Gut integriert?

Am 23. März 2012 endete das Vernehmlassungsverfahren zur Teilrevision des Bundesgesetzes über Ausländerinnen und Ausländer (AuG). Die Revision macht aus dem AuG neu ein AuIG, wobei das «I» für Integration stehen soll. Was im Titel nett klingt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Trugschluss.

Die Vorlage impliziert ein eigentliches Verständnis von Integration, welches auf einer Bringschuld zur faktischen Assimilation aufbaut. In bester technokratischer Manier wird ein komplexes Phänomen in eine kodifizierte Form gegossen, die der Realität nicht Stand hält. Einmal mehr verletzt somit ein Gesetzesentwurf im Ausländerbereich grund- und menschenrechtliche Prinzipien. In der Gestalt sogenannter «Integrationsvereinbarungen» nehmen Druck und Zwang im Gesetz Platz. Weiter wird eine Definition von «guter Integration» geschaffen, die zwar mehr als schwammig, doch bei der künftigen Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen entscheidend ist.

 

Die vier «Integrationskritierien»

Ein genauerer Blick auf diese Definition lohnt sich. Die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Respektierung der Grundprinzipien der Bundesverfassung, die Fähigkeit, sich in einer Landessprache verständigen zu können und schliesslich der Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben oder zum Erwerb von Bildung – das sind die vier Kriterien «guter Integration». Je genauer man diese Kriterien ansieht, desto verschwommener werden sie.

Ersten die «Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung»:

Dass AusländerInnen ausgewiesen werden können, wenn sie «schwere Straftaten» begehen und zu «längerfristigen» Haftstrafen verurteilt werden, steht bereits im AuG. Schon eine einjährige Strafe kann laut Bundesgericht für eine Ausweisung (oder die Nicht-Verlängerung der Bewilligung) ausreichen. Laut dem erläuternden Bericht zum neuen Gesetzentwurf umfasst die «öffentliche Ordnung» aber nicht nur die Einhaltung der Gesetze, sondern auch der «Gesamtheit der ungeschriebenen Ordnungsvorstellungen», die sich bekanntlich je nach politischer Stimmung schnell ändern können.

Zweitens die «Respektierung der grundlegenden Prinzipien der Bundesverfassung»:

Gemeint sind damit nicht etwa die in den ersten 36 Artikeln festgehaltenen Grundrechte, denn diese stellen keine Forderungen an die Individuen, sondern vor allem solche an den Staat dar: Er hat die Grundrechte (auch der AusländerInnen) zu respektieren und darf nur verhältnismässig in sie eingreifen. Aus den Grundrechten lässt sich den «schlecht Integrierten» also kein Strick drehen. Woraus aber dann? Der Bericht zum Gesetzentwurf gibt Hinweise: Zu den Grundprinzipien der Bundesverfassung soll demnach nicht nur die Gleichstellung von Mann und Frau zählen, sondern zum Beispiel auch die «Anerkennung der Schulpflicht» und der Respekt vor dem Gewaltmonopol des Staates (vor Armee und Polizei?). Der fehlende Respekt vor diesen Prinzipien zeige sich «zuweilen im politischen und religiösen Extremismus» und bei dessen Definition hilft zum Glück der Staatsschutz.

Drittens die «Fähigkeit, sich in einer Landessprache zu verständigen»:

Sicher ist es sinnvoll, dass Menschen die in ihrem Umfeld gesprochene Sprache verstehen. Neu werden Sprachkenntnisse allerdings zu einem Druckmittel: Ohne sie sollen Bewilligungen nicht verlängert werden, ohne sie soll es auch keinen Zugang zu einem sichereren Aufenthaltstitel geben. Das Kriterium erweist sich vor allem für diejenigen als Falle, die aus «bildungsfernen Schichten» kommen, das Lernen nicht gewohnt sind und dann auch noch täglich einer schweren Arbeit nachgehen.

Und viertens der «Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben»:

Zwar sei es «nicht per se» ein Zeichen mangelnder Integration, wenn AusländerInnen zu wenig verdienen und trotz Arbeit zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen seien. Aber: «Die Erfordernis der wirtschaftlichen Selbständigkeit stellt die Regel dar», heisst es im Bericht. Die Abhängigkeit von Sozialhilfe ist schon heute ein Grund für den Widerruf oder die Nicht-Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung. Nun will das EJPD den Verlust des Arbeitsplatzes zu einem Kriterium mangelnder Integration machen – mitten in der Krise.

Das neue Integrationsgesetz bietet vor allem eines: weitere Möglichkeiten zur Drangsalierung von AusländerInnen. Weil aber die meisten von Ihnen durch die Personenfreizügigkeit vor dem neuen Zwang geschützt sind, trifft es vor allem die mittlerweile übliche Personengruppe mit voller und gewollter Härte: Angehörige von Drittstaaten.

«Konkrete politische Unterstützung einfodern»

Warum habt ihr euch entschlossen, die Zentrale der SP Schweiz zu besetzen? Was sind die Erwartungen und konkreten
Forderungen, die ihr euch durch die Aktion erhofft?

Philippe Blanc: Durch die Besetzung wollte die Bewegung selbstbestimmt ihre politische Isolation durchbrechen. Wir suchten eine politische Kraft, die nicht völlig von der xenophoben SVP-Migrationspolitik vereinnahmt ist. Die SP will sich «für alle statt für wenige» einsetzen. Durch unsere Aktion wollten wir die SP-Schweiz mit der Forderung nach einer kollektiven Regularisierung der Illegalisierten konfrontieren. Für die 173 Sans-Papiers der Regularisierungsliste suchten wir konkret politische Unterstützung im Kampf um Papiere und ein Bleiberecht.

Seid ihr mit dem Resultat der Gespräche zufrieden oder habt ihr konkretere Zugeständnisse und Ergebnisse erwartet?
Philippe Blanc: Wir hatten ein klareres Bekenntnis zu den Forderungen kollektive Regularisierung, Nothilfestopp, Ausschaffungsstopp erwartet und erhofften uns konkretere politische Unterstützung in unserem Kampf. Dennoch sind wir zufrieden, uns mit Levrat und Tschümperlin ausgetauscht zu haben. Es gelang den Sans-Papiers den Parteipräsident und den Franktionschef mit unseren Positionen, der Realität unserer Bewegung und den existenziellen Problemen der Sans-Papiers zu konfrontieren und Erwartungen zu formulieren. Zudem werten wir es als Erfolg, dass die SP zusicherte, sämtliche Reisekosten für die oft mittellosen Sans-Papiers zu übernehmen. Auch der versprochene Zugang zu Basismitgliedern der Partei schätzen wir als nicht-institutionelle Bewegung sehr.

Wie beurteilt ihr die beiden Aktionstage insgesamt? Welche Schlüsse zieht ihr aus dem Gespräch mit Bundesrätin
Sommaruga und der Besetzung der Büros der Parteizentrale der SP Schweiz?

Philippe Blanc: Der 13. und 14. März waren ein Erfolg. Erstens hat Frau Sommaruga unsere Liste erhalten und sich dem Druck der Bewegung gestellt. Zweitens hat die Presse breit und grundsätzlich positiv auf uns reagiert. Das ist nicht entscheidend, aber trotzdem sehr wichtig. Drittens gelang es, Position zu beziehen und die SP mit der Bleiberechtbewegung zu konfrontieren. Wir haben keinen Blankoscheck erwartet.
Die Aktion hat gezeigt, dass die Bewegung einen Schritt weiter gekommen ist. Die Heterogenität zwischen Sans-Papiers und Unterstützenden, zwischen AktivistInnen mit mehr oder weniger Erfahrung im politischen Widerstand oder zwischen Beteiligten mit unterschiedlichsten Zielen und Ressourcen hat sich weder hemmend noch lähmend ausgewirkt. Die politischen, sozialen, kulturellen und materiellen Unterschiede innerhalb der Bewegung wurden kollektiv als Stärke und Vorteil empfunden. Gegen aussen traten wir geeint, entschlossen und schlagfertig auf.

Wie geht es nun weiter? Was sind die nächsten Pläne und Schritte der Bleiberechtsbewegung?
Philippe Blanc: Unser Ziel bleibt die kollektive Regularisierung der 173 Sans-Papiers, die sich eingetragen haben. Es sind weitere «Blitzaktionen» in Planung. Ein grösseres Projekt ist die Teilnahme und Co-Organisation des «Europäischen Marsch der Sans-Papiers und MigrantInnen». Vom 2. Juni bis zum 2. Juli planen Sans-Papiers Kollektive aus Italien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz einen Protestmarsch von Paris nach Strassburg. Die Probleme der Sans-Papiers und ein radikaler Bruch mit den herrschenden Migrationsregime verlangen eine internationalistische Perspektive und eine grenzenüberwindende Vernetzung des Widerstandes.

Kampf auf dem Bau!

