«Wir müssen schuften, bis wir krank sind, dann werden wir entlassen»

Hasan A. im Gespräch mit der PdA-Aragau. Bild: zVg

Fabian Perlini. Die Coop Genossenschaft kündigte einem tadellosen Lagermitarbeiter mit bester Arbeitsmoral, nachdem er von der harten Arbeit Rückenprobleme bekommen hatte. Die Partei der Arbeit Aargau ging der Sache nach, führte Gespräche mit einem HR-Manager der Coop und lernte dabei eine der unschönen Seiten des Konzerns kennen.

«Zuerst nehmen sie mir meine Gesundheit, dann stellen sie mich auf die Strasse.» Dies der harte Vorwurf gegenüber seinem Arbeitgeber, der Coop Genossenschaft. Hasan A. war über sechseinhalb Jahre lang Lagermitarbeiter in der Leergutzentrale Schafisheim (Aargau). » Weiterlesen

Heuchelei im Tiefschnee

Die goldene Zeit des WEF könnte vorbei sein. Bild: Evangeline Shaw auf unsplash

flo. Zum 53.Mal trafen sich Kapitalist:innen und Regierungsvertreter:innen in Davos zum Weltwirtschaftsforum. Die erste Reihe imperialistischer Staaten schickt aber nur kleine Fische in den Schnee. Denn daheim droht nämlich oft Ungemach.

Was das Weltwirtschaftsforum (WEF) jedes Jahr mit Davos macht, ist eine Metapher auf das System, in dem wir leben, die man sich kaum schöner, aber auch kaum deprimierender ausmalen könnte. » Weiterlesen

Systemwandel, aber wie?

lmt. Kapitalismuskritik ist, was die vier linken Parteien am 6.Januar verband. Doch wie dieser als System zu überwinden ist, liess die Meinungen auseinanderklaffen. Der vorwärts war bei der Podiumsdiskussion der AVIVO dabei und hörte sich die Visionen der Kandidat:innen an.

Der Kapitalismus muss überwunden werden. Dem stimmen Liliane Hasler von der PdA, Nicole Wyss von der AL, Andreas Daurú von der SP und Silvia Rigoni von den Grünen zu. Die vier Kandidat:innen bei den Zürcher Kantonsratswahlen vom 12.Februar stellten an der Podiumsdiskussion vom 6.Januar dieses Jahres ihre Ideen und Visionen vor.

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Für die Würde und aus Respekt

sit. PdA-Nationalrat Denis de la Reussille ergriff in der Debatte über die 13.AHV-Rente das Wort. Er erinnerte dabei an einige Fakten, die für eines der reichsten Länder der Welt beschämend sind. Und seine Interpellation, welche die Politik Israels thematisiert, sorgte für Aufregung. 

Am 28.Mai 2021 wurde die von den linken Parteien und Gewerkschaften lancierte Initiative für eine 13.AHV-Rente mit über 100000 gültigen Unterschriften eingereicht. Am 14.Dezember 2022 debattierte der Nationalrat über das Volksbegehren.

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Kämpferische Ansage des SGB

sit. Am 9.Januar führte der Schweizerische Gewerkschaftsbund seine traditionelle Jahres-Medienkonferenz durch. Reallohnerhöhung, kürzere Arbeitszeiten und der feministische Streik vom 14.Juni stehen auf der Agenda 2023.

«Ein Lohn muss zum Leben reichen, das heisst konkret: keine Löhne unter 5000 Franken für Berufstätige mit Lehre und mindestens 4500 Franken für alle», hielt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) fest. Die Kaufkraft-Krise durch explodierende Krankenkassenprämien und die anhaltende Teuerung treffe viel Erwerbstätige hart.

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Nicht im Interesse der Pharmaindustrie

Der bekannte Onkologe Franco Cavalli. Bild: Twitter

dom. Krieg, Krise und Inflation haben das «Ende» der Corona-Pandemie überschattet – doch eine Aufarbeitung der Pandemie tut not. Der vorwärts sprach mit Franco Cavalli, bekannter Onkologe und linker SP-Politiker über Zoonosen, Zero-Covid, die Schweizer Corona-Politik und vieles mehr. Teil 1 des Interviews.

Der Ukraine-Krieg hat die Corona-Pandemie innerhalb kürzester Zeit aus der Öffentlichkeit und aus den Köpfen verdrängt. Ist der Zusammenhang zwischen unserer kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Entstehung von Krankheiten in der Öffentlichkeit genügend verdeutlicht worden?
Absolut nicht! Und ich habe sogar den Eindruck, dass die Mainstream-Medien alles unternommen haben, um diesen Zusammenhang so wenig wie überhaupt möglich zu beleuchten.

