsident Barack Obama am 17. Dezember 2014 die ursprüngliche Strategie der USA für vollkommen gescheitert erklärte. Das Leiden der Bevölkerung geht aber bis heute weiter.

Die Aktion «Unblock Cuba», die von der in Berlin erscheinenden Tageszeitung «junge Welt» initiiert wurde, soll auf die für den 23. Juni geplante UN-Vollversammlung in New York einstimmen, für die Kuba erneut eine Verurteilung der völkerrechtswidrigen Blockadepolitik der USA beantragt hat. Auch in diesem Jahr werden fast alle Staaten des Gremiums diesem Antrag zustimmen. Diesmal sollen aber, so fordern die an der Kampagne beteiligten Organisationen, endlich Taten folgen. Um dieser
Forderung Nachdruck zu verleihen, sind in den europäischen Hauptstädten ab dem 24. April zahlreiche Aktionen geplant. So werden etwa für Berlin, Wien und Bern Veranstaltungen, Proteste, Plakat-, Radio- und Anzeigen- und Onlinewerbung organisiert. Die crossmedial abgestimmten Massnahmen werden über Spenden finanziert. Bisher wurden bereits über 30 000 Euro
eingesammelt.

Weitere Infos unter: https://www.unblock-cuba.org

Nur eine Antwort möglich: Streik!

sit. Als der Weltkonzern Amazon seinen Angestellten in Italien mitteilte, die
Zuschläge für Sonn- und Feiertage zu streichen, platzte den Arbeiter*innen der Kragen. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Lieferkette von Amazon unterbrochen. Ein Arbeitskampf, der weltweit Schule machen muss.

«Wir alle haben eine Flasche zum Pinkeln im Wagen, um keine Zeit zu verschwenden, auch wenn man immer hofft, dass man sie nicht benutzen muss», erzählen sie fast im Refrain. Natascia, Andrei, Marco und Dario sind »Driver» (Fahrer*innen). Angestellt sind sie bei der Transportfirma Unicotras, ein Subunternehmen des Weltkonzerns Amazon. Sie liefern täglich Pakete in der Stadt Rom und Umgebung aus. «Als uns mitgeteilt wurde, Amazon wolle Sonn- und Feiertage als normale Arbeitstage vergüten, um so Lohnkosten zu sparen, platzte uns der Kragen. Streik ist die einzige mögliche Antwort darauf», sagen sie der Kollegin der kommunistischen Tageszeitung «il manifesto».
Es ist der erste Streik der drei Arbeitskolleg*innen. Und es ist gleich ein historischer: Am 22.März fand der erste nationale Arbeitskampf beim US-Onlinehändler Amazon in Italien und somit weltweit statt. Die für den Konzern so wichtige Lieferkette wurde unterbrochen. Die «Driver» und die Arbeiter*innen in den sogenannten «Hubs» (Magazine) verschränkten die Arme für 24 Stunden und forderten Rechte, Schutz und Garantien. » Weiterlesen

Big Pharma gewinnt immer

dab. Wie die Strategien von Pharmakonzernen zur Profitmaximierung funktionieren und wie Big Pharma damit die Krise zu ihrem Vorteil ausnutzt – und erst noch massiv von öffentlichen Geldern profitiert: Dies zeigt die für die Einhaltung der Menschenrechte engagierte NGO Public Eye in ihrem neuen Report «Big Pharma takes it all».

Obwohl Gesundheit ein Menschenrecht ist, schützen reiche Länder wie die Schweiz die Interessen ihrer Pharmaindustrie, indem sie internationale Bestrebungen für einen gerechten Zugang zu Pharmaprodukten verhindern. Die durch weltweit verfügte strenge Hygienemassnahmen grassierende Krise mit gravierenden Auswirkungen auf Gesundheit, Lebensunterhalt und Sozialleben der Menschen zeigt, wie problematisch das Geschäftsmodell der grossen Pharmakonzerne ist. In ihren Schönwetter-Visionen betonen die Konzerne ihren Einsatz für die Gesellschaft. In Tat und Wahrheit nutzen sie die Covid-19-Krise zu ihrem Vorteil und gegen benachteiligte Menschen. Public Eye formulierte zehn Strategien? für den grösstmöglichen Gewinn der Pharmakonzerne (siehe auch Grafik).
Forschung am Profit orientieren (1.Strategie): Die Pharmakonzerne entwickeln Behandlungen für Kranke, die zahlen können, sowie für chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Krebs und Diabetes, die über lange Zeiträume verschrieben werden können. Behandlungen für Krankheiten in einkommensschwachen Ländern sind nicht lukrativ – genauso wenig wie Antibiotika und Impfstoffe, ausser der Staat bezahlt.
Patente missbrauchen (2.Strategie): Patente sollen Unternehmen für die Entwicklung eigener Innovationen entschädigen. Das 1995 in Kraft getretene Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) führte zu einer Globalisierung von fehlerhaften und sozial nicht nachhaltigen Anreizen. Konzerne missbrauchen ihre Monopolmacht und verlangen trotz massiver öffentlicher Finanzierung überhöhte Preise, die zu explodierenden Gesundheitskosten führen.