Die Baumeister lassen eine Verlängerung des Landesmantelvertrages scheitern. Dies obwohl die Gewerkschaften eine Verlängerung des Landesmantelvertrages (LMV) um drei Monate angeboten haben. Hier die Medienmitteilung der Unia und Syna.

Die Gewerkschaften haben letzte Woche einen Schritt auf den Baumeisterverband zugemacht und vorgeschlagen, den bestehenden Landesmantelvertrag um zwei Monate zu verlängern und die vom Baumeisterverband vorgeschlagene Lohnerhöhung von 1,5 Prozent allen Bauarbeitern ab dem 1. Januar 2012 zu gewähren. Der Baumeisterverband lässt eine Verlängerung nun scheitern, obwohl die Gewerkschaften gar zu einer Verlängerung um drei Monate Hand geboten hätten.

 

Heute fand eine Verhandlung zwischen Baumeisterverband und Gewerkschaften über eine Verlängerung des Landesmantelvertrages statt. Dabei hat der Baumeisterverband eine Verlängerung des bestehenden Landesmantelvertrages um drei Monate abgelehnt. Die Gewerkschaften hatten diese vorgeschlagen, um einen vertragslosen Zustand zu verhindern.

Die Gewerkschaften sind überzeugt, dass in weniger als drei Monaten Verhandlungszeit eine Lösung für einen neuen Landesmantelvertrag mit mehr Schutz gefunden werden kann, denn in verschiedenen Punkten liegen bereits Verhandlungsergebnisse vor. Differenzen bestanden insbesondere beim Schutz gegen Lohndumping durch Subunternehmen und beim Schutz der Gesundheit der Bauarbeiter bei Schlechtwetter.

 

Gewerkschaften fordern rasche Verhandlungen für neuen Vertrag

Der Baumeisterverband hat in den letzten sechs Wochen zweimal Vorschläge für Verhandlungen ausgeschlagen. Die Gewerkschaften haben heute erneut Vorschläge für Verhandlungstermine im Januar unterbreitet und fordern den Baumeisterverband auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und rasch einen neuen Landesmantelvertrag zu vereinbaren. Denn an einem vertragslosen Zustand kann niemand ein Interesse haben, zunehmendes Lohndumping insbesondere durch ausländische Firmen wäre die Folge.

 

Rückzieher bei den Löhnen

Öffentlich hat der Baumeisterverband wiederholt angekündigt, er biete eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent an. Wer genau hinschaut stellt fest: Entgegen der bisherigen Äusserungen ist der Baumeisterverband nur noch bereit, für einen Zeitraum von drei Jahren – und dies bei bester Baukonjunktur – die Mindestlöhne um 1,2 Prozent zu erhöhen – im Schnitt sind das 0,4 Prozent jährlich. Für alle Bauarbeiter will der Baumeisterverband die Löhne nur um ein Prozent erhöhen und zusätzlich eine für niemanden kontrollierbare individuelle Lohnerhöhung gewähren. Der erneute Rückzieher des Baumeisterverbandes macht deutlich: Offensichtlich will der Baumeisterverband keine akzeptable Lösung.

 

Absurde Unterschriftensammlung

Auf den Baustellen sammelt der Baumeisterverband bei den Bauarbeitern Unterschriften „Kein Vertragsloser Zustand!“, bei den Verhandlungen lehnen die Baumeister hingegen den Vorschlag der Gewerkschaften für eine Vertragsverlängerung ab. Inhaltlich sind auch die Gewerkschaften für eine Vertragsverlängerung, viele Gewerkschaftsmitglieder werden daher diese Forderung unterschreiben. Nicht akzeptabel ist hingegen die Art und Weise, wie verschiedene Baumeister ihre Arbeitnehmer nötigen, die Aktion des Baumeisterverbandes zu unterschreiben. In zahlreichen Fällen wurde den Bauarbeitern mit der Entlassung oder der Streichung des 13. Monatslohnes gedroht, wenn sie nicht unterschreiben.

Lohnrunde 2011/12

Die Lohnrunde 2011/12 ist in einem grossen Teil der Branchen und Betriebe abgeschlossen. Ein guter Teil der Abschlüsse liegt zwischen 1.5 und 2.5 Prozent bei einer Teuerung von rund 0.3 Prozent (2011) Hier sind die Forderungen der SGB-Verbände erfüllt.

Sie haben Reallohnerhöhungen von 1.3 bis 2.3 Prozent gefordert (2 bis 3 Prozent minus damals angenommene Teuerung von 0.7 Prozent). In den meisten Branchen der Binnenwirtschaft läuft es 2011 gut und die Einnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden steigen. Selbst in der Exportwirtschaft gibt es zahlreiche Firmen, die gute Geschäfte machen und höhere Löhne zahlen können.
Angesichts dieser Ausgangslage sind einige Resultate absolut ungenügend – namentlich im Dienstleistungssektor. Bei Coop und Migros steigen die Löhne nach Abzug der Teuerung kaum. Im Sicherheitsgewerbe gab es gar keinen Abschluss. Auch bei einigen Banken haben die Arbeitgeber den Angestellten echte Lohnerhöhungen verweigert (z.B. Crédit Suisse), obwohl das Geld vorhanden wäre, wie die nach wie vor völlig unverhältnismässigen Saläre im Topmanagement und im Investmentbanking beweisen. Ein Problem ist auch der Bau. Die Arbeiter leisten so viele
Überstunden wie noch nie in den letzten 10 Jahren; trotzdem kam bisher kein Abschluss zustande.
Bei den Kantonen und Gemeinden dürfen die verdienten Lohnerhöhungen nicht durch eine verfehlte Sparpolitik gefährdet werden.

Quelle: www.sbg.ch

Protest vor dem Gefängnis

Saidou Alembo wehrt sich erfolgreich gegen den ersten Ausschaffungsversuch nach Gambia. Dabei erhielt er Rückendeckung von rund 40 solidarischen Menschen, die vor dem Ausschaffungsgefängnis Bässlergut (Basel Stadt) lauthals protestierten.

Die Berner Behörden haben Saidou Alembo von Bern nach Basel verfrachtet, nachdem seit dem 29. November 2011 täglich Mahnwachen vor dem Regionalgefängnis Bern (ReGef) durchgeführt worden waren. Dies deuten wir als ein Zeichen, um Saidou Alembo von den restlichen Mitgliedern des Bleiberecht-Kollektivs Bern zu isolieren. Die schweizweite Vernetzung der Bleiberecht-Bewegung hat diesen Plan jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht: Gestern Abend fanden sich rund 40 Personen vor dem Ausschaffungsgefängnis Bässlergut (Basel Stadt) ein, um gegen die Ausschaffung von Saidou Alembo zu protestieren!

Aufgrund des Bewusstseins, eine solidarische Bewegung im Rücken zu wissen, die sich unerbittlich für ihn sowohl juristisch als auch politisch und öffentlichkeitswirksam einsetzt, wehrt sich Saidou Alembo erfolgreich gegen einen ersten Ausschaffungsversuch! Dies, wie er uns mitteilte unter enormen psychischen Druck und widrigen Umständen in Ausschaffungshaft – auch im Wissen, dass ihm nun ein Sonderflug (Level 4) mit unmenschlichen Ganzkörperfesselung droht! Als Mitglied einer Oppositionspartei in Gambia kann Saidou Alembo aber um keinen Preis nach Gambia zurückkehren! In Kürze wird ein Widererwägungsgesuch eingereicht. Weitere Schritte des Widerstands gegen seine Ausschaffung sind in Planung!

Am kommenden Freitag, 16. Dezember 2011, beginnt um 14.30 Uhr in Bern ein Projekt der Bleiberecht-Bewegung, an dem auch Saidou Alembo mitgearbeitet hat: Wir reichen bei Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga Listen mit Namen von Sans-Papiers ein, die es sofort zu regularisieren gilt (sog. Regularisierungslisten)! Der Protest geht weiter!

Verschärfungspolitik im Vorbeigehen

Mit seiner Zustimmung zu einer Teilrevision des Asylgesetzes hat der Ständerat gestern, dem 12. Dezember 2011, den Flüchtlingsbegriff erneut eingeschränkt. Der Entscheid kam mit einer Zustimmung von gerade einmal 14 der 46 StänderätInnen zu Stande.

 

Interessiert sich der Ständerat zu wenig für die Menschenrechte? Von den 46 VertreterInnen des Ständerats waren an der gestrigen Schlussabstimmung zur Asylgesetzrevision 12 gar nicht anwesend und 16 ohne Meinung. Von den restlichen 18 stimmten 14 der Vorlage zu und 4 dagegen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die gestern gefassten Beschlüsse einen Bruch mit der Genfer Flüchtlingskonvention bedeuten und für die Betroffenen weit reichende Konsequenzen haben, ist dies beschämend. Man ist versucht, den kürzlich (wieder-) Gewählten ein latent offenkundiges Desinteresse zu unterstellen.