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Die SP steigt ohne Biss in den Wahlkampf

dom. Die SP hat im Rahmen eines zweitägigen Parteitags in Basel ihren Wahlkampf für die eidgenössischen Wahlen 2023 lanciert. Unter dem Motto «Lobby der Menschen» will sie die Kaufkraft der Bevölkerung stärken, Klimaschutz und Energiesicherheit ausbauen sowie die Gleichstellung vorantreiben.

Auch die Schweizer Sozialdemokrat:innen haben den Kaufkraftverlust der breiten Bevölkerung registriert: «Während die Gewinne von Konzernen und Grossaktionären explodieren, bleibt bei vielen Menschen am Ende des Monats immer weniger Geld übrig.

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«Ein Wirtschaftssystem, das der Menschheit nicht gerecht wird»

Immer mehr Menschen sind auf der Welt von Armut betroffen, während die Vermögen einer kleinen, superreichen Minderheit steigen und steigen.

sit. Die Organisation Oxfam fordert die Erhöhung der Besteuerung der immensen Vermögen der Superreichen dieser Welt. Dies wäre ein wichtiger und richtiger Schritt im Kampf gegen die Armut. Reichen würde es aber bei Weitem nicht. Das weiss auch Oxfam. So wird der Grund des Übels beim Namen genannt – was gleichzeitig eine Aufforderung zum Handeln ist.

«Die Welt soll als Ausgangspunkt eine Halbierung des Reichtums und der Zahl der Milliardär:innen bis 2030 anstreben», fordert Oxfam, ein internationaler Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.

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Mafiaboss blieb 30 Jahre unbehelligt

Giovanni Falcone (links) und Paolo Borsellino im Gespräch. Das Foto wurde am 27.März 1992 in Palermo von dem italienischen Fotografen Tony Gentile aufgenommen. Wenige Monate später wurden die beiden Richter durch Bombenattentate ermordet. Bild: wikipedia

sit. Matteo Messina Denaro ist gefasst. 30 Jahre lang wurde nach dem Boss der Bosse erfolglos gefahndet. Wie konnte er so lange untertauchen? Etwa durch ein Abkommen des Staats mit der Mafia? Viele Fragen drängen sich auf, über welche die aktuelle Regierung lieber die Hülle des Schweigens halten will.

Matteo Messina Denaro, der frühere Boss der Bosse der sizilianischen Mafia Cosa Nostra, wurde am 17.Januar von den Carabinieri in Palermo in einer Privatklinik verhaftet, in der er sich wegen eines Krebsleidens behandeln liess.

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Das war erst der Anfang!

sit. Die Antwort auf die geplante Rentenreform in Frankreich war ein Generalstreik im privaten und öffentlichen Sektor, der das Land weitgehend lahmlegte. Länger arbeiten zu immer mieseren Bedingungen kommt für die Masse schlicht nicht infrage. Weitere Streiks und Proteste sind angekündigt.

Am 19.Januar strömten rund zwei Millionen Menschen in zahlreichen Städten Frankreichs auf die Strasse, um gegen die geplante Rentenreform zu protestieren.

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Der Hauptfeind und das eigene Land

Die Genoss:innen der DKP an der diesjährigen LLL-Demo. Bild: Melina Deymann, ZU

flo. Mit der Grossdemonstration in Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15.Januar in Berlin schien die revolutionäre Linke zu verkünden: Doch, da sind wir immer noch! Rund 12000 Genoss:innen nahmen an der Demo teil.

104 Jahre ist es her, seit protofaschistische Freikorpsleute unter Befehl des sozialdemokratischen Bluthunds Gustav Noske die Genossin Rosa Luxemburg und den Genossen Karl Liebknecht in Berlin ermordetet haben. Karl wurde am Tiergarten erschossen, Rosa töteten sie noch beim Hotel Eden am Kurfürstendamm, wo sie zuvor gefangen gehalten wurde. Ihre Leiche wurde bei der Lichtsteinbrücke in den Landwehrkanal geworfen. 

Wichtige Veranstaltung
Der Mord an Luxemburg und Liebknecht hatte der damals noch jungen aber verzweifelt um die Revolution kämpfenden kommunistischen Bewegung in Deutschland das Haupt abgeschlagen. Und hätte die Revolution in Deutschland zusammen mit der in Sowjetrussland Erfolg gehabt, wie anders wäre der Gang der Geschichte der Klassenkämpfe doch verlaufen. Wenig überraschend also, dass die Gedenkveranstaltungen rund um Rosa und Karl mit die wichtigsten Veranstaltungen der revolutionären und marxistischen Linken im deutschsprachigen Raum darstellen. So dürfte die Demo in Berlin vom Frankfurter Tor zur «Gedenkstätte der Sozialisten» am Friedrichsfelder Friedhof die grösste kommunistisch dominierte Demonstration in Mitteleuropa sein. Entgegen den Erwartungen und vermutlich auch Hoffnungen der bürgerlichen Gesellschaft ist die LLL-Demo (für Luxemburg, Liebknecht, Lenin – seit Lenins Tod am 21.Januar 1924 bezog die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) den sowjetischen Revolutionär in ihr Gedenken mit ein) kein immer kleiner werdender Anlass einiger DDR-Nostalgiker:innen und Traditionskommunist:innen. Auch dieses Jahr erstreckte sich der Demonstrationszug über Kilometer.

Exponentielles Wachstum
Und es ist nicht das erste Jahr mit starkem Wachstum: So konnte man bei der letztjährigen Demonstration die Teilnehmendenzahlen laut der Tageszeitung junge Welt (jW) gegenüber 2021 auf 7000 verdoppeln. Laut Schätzungen der jW kamen dieses Jahr zwischen 12000 und 13000 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet aber auch dem nahen Ausland zusammen. Dabei muss man berücksichtigen, dass dieses fast schon exponentielle Wachstum der Demonstration viel mit dem kleineren Demonstrationsaufkommen in den letzten Jahren angesichts der globalen Covid-Pandemie zu tun hat. Anwesend waren neben grossen Abordnungen der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjungend (SDAJ) und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) auch Teile der Linkspartei, kleinere Gruppen und grosse Blocks aus den Kontexten der migrantischen Linken. So waren auf manchen Banner an der Demonstration neben Rosa, Karl, Lenin auch Ibrahim Kaypakkaya zu sehen. 

Ob es die Ausmasse der Demo waren, die die Polizei dazu animiert hat, vielleicht nicht mit ganz so brutaler Repression gegen die Aktivist:innen vorzugehen, lässt sich nicht sagen. Doch anders als 2018 und 2020 kam es dieses Jahr zu keinen Angriffen der Staatsmacht auf die Demonstration. Vor drei Jahren hatte die Polizei den Block der Freien Demokratischen Jugend (FDJ) angegriffen. Die vorgeschobene Begründung: Die Organisation sei verboten. Dies ist jedoch eine leicht zu widerlegende Lüge: Verboten war einzig die Auslandsorganisation der FDJ in der BRD. Die aus der Ost-FDJ hervorgegangen Strukturen sind nicht verboten. 2018 war der Vorwand der Polizei das Mitführen eines Öcalan-Bilds durch kurdische Genoss:innen.

Gegen Krieg und Aufrüstung
Auch an der Liebknecht-Luxemburg-Demo ist der Konflikt in der Ukraine präsent. Eine Teilnehmerin trägt die Fahne einer der Donbass-Volksrepubliken mit sich. Zwei Personen am Seitenrand halten den Demonstrant:innen, die sie geflissentlich ignorieren, eine ukrainische Fahne entgegen und in der bürgerlichen Presse wird in den Tagen nach der Demo von «russischer Kriegspropaganda» an der Liebknecht-Luxemburg-Demo berichtet. Für die Feinheiten der verschiedenen Positionen innerhalb der Linken hat man bei solchen Blättern natürlich keine Zeit. Und wahrscheinlich auch keine Lust, sich schlau zu machen. Was die Genoss:innen deutlich von den Meinungsmacher:innen bei der bourgeoisen Presse unterscheidet, ist: Karl Liebknechts Linie vom «Hauptfeind», der im eigenen Land steht. Dies findet wohl bei praktisch allen Linken an Zustimmung. Für Menschen in Westeuropa müssen ihre eigene imperial über die Nato agierende herrschende Klasse der Hauptfeind sein. Denn weder die werktätigen Massen in Russland noch in der Ukraine profitieren von diesem Krieg.