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Schuldig des Tods Zehntausender!

sit. Syngenta stellte über Jahrzehnte hinweg den Profit über die Produktsicherheit und nahm so bewusst Tausende von Toten in Kauf. Dies beweisen die «Paraquat Papers», die von Public Eye und Unearthed, der britischen Investigativabteilung von Greenpeace, analysiert wurden.

Der Bericht beginnt mit einer traurigen Erzählung: Warunika war sechzehn Jahre jung, als sie einen Schluck «Gramoxone» aus einer Flasche trank, die im Haus ihrer Familie herumstand. Ihre Eltern sind sich sicher: Sie wollte nicht sterben. Nach einem Streit mit ihrem Bruder hatte sie sich wütend die Flasche geschnappt und einen Schluck genommen. «Hier, ich habe das getrunken!», rief sie ihrer Mutter zu. «Sie hat das getan, um mir Angst zu machen», erklärt Kumarihami. Warunika starb am nächsten Tag im Krankenhaus.
Ihre Eltern, Kleinbauern im Norden Sri Lankas, benutzten Gramoxone als Unkrautvernichter auf ihren Reisfeldern. Das Produkt enthält Paraquat – eines der giftigsten Herbizide der Welt – in hoher Konzentration. Und wie die traurige Geschichte von Warunika beweist: Bereits ein Schluck kann tödlich sein. Ein Gegenmittel gibt es nicht.

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Kaum Gerechtigkeit für Fidel

Philipp Gerber. Mit dem Attentat auf Fidel Cruz trafen seine Mörder und deren Auftraggeber ein Symbol der Umweltschützer*innen in Südmexiko. Fidel und seine Gemeinde stehen für den erfolgreichen gewaltfreien Widerstand gegen Staudammprojekte und für die Verteidigung der Territorien. Der Mord sät Schrecken, aber die Widerstandsstruktur ist nicht gebrochen.

«Unser Compañero Fidel Heras Cruz wurde am 23.Januar 2020 in seinem Pick-up am Eingang zum Dorf La Esperanza in der Gemeinde Santiago Jamiltepec in Oaxaca erschossen. Sein Leben wurde ihm auf grausame und feige Weise genommen», schreiben lokale Menschenrechtsverteidiger*nnen nach dem Mord. „Wir können nicht zulassen, dass noch mehr kommunitäre Menschenrechtsverteidiger*innen ermordet werden. Der Mord an unserem Compañero darf nicht ungestraft bleiben», betont der Rat der Vereinigten Dörfer zur Verteidigung des Río Verde (Copudever). Doch trotz Pressewirbel und Protestnoten, inklusive UNO und aller europäischen Botschaften in Mexiko, ist auch zwei Monate nach der Tat von Strafverfolgung keine Spur.

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Die Wahrheit ist auch Opfer des Kriegs

Matin Baraki. Die herrschende Meinung ist eben die Meinung der Herrschenden. In ihrem neuen Buch unterzieht die Medienwissenschaftlerin, Professorin und Friedensaktivistin Sabine Schiffer eine präzise und gut dokumentierte Kritik und Analyse der Agenturen und führenden Medienmonopole.

Als ich das theoretische Teil dieses Werkes gelesen habe, dachte ich, es könnte eine Habilitations-Arbeit sein, die eigentlich zu fachspezifisch ist und nur für Akademiker*innen von Interesse wäre. Beim weiteren Studieren hat sich aber herausgestellt, dass es sich hier um eine unerschöpfliche Informationsquelle und exakte Analyse der Berichterstattung in den herrschenden Medien handelt. Und dies ist für alle politisch interessierten Menschen wichtig, um zu verstehen, wie wir von Politiker*innen, Schreibsöldner*innen und vielen Medien belogen werden. Die herrschende Meinung ist eben die Meinung der Herrschenden.

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30 Jahre Leprahilfe Vietnam

Anjuska Weil. Der kleine Verein Leprahilfeplus Vietnam wird in diesem Frühjahr 30 Jahre alt. In Vietnam hat die Bekämpfung dieser schrecklichen Krankheit grosse Fortschritte erzielt. Gab es 1990 noch rund 10000 Neuansteckungen im Jahr, so liegt diese Zahl heute deutlich unter 300. Zu diesem stolzen Erfolg hat Leprahilfe Vietnam beigetragen.

Blenden wir zurück: Im Mai 1990 erhielt unsere Genossin Els Goldstein ihre Krebsdiagnose. Für sie war rasch klar, dass sie sich nicht einer Operation mit ungewissem Ausgang unterziehen wollte. Die verbleibende Zeit wollte sie – unterstützt durch Palliativmedizin – vielmehr dafür nutzen, noch Dinge zu tun, die ihr wichtig waren. Dazu gehörte ihr Erspartes aufzuteilen. Menschen im Trikont, die krank, arm und ausgegrenzt waren, sollten zu den Begünstigten gehören. Vietnam war eines der Länder, in denen sie sich schon früher engagiert hatte. Was lag da näher als ein Beitrag zugunsten der Leprakranken in Vietnam?

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Auch mit Verbot nicht tot

flo. Erneut versucht der türkische Staat die Opposition mundtot zu machen. Staatspräsident Erdogan verspricht sich so klare Vorteile bei den nächsten Wahlen. Von der Repression stark betroffen ist die linksgerichtete HDP. Der vorwärts sprach mit Zya Pir, der für die Partei ins türkische Parlament gewählt wurde.

Und wieder schlägt der türkische Staatspräsident Erdogan nach dem politischen Gegner: Mit einem Verbotsverfahren, Schikanen und Verhaftungen soll die prokurdische Halklar?n Demokratik Partisi (HDP) mundtot gemacht werden. Die Vorwürfe sind vage, die «Beweise» gesucht. Für Beiträge in sozialen Medien, wie Twitter, werden in der Türkei linke Politiker*innen verfolgt, verhaftet, ihrer Mandate beraubt und kriminalisiert. Besonders populär: Der Gummiparagraf, der es ermöglicht, linkspolitisch Aktive wegen diffuser Terrorvorwürfe einzusperren.

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Verhaftet eure eigenen Leute

flo. Nach dem abscheulichen Mord an der jungen Britin Sarah Everard diskutiert das Vereinigte Königreich über Gewalt an Frauen*. Dabei geht diese Gewalt oft von jenen aus, die eigentlich für den Schutz der Frauen* zuständig wären: Angeklagt des Mordes ist ein Londoner Polizist.

Sarah Everard war gerade mal 33 Jahre alt, als sie am 3.März auf dem Heimweg entführt und ermordet wurde. Sie hatte einen Freund in Südlondon besucht, wo auch sie selbst wohnte. Am 9.März, einen Tag vor dem Fund ihrer Leiche, wurde Wayne Couzens, ein Polizist der Londoner Metropolitan Police, verhaftet. Er war aufgefallen, da er sich drei Tage vor Everards Verschwinden vor einer Frau entblösst hatte. Der Vorfall wurde auf Kamera aufgezeichnet. Couzens wurde nicht suspendiert, seine Waffe, die er als Mitglied einer Spezialeinheit trug, die Botschafts- und Regierungsgebäude bewacht, konnte er behalten. Couzens war kein hundskommuner Streifentschugger, sondern – anders als viele britische Polizist*innen – berechtigt, im Dienst eine Waffe zu tragen.
Mittlerweile wurden gegen Couzens Anzeige wegen Entführung und Mordes gestellt. Doch die Metro Police hat nicht nur dabei versagt, einen Sexualstraftäter aus ihren Reihen zu entfernen. In kaum überbietbarem Zynismus haben die Kolleg*innen von Couzens ihren ganz eigenen misogynen Gewaltexzess veranstaltet.

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Frauen*rechte? Egal!

sah. Die Türkei verlässt das internationale Abkommen zum Schutz der Frauen* vor Gewalt – auch bekannt als Istanbul-Konvention. Der Entscheid hat schwerwiegende Folgen und ist auch ein deutliches Zeichen an die internationale Gemeinschaft. Aktivist*innen rufen nun zu Protesten auf.

Der Ausstieg aus der Istanbul-Konvention war seit einiger Zeit Thema in der Türkei. Nun wurde im März das Vorhaben Realität und die Türkei ist ausgetreten. Die Istanbul-Konvention gilt als wichtiges Werkzeug auch zur Bekämpfung der steigenden häuslichen Gewalt. 2011 wurde dieser völkerrechtliche Vertrag ausgearbeitet. Ziel dabei war es, verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen* zu schaffen und eine Grundlage zu bieten, wie sie vermindert wird. Das internationale Übereinkommen hat die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen zum Ziel. Eckpfeiler des Übereinkommens sind die Bereiche Gewaltprävention, Opferschutz, Strafverfolgung sowie ein umfassendes und koordiniertes Vorgehen. Die Konvention trat am 1.August 2014 in Kraft.

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Die Ehe gehört abgeschafft

Lucas Zeise. Die bürgerliche Ehe schützt Homosexuelle vor Diskriminierung, aber die Frauen* nicht vor der Überlast der Reproduktionsarbeit. Beide Geschlechter sollten in grösseren Haushalten die Reproduktion, die Kindererziehung und das gemeinschaftliche Wohnen organisieren.

Konzerne haben sich verpflichtet, ein paar mehr weibliche Mitglieder in ihre Vorstandsetagen zu hieven. An manchen Stellen werden Frauen* im gleichen Job so gut wie Männer bezahlt. Die Kanzlerin ist schon seit 2005 im Amt und hat die Menschen daran gewöhnt, dass Frauen* an der Spitze stehen können. Formulare und Behördenschreiben werden geschlechtsneutral oder doppelt formuliert. Talkshow-Moderator*innen formulieren knackig atemholend mit Binnen–I. Kurz, die Frauen* stehen kurz vor dem Ziel: Diskriminierung in Bild, Ton, Wort und Paragraphen wird wunderbar weit eliminiert. Das faktische doppelte Elend der Frauen* im System der Ehe aber bleibt.

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