 

Solidarité sans frontièrehat bereits die Empfehlungen der SPK-S vom 25. November 2011 stark kritisiert. Gestern nun folgte der Gesamtständerat dieser Empfehlung und spricht sich unter dem Vorwand der vermeintlichen Beschleunigung für einen weiteren Abbau im Asylwesen aus. Dass dieser Entscheid im Endeffekt von einer Minderheit getroffen wurde, ist genauso zu verurteilen wie das Abstimmungsresultat selbst.

 

 Quelle: Medienmitteilung Solidarité sans frontières


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gewerkschaften bieten Hand an

Die Gewerkschaften Unia und Syna sind bereit, den bestehenden Gesamtarbeitsvertrag mit der vom Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) angebotenen Lohnerhöhung im 1,5 Prozent um zwei Monate zu verlängern. Dies während der Baumeisterverband die Arbeiter zwingt, ihre Forderungen zu unterschreiben.

Die Gewerkschaften Unia und Syna sind bereit, den bestehenden Gesamtarbeitsvertrag mit der vom Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) angebotenen Lohnerhöhung im 1,5 Prozent um zwei Monate zu verlängern. Mit diesem Schritt wollen die Gewerkschaften einen vertragslosen Zustand verhindern. Sie erwarten vom SBV, dass er an den Verhandlungstisch zurückkehrt und rasch ein neuer Landesmantelvertrag mit mehr Schutz vereinbart werden kann. Die Gewerkschaften verurteilen hingegen die derzeit laufende hilflose Unterschriftensammlung des SBV, da sie eine Nötigung darstellt.

Im Baugewerbe droht ein gravierender Arbeitskonflikt, denn der bestehende Gesamtarbeitsvertrag läuft Ende Jahr aus. Der Baumeisterverband hatte letzte Woche die Verhandlungen mit den Gewerkschaften abgebrochen und Bedingungen für die Weiterführung der Vertragspartnerschaft gestellt. 100’000 Bauarbeiter stehen somit ab Januar ohne Gesamtarbeitsvertrag da.

Verlängerung des Vertrages um zwei Monate und 1,5 Prozent Lohnerhöhung für alle

Die Gewerkschaften Unia und Syna schlagen vor, den bestehenden Vertrag um zwei Monate zu verlängern. Die vom Baumeisterverband angebotene Lohnerhöhung von 1,5 Prozent soll ab dem neuen Jahr allen Bauarbeitern gewährt werden. So wird ein vertragsloser Zustand verhindert, und es kann rasch ein neuer Landesmantelvertrag ausgehandelt werden. Während den zwei Monaten werden sich die Gewerkschaften weiterhin an die Friedenspflicht halten und sind auch bereit, die externe Kommunikation mit dem Baumeisterverband abzusprechen.

 Baumeisterverband soll an den Verhandlungstisch zurückkehren

Die Gewerkschaften fordern den Baumeisterverband auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und im Januar und Februar intensiv und ernsthaft über einen neuen Landesmantelvertrag zu verhandeln. In verschiedenen Punkten liegen bereits verhandelte Ergebnisse vor. Differenzen bestehen insbesondere noch in zwei Punkten:

– Solidarhaftung: Aufgrund des massiven Lohndruckes auch aus dem Ausland verlangen die Bauarbeiter einen verstärkten Schutz gegen Lohndumping durch Subunternehmer.

– Schlechtwetter-Regelung: Wegen der gestiegenen Belastung wollen die Bauarbeiter mehr Schutz für ihre Gesundheit, insbesondere bei Schlechtwetter.

 Hilflose Unterschriftensammlung der Baumeister ist Nötigung

Der Baumeisterverband führt bei den Bauarbeitern derzeit eine Unterschriftensammlung mit der Forderung «Kein vertragsloser Zustand!» durch. Inhaltlich können sich auch die Gewerkschaften dieser Forderung anschliessen, daher werden sicher auch viele Gewerkschaftsmitglieder unterschreiben. Die Aktion ist eher ein hilfloser Versuch des Baumeisterverbandes, die Gewerkschaften und die Bauarbeiter zu spalten.
Die Gewerkschaften verurteilen hingegen die Art der Durchführung der Unterschriftensammlung aufs Schärfste. Der SBV fordert die «Chefs» der Baufirmen auf, bei «ihren Bauarbeitern» mit «ihrem persönlichen Eingreifen» dafür zu sorgen, dass möglichst viele Bauarbeiter unterschreiben. Da jeder Bauarbeiter sich ausmalen kann, welche Konsequenzen bei einer Weigerung drohen, erfüllt dieses Vorgehen den Tatbestand der Nötigung. Die Gewerkschaften sind sehr erstaunt, dass der Baumeisterverband zu solchen widerrechtlichen Mitteln greift und erwägt juristische Schritte.

Wachstum schwach, Arbeitslosigkeit hoch

Die Krise lebt und die Schweizerische Arbeiterschaft wird sie ausbaden. Die gestiegene Arbeitslosigkeit im November und die gesunkenen Wachstumsprognosen für das kommende Jahr deuten auf weitere Massenverelendung hin. Eine Aufarbeitung der neuesten Entwicklungstendenzen der Schweizerischen Wirtschaft.

Zwei Nachrichten des heutigen Tages geben Anlass zur Sorge: die Arbeitslosigkeit in der Schweiz lag Ende November weit über der des Vormonats und die Wachstumsprognose zur Entwicklung der Schweizerischen Wirtschaft für das Jahr 2012 musste halbiert werden. Beide Nachrichten wurden seperat, zusammenhangslos dargebracht. Auf der einen Seite die Direktion Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), die die schlechte Botschaft der gestiegenen Arbeitslosigkeit überbringen musste. Auf der anderen Seite die Wachstumsprognose der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Der vorwärts sieht in beiden Nachrichten einen Ausdruck der allgemeinen Krise des Kapitalismus unter den spezifischen Bedingungen der Schweiz.

Hohe Arbeitslosigkeit

Gegenwärtig und präsent ist die gestiegene Arbeitslosigkeit in der Schweiz. So musste das Seco vermelden, dass die Arbeitslosenquote Ende November von 2,9 Prozent auf 3,1 Prozent gestiegen ist. Damit zählt die Schweiz nunmehr 121 109 Arbeitslose. Dies sind 5 931 Arbeitslose mehr als im Vormonat, also 5 931 Menschen, die nunmehr von der Staatshilfe abhängig sind. Eine Bevölkerungsgruppe ist von der steigenden Arbeitslosigkeit besonders betroffen: die Migrantinnen und Migranten. Sie werden unverhältnismässig oft in die Erwerbslosigkeit geschleudert, ihre Arbeitslosenquote liegt bei 6,2 Prozent (von vormals 5,7 Prozent). Das Risiko für MigrantInnen in der Schweiz arbeitslos zu werden, ist also doppelt so hoch, wie für SchweizerInnen. Mittlerweile machen migrantische Arbeitslose 45 Prozent sämtlicher Arbeitslosen in der Schweiz aus. Die Gründe für ihre häufige Arbeitslosigkeit dürften darin zu finden sein, dass Entlassungen oftmals ohnehin schon prekäre Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnbereich treffen – jenen Bereich, den die Schweiz fast exklusiv den MigrantInnen vorbehält.

Im speziellen Fall erklärt sich die gestiegene Arbeitslosigkeit durch Entlassungen im Gastgewerbe und der Baubranche. Mehr als die Hälfte der der Entlassenen stammt aus einer der beiden Branchen. Und siehe da: In der Baubranche gibt es einen Anteil an migrantischen Arbeitern von etwa 69 Prozent. Wenig wunderlich also, wenn nun die Quote der migrantischen Arbeitslosen steigt. Darüber hinaus zeigen sich erste Zeichen der konjunkturellen Schwäche der Schweiz. Allerdings bemüht sich das Seco zu erklären, dass die Entwicklung auf dem Arbeitslosenmarkt «saisonbegint» sei – Gastgewerbe und Baubranche legen traditionell in den Wintermonaten in der Arbeitslosigkeit zu. Wenn wir der Seco in ihrer Logik allerdings folgen, so stehen uns umso düstere Monate bevor: die angekündigten Massenentlassungen von Industrie, Bankenbranche und Pharmakonzernen stehen noch aus. Es darf also mit weiteren sprunghaften Anstiegen der Arbeitslosigkeit gerechnet werden. Neuester Kandidat für Massenentlassungen ist hier die BKW FMB Energie AG. Sie hat angekündigt, 200 Angestellten kündigen zu wollen.

Niedriges Wachstum

Und doch ist die Seco nicht die alleinige Verkünderin schlechter Neuigkeiten. Die KOF hat bekanntgegeben, dass es die Wachstumsprognosen für 2012 nicht aufrecht erhalten kann. Gleich reihenweise mussten die Prognosen nach unten verringert, halbiert, verschlechtert werden. Statt um 1,3 Prozent soll das Bruttoinlandprodukt (BIP) nur noch um 0,6 Prozent wachsen. Investitionen in Bau und Aufrüstung der Betriebe werden nur noch mit 0,3 statt 2,6 Prozent veranschlagt. Die Exporte brechen massiv ein, man rechnet nunmehr gerade mal mit einem Wachstum von 0,2 statt 2,1 Prozent. Und auch die Arbeitslosenquote wird weiter wachsen, nämlich auf 3,4 Prozent. Was sich wie eine Liste der schlechten Nachrichten liest, ist als Produkt einer Befragung des KOF hervorgegangen. Die Ökonomen verschiedener Unternehmen wurden befragt, ihre Aussagen analysiert. Und wer sich da wie geäussert hat, ist durchaus interessant.

Es ist die Exportbranche, die noch immer ächzt. Unter dem starken Franken und der Schuldenkrise der Eurostaaten (wohlgemerkt zwei Phänomene, die einander bedingen). Dementsprechend ist auch die Tourismusbranche betroffen. Allerdings machen sich allenthalben Ermüdungserscheinungen breit. Wobei: Eben nicht allenthalben. Ein Sektor wächst und gedeiht, ist guter Dinger und guter Wachstumsprognose. Die Finanzbranche um Banken, Versicherungen und Börse. So ist man zuversichtlich, dass der Börsenindex – der «Swiss Performance Index» – auf 5 750 Punkte steigen werde. Das wäre allerdings ein sagenhaftes Wachstum von 10 Prozent.

Düstere Tage, aber nicht für das Finanzkapital

Die Schweizerische Wirtschaft ächzt. Noch immer liegt das Wachstum der Schweiz weit, weit hinter dem Jahr 2007 (mehr als 3 Prozent) zurück. Die hohe Arbeitslosigkeit jetzt und die noch steigende im nächsten Jahr sind Ausdruck der Krise des Kapitalismus, die seit 2008 anhält. Von der Subprime-Krise in die Finanzkrise in die Schuldenkrise und die Krise des starken Frankens in der Schweiz führt eine einzige, durchgehende Bewegung. Die Schweiz ist gefangen, allerdings nicht nur innerhalb Europas, durch dessen Schuldenkrise ihre Währung unter Druck gerät, sondern auch innerhalb ihres eigenen Wirtschaftssystems. Die Krise des Kapitalismus ist so sicher wie das Amen in der Kirche, ihre Auswirkungen sind die Massenentlassungen, die die Arbeiter und Arbeiterinnen zu tragen haben. Mit den Erwartungen für das nächste Jahr steht nun fest, dass wir über die Krisenbewegung noch nicht hinaus sind, dass es weitere Entlassungen und weitere Arbeitslose geben wird, dass sich die Situation sogar innerhalb der (noch) relativ behüteten Schweiz zuspitzen wird.

Aber zuspitzen nicht nur in die eine Richtung. Schon wieder steht das Finanzkapital strahlend und stark dar, verkündet neue Profite und hohe Wachstumsaussichten. Es sind die gleichen Banken, die gerade die Entlassungen von Hunderten ankündigten – das ist die Dialektik zwischen Profit und Elend. Aber selbst wer nicht MarxistIn ist, selbst wer nicht die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus (und deren einzige Lösung, nämlich die Auflösung des Kapitalismus!) sehen will, selbst dem sei die Frage gestellt: Wie kann denn der Börsenindex um 10 Prozent streigen, wenn die Wirtschaft es nicht tut, aber die Börse Indikator der Gesundheit eines Unternehmens sein soll? Ungelöste Rätsel…

Zurück in die Vergangenheit?

Im Berner Grossrat fordern Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der SVP, der EVP und der EDU, dass der Kanton sich aus der Sexualerziehung für Kinder verabschiede, so wie sie im Lehrplan 21 vorgesehen ist. Sexualerziehung sei in erster Linie Sache der Eltern. Was dagegen die Schule anbieten solle, grenze an Pornografie. Auch in andern Kantonen regt sich Widerstand.

Konservativen und besonders fundamentalistischen christlichen Kreisen geht die Sexualerziehung an der Schule, so wie sie der Lehrplan 21 vorsieht, zu weit. Es wird auch schon von einer Verschwörung der Schwulen in diesem Zusammenhang geredet. Anstoss nehmen die Fundamentalchristen unter anderem auch an den expliziten Anschauungsobjekten, die altersgerecht die Kinder mit dem Thema Sexualität in Kontakt bringen sollen. Über 91’000 Personen haben zudem eine nationale Petition unterzeichnet „gegen die Sexualisierung der Volksschule“, die von Politikerinnen und Politikern aus SVP, CVP, FDP, EVP und EDU lanciert worden war.

Pink Cross, der nationale Dachverband der schwulen Männer in der Schweiz und die Lesbenorganisation Schweiz LOS unterstützen die Bestrebungen zur Sexualpädagogik, welche im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit erarbeitet werden und in dessen Zusammenhang auch die Arbeiten für eine neue Sexualerziehung in der Schule stehen. Es geht darum, dass alle Menschen ein selbstbestimmtes Sexualleben führen können. Es kann nicht sein, dass fundamentalistische christliche Kreise bestimmen, wie Menschen ihre Sexualität leben dürfen. Es geht bei dem Schulprojekt nicht darum, Kinder zu Schwulen und Lesben zu erziehen, wie dies dem Schulprojekt auch vorgeworfen wird, sondern es geht darum, dass Kinder, die sich ihrer Sexualität bewusst sind, sich auch gegen Übergriffe besser wehren können.

Jede Gesellschaft muss ihr Verhältnis zur Sexualität selber und immer wieder neu bestimmen. Die Vorstellungen des prüden viktorianischen Jahrhunderts hatten im 20. Jahrhundert ausgedient. Und das noch junge 21. Jahrhundert wird wieder andere gesellschaftliche Entwicklungen im Bereich Sexualität sehen. Vielleicht hilft ja zur Abkühlung der Gemüter ein Besuch der Ausstellung „Sex, Drugs und Leierspiel“ im Antikenmuseum Basel. Was die Griechen Jahrhunderte vor Christus auf Keramik darstellten, die öffentlich aufgestellt wurde, würde heute den Staatsanwalt auf den Plan rufen. Da sind die Entwürfe für eine künftige Sexualerziehung an den Schulen bei uns von einer geradezu beschämenden Harmlosigkeit.

Qulle: Gemeinsame Medienmitteilung PinK Cross und Lesbenorganisation Schweiz LOS

Atomausstieg beschlossen

Mit dem heutigen Entscheid des Nationalrats ist der Atomausstieg der Schweiz auf parlamentarischer Ebene beschlossen. Nun kann der Bundesrat die konkrete Umsetzung vorantreiben. Gleichzeitig ist dieser Entscheid ein klares Signal für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft, auf eine nachhaltige, zukünftige Stromversorgung der Schweiz hinzuwirken.

Der Nationalrat ist in neuer Zusammensetzung der Linie von Bundesrat, Ständerat und dem ehemaligen Plenum im Nationalrat gefolgt und hat die abgeänderten Motionen zum Atomausstieg klar überwiesen. Diese schliessen im Wortlaut Rahmenbewilligungen für neue Atomkraftwerke aus. Der Bundesrat hat jetzt die breite Abstützung, mit der Energiestrategie 2050 die Stromversorgung der Schweiz ohne neue AKW voranzutreiben.

Restrisiko bleibt bestehen
Die Allianz «Nein zu neuen AKW» ist erfreut über diese konsequente Haltung und gratuliert den Nationalrätinnen und Nationalräten zu diesem Entscheid. Dieser schafft klare Rahmenbedingungen für die Schweizer Stromwirtschaft und gibt den Unternehmen Rechts- und Investitionssicherheit, welche es dringend braucht, um die zukünftige, nachhaltige Stromversorgung der Schweiz in die richtigen Bahnen zu lenken

Damit sind die Probleme der Atomkraft allerdings noch nicht vom Tisch. Die laufenden AKW produzieren weiterhin Atommüll, die Endlagerung ist nach wie vor nicht gelöst. Noch bedenklicher ist, dass alte, gefährliche Risikoreaktoren wie das AKW Mühleberg trotz bekannter Mängel immer noch am Netz sind. Solange diese betrieben werden, ist der Atomausstieg nicht geschafft. Politik und Gesellschaft sind weiterhin gefordert, um Ihre Stimme gegen die Atomkraft und für die Energiewende zu erheben.

Die Allianz «Nein zu neuen AKW»
Die Allianz «Nein zu neuen AKW» setzt auf die Zukunft und damit auf die umwelt- und sozialverträgliche Nutzung neuer erneuerbarer Energien und auf Stromeffizienz. Sie setzt sich gegen den Bau neuer AKW und für den raschen Ausstieg in der Schweiz ein.

Quellle und weitergehende Informationen zur Allianz «Nein zu neuen AKW» und zu Risiken und Gefahren der Atomenergie finden Sie auf der Website www.nein-zu-neuen-akw.ch.

Kleine Geschichte der NGOs

In der vorwärts-Ausgabe vom 2. Dezember klärten wir über den NGO-Schwarm in Haiti auf. Nun erschien im «Tagesanzeiger» ein Bericht über die obskure Spendenpolitik Schweizerischer NGOs. In der eigenen Finanzpolitik geben sich die «wohltätigen» Organisationen reichlich unreflektiert – und deuten damit auf ganz andere Interessen als die der Menschenfreundlichkeit hin.

Sie sammeln für die Wohltätigkeit, aber letztlich ist die Wohltat für sie das Sammeln. Wir sprechen von den NGOs der Schweiz, von jenen Wohltätigkeitsvereinen wie der «Glückskette» oder der «Berghilfe». Schon in der letzten Ausgabe des vorwärts nahmen wir uns dem tatsächlichen Charakter von NGOs in Haiti und ihrer Rolle als «Vorboten des Neoliberalismus» an. Nun berichtet auch der Tagesanzeiger über die Organisationen, die innerhalb der Schweiz agieren. Für uns ist das der Anlass, weitere Überlegungen bezüglich des Wesens von NGOs anzustellen.

Der Tagesanzeiger scheint einem Skandal auf der Spur: Da gibt es doch tatsächlich Organisationen, die auf Geldbergen sitzen und für sich die Wohltätigkeit beanspruchen. So stellte sich heraus, dass NGOs wie Glückskette oder Heilsarmee nicht nur über Millioneneinnahmen verfügen, sondern dass diese Millionen auch beim Eingenommenen bleiben – sie werden eben nicht weitergereicht. Die Glückskette verfügt beispielsweise über 140 Millionen Franken an Kapital, die Heilsarmee über 226 Millionen. Ein Grossteil der Millionen sind dabei in Fonds angelegt. Die Organisationen selbst begründen diese unausgezahlten Gewinne mit dem Reservebedarf einer Wohltätigkeitsorganisation, denn man wolle unabhängig vom schwankenden Spendenmarkt sein und auch in Zeiten der Not nichts an Liquidität einbüssen. Tatsächlich verfügen die genannten NGOs allerdings über Geldberge, die einem vielfachen der ausgegebenen Jahresbeträge entsprechen. Und so kommt auch der Tagesanzeiger zur Frage: «Wozu also braucht die Berghilfe 129 Millionen Reserven, mehr als fünfmal den Gesamtaufwand?»

Der Spendenmarkt

Spendenorganisationen wollen Wohltäter sein; wohltätig ist man auch mit ihnen: Sie sind von Steuern oder zu zahlenden Dividenden befreit. Darin, das erkennt auch der Tagesanzeiger, liegt «wohl mit ein Grund, warum erfolgreiche Spendensammler solche Überschüsse anhäufen können». Was aber versäumt, weil nicht offen benannt wird, dem wollen wir hier nachgehen. Nähern wir uns also der Frage, die der Tagesanzeiger stellte. Wozu brauchen NGOs Reserven in Millionen und Abermillionenhöhe? Zuerst erscheint diese Tatsache zutiefst widersprüchlich. So sagt der ehemalige Wirtschaftsprofessor Max Boemle: «Der Spendenmarkt ist viel stabiler als die Wirtschaft mit ihren Umsatzschwankungen.» Und es heisst im Tagesanzeiger auch: «Die Gesamteinnahmen der Branche stiegen im 2009 um 8,3 Prozent auf 2,8 Milliarden Franken.» Wozu also gewaltige Reserven aufbauen?

Die Antwort ist bereits gegeben. Der stabile Spendenmarkt setzt eines voraus: Einen Markt um und für Spenden. Wachsende Einnahmen einer Branche beruhen auf der Existenz einer Branche – der Spendenbranche. Allerdings folgt der Markt seinen und nicht den Gesetzen der Menschlichkeit. Eben weil NGOs wie die Glückskette oder die Berghilfe Unternehmen sind, die ein Feld – den Spendenmarkt – bewirtschaften, folgt es ihrer inneren Logik, die Ausgaben zu senken und den Profit zu steigern. Die Ausgaben, das sind natürlich die tatsächlichen Aktivitäten, etwa die Unterstützungsleistungen der Berghilfe. Und in der gleichen Zeit, in der die Spenden stiegen, kürzte man die Ausgaben auf 20 Millionen. Der Profit, das ist jener magische «Reservenberg», den der Tagesanzeiger überrascht und bewundernd beim Wachsen betrachtet.

Die wohltätige Leistung ist eine Ware; die NGO ihr Produzent. Wie jeder Betrieb verschenkt die NGO ihre Ware nicht, sondern tauscht sie – gegen die Spende. Da ist es ganz gleich, ob es die Hilfe für in Bergnot geratene ist oder der renaturalisierte Bach; das Schema von NGOs in der letzten Etappe ihrer Entwicklung ist immer das selbe. Wir sind weit davon entfernt, zu sagen, dass jede NGO zu jedem Zeitpunkt diesem Muster entspricht. Wir sagen aber, dass ihre Entwicklung auf diesen Zustand zuläuft. Und notwendig auf ihn zulaufen muss.

Von der Entwicklungsgeschichte der NGOs

Die meisten NGOs werden mit dem guten Willen ihrer AktivistInnen gegründet. Es gibt die Idee, nach der man sich richtet. Allein: Die Idee – Hilfe für Menschen in Haiti, bessere Bedingungen für Tiere im Zoo – verändert die Welt noch nicht, sie muss in Taten übersetzt werden. Diese Übersetzung bedarf; wo man Reisen muss, Geräte braucht und derlei mehr; der Vermittlung. Das Instrument der Vermittlung, welches den schönen Gedanken auch Wirklichkeit werden lässt, ist Geld. Die harte Währung – für NGOs tritt sie in Form der Spende auf. Und während die meisten NGOs wohl anfangs von der guten Idee beseelt sein dürften, ist die Spende doch zu jedem Zeitpunkt ihr materieller Kern, ihre Grundlage. Und wie sie ihre Grundlage ist, bringt die Spende die NGO in ihre Abhängigkeit. Es ergibt sich die Erkenntnis, dass, will ich mehr tun, ich auch mehr Geld, also mehr Spenden brauche. Noch ist die Spende Mittel zum Zweck. Je weiter aber die NGO wächst, je mehr die Abhängigkeit vom Spendengeld hervortritt (weil nämlich die Aktivität engagierter AktivistInnen nicht mehr reicht, um immer grössere Projekte zu leisten, um auch noch die notwendige Medienarbeit zu machen), desto mehr tritt die Spende selbst in den Vordergrund. Das Mittel entwickelt sich zum Zweck, der Zweck wird zum Mittel herabgewürdigt: Die gute Tat vollbringt man noch, aber um der Spende willen.

Dieser Wechsel der Prioritäten schlägt sich in die innere Struktur der NGO durch. Wo anfangs AktivistInnen die notwendige Arbeit selbst und handwerklerisch verrichten, «profressionalisiert» sich die Arbeit der NGO mit ihrer zunehmenden Grösse. Die Arbeitsteilung, die Anfangs noch wenig ausgeprägt ist, setzt sich durch. Es gibt Abteilungen für das Generieren neuer Mitglieder, Medienabteilungen etc. Zuletzt werden gewisse Arbeiten ausgelagert; «outsourcing» macht auf vor wohltätiger Arbeit nicht halt. Deutlich wird das in der Schweiz etwa daran, dass diejenigen, die neue Mitglieder werben, oftmals gar nicht mehr bei oder in der Organisation selbst arbeiten. Ein ganz neuer Dienstleistungsbereich hat sich entwickelt: das Fundraising. So gibt es etwa «Corris», die für beliebige Organisationen die mühsame Mitgliedersuche übernehmen – natürlich gegen Bezahlung. Und wie die innere Arbeitsteilung wächst, so wächst auch die innere Hierarchie der NGO, die Administration. Wir wissen es: die Administration erhält sich selbst und ist gleichzeitig nicht kostenlos erhältlich. Deutschland hat seine Skandale in dieser Hinsicht schon seit längerem; etwa Porsche-fahrende Chefs der Wohltätigkeit; in der Schweiz ist zumindest die Berichterstattung über sie noch nicht weit ausgeprägt.

Zum Angriff auf die Gesellschaft

Aber warum entwickeln sich die NGOs so und nicht anders? Weil es kein richtiges Leben im falschen gibt. Oder länger: Weil die NGOs der Versuch sind, die Verhältnisse nicht gegen den, sondern im Kapitalismus zu verbessern. Sie arbeiten in einem Gesellschaftssystem, dessen Mechanik sie nicht oder selten reflektiert haben und bei dem sie sich, bestenfalls, gegen einige Äusserungen seiner selbst richten. Die NGOs wollen nicht die Gesellschaft ändern, sondern nur ihre Auswüchse – also ändert die Gesellschaft sie. Selbst zum Auswuchs geworden, nehmen sie die Mechanik der schlechten Gesellschaft an. Wohl notwendig, denn wo die NGO davon lebt und profitiert, steuerbefreit zu sein, da ist die Gesellschaft, die sie von den Steuern befreite, bereits zu ihrer Voraussetzung geworden. Und wie die NGO die kapitalistische Gesellschaft zu ihren Voraussetzungen zählt, zählt sie auch deren Logik, die profitorientierte Logik des Kapitalismus, zu ihren Bedingungen. So verkommt der Umgang mit Geld im Kapitalismus zum kapitalistischen Umgang mit Geld.

Für uns folgt aus all dem vor alle dem die Erkenntnis, dass die Spende an den wohltätigen Verein nicht das Mittel ist, die Gesellschaft zu verändern. Und das sagen wir auch in dem Bewusstsein, dass der vorwärts selbst auf die Spenden seiner Leser angewiesen ist – aber ihm wird man zu Gute halten müssen, dass er einerseits die Gesellschaft gesamtheitlich angreift und dass er andererseits eine Einsicht in die Notwendigkeit besitzt.

Kampfjetkauf: Typenentscheid gefallen

Gestern entschied der Bundesrat den Kauf von Kampfjets des Typs Gripen. Damit ist nach längerem hin und her klar, für welche Fliegerart man das Steuergeld zu versenken gedenkt. Es werden Anschaffungskosten von gut fünf Milliarden und Unterhaltskosten im Umfang von etwa zehn Milliarden Franken entstehen. Unklar ist, ob der Entscheid per Referendum angefochten werden kann. Doch schon jetzt formiert sich der Widerstand gegen den Kampfjetkauf.

Es werden also die Schweden sein. Am gestrigen Mittwoch, 30. November, entschied der Bundesrat Kampfjets des Typs Gripen anzuschaffen. Dieser wird vom schwedischen Anbieter Saab hergestellt. Der Bundesrat begründet seinen Entscheid mit dem «guten» Kosten-Nutzen-Verhältnis: der Gripen ist der günstigste zur Auswahl stehende Fliegertyp. Veranschlagt werden 3,1 Milliarden Franken für die Anschaffung von 22 Gripen. Tatsächlich spricht Bundesrat Maurer sogar von Spielräumen für weitere Anschaffungen, die durch den «günstigen» Kauf vorhanden sein. Denn in der Logik des Militaristen ist klar: «Die beste Armee der Welt besteht nicht aus dem weltbesten Flugzeug plus Hellebarden.»

Während sich Maurer also seine beste Armee der Welt herbeifantasiert, gibt es ganz reale Probleme. So ist klar, dass bei derlei Grossanschaffungen selten der ursprüngliche Kaufpreis auch das ist, was der Staat am Ende zahlt. Von Seiten der GSoA kann man bereits hören, dass sich die tatsächlichen Kosten für den Fliegerkauf auf fünf Milliarden Franken belaufen werden – plus Unterhaltskosten, die im Laufe der Jahre nochmals mit dem doppelten Betrag zu Buche schlagen werden.

Auch hat der Bundesrat ein Händchen für interessante Bündnispartner. Rund um den Gripen reiht sich ein Korruptionsskandal an den nächsten. Nach Ungarn, Tschechien und Südafrika verkaufte Hersteller Saab den Gripen bisher. Und jedesmal wurde der Kauf von Korruption und Schmiergeldern begleitet. In Tschechien wurde etwa durch Zahlungen an Mittelsmänner ein Lobbyismus der direktesten Art betrieben: Die Zustimmung von Parteien und Politikern zum Gripen wurde schlichtweg gekauft. Da wird man sich schon fragen dürfen, wie viel Maurer und Co für ihren Gripen-Entscheid bekommen haben.

 

Unklare Finanzierung, deutlicher Widerstand

Bislang wurde alles versucht, um das Volk aus der Entscheidung herauszuhalten und so ist es noch unklar, ob es zu einem Referendum über den Kaufentscheid kommen wird. Diese Unklarheit liegt auch in der völligen Verwirrung um die Finanzierung der Kampfjets. Niemand kann genau sagen, woher das Geld für den Kauf eigentlich stammen soll. Angedacht ist, es aus dem reinen Militärbudget zu bezahlen. Da dies aber selbst bei kaum mehr als fünf Milliarden für die gesamten Armeeausgaben liegt, ist dieser Weg hochgradig illusorisch. So schreibt auch die bürgerliche Presse, dass mindestens 600 Millionen eingespart oder mehr eingenommen werden müssten, um die Kampfjets zu finanzieren. Während Mehreinnahmen kaum zu finden sind (wo sollten sie auch herkommen, da das Bürgertum sich beständig weigert,  die Steuern zu erhöhen?), könnten Sparmassnahmen die Bildung, Forschung und Infrastruktur der Schweiz treffen. Der einzige Vorteil hieran: Ein solches Sparpaket wäre Referendumspflichtig.

Klar ist hingegen schon jetzt der Widerstand gegen den Kampfjetkauf. Er ist auf der Strasse spürbar, wo die Menschen das undemokratische, unsinnige Aufrüstungsprogramm nicht verstehen. So zeigte auch eine repräsentative Umfrage letzthin, dass gute 93 Prozent der Schweizerischen Bevölkerung gegen eine Erhöhung der Militärausgaben sind.

Politisch formiert sich ebenfalls eine Front gegen die Kampfjets. So ruft die GSoA schon jetzt zu einem «breiten Bündnis» gegen die Kampfjets auf. Die Grünen und Sozialdemokraten haben bereits angedeutet, an diesem teilnehmen zu wollen. Und auch die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), traditionsgemäss dem Antimilitarismus verpflichtet, wird sich gegen die Kampfjets stellen. So hat das Zentralkomitee der PdAS entschieden, eine etwaige Initiave oder ein entsprechendes Referendum personell und mit mehreren Tausend Unterschriften zu unterstützen. Kämpferisch hiess es:  «Kampf den Kampfjets!»

 

Weitere Informationen der GSoA.

Streik für eine Nacht


Am 29. November traten die Arbeiter und Arbeiterinnen des Valrhône-Verteilzentrums bei Bussigny in den Streik. 70 ArbeiterInnen der Nachtschicht legten ihre Arbeit nieder, um gegen die Streichung von Gratifikationen und die Verschlechterung der Arbeitspläne Druck aufzubauen. Mit der Anreise des Finanzchefs Yann Cornec unterbrachen die ArbeiterInnen ihren Streik noch am selben Tag, um in Verhandlungen einzutreten.

Wer im Verteilzentrum der Valrhône Logistics AG in Bussigny arbeitet, der weiss um den Wert der Mindestlohninitiative. Viele der ArbeiterInnen verdienen weniger als 4 000 Franken im Monat. Aufgebessert wurde das kümmerliche Gehalt bislang durch Gratifikationen, die in etwa einem 13. Monatslohn entsprachen. Doch genau hier, bei den am wenigsten Verdienenden, will das Management sparen: Die Gratifikationen sollen bei denen gestrichen werden, die unter 4 000 Franken im Monat verdienen. Durch die enge Verwebung von Valrhône Logistics und der Westschweizer Detailhandelskette PAM betrifft diese Streichung die Belegschaften beider Firmern – von 870 Angestellten müssten 550 auf die Gratifikationen zukünftig verzichten.

Gleichzeitig hat man die Arbeitspläne der Belegschaft auf sechs anstelle von fünf Tagen gestreckt. Das folgt einer zynischen Logik, denn im Vorfeld gab es Entlassungen, sodass sich die Arbeitsdichte für die verbleibenden ArbeiterInnen erhöhte. Dass dann auch noch die Lohnzahlungen verspätet eintrafen, brachte das Fass zum überlaufen.

Die gereizte ArbeiterInnenschaft entschied sich zum Streik. Am frühen Morgen des 29. Novembers, gegen 1 Uhr, legten 70 Angestellte der Nachtschicht ihre Arbeit nieder. So mussten die Lieferwagen der Westschweizer Detailhandelskette PAM, die hauptsächlich von Valrhône beliefert wird, unverrichteter Dinge wieder abfahren. Nichts ging mehr im Verteilzentrum.

Forderungen und Erfolg

Es sind die willkürlichen Massnahmen der Geschäftsleitung, gegen die sich der Unmut der Streikenden richtet. Entsprechen sind die Forderungen der ArbeiterInnen auf mehr Sicherheit in den Arbeitsbedingungen gerichtet. Man will einen GAV, der solche Irrsinnsentscheide des Managements unterbindet. Und gleichzeitig kämpft die Belegschaft gegen die Streichung der Gratifikationen. Dabei setzt sie nun auf Verhandlungen.

Noch am am selben Tag wurde der Streik wieder unterbrochen. Den Forderungen der Streikenden entsprach das Management, indem sie Yann Cornec, den Finanzchef des Unternehmens, schickte. Nun tritt die Belegschaft – wohl vermittelt durch die Unia – in Verhandlungen ein. Dem Vermittlungsverfahren ist ein «Erfolg» sicher: Die ArbeiterInnen streiken nicht mehr.

 



			
		

Mahnwache gegen Ausschaffung

Vor einigen Tagen wurde Saidou Alembo, ein Mitglied des Bleiberecht-Kollektivs Bern, ins Regionalgefängnis Bern gebracht. Er soll demnächst gegen seinen Willen nach Gambia ausgeschafft werden. Mit einer Mahnwache bekunden das Bleiberecht-Kollektiv sowie verschiedene unterstützende Organisationen und Personen nun ihre Solidarität mit ihm und protestieren gegen die menschenverachtende Ausschaffungsmaschinerie.

Die mehrtägige Solidaritätsaktion beginnt am Dienstag dem 29. November 2011. Ab diesem Tag werden die Unterstützer_innen jeden Abend vor dem Regionalgefängnis in Bern eine Mahnwache abhalten. Die Mahnwache richtet sich gegen die Inhaftierung und drohende Ausschaffung des Mitglieds des Bleiberecht-Kollektivs und macht deutlich, dass die Unterstützer_innen diese menschenverachtende Repressions- und Ausgrenzungsmaschinerie nicht tatenlos hinnehmen.

Flüchtlinge aus ehemals kolonialisierten und weiterhin ausgebeuteten Staaten, welche die Schweiz nicht verlasssen wollen, werden durch die Ausschaffungsmaschinerie in einen Status entrechteter Untermenschen gedrängt. Ausschaffungen sind für die betroffenen Menschen mit einer enormen psychischen und physischen Belastung verbunden. Behörden setzen die Betroffenen unter Androhung von Zwangsausschaffungen unter Druck, sich einer so genannten   „freiwilligen Ausreise“ zu unterwerfen. Wenn die Betroffenen trotz Drohungen Widerstand gegen diese „freiwillige Ausreise“ leisten, steht ihnen eine Zwangsausschaffung bevor. Obwohl Zwangsausschaffungen bereits mehrere Todesopfer gefordert haben, wenden die Schweizer Migrationsbehörden diese weiterhin an.

Deshalb protestieren wir gegen jegliche Ausschaffungen und bekunden jeden Abend unsere Solidarität mit Saidou Alembo.

SOFORTIGER STOPP DEN AUSSCHAFFUNGEN! KEIN MENSCH IST ILLEGAL!

Quelle und weitere Infos: www.bleiberechtbern.ch

Die Strassen gehören euch, ihr habt sie gebaut!

Am 25. November gingen mehr als 7 000 Arbeiter auf die Strasse. 4 000 Arbeiter in Genf, 2 000 in Lausanne, 800 in Zürich und 300 in Bern legten ihre Arbeit nieder und schlossen sich dem «Protesttag» an, denn die Verhandlungen um einen neuen Landesmantelvertrag (LMV) mit dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) drohen zu scheitern.

Unia und Syna organisierten am 25. November einen Protesttag der Bauarbeiter. Die beiden Gewerkschaften, die ansonsten eher in Konkurrenz denn Solidarität zueinander stehen, kämpfen gemeinsam um den LMV. Verständlich, denn die Baubranche ist traditionell eine der Kernbranchen beider Gewerkschaften. Ihre strategische Bedeutung ist in diesem Fall grösser als die Differenzen, die man miteinander hat. Und sowohl Unia wie auch Syna sprechen vom «grossen Erfolg» des Protesttages. Dass es gelungen sei, 7 000 Arbeiter zu mobilisieren, habe auch sie «überrascht». Die Arbeiter legten ihre Arbeit nieder und demonstrierten in Bern, Lausanne, Genf und Zürich. Da Baustellen mittlerweile häufig von weniger als zehn Arbeitern bearbeitet werden, geht man davon aus, dass um die 1 000 Baustellen von Arbeitsniederlegungen ganz oder teilweise betroffen wurden.

 

Repression der Baumeister

7 000 Protestierende sind eine Masse. Sie sind es umso mehr, wenn man die Verhältnisse bedenkt, unter denen sie zusammenkamen. Denn gegen den Kampfwillen der Bauarbeiter steht die entschiedene Repression der Baumeister. Am 25. November zeigte sie sich in vielen Formen. Harmlos aber hinterhältig ist es, wenn viele Baumeister das Weihnachtsessen bewusst auf den 25. November legten, im Kalkül, dass die Arbeiter lieber feiern als streiken. Erpresserisch wirkt es, wenn dem Arbeiter gedroht wird: «Wenn du heute gehst, musst du am Montag gar nicht mehr wiederkommen.» Feige mutet es an, wenn die Securitas geholt wird, um die Baustelle abzuriegeln, damit auch ja niemand das Areal verlässt. Und schliesslich ist es offen illegal, wenn der Baumeister – auch das geschah am 25. November – versucht, seine Arbeiter in der Baracke einzusperren. In ihren Taten diffamieren sich die Baumeister selbst. Dass der Baumeisterverband die Gewerkschaften verklagen wollen und dass das noch am morgen des gleichen Tages, vor der ersten Aktion, bekannt war, darf gleichwohl Einschüchterung gewertet werden. Hier allerdings nicht mehr gegen den Einzelnen, sondern als Repression gegen das Allgemeine, gegen die gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft.

Aber wer Angst benutzt, der hat sie meist selbst. Und tatsächlich wichen die Baumeister überall da zurück, wo sich die Arbeiter erhoben. Als die Grossbaustelle in Wallisellen besetzt und zum grossen Versammlungsort umfunktioniert wurde, da wagten die Baumeister keinen Widerstand, da schlossen sie die Baustelle kurzerhand. Als 1 000 Bauarbeiter vor dem Gebäude des SBV in Zürich standen, da traute sich kein Baumeister aus dem Haus. Es sind leichte Ansätze, aber sie zeigen, dass die Baumeister einer organisierten Arbeitermacht wenig entgegenzusetzen haben

 

Wütende Arbeiter

Und wütend sind sie, die Arbeiter. In Zürich zeigte sich das, als mit dem Geschrei und Jubel von Hunderten aufgebrachten Arbeitern eine LKW-Ladung voller Eis vor der SBV-Zentrale ausgeleert wurde. Der Mann, der den LKW fuhr, selbst ein Arbeiter, selbst grimmig lächelnd, war der Held der aufgebrachten Masse. Zornig, kämpferisch, zu mehr Taten bereit. So darf zumindest die Zürcher Arbeiterschaft bezeichnet werden – und die Vermutung liegt nahe, dass dem die Genfer und Lausanner und Berner Arbeitsgenossen wenig nachstehen.

Ganz im Gegenteil zur Gewerkschaftsleitung. Hansueli Scheidegger von der Unia und Ernst Zülle von der Syna sind Verhandlungsleiter der Gewerkschaften und leiteten die Medienkonferenz am gleichen Tag. Wir erlauben es uns, ihre Aussagen denen der marschierenden Arbeiterschaft entgegenzustellen. Gewerkschaftsleitung: «Wir glauben immer noch daran, dass mit Respekt und Fairness eine gemeinsame Lösung [mit dem SBV] möglich ist.» Arbeiter: «Sie zeigen nur dann Respekt, wenn wir ihn erkämpfen! Wir werden also auch in Zukunft kämpfen, die Arbeit niederlegen.» Gewerkschaftsleitung: «Wenn keine Einigung Zustande kommt, wären wir gezwungen Kampfmassnahmen, wie man das von ganz früher kennt, durchzuführen. Aber das wäre der falsche Weg. Es braucht jetzt die Vernunft des SBV.» «Verhandlungen sind der bessere Weg, als die schwere Arbeit eines Streiks einzugehen.» Arbeiter: «Wir kehren erst dann an den Verhandlungstisch zurück, wenn die uns mit mehr Respekt behandeln. Erst dann sind wir bereit, mit ihnen zu reden. (…) Und im Januar, ohne LMV, werden wir streiken!» «Illegal ist, wenn die Baumeister vor sieben Portugiesen stehen und Fragen: Wollt ihr für eure Rechte kämpfen oder weiterarbeiten? Das zeigt, wie feige sie sind. Wir haben nicht vergessen, wie die Baumeister unsere Kollegen eingeschüchtert haben. Und wir kommen wieder!»

Der Ton der Gewerkschaftsleitung ist versöhnlich; die Stimmung der Arbeiter, zumindest jenes aktiven Teils auf der Strasse, kämpferisch. Die Gewerkschaften setzen auf den Druck, um Verhandlungen zu erzwingen. Die Wut der Arbeiter könnte aber in einen eigenständigen Kampf umschlagen. Darauf angesprochen sagt Scheidegger: «Das ist etwas Gemeinsames. Ich würde hier nicht von oben und unten [in der Gewerkschaft] sprechen.» Wir weisen auf Altbekanntes hin: «Nicht aufs Wort glauben, aufs strengste prüfen!»

 

Weiterkämpfen!

Klar ist, dass weitergekämpft werden muss. Der Protesttag – das Wort «Streik» will zumindest die Gewerkschaftsleitung noch nicht in den Mund nehmen – lässt in dieser Hinsicht auf Gutes hoffen. Zumal sich im Kampf um den LMV die Ansätze einer Fragestellung zeigten, die weit über den eigentlichen Lohnkampf hinausgeht. Wer die Häuser baut und wer sie besitzt, für wen der Wert, den die Arbeit schafft, bestimmt ist – das wurde in Ansätzen, und musikalisch von der Internationalen unterlegt, angegriffen. In den Worten der Arbeiterschaft:

«Sie wollen die Arbeiter, die heute auf der Strasse stehen, morgen durch billige Arbeitskräfte ersetzen. Aber wir bauen die Schweiz und werden sie bauen. Wir bauen die Tunnel, die Strassen! Das müssen die Baumeister begreifen und endlich mehr Respekt zeigen. Die Arbeiter werden für ihre Rechte auf die Strasse gehen. Zwei Jahre haben wir nicht mehr Lohn bekommen. Jeder Banker und Versicherer hat mehr gekriegt, nur die Bauarbeiter nicht. Wir müssen ihnen zeigen, wie ernst wir es meinen, wie wütend wir sind. Wir streiken.»

Erfolgreicher Protestag

Die Bauarbeiter sind wütend. Sie können nicht verstehen, wie der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) neun Monate lang mit den Gewerkschaften über einen neuen Landesmantelvertrag verhandelt und am Schluss alles bereits Ausgehandelte vom Tisch wischt. Sie fühlen sich vom SBV nicht ernst genommen. Denn der Bau boomt jetzt seit Jahren und der Druck ist massiv gestiegen: Allein im letzten Jahr ging die Zahl der Beschäftigten um 3,5 Prozent zurück, während der Umsatz um 3,1 Prozent stieg. Die Bauarbeiter bezahlen diesen massiv höheren Druck mit ihrer Gesundheit.

Bauarbeiter brauchen mehr Schutz
„Die Bauarbeiter brauchen einen Gesamtarbeitsvertrag mit mehr Schutz, sonst leidet ihre Gesundheit. Zudem mehren sich die Fälle von massivem Lohndumping in erschreckender Weise“, hielt Hansueli Scheidegger, Leiter des Sektors Bau der Gewerkschaft Unia an der heutigen Medieninformation fest. Die Gewerkschaften haben deshalb auch ganz konkrete Vorschläge eingebracht, welche wenig gekostet, aber viel gebracht hätten. Während zum Schluss eine vom Baumeisterverband modifizierte Lösung für den Schutz bei Schlechtwetter spruchreif auf dem Tisch lag, weigerte sich der Baumeisterverband standhaft, griffige Massnahmen umzusetzen, welche das ruinöse Preis- und Lohndumping bekämpft hätten. Dabei beklagen die Baumeister selber am lautesten den Margendruck wegen dem unseriösen Preiskampf auf den Baustellen!

Keine Verlängerung zum Nulltarif
Nach neun Monaten Verhandlungen mit 16 Treffen hat der Baumeisterverband fast alles Ausgehandelte vom Tisch gewischt und wollte einfach den bestehenden LMV unverändert übernehmen. Neun Monate Arbeit für die Katze? Die Gewerkschaften  wollen auf der Basis des Erreichten weiter aufbauen. „Mit gegenseitigem Respekt und dem Willen zu fairer Vertragspartnerschaft müssen und können Lösungen für die Erneuerung des LMV gefunden werden“, erklärt Ernst Zülle, Branchenverantwortlicher Bau der Gewerkschaft Syna. Eine Verlängerung des unveränderten Vertrages komme daher nicht in Frage. „Nur mit klaren und verbindlichen Eckwerten für die Einführung von griffigen Schutzmassnahmen gegen Lohndumping, dem Erhalt des bisherigen Geltungsbereiches und einer akzeptablen Lohnerhöhung für nächstes Jahr“, könne eine Verlängerung diskutiert werden.
Mit ihrem Protesttag rufen die Bauarbeiter die Baumeister auf, jetzt wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um auf der Basis des bereits Erarbeiteten fortzufahren, damit der LMV mit einer ergänzenden Eckwertvereinbarung verlängert werden kann.

Quelle und weitere Infos: www.unia.ch

Erneutes Verschärfungspaket

Die vorgesehene Aberkennung von Wehrdienstverweigerung und Desertion als asylrelevante Fluchtgründe ist ein skandalöser Entscheid, welcher direkten Kriegsflüchtlingen das Asylrecht entziehen würde. Sich der aktiven Teilnahme an einem Krieg durch Verweigerung oder Desertion zu entziehen, ist undiskutierbar als Flucht zu bewerten. Hierbei eine andere Bewertung vorzunehmen ist schlicht inakzeptabel und widerspricht gerade in der Schweiz einem Selbstverständnis, welches seit Henri Dunant auf seiner angeblich humanitären Tradition aufbaut. Solchen Flüchtlingen nur noch eine vorläufige Aufnahme zu gewähren wird deshalb deren Situation nicht gerecht, da die Dauer eines Krieges unvorhersehbar ist. Ihnen lediglich eine vorläufige Aufnahme zu gewähren präkarisiert und erschwert ihre Lebensbedingungen unnötig. Dies zeigt die aktuelle Situation von Flüchtlingen mit einer F-Bewilligung in der Schweiz.

Die beabsichtigte Streichung des so genannten «Botschaftsasyls» ist ebenso zu verurteilen. Dadurch wird ein bewährtes Instrument abgebaut, dessen Streichung angesichts der aktuellen Debatte um angebliche «Flüchtlingswellen» gar zynisch anmutet. Desweiteren bezweifelt Sosf, dass die gesetzliche Fixierung einer «Vorbereitungsphase» als neuer Verfahrensschritt wie auch die anderen Verfahrensänderungen geeignet sind, das gesteckte Ziel der Verfahrensbeschleunigung tatsächlich zu erreichen.

Die Empfehlungen der SPK-S als Ganzes sind einmal mehr als Verschärfungspaket zu bewerten, welches darauf abzielt, möglichst wenige Asylgesuche zuzulassen. Darüber können auch die partiellen Verbesserungsaspekte wie die beabsichtigte Lockerung der medizinischen Nachweispflicht, der Ausbau der Rechtsweggarantie und die längst überfällige Priorisierung von Asylgesuchen unbegleiteter Minderjähriger nicht hinweg täuschen.

 

Sosf empfiehlt dem Ständerat deshalb, die Empfehlungen der SPK-S abzulehnen.

Protestag auf dem Bau!

Der Schweizerische Baumeisterverband  (SBV) hat am 2. November die Verhandlungen über einen neuen  Landesmantelvertrag (LMV) für das Bauhauptgewerbe scheitern lassen. Statt die  aktuellen Probleme zu lösen, will er eine Verlängerung des heute ungenügenden  LMV zum Nulltarif. Dagegen wehren sich die Bauarbeiter und ihre  Gewerkschaften Unia und Syna. Sie wollen einen LMV mit mehr Schutz und führen  darum am kommenden Freitag, 25. November in Genf, Lausanne, Zürich und Bern  Protestaktionen durch..

Die Bauwirtschaft boomt und der Druck auf die Bauarbeiter  steigt: Allein im letzten Jahr ging die Zahl der Beschäftigten um 3,5 Prozent  zurück während der Umsatz um 3,1 Prozent stieg. Die Bauarbeiter bezahlen  diesen massiv höheren Druck mit ihrer Gesundheit und brauchen mehr Schutz.  Zudem mehren sich die Fälle von massivem Lohndumping in erschreckender Weise  – also braucht es auch hier mehr Schutz. Wer die Arbeitsbedingungen auf  dem Bau sichern will, muss den Landesmantelvertrag gezielt anpassen.

 

Bauarbeiter sind wütend

Der Baumeisterverband will die gravierenden Probleme nicht  angehen. So wehrt er sich gegen verbindliche Massnahmen gegen unseriöse Baufirmen,  die Aufträge zu Dumpinglöhnen an Unterakkordanten weitergeben. Zudem versucht  der Baumeisterverband den Geltungsbereich des LMV einzuschränken, für ganze  Berufsgruppen soll der Schutz des Gesamtarbeitsvertrages nicht mehr gelten.

Die Bauarbeiter sind ernüchtert  und führen am kommenden Freitag in Genf, Lausanne, Zürich und Bern  Protestaktionen durch. Am 2. Dezember werden Protestaktionen im Tessin  folgen.

 

Gewerkschaften verlangen echte  Verhandlungen

Seit neun Monaten verhandeln Gewerkschaften und Baumeister  über einen neuen Landesmantelvertrag. Zweimal hat der Baumeisterverband eine Verhandlungsrunde platzen lassen  und so auf Zeit gespielt. Die Gewerkschaften wollen die Probleme jetzt lösen.  Ihr Ziel ist es, noch in diesem Jahr einen neuen Landesmantelvertrag mit mehr  Schutz abschliessen zu können.

Quelle und weitere Infos: www.unia.ch

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