Konferenz mit Klärungsbedürfnis

flo. Die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin stand ganz im Zeichen des Ukrainekriegs. Trotz Meinungsverschiedenheiten unter den Teilnehmenden in der Frage der Bewertung Russlands gab es aber auch einen klaren Konsens: Für Frieden und gegen Aufrüstung.

Das Haus war voll in Berlin Moabit. Schon seit Jahren findet die Rosa-Luxemburg-Konferenz im Kongresshotel Mercure Hotel Moa statt. Organisiert wird sie von der Tageszeitung junge Welt (jW).

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Die gute Millionärin

Marlene Engelhorn bei einer Aktion im Mai 2022. Ihr Vermögen wird auf etwa vier Milliarden Euro geschätzt. Bild: Twitter

sah. Die Millionenerbin Marlene Engelhorn bringt Themen wie die Vermögensteuer wieder auf den Tisch. Vermögen sind ungleichmässig verteilt und reiche Menschen mussten oft für ihr Vermögen nichts tun. Ihre Veröffentlichung «Geld» bekam 2022 den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch.

Aus dem «Nichts» gekommen: Die Österreicherin Marlene Engelhorn. Die Germanistikstudentin aus Wien ist die Enkelin von Traudl Engelhorn-Vechiatto. Ein Vorfahre der Familie war Friedrich Engelhorn, Gründer des Chemiekonzerns BASF und Mitgesellschafter der Boehringer-Mannheim-Gruppe.

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Der gescheiterte «dritte Weg»

Proteste bei einer Kundgebung der rechtsextremen SD in Schweden. Bild: Twitter

Anna Kindler. Bis heute gilt Schweden fälschlicherweise als humanitäre Grossmacht und wird als Musterbeispiel für einen stark ausgebauten Wohlfahrtsstaat herangezogen. Doch der «dritte Weg» ist gescheitert – das wird nicht zuletzt am rasanten Aufstieg der Schwedendemokraten und den Verfehlungen im Migrationsbereich erkennbar.

In zahlreichen schwedischen Grossstädten kam es an Ostern 2022 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrant:innen. Bilder brennender Polizeiautos und fliegender Molotow-Cocktails verbreiteten sich und lösten eine heftige Debatte über Meinungs- und Demonstrationsfreiheit aus. Es handelte sich um Demonstrationen gegen geplante Kundgebungen des dänischen Politikers Rasmus Paludan – Gründer der rechtsextremen Partei «Strammer Kurs».

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Eine Begegnung mit der Geschichte 

Anjuska Weil ist seit Jahrzehnten aktiv in der Solidaritätsarbeit mit Vietnam und Autorin des kürzlich erschienenen Buchs «Begegnungen – Geschichten in der Geschichte Vietnams.»

lmt. Das Buch «Begegnungen – Geschichten in der Geschichte Vietnams» der Autorin Anjuska Weil gibt einen so noch nie festgehaltenen Einblick in die Geschichte des Landes. Ganz unterschiedliche Menschen erzählen ihre Lebensgeschichte und decken dabei Aspekte auf, die nicht in den Geschichtsbüchern zu finden sind. Ein Gespräch mit der Autorin.

«Begegnungen mit alten Menschen in Vietnam sind etwas Besonderes, immer auch ein Stück Geschichte, gelebte, persönliche Geschichte, welche sich in die grosse Geschichte des Landes einfügt», ist auf der ersten Seite zu lesen. Und genau so ist das Buch aufgebaut. 17 unterschiedliche Menschen erzählen über eine Zeit Vietnams, die geprägt war von Kriegen. Ihre Gefühle verpacken sie dabei in Gedichte, ein Brauch des Landes, der bis heute weitergeben und gelehrt wird. Der vorwärts sprach mit der Autorin des Buches Anjuska Weil.

Wie kamst du auf die Idee, dieses Buch zu schreiben?
Das ist eine alte Geschichte. Ich fing vor rund zehn Jahren damit an. Anfangs war es noch nicht klar, dass irgendwann daraus ein Buch entstehen würde. Ursprünglich wollte ich Geschichten von Menschen aufnehmen, die ich kannte. Die erste Geschichte war jene, des Mathematikprofessor und guten Freund von uns. Zum Glück habe ich damals seine Geschichte aufgenommen, denn heute wäre er nicht mehr in der Lage dazu. Ich fing also an, die Geschichten festzuhalten und irgendwann kam die Idee auf, die eine oder andere Geschichte im Hoa Binh, das ist die Publikation der Vereinigung Schweiz-Vietnam, zu veröffentlichen. So nahm das seinen Lauf und eine Reihe von Geschichten entstand. Es wurde immer klarer, dass diese Reihe an Geschichten zu einem Buch werden wird. Die Idee bestand daher nicht von Beginn weg, sondern sie entwickelte sich mit der Zeit.

Hat es eine Geschichte, die dich besonders gerührt hat oder am Herzen liegt
Nicht eine einzelne Geschichte, sondern es ist die Kombination der Lebensgeschichten und Gedichten. Viele Gedichte, die nicht in einem Text verankert sind, stammen von einem Cyclo-Fahrer. Aber eben wie schon gesagt, ich könnte nicht eine Geschichte herauspicken. Ihre Gesamtheit macht es aus. Ich habe mich darum bemüht, dass die Geschichten verschieden sind. Es sind Menschen mit verschiedenen Lebenssituationen, die alle auf ihre eigene Weise jene Zeit erlebt haben. Natürlich gibt es hin und wieder Überschneidungen, weil alles im gleichen Land und im gleichen Zeitraum passiert ist. Aber sie haben sich alle unterschiedlich stark und in verschiedenen Bereichen engagiert. Es hat zum Beispiel eine katholische Nonne und es hat auch eine buddhistische Nonne. Dass auch solche Geschichten ihren Platz finden, war mir wichtig.

Es war dir also wichtig, dass ganz verschiedene Menschen vorkommen?
Richtig. Auch aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Es hat eine Geschichte, die fast eine Doppelgeschichte ist, über eine Frau, welche eine Alphabetisierungskampagne gestartet hatte. Sie erzählte aber auch von ihrem Vater. Er stammte aus dem Hochadel und schloss sich der Revolution an. Es gibt eine Passage in der Erzählung, wo ihn eine Bäuerin mit «endlich Bruder!» und nicht als «Herr» anspricht. Solche Geschichten wollte ich eben auch sichtbar machen.

Du hast es zwar schon angeschnitten, aber trotzdem die Frage: Was sind das für Menschen, die in deinem Buch vorkommen und ihre Geschichten erzählen?
Wie bereits erwähnt: Es sind unterschiedliche Menschen. Menschen, welche ihren Beitrag auf verschiedene Art geleistet haben in einer schwierigen Zeit. Als Erstes war da, was sie «französischer Krieg» nennen. Also der Kolonialkrieg, in dem Frankreich die Unabhängigkeit von Vietnam nicht anerkennen wollte. Danach kam der USA-Krieg. Es gibt Menschen, die haben beide Kriege erlebt. Es hat aber auch etwas jüngere Menschen, die den Kolonialkrieg nicht erlebt haben oder sie waren zu dieser Zeit Kinder. Es handelt sich um eine Zeit, welche vom Kriege geprägt war. Nach dem Sieg gegen die USA wurde unmittelbar ein Embargo gegen Vietnam verhängt und die westlichen Länder haben da mitgemacht. Das war für die Menschen in Vietnam sehr hart. Ihr Land wurde zuerst zerstört und danach auch noch unter Embargo gestellt. Die Nachkriegsjahre waren eine sehr schwierige Zeit. Das kommt teilweise auch zum Ausdruck in den Geschichten. 

Wenn du die Menschen in Alter einordnen würdest, sind es eher ältere Menschen?
Ja, genau. Um die ganze Zeit miterlebt zu haben, muss man doch ein gewisses Alter haben. Die Altersspanne reicht von 60 bis 80 Jahre, dies zum Zeitpunkt, als ich die Interviews führte. Es leben inzwischen nicht mehr alle.

Was machen die Geschichten so besonders?
Sie geben einen Einblick, den man in den Geschichtsbüchern nicht finden kann. Es sind «Sondierbohrungen», die in die Tiefe gehen und ganz konkret aufzeigen, wie die Zeit damals war und erlebt wurde. Eine Geschichte zum Beispiel berichtet darüber, dass Frankreich sogenannte vietnamesische Kontraktarbeiter nach Neukaledonien verfrachtete, damit diese dort in den Bergwerken schuften mussten. Ich meine, wer weiss schon so was? Und in meinem Buch gibt es eine Frau, die in Neukaledonien aufgewachsen ist, wobei ihr Vater genau auf diese Weise dorthin kam. Sie war dann eine von den Letzten, die nach Vietnam zurückging. Denn sie trat einer Jugendbewegung bei, die sich dafür einsetzte, dass alle, die möchten, zurückkehren konnten. Es kommen Ereignisse aus der Geschichte hervor, die nicht allgemein bekannt sind. Mein Buch gibt Einblicke in persönliche Lebensgeschichten, deckt aber auch Sachen auf, die einer grossen Öffentlichkeit nicht bekannt sind. Die Abmachung mit den Interviewten war, dass sie nur das erzählen, was sie wollen und ich auch nicht weiter nachhake. Das führt dazu, dass gewisse Geschichten nicht sehr viele Gefühle aufweisen. Aber ich muss dazu sagen, dass die Menschen ihre Gefühle immer wieder in Gedichten ausdrücken. Es ist in Vietnam üblich, dass Gefühle in Gedichte verpackt werden.

Was wolltest du mit dem Buch festhalten und dementsprechend auch bewirken?
Ich wollte die Erinnerung an diese Menschen festhalten. Aber zur gleichen Zeit wollte ich auch einen Einblick in die Geschichte des Landes geben. Mein Buch hält auch keine Biografie von einem berühmten Menschen fest, dies wollte ich bewusst nicht. Denn das gibt es schon. Es sind vor allem «Alltagsmenschen».

Bestellungen bei info@vsv-asv.ch oder direkt bei der Autorin: a.weil@sunrise.ch

Buch gebunden, 200 Seiten, ISBN 978-3-033-09524-3,Preis: CHF 28.- 

Die einzige mögliche Lösung

sit. Millionen von Menschen sind bereits heute wegen des Klimawandels auf der Flucht – weitere Millionen werden hinzukommen. Noch mehr Kriege drohen, weil sich die Lebensmittelversorgung in vielen Teilen des Planeten weiter verknappen wird. Steht die Welt vor dem Abgrund? Sie ist auf dem Weg dorthin, aber noch ist nicht alles verloren.

«Der Klimawandel könnte zum Hauptfluchtgrund werden. Er verstärkt den Wettstreit um die Ressourcen – Wasser, Nahrungsmittel, Weideland – und daraus können sich Konflikte entwickeln.» Diese Worte sprach António Guterres, damaliger Hoher Flüchtlingskommissar und seit 2017 Generalsekretär der Vereinten Nationen, 2009 auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen. 13 Jahre später ist festzuhalten, dass Guterres leider recht hatte. » Weiterlesen

Auf zum Streik 2023

lmt. Beim Vernetzungstreffen des feministischen Streikkollektivs Zürich wurde das Manifest von 2019 unter die Lupe genommen. Es wurden wichtige Veränderungen und Ergänzungen vorgenommen. Das Ziel ist klar: Nochmals einen Streik wie 2019 zu organisieren.

Am 4.Dezember fand erneut ein Vernetzungstreffen des feministischen Streikkollektivs Zürich statt. Rita Maiorano, PdA-Mitglied und aktive Feministin, war eine der 25 Anwesenden und berichtet dem vorwärts von der Sitzung: «Wir haben uns das Manifest inhaltlich vorgenommen und geschaut, was ist noch aktuell und was ist bereits schon überholt. Und wir haben uns auch gefragt, was hat sich geändert, seit dem Frauenstreik 2019 bis heute.» Dafür gab es sieben Thementische, die sich jeweils ein Thema vorknöpften und Vorschläge zur Überarbeitung ausarbeiteten. » Weiterlesen

Einigung unter Unzufriedenen?

flo. Beim Landesmantelvertrag, dem Gesamtarbeitsvertrag der Bauleute, wurde in letzter Sekunde eine Einigung erzielt. Während der Sturm der Patrons auf die Arbeitszeiten gescheitert ist, sorgt die bescheidene Reallohnerhöhung für einen Kaufkraftverlust bei den meisten Bauarbeiter*innen.

War das jetzt ein Sieg? Oder doch eine schallende Niederlage? So recht ist man sich nicht sicher: Zu ambivalent, zu widersprüchlich scheint die Einigung, die nach neun Monaten, sieben Verhandlungsrunden, fünf Streiktagen mit 15000 Bauleuten im Ausstand und unzähligen gesperrten Baustellen auf dem Tisch liegt. Der Vertrag, der bis Ende 2025 gelten soll, sieht keine weitreichenden Flexibilisierungen der Arbeitszeit vor, wie sie der Baumeisterverband seit Jahren voranzutreiben versucht. Für unzählige Bauleute dürfte dies eine enorme Erleichterung sein, denn das heisst: keine 58-Stunden-Woche, keine 12-Stunden-Arbeitstage. » Weiterlesen

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