Protest gegen die Abzocker vom «Piratenplatz»

Unter dem Motto «Schluss mit der Abzockerei» demonstrierten am Donnerstag Abend mehrere hundert Personen auf dem Zürcher Paradaplatz. Ihr Zorn richtete sich gegen die Verschleuderung von Steuermilliarden der Investmentbanker.

«Wir fordern einen Boni-Stop für die UBS-Topmanager, die Rückzahlung der schamlos abkassierten Boni der letzten Jahre und keine Löhne über 500’000 Franken pro Jahr für die gescheiterten Banker!» – so brachte Unia-Sektionssekretär Roman Burger die Stimmung der Protestierenden auf dem Paradeplatz unter lautstarkem Applaus auf den Punkt: Mit ihrer masslosen Gier hätten die «Verbrecher vom Piratenplatz» – so Burger in Anspielung auf den Bankenstandort Paradeplatz – die Wirtschaft in die Krise getrieben und gefährdeten Ersparnisse, Renten und Arbeitsplätze. «Und jetzt sollen wir Steuerzahlende die UBS mit 68 Milliarden Franken subventionieren, wähend dieselben UBS-Manager die Frechheit haben, sich gleichzeitig mit 7 Milliarden an neuen Boni-Zahlungen zu bereichern. Jetzt reicht’s! Das lassen wir uns einfach nicht mehr bieten.»

Kein Rettungspaket ohne straffe Kontrolle

Burger verlangte, dass die Politik endlich die Konsequenzen aus dem Bankrott des Abzocker-Systems ziehe und die Finanzjongleure an die kurze Leine nehme: «Dem Casino-Kapitalismus muss der Riegel geschoben werden. Alle hochriskanten und spekulativen Bankgeschäfte müssen verboten werden. Ohne solche Leitplanken gibt es kein Rettungspaket mit Steuergeldern für die UBS!», rief Burger in die Menge.

Konjunkturprogramm statt Steuergeschenke

Die SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger-Oberholzer forderte in ihrer Rede ein Konjunkturprogramm, um die als Folge der Finanzmarktkrise drohene Rezession abzuwenden. Die vom Finanzdepartement geplanten neuen Steuergeschenke und Steueroptimierungen für Hedgefonds-Manager bezeichnete sie als skandalös. «Stampfen Sie diese Pläne unverzüglich ein, Herr Merz!», forderte Oberholzer-Leutenegger den Bundesrat auf.

Vischer: Schuld ist die «UBS Partei»

Auch der grüne Nationalrat Daniel Vischer griff in seiner Rede die «neoliberalen Staatsverhöhner» scharf an: «Es ist ein Hohn, dass die Herren Ospel und Co., welche jahrelang den Staat schlecht gemacht haben, nun eiligst seine Hilfe verlangen. Diese Arroganz verdient einen Denkzettel.» Der Staat müsse die ungeregelte Spekulation mit Finanzderivaten und das falsche Anreizsystem mit Millionen-Boni strikte regeln beziehungsweise abschaffen. Statt dem ausgehandelten Unterstützungsdeal verlangte er eine direkte Bundesbeteiligung an der UBS nach dem Vorbild des Brown-Planes. Mitschuldig am Fiasko seien die «UBS-Partei» von Christoph Blocher und Peter Spuhler, die FdP und die CVP sowie die grossen Wirtschaftsverbände, welche bisher griffige Kontrollmassnahmen immer verhindert hätten.

Zur Demonstration aufgerufen hatten die Gewerkschaften Unia, Kommunikation, comedia, vpod, der Gewerkschaftsbund, die SP Kanton Zürich, Grüne Kanton Zürich, die Alternative Liste AL, die Jungen Grünen, die Juso, die JuliA und weitere Organisationen.

Schluss mit der Milliarden-Abzockerei!

Ein breites Bündnis ruft zur Spontankundgebung gegen die Milliarden-Abzockerei der Banken auf. Nach dem UBS-Debakel und den anhaltenden Lohnexzessen der Banker muss ein Zeichen gesetzt werden: ohne klare Leitplanken keine Zustimmung für das Rettungspaket!
Der aktuelle Börsen- und Finanzskandal übertrifft jegliche Vorstellungskraft und hat nun auch die Schweiz mit voller Wucht erfasst. Die Steuerzahlenden müssen der UBS mit 68 Milliarden Franken unter die Arme greifen, um diese vor dem Bankrott und die Schweiz vor unabsehbarem wirtschaftlichem Schaden zu bewahren! Mit ihrer masslosen Gier verspekulierten die Investmentbanker Tausende von Milliarden von Franken und trieben die Wirtschaft an den Rand einer globalen Krise. Sie gefährden mit ihren unverantwortlichen Spekulationsgeschäften weltweit die Ersparnisse, die Renten und die Arbeitsplätze von Millionen von Menschen.

Trotz der Milliardenverluste gehen die Lohnexzesse der UBS-Banker munter weiter: Sie wollen sich auch dieses Jahr wieder Boni für die unvorstellbare Summe von sieben Milliarden Franken zuschanzen! Ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Parteien und weiteren Organisationen findet „es reicht!“ und ruft zur Spontankundgebung auf:

Schluss mit der Milliarden-Abzockerei!
Donnerstag, 23. Oktober 2008, 17.30 Uhr Paradeplatz Zürich

Die aufrufenden Organisationen fordern, dass das Parlament die grösste Staatsausgabe aller Zeiten an klare Bedingungen knüpft. Konkret:

  • Stop sämtlicher Boni-Zahlungen an die UBS-Manager und Investmentbanker!
  • Rückzahlung der schamlos abkassierten Boni der letzten Jahre!
  • Keine höheren Löhne als Fr. 500’000.- pro Jahr!
  • Transparente und gerechte Lohnsysteme für das Bankpersonal ohne Anreize für Abzockerei!

Ohne solche Leitplanken darf es kein Rettungspaket mit Steuergeldern für die UBS geben! Weiter verlangen wir: Verbot aller hochriskanten und spekulativen Bankgeschäfte. Dem Casino-Kapitalismus muss endlich der Riegel geschoben werden. Zudem müssen Massnahmen ergriffen werden, um die Realwirtschaft zu stärken. Es braucht Investitionsprogramme und die Erhaltung der Kaufkraft der Arbeitnehmenden. Schluss mit dem Börsenkasino auf unsere Kosten, Schluss mit der Abzockerei – The game is over!

Als RednerInnen treten folgende Personen an der Kundgebung auf:
Susanne Leutenegger-Oberholzer, Nationalrätin SP
Roman Burger, Geschäftsleiter Unia Zürich
Daniel Vischer, Nationalrat Grüne
Cédric Wermuth, JuSo

Weitere Informationen

Borregaard Management lässt Verhandlungen scheitern

Die Sozialplanverhandlungen zwischen der Borregaard-Leitung und den Arbeitnehmenden des Zellulosewerkes Riedholz sind heute Nachmittag in der ersten Verhandlungsrunde gescheitert.

Nach Angaben der Gewerkschaften versucht die Borregaard-Direktion, die Arbeitnehmenden zu spalten und einen Teil der Belegschaft vom Sozialplan auszuschliessen. Konkret weigerte sich Borregaard jene 40 Mitarbeitenden in die Sozialplanverhandlungen mit aufzunehmen, welche Zurzeit das Projekt «Hefe Süd» erarbeiten, wie die Unia mitteilt.

Die Verhandlungsdelegation der Arbeitnehmenden bestand darauf, dass der Sozialplan für sämtliche Mitarbeitenden Gültigkeit hat. Gemäss Unia ging die Borregaard-Direktion auf diese Forderung nicht ein und liess damit die Sozialplanverhandlungen scheitern.

Die Arbeitnehmervertretung ANV und die Gewerkschaften haben entschieden, dieser Zumutung solidarisch entgegenzutreten. Eine Betriebsversammlung der gesamten Belegschaft wird darum am nächstem Montag die gemeinsamen weiteren Schritte beschliessen, hiess es in einer Medienmitteilung der Unia.

Weitere Informationen zur Borregaard-Schliessung: http://borregaard.blogspot.com/

Mehmet Esiyok als Fluechtling anerkannt

Der kurdische Politiker Mehment Esiyok wurde heute aus der Auslieferungshaft entlassen. Das Bundesamt für Migration wird ihn als politischen Flüchtling vorlaeufig aufnehmen.

Esiyok war im Dezember 2005 in die Schweiz eingereist und kurz darauf auf Ersuchen der türkischen Behörden verhaftet worden. weil die Türkei Esiyok vorwirft 1994 als Mitglied und Teil des Kaders der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) den Auftrag zur Tötung eines Dorfvorstehers gegeben zu haben.

Das Bundesamt für Justiz hatte 2006 seine Auslieferung bewilligt, die effektive Ausweisung machte es aber vom Ausgang des Asylverfahrens abhängig. Das Bundesamt für Migration (BFM) wies sein Asylgesuch erstmals 2006 ab, dies wurde aber vom Bundesverwaltungsgericht moniert.

Nach weiteren Abklärungen wies das BFM das Asylgesuch von Esiyok im vergangenen Mai wiederum ab. Mit Entscheid vom 17. Oktober hat das Bundesverwaltungsgericht nun aber seine Flüchtlingseigenschaft festgestellt.

34 Monate Auslieferungshaft

Das Bundesamt für Migration wird ihn als politischen Flüchtling vorlaeufig aufnehmen. Aus diesem Grund darf er nicht an die Tuerkei ausgeliefert werden. Mehmet Esiyok sass 34 Monate in  der Schweiz in Auslieferungshaft, ohne jegliche Hafterleichterung. Deshalb werden seine Anwaelte die maximale Haftentschädigung fordern.

Vorweihnachtsgeschenk für Finanzterroristen

In einer Stellungsnahme zur Finanzkrise teilt die JUSO Schweiz mit:

Angelogen, ausgetrickst, unfähig
Die Schweizer Grossfinanz gibt heute ein tragisches Bild ab. Die Führungsriege der classe économique ist innert Tagen um mindestens einen Kopf geschrumpft. Der Stolz des Finanzplatzes Schweiz ist verflogen. Während Wochen haben die zuständigen BundesrätInnen entweder geschwiegen oder die Bevölkerung schlichtweg angelogen. Alles sei in Ordnung, es gäbe keinen Grund zur Panik und noch weniger zu staatlichen Interventionen. Diese Woche hat sich das Blatt trotz allem gewendet: In einem undemokratischen Hauruckverfahren schnürten der Bundesrat und die Eidgenössische Bankenkommission das so genannte „Hilfspaket“.

Dabei kommt der Bund der UBS so weit entgegen, dass nicht mehr klar ist, wer genau für wen ein Hilfspaket erarbeitet hat. Und bereits gestern wurde klar: Die UBS denkt gar nicht daran, der freundlichen Aufforderung des Bundesrates nachzukommen, vielleicht einmal, wenn es gerade nicht allzu fest weh tut und sonst wirklich gerade nichts anderes auf der Traktandenliste steht auch die Regelung für Bonuszahlungen zu überprüfen. Die JUSO Schweiz fragt sich ernsthaft, ob die Politik der Samthandschuhe gegenüber der UBS vielleicht die Folge ihres jahrelangen grosszügigen finanziellen Engagements gegenüber den bürgerlichen Fraktionen sein könnte. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere.

Das neoliberale Modell ist am Ende – und der Bundesrat macht weiter wie bisher
Das weltweite Finanzsystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. Nicht etwa, weil es durch Krieg oder Naturkatastrophen arg geprüft worden wären. Sondern ganz einfach, weil das System auf kurzfristige Gewinnoptiminierung ausgelegt ist und eine „Nach mir die Sintflut“-Mentalität gerade zu predigt. Gedeckt wurde diese Zeitbombe während Jahren von neoliberalen PolitikerInnen weltweit, in der Schweiz insbesondere von der classe économique rund um FDP und SVP.

Das System hat offensichtlich Schiffbruch erlitten und was tun Bundesrat und Nationalbank? Alles, damit das Hilfspaket so ausgestaltet ist, dass in ein paar Jahren wieder business as usual herrscht, anstatt jetzt die Zeichen der Zeit richtig zu deuten und sich grundlegende Gedanken zu unserem Finansystem zu machen.

Die JUSO Schweiz ist wütend und empört über das dreiste Schauspiel, das sich vor unseren Augen abspielt. Wir stellen in Ergänzung zur SP Schweiz klare Forderungen:

Kein Hilfspaket ohne Sondersession! Das Parlament muss sofort zusammen treten und das Hilfspaket absegen. Die entsprechende Gesetzgebung muss dem fakultativen Referendum unterliegen.

Kein Hilfspaket ohne Ende der Boni- Zahlung! Die Bonuszahlungen für das obere Kader der UBS und allfällig weiterer betroffener Banken sind mindestens für die nächsten 30 Monate komplett auszusetzen. Die gesprochenen Verwaltungsrats-Boni der letzten fünf Jahre sind komplett zurück zu zahlen und für die Äuffnung des vorgesehen Fonds zu verwenden.

Kein Business as usual – Dauerhafter Staatsbesitz! Jeder Franken der 6 Milliarden, die der Bund direkt einschiesst, sollen für eine dauerhafte Staatsbeteiligung eingesetzt werden. Die öffentliche Hand muss diesem selbstzerstörerischen Treiben der Finanzterroristen endlich Einhalt gebieten.

Quelle: JUSO Schweiz

Big Brother Awards 2008 verliehen

Am Samstagabend, den 18. Oktober 2008 wurden im Theaterraum TOJO der Berner Reitschule die Gewinner der diesjährigen Schweizer „Big Brother Awards“ bekanntgegeben. Mit diesen satirischen „Preisen, die keiner will“ zeichnet ein Organisationskomitee jedes Jahr die schwerwiegendsten Datenschutzverletzungen aus.

Drei Betonpokale gingen an die grössten Datenschnüffler in den Kategorien STAAT, BUSINESS und ARBEITSPLATZ. Weiter wurde ein LEBENSWERK-AWARD für besonders hartnäckige, lebenslange Spitzelarbeit verliehen. Die Nomination der Preisträger erfolgte durch die Oeffentlichkeit. Bis Ende
August gingen beim Organisationskomitee über 80 Vorschläge ein.

DIE SIEGERINNEN UND SIEGER

– Fachgruppe 9 der Staatsanwaltschaft Basel (Kategorie Staat) (Fichierung von Grossräten)
– Securitas, Abt. Investigation Services, Zollikofen (Kategorie BUSINESS) (Bespitzelung von kritischen Gruppierungen)
– Krankenkasse CSS, Luzern (Kategorie ARBEITSPLATZ) (Absenzen-Kontrolle)
– Kurt Trolliet, Staatsschutzbeamter Bern (Kategorie LEBENSWERK) (präventive Verhaftung von Journalisten)

Gewinner eines Winkelried-Awards für eine Person oder Organisation, die sich im Jahr 2008 besonders gegen Überwachung und Kontrolle einsetzte, wurde das Bündnis Luzern für alle für ihren Widerstand gegen Videoüberwachung und Rayonverbote.

Quelle: http://www.bigbrotherawards.ch

Armut in der Nähe

Foto: Tristan Dzikowski

Der UNO-Welttag gegen Armut wurde in Bern mit Veranstaltungen begangen. Dazu gesellte sich mittags eine ad-hoc-Demonstration vor einer UBS-Filiale.

„Die Menschenrechte haben uns noch nicht erreicht“, sagt eine schweizerische Armutsbetroffene. Zum Uno-Welttag am 17. Oktober 2008 gegen Armut veranstalteten die beiden Bewegungen Amnesty International und ATD Vierte Welt ein Treffen in der Heiliggeistkirche in Bern. Hans-Peter Furrer, Präsident der Armutsbewegung ATD Vierte Welt, zeichnete die Zusammenhänge auf: „Armut, wenn sie nicht gewählt ist, sondern einen Menschen überfällt und bezwingt, verletzt Menschenrechte, und grosse Armut verletzt sie kumulativ: Sie schliesst den Menschen aus und wird zum Gefängnis.“ Furrer äusserte sich zufrieden darüber, dass Amnesty International auch diese Gefängnis nennt.

Im Mikrokosmos

Armut hat sehr viel mit sozialer Distanz zu tun. Die Gefahr besteht, nur die Armut in der Ferne, in der Dritten Welt näher anzuschauen. Soziale Distanz wird so von geografischer Distanz überlagert. Die ganze Welt als Makrokosmos der sozialen Ungerechtigkeit? Wieviel mehr Verbindlichkeit braucht es jedoch, die Armut in unserer Nähe aufzudecken, anzugehen und zu bekämpfen. Dies bedingt konkrete Politik – und den Willen zur Veränderung von Machtstrukturen.

Edith Olibet, Gemeinderätin der Stadt Bern und Direktorin für Bildung, Soziales und Sport meinte am Treffen in der Heiliggeistkirche Bern, dass es keine Armut in der Schweiz gäbe, wenn ebensoviel Kraft, politischer Willen und Ressourcen in die Armutsbekämpfung gesteckt würden, wie dies heute zum Beispiel für die Rettung einer Grossbank oder zur Debatte über Missbräuche im Sozialwesen geschieht. Sie erinnerte an die Tatsache, dass im Kanton Bern jeder/e dritte BezügerIn von Sozialhilfe erwerbstätig ist, davon 42% in einem 100%-Job. Das Lohndumping für die working poor erzwingt von der Öffentlichkeit Sozialleistungen, über deren Missbräuchlichkeit kaum debattiert wird, weil sie eine versteckte Form der Wirtschaftsförderung darstellt.

Familienarmut

Rund ein Drittel der Sozialhilfebeziehenden in der Stadt Bern sind zwischen 0 und 17 Jahren jung. Zu dieser Zahl gesellt sich eine grosse Dunkelziffer. Olibet: „Viele Menschen leben weit unter der Armutsgrenze und melden ihre Not nicht an. Sie wollen sich und ihre Kinder nicht dem öffentlichen Blick aussetzen.“ Es ergibt sich die Gefahr der Vererbung von Armut durch fehlende oder ungenügende Ausbildung von Kindern in armen Familien. Olibet stellte Forderungen zur Ursachenbekämpfung von Armut vor: Existenzsichernde Löhne, Förderung sozial benachteiligter Kinder im Vorschulalter, Beseitigung von Kinder-, Jugendlichen- und Elternarmut, Förderung des Überganges nach der obligatorischen Schule und Beendigung der Ausbildung, Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und Beseitigung der steuerlich bedingten Armutsfalle beim Austritt aus der Sozialhilfe.

Als allein erziehende Familienmutter meldete sich sodann Sarah Moser sehr eindrücklich zu Wort. Sie stellte den Wunsch nach Ferien am Meer – zusammen mit ihren drei Kindern – der harten Wirklichkeit entgegen. Wie findet sie sich in einer von Prospekten verklärten Welt zurecht, ohne für Ferien Ressourcen einsetzen zu können? Dazu stellen sich nicht nur Fragen nach der Finanzierung von Reise und Aufenthalt, sondern von Ausrüstung, Kleidung, Statussymbolik und gesellschaftlichem Habitus. Die Ausgrenzung wird greifbar. Kommt noch dazu, dass bestenfalls für Kinder Ferienlager bezahlt werden, aber kaum für die ganze Familie Ferien am Meer. Gemäss einem weit verbreiteten gesellschaftlichen Vorurteil, dass Armutsbetroffene keinen Alltagsstress haben und darum auch nicht Ferien bräuchten.

Kundgebung

Gleichentags fand gegen Abend auf dem Münsterplatz in Bern eine Kundgebung gegen Armut und Ausgrenzung statt, welche vom Komitee der Arbeitslosen und Armutsbetroffenen (KABBA) in Bern und der IG Sozialhilfe in Zürich organisiert worden war.

Der Soziologe Kurt Wyss stellte die Frage, wer heute die Welt unsicher mache, die diskriminierten Armutsbetroffenen oder die Exzesse des neoliberalen Kapitalismus? Während Banken im maroden Finanzsystem global eine Party auf Kosten der Steuerzahlenden feiern, gibt es kein Geld für die Armutsbetroffenen. Beat Ringger vom Denknetz Schweiz erinnerte an die Grundlügen in unserer Gesellschaft und an die Verwirrung der Finanzleute, die zusehen müssen, wie ihr System zusammenbricht. Die beiden Schweizer Grossbanken haben mehr als 10 Milliarden Franken an Boni ausbezahlt. Nun stopft der Staat die Löcher. Ringger skizzierte die Idee einer Erwerbsversicherung: Keine zeitliche Begrenzung der Taggelder, kein Zwang zu prekären Arbeitsverhältnissen und gesellschaftliche Anerkennung der Betreuungsarbeit für Kinder.

Für Thomas Näf vom KABBA steht die Missbrauchsdebatte im Zusammenhang mit den bevorstehenden Gemeindewahlen in Bern. Das Misstrauen und der Generalverdacht gegenüber den untersten Schichten werden mit politischer Absicht geschürt. Doch Armut wird vom kapitalistischen System erzeugt. Die Lebenssituation der Armutsbetroffenen erinnert Branka Goldstein von der IG Sozialhilfe an eine Apartheid. Die Gesellschaft wird in zwei Teile getrennt. Auch wies Goldstein an der Kundgebung auf die Folgen der Kinderarmut und der irreparablen Schäden für die Gesellschaft hin. Aus Basel war Avji Sirmoglu von der Liste 13 gegen Armut und Ausgrenzung zugegen. Sie kritisierte die neuen Asyl- und Ausländergesetze, wonach Menschen B- und C-Ausweise und somit das Recht auf Verbleiben in der Schweiz verwirken können, wenn sie der Sozialhilfe zu sehr zu Last fallen.

In einer Resolution forderten die KundgebungsteilnehmerInnen von Bundespräsident Couchepin und von der Kommission für soziale Sicherheit der eidgenössischen Räte: Einklagbare soziale Rechte in der Bundesverfassung, Erhöhung des Existenzminimums, Demokratisierung des Sozialwesens, Abschaffung der Verwandtenunterstützungs- und Rückzahlungspflicht und einen vollständigen Datenschutz auch für SozialhilfebezügerInnen.

Borregaard Schliessung: Kritik an Solothurner Regierung

An einer Solidaritäts-Kundgebung mit den Borregaard-Mitarbeitenden des Zellulose-Werkes in Riedholz wurde heute Samstag die Solothurner Regierung zum Eingreifen aufgefordert. Die Unia fordert die Rettung möglichst vieler Arbeitsplätze und die sofortige Aufnahme von Sozialplanverhandlungen.

Nachdem die angekündigte Petitionsübergabe im Borregaard-Verwaltungsgebäude in Riedholz gestern Morgen vorerst am Widerstand des Managements scheiterte, verschaffte sich die 80-köpfige Betriebsdelegation Zutritt zum Gebäude. Eine Vertreterin der Geschäftsleitung erklärte sich bereit, die Petition in Empfang zu nehmen. Standortleiter Stefan Meili trat hingegen nicht vor die Belegschaft.

Unia-Geschäftsleitungsmitglied Corrado Pardini betonte heute morgen auf dem Gemeindplatz von Luterbach (SO), der versammelten Bevölkerung die Parallelen zwischen der aktuellen Finanzmarktkrise und dem Schliessungsentscheid des Borregaard-Managements. Er kritisierte die verantwortungslose Abzockermentalität der Topmanager, welche die Risiken beziehungsweise Kosten ihrer Strategien zur Profitmaximierung auf die einfachen Arbeitnehmenden und die Bevölkerung abwälzten. «Das ist nicht akzeptabel», so Pardini, «wir wollen retten, was noch zu retten ist».

Konkret forderte Pardini das Borregaard-Management und die Solothurner Regierung auf, endlich das bereits weit fortgeschrittene Projekt «Hefe-Süd» zu unterstützen, das mit einem Management-Buy-Out 40 Arbeitsplätze sichern würde. Wegen der unkooperativen Haltung der Borregaard-Verantwortlichen müsse nun aber mit dem Verlust von über 350 Arbeitsplätzen und 45 Lehrstellen gerechnet werden. Darum forderte Pardini die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen über einen «Sozialplan, der diesen Namen verdient».

Massive Kritik an der Solothurner Regierung

In weiteren Reden zeigten Belegschafts-Vertreter auf, dass die Schliessung des Zellulose-Werkes die Existenzgrundlage vieler Familien in der Region zertört. Unia-Sektionssekretär Markus Baumann kritisierte insbesondere die Untätigkeit der Solothurner Regierung, welche kein ernsthaftes Interesse an der Rettung der Arbeitsplätze gezeigt habe. Die SP-Nationalrätin Bea Heim verurteilte die Einschüchterungstatktik der Borregaard Leitung. «Die Existenz vieler Familien steht auf dem Spiel. Milliarden für die Banken sind vorhanden, aber wo ist jetzt die Sicherheit für die Arbeitnehmer?» sagte Bea Heim. Auch der Solothurner Gewerkschaftsbundspräsident Giorgio Tutti und SP-Vizepräsidentin Franziska Roth forderten in ihren Solidaritätsbotschaften die Solothurner Regierung auf, endlich die Interessen der Region und der Belegschaft gegenüber dem Konzern zu vertreten.

Die Firma Borregaard gehört zum norwegischen Mischkonzern Orkla, der 2007 einen Umsatz von 12,7 Mia. CHF und einen Gewinn von 2 Mia. CHF (vor Steuern) erwirtschaftete. Auf Grund der unkonstruktiven Haltung der Borregard-Führung wird eine Totalschliessung und damit die mutwillige Zerstörung von 440 Arbeitsplätzen in Riedholz immer wahrscheinlicher. Die Verhandlungsgemeinschaft Borregaard-Attisholz, zu der sich die Arbeitnehmervertretung (ANV), der Schweizerische Papier- und Kartonarbeitnehmerverband (SPV) sowie die Gewerkschaften Unia und Syna zusammengeschlossen haben, fordert darum nun – parallel zur Suche nach Alternativlösungen – die umgehende Aufnahme von Sozialplanverhandlungen.

Unia-Kongress hat neue Geschäftsleitung gewählt

Der Unia-Kongress hat am Samstag in Lugano eine neue, schlankere Führung gewählt und prüft eine Volksinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

Die rund 400 Unia-Delegierten habe eine neue Führung gewählt. Dabei wurde die Geschäftsleitung von 11 auf 9 Mitglieder verkleinert. Im Amt bestätigt wurden die bisherigen Co-Präsidenten Renzo Ambrosetti und Andreas Rieger sowie die Geschäftsleitungsmitglieder Fabienne Blanc-Kühn, Jean-Claude Rennwald, Hansueli Scheidegger, Rita Schiavi und Michael von Felten. Mit Vania Alleva und Corrado Pardini wählte der Kongress neu zwei Vertreter/innen einer jüngeren Generation in die Geschäftsleitung. Ebenfalls verkleinert wurde der Zentralvorstand, der ebenso wie die Geschäftsleitung neu mindestens ein Drittel Frauen umfassen muss. Damit stellten die Unia-Delegierten vier Jahre nach der Fusion den Generationenwechsel und die bessere Vertretung der Frauen in ihrer Führung sicher.

Einen weiteren Kongressschwerpunkt bildete die anschliessende Debatte um das Positionspapier «Gute Gesamtarbeitsverträge für alle». Die Delegierten nahmen das Papier nach intensiver Debatte und einigen Änderungen an und etablierten damit präzise Eckwerte für die künftige GAV-Politik der Grossgewerkschaft. So müssen Gesamtarbeitsverträge gegenüber den gesetzlichen Minimalbestimmungen erhebliche Verbesserungen bringen und zum Beispiel Mindestlöhne, einen 13. Monatslohn für alle und vermehrt auch wieder den automatischen Teuerungsausgleich vorsehen. Zudem fordern die Delegierten nebst etlichen weiteren Punkten Arbeitszeitverkürzungen statt Arbeitszeitverlängerungen, das Verbot von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Nationalität oder Aufenthaltsstatus und konkrete Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Papier hält zudem fest, dass sich gesetzlicher und vertraglicher Schutz nicht widersprechen sondern ergänzen müssen. Das System der Gesamtarbeitsverträge müsse von den Behörden unterstützt werden. Wenn die Regulierung über GAV nicht gelinge, müssten gute Arbeitsbedingungen vom Gesetzgeber garantiert werden: «Wenn Arbeitgeber in ihrer Branche keine sozialpartnerschaftlichen Verträge mehr wollen, bereiten sie selber den Weg zu vermehrter gesetzlicher Regulierung.» Die Delegierten nahmen in diesem Zusammenhang den Antrag zur Lancierung einer Volksinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn zur Prüfung an.

«Die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse stellen»

Heute Freitagmorgen haben die 400 im Palazzo dei congressi in Lugano tagenden Unia-Delegierten die Diskussion zu verschiedenen Positionspapieren fortgesetzt. Sie verabschiedeten ein neues Leitbild mit den strategischen Hauptleitlinien «Stärke durch Mitgliederwachstum und Mitgliederbetreuung», mehr «Einfluss der aktiven Mitglieder in den Betrieben und Branchen» und «Erfolg durch Mobilisierungsfähigkeit».

Finanzmarktkrise nicht auf Kosten der einfachen Leute bewältigen

In einer Resolution forderte der Kongress anschliessend die Stärkung der Realwirtschaft gegen die Folgen der Finanzmarktkrise. Dies soll mit einem Sofort-Programm erreicht werden, das eine konkjunkturfördernde Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, Zinssenkungen, eine die Beschäftigung stärkende nicht-restriktive Währungspolitik der Nationalbank, das Einfrieren der Strompreise und eine stärkere Besteuerung der Millionärslöhne beinhaltet. Zudem fordert die Unia kräftige Lohnerhöhungen, ein energietechnisches Sanierungsprogramm des Bundes, ein Förderprogramm für erneuerbare Energien, eine Weiterbildungsoffensive sowie die Rücknahme der Strommarktliberalisierung. Es könne nicht sein, dass einige wenige Milliardengewinne abkassierten und die Allgemeinheit für die Verluste einstehen müsse, wenn die Spekulationsblase platze. Der Staat müsse die entfesselte Finanzindustrie an die kurze Leine und insbesondere derivate Geschäfte (Hedge Founds u.ä.) verbieten.

Die Unia will sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Folgen der Krise nicht auf dem Buckel der einfachen Leute ausgetragen würden. Die neoliberale Politik sei gescheitert. Jetzt gelte es eine Wirtschaftsordnung aufzubauen, welche die sozialen Bedürfnisse der Menschen und die Arbeit ins Zentrum stelle und nicht das Kapital: «Es ist höchste Zeit, die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse zu stellen», heisst es in der Resolution.

Couchepin: Gewerkschaften als Schule des Lebens

Auch Bundespräsident Pascal Couchepin beschäftigte sich in seiner Intervention vor dem Unia-Kongress mit der aktuellen Krise. Diese werde zweifellos Einfluss auf die Realwirtschaft haben. Man müsse sich ohne Vorurteile Gedanken über die Auswirkungen der Globalisierung machen. Der Bundespräsident bezeichnete die Gewerkschaften als eine ausserordentliche Schule des Lebens. Sie trügen dazu bei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die direkte Demokratie zu verwirklichen – zum Wohl des ganzen Landes. Er zolle den Gewerkschaften für ihr Engagement grossen Respekt.

Der Bundespräsident hob zudem die hohe Bedeutung der Sozialpartnerschaft für die Schweiz hervor. 1,5 Millionen Menschen unterstünden in der Schweiz heute einem der 611 existierenden Gesamtarbeitsverträge – so viele wie noch nie zuvor. Dies komme nicht von ungefähr, denn die Sozialpartner seien immer wieder bereit gewesen Lösungen zu finden, wo sich neue Probleme gestellt hätten.

Unia Jugend verlässt aus Protest den Saal

Nach einer Meldung der Online Zeitung 20min.ch haben ein Teil der rund 400 Anwesenden am Freitag den Saal beim Eintreffen von Bundesrat Couchepin verlassen. Unter jenen, die den Saal verliessen, waren viele junge Unia-Mitglider. Am Donnerstag hatten sie einen Vorstoss einer Delegierten begrüsst, der sich gegen den Auftritt des Bundespräsidenten am Kongress wandte.

Erster Unia-Kongress in Lugano eröffnet

Heute Nachmittag um 14 Uhr hat im Palazzo dei congressi, dem Kongresszentrum von Lugano, der erste Unia-Kongress begonnen. Die 400 Unia-Delegierten haben den Tätigkeitsbericht der Unia-Geschäftsleitung abgenommen und die Debatte um die strategische Ausrichtung der Grossgewerkschaft eröffnet. Die Tessiner Regierungsrätin Patrizia Pesenti sprach zur Eröffnung vom Scheitern der neoliberalen Rezepte und rief zu einem Ja zur gewerkschaftlichen AHV-Initiative auf.

In seiner Einleitungsrede zur Diskussion über den ersten Unia-Vier-Jahresbericht zog Co-Präsident Renzo Ambrosetti eine positive Bilanz. Die Unia habe die Fusion erfolgreich abgeschlossen und sich als starker Sozialpartner und aktive Kraft in der schweizerischen Politik etabliert. Die Unia habe wichtige neue Gesamtarbeitsverträge vereinbart – z.B. für die Temporärbeschäftigten oder für das Reinigungsgewerbe – und bestehende Gesamtarbeitsverträge verbessert. Wo immer möglich setze sie die Interessen ihrer Mitglieder im Dialog mit den Arbeitgebern durch. Doch, so Ambrosetti, «wo nötig, waren und sind wir auch bereit, Arbeitskämpfe zu unterstützen und zu führen».

Unia Co-Präsident Andreas Rieger eröffnete die Debatte um die künftige gewerkschaftspolitische Strategie der Unia. «Wir wollen eine Welt, in welcher die sozialen Bedürfnisse der Menschen im Zentrum stehen, nicht das Kapital», rief Rieger den Unia-Delegierten zu. Mit Blick auf das Desaster der Finanzmärkte sprach Rieger von «harten Zeiten», welche starke Gewerkschaften nötig machten. Die Unia werde sich dafür einsetzen, dass nicht die kleinen Leute einmal mehr die Zeche für das Versagen des «bankrotten Abzockerkapitalismus» zahlen müssten. Die Unia sei eine «Gewerkschaft der Tat», eine «Mitmach-Gewerkschaft», in der die Mitglieder darüber bestimmten, welchen Kurs die Organisation einschlage.

Auch die Tessiner Regierungsrätin Patrizia Pesenti, welche den ungefähr 750 anwesenden Delegierten, Gästen und Unia-Mitarbeitenden einen Willkommensgruss entboten hatte, sprach in ihrer stark applaudierten Rede vom Scheitern der neoliberalen Rezepte. Es sei höchste Zeit, dass die Politik wieder das Heft in die Hand nehme – zu lange habe man auf Kräfte des freien Marktes vertraut. Mit scharfen Worten kritisierte Pesenti auch die zunehmende soziale Ungleichheit in der Schweiz und rief dazu auf, mit einem Ja zur gewerkschaftlichen AHV-Initiative Gegensteuer zu geben. Die Unia ermunterte sie, ihre Kampfkraft und das System Gesamtarbeitsverträge weiter zu stärken: «In dieser historischen Phase haben wir starke Gewerkschaften nötiger denn je», bekräftigte Pesenti.

Die sichere AHV stärken

In der Tat beteiligten sich die Delegierten bereits am ersten Tag aktiv an der Debatte und brachten zahlreiche Änderungsanträge ein. Ihnen steht bis Samstag ein intensives Programm bevor, das unter anderem Abstimmungen über sieben Positionspapiere, 120 Anträge und die Wahl einer neuen Geschäftsleitung beinhaltet. Heute Nachmittag verabschiedeten die Delegierten zudem eine Resolution für die Annahme der AHV-Initiative am 30. November. Gemäss den Unia-Delegierten ist die Initiative gut finanzierbar und ein grosser Schritt in Richtung einer sozial gerechten und sicheren Altersvorsorge. Der flexible Altersrücktritt ab 62 mache angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten älterer Arbeitnehmer, einen Job zu finden, Sinn und solle für alle sozialen Schichten möglich gemacht werden. Das Debakel der Finanzmärkte macht nur allzu deutlich klar, dass jetzt die sichere 1. Säule gestärkt werden muss.

Städte-Initiative Stadt Zürich eingereicht

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"Foto umverkehR"

In Zürich wurde heute die erste Städte-Initiative mit 7309 Unterschriften eingereicht. «Diese hohe Zahl in Zürich ist ein unmissverständliches Zeichen der Stadtbevölkerung, welche genug von Lärm, Gestank und Staus hat», so Thomas Stahel, Geschäftsleiter von umverkehR. «Die Leute in den  Städten und Agglomerationen wollen sich heute mit dem ÖV, Fuss- und Veloverkehr fortbewegen. Die Stadtbehörden sollen sich dementsprechend für klimafreundliche Verkehrsmittel stark machen und einen Ausbau der Strassenkapazität mit allen Mitteln verhindern.»

«Die Städte ersticken immer mehr im Verkehr. Es wundert deshalb nicht, dass alle fünf Städte-Initiative auf grosses Interesse stossen», sagt Nadia Bischof, Kampagnenleiterin bei umverkehR, an der Lancierung. «Die Leute sind heute wieder vermehrt bereit auf ihr Auto zu verzichten. Damit aber diese Leute auch einen Sitzplatz im Tram finden, muss der ÖV ausgebaut werden und die Velowegnetze verbessert. Die Städte-Initiative, welche neben Zürich auch in Basel, Luzern, St. Gallen und Winterthur lanciert worden ist, will den Anteil des ÖV, Fuss- und Veloverkehrs erhöhen. Wie umverkehR mitteilt seien in dicht besiedelten Agglomerationen die Voraussetzungen dazu ideal.

Borregaard-Direktion lässt Verhandlungen scheitern

Der Konflikt um die Schliessung der Zellulosefabrik Borregaard/Atisholz in Luterbach SO verschärft sich. Die Direktion liess am Dienstag die erste Verhandlung mit Vertretern der Gewerkschaft Unia, des Papier- und Kartonarbeitnehmerverbandes (SPV), der Syna und der betrieblichen Arbeitnehmervertretung scheitern. Sie weigerte sich, auf die Forderung nach einer Verlängerung der Konsultationsfrist einzugehen, wie sie vergangene Woche an sehr gut besuchten Betriebsversammlungen von der Belegschaft nahezu einstimmig beschlossen wurde.

Die Borregaard-Direktion wies nicht nur die Verlängerung der Konsultationsfrist um eins bis zwei Monate kategorisch zurück. Sie weigerte sich zudem, den Gewerkschaften und der Arbeitnehmervertretung Daten zum Betrieb und zur Betriebsschliessung zu liefern. Bis heute erhielten die Gewerkschaften auch keine Auskünfte, wer von den 440 Beschäftigten in welcher Weise von der Betriebsliquidierung betroffen sein wird.

„Das unverantwortliche Verhalten der Direktion zeigt, dass Borregaard den Betrieb in Atisholz möglichst rasch dicht machen und sich Richtung Norwegen aus der sozialen Verantwortung stehlen will“, kritisiert der zuständige Unia-Branchenverantwortliche Corrado Pardini den Verhandlungsabbruch.

Angesichts der Gesprächsverweigerung seien die Gewerkschaften nun gezwungen, eine Gerichtsklage gegen Borregaard zu prüfen. Die Frage müsse geklärt werden, ab wann genau die gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsfrist von 30 Tagen zu laufen beginne: Bei Bekanntgabe des Schliessungsentscheides oder effektiv erst dann, wenn alle relevanten Fakten auf dem Tisch sind.

Zudem wollen die Gewerkschaften und SPV in den nächsten Tagen die Belegschaft eingehend informieren und zum Protest mobilisieren.

Unia kritisiert Verantwortliche der Finanzmarktkrise

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Die Gewerkschaft Unia hat heute Vormittag in Bern an einer Medienkonferenz die Bilanz ihrer ersten vier Jahre seit der Fusion 2004 gezogen und einen entsprechenden Tätigkeitsbericht vorgestellt. Mit klaren Worten kritisierte Unia-Co-Präsident Andreas Rieger die Verantwortlichen der Finanzmarktkrise und forderte eine 6-Punkte Sofortprogramm, um die Schweizer Realwirtschaft vor den Auswirkungen zu schützen.

«Die Unia ist gut gestartet und heute aus der Schweiz nicht mehr wegzudenken». Mit diesen Worten eröffnete Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti die Bilanzpressekonferenz. Die Fusion sei überraschend reibungslos verlaufen und die 200’000 Unia-Mitglieder hätten sich erstaunlich schnell mit der neuen Gewerkschaft identifiziert. Einige Arbeitgebervertreter hätten auf die erfolgreiche Fusion zuerst mit Abwehrreflexen reagiert, doch habe sich die anfängliche Aufregung auf Arbeitgeberseite mit der Zeit gelegt. Seither habe die Unia wichtige neue Gesamtarbeitsverträge – z.B. für Temporärbeschäftigte oder für das Reinigungspersonal – aushandeln können. In der grossen Mehrheit der Fälle habe die Unia am Verhandlungstisch und im Dialog mit den Arbeitgebern Verbesserungen für die Arbeitnehmenden erreicht, so Ambrosetti, «doch wo nötig, war die Unia auch bereit, Arbeitskämpfe zu unterstützen und zu führen.»

Sofortprogramm und nachhaltiger Umbau der Wirtschaft

Als «wichtiges Gegengewicht zu den entfesselten Märkten» bezeichnete Andreas Rieger, ebenfalls Co-Präsident der Unia, die Gewerkschaft. Mit klaren Worten kritisierte er die zerstörerischen Folgen der seit den 90er Jahren grassierenden Deregulierungsideologie, deren Scheitern mit der aktuellen Finanzmarktkrise unübersehbar geworden sei. Statt mit Steuermilliarden die faulen Papiere der Spekulanten aufzukaufen, müssten diese Mittel nun sinnvoll in die Realwirtschaft investiert werden, um diese vor den Auswirkungen der Krise zu schützen. Rieger stellte ein entsprechendes 6-Punkte Sofortprogramm vor, das Zinssenkungen durch die Nationalbank sowie die Kantonal- und Raiffeisenbanken, eine die Konjunktur stimulierende Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, ein Stopp der Preistreiberei der Elektrizitätsbarone, eine Besteuerung der Manager-Topsaläre (über 1 Million Franken) als Unternehmensgewinne und substanzielle Lohnerhöhungen im bevorstehenden Lohnherbst beinhaltet.

Falls die Schweizer Wirtschaft durch die Finanzkrise ernsthaft getroffen werde, müssten zudem bereits beschlossene Investitionsvorhaben der öffentlichen Hand, insbesondere im Bereich der Infrastruktur und des Transports, beschleunigt umgesetzt werden. «Werden diese Massnahmen nicht ergriffen», so Rieger, «dann macht sich die Politik an einem Abschwung mitschuldig». In jedem Fall aber müsse die Schweiz langfristig in einen ökologisch und sozial nachhaltigen Umbau der Wirtschaft investieren. Dazu gehörten namentlich ein energiepolitisches Sanierungsprogramm des Bundes (Bonus für Gebäudesanierung und Förderung von Spartechnologien) sowie ein Förderprogramm für erneuerbare Energien und entsprechende Technologien.

Erster Unia-Kongress am kommenden Wochenende

Im weiteren Verlauf der Pressekonferenz stellte Unia-Geschäftsleitungsmitglied Rita Schiavi die Unia als «Mitmach-Gewerkschaft» vor. Die Unia verstehe sich als soziale Bewegung: «Aktive Mitglieder und ein breites Bündnis mit anderen sozialen Bewegungen machen die Kraft und die Ausstrahlung der Unia aus.» André Daguet, ebenfalls Mitglied der Unia-Geschäftsleitung, bezeichnete seine Gewerkschaft als «aktive Kraft in der politischen Landschaft der Schweiz». Sie habe bei zahlreichen Referendums- und Abstimmungskampagnen zu sozialpolitischen Themen und gegen die Deregulierungsoffensive eine wichtige Rolle gespielt. «Die Gründung der Unia hat den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Deregulierung gestärkt.»

Unia-Geschäftsleitungsmitglied Fabienne Blanc-Kühn verwies schliesslich auf die besonders starke Verankerung der Unia in der lateinischen Schweiz, in der fast die Hälfte der Unia-Mitglieder wohnt. Sie lud die Medienvertreter zum bevorstehenden ersten Kongress der Unia in Lugano ein, an dem sich ab Donnerstag nebst mehreren hundert Gästen (darunter Bundespräsident Couchepin) 400 Delegierte treffen, um eine neue Leitung zu wählen und die gewerkschaftspolitischen Schwerpunkte für die kommenden vier Jahre festzulegen.

Schwarzes Schaf gegen SVP

Gestern fand in Bern das Fest zum 1. alljährlichen Anti-SVP-Tag statt. Veranstaltet wurde es vom «Bündnis Schwarzes Schaf».

«Mit einem kleinen Fest auf dem Bahnhofplatz wollen wir daran erinnern, wie es uns vor einem Jahr gemeinsam gelang, den als SVP-Wahlkampfhöhepunkt geplanten ‹Marsch auf Bern› zu verhindern», schreibt das Bündnis in der Medienmitteilung. Rund 200 Personen haben erneut ein starkes Zeichen gegen die menschenverachtende Politik der SVP gesetzt. Aus diesem Anlass wurde ein Konzert des Rappers Oli Second veranstaltet. «Ausserdem wurde ein antifaschistischer Jahrmarkt aufgestellt» schreiben die VeranstalterInnen, und «so konnte mensch zum Beispiel einem Papp-Nazi auf die Füsse treten oder politische Gefangene befreien.» Viele PassantInnen, besonders durch die SVP-Politik benachteiligte Menschen, reagierten äusserst positiv auf dieses Fest..

Auf dem Flugblatt, der am Anlass verteilt wurde ist unter anderem zu lesen: «Das erlösende Signal hat auch auf andere gewirkt: Blocher wurde abgewählt, die SVP ist mittlerweile nicht mehr im Bundesrat vertreten und viele eher ‹moderate› SVPlerInnen haben der Partei den Rücken gekehrt. Aber damit ist der Kampf noch lange nicht gewonnen. Die Politik der SVP ist populärer denn je. Denn der SVP ist es gelungen einen Rechtsrutsch zu verursachen, der weit über ihren Wählerstimmenzuwachs hinaus geht. Die SVP hat es geschafft, dass mehr oder weniger alle Parteien, sogar die sogenannten SozialdemokratInnen, auf ihren Kurs aufgesprungen sind – und das schon vor dem 6.Oktober 2007!»

Und das «schwarze Schaf» kündigt auch weiterhin den Kampf an: «Trotz Rot-Grün-Mitte Mehrheit: In Bern und in der restlichen Schweiz wurde und wird ‹beste› SVP-Politik betrieben! Nicht etwa die, die einen rassistischen und fremdenfeindlichen Wahlkampf führ(t)en, wurden und werden von schweizer Medien, Politik und Justiz verurteilt, sondern AntifaschistInnen, die sich der SVP in den Weg stell(t)en.In Bern und anderswo gibt es – mit Ausnahme von einigen kleinen Parteien – keine linken Kräfte mehr im Parlament! Aber es gibt sie auf der Strasse! Es ist die Diktatur des Kapitals! Wir werden nicht einfach aufhören und klein bei geben. Wir werden nicht leiser. Wir werden nicht weichen! Aber wir entlarven diese Diktatur! Und darum geht der Kampf weiter: Auf der Strasse, in den Quartieren, in den Fabriken, auf den Baustellen, in den Betrieben!

Referendum gegen biometrische Pässe eingereicht

Über die Einführung von biometrischen Pässen kommt es wahrscheinlich zu einer Volksabstimmung. Das überparteiliche Komitee von Gegnern hat gestern in Bern 55’000 Unterschriften für ein Referendum dagegen eingereicht.

Die Unterschriftenkartons wurden um 17.30 Uhr bei der Bundeskanzlei in Bern überreicht. Um 18 Uhr lief die Frist für die Einreichung ab.

Robert Devenoges, der Sprecher des „Überparteilichen Komitees gegen biometrische Schweizer Pässe und Identitätskarten“, hatte zuvor auf Anfrage keine genaue Zahl angeben können. „Wir wurden in den vergangenen Stunden so überrannt, dass wir die Unterschriften selber gar nicht mehr aufnehmen konnten.“

Die Übergabe der Unterschriften bedeutet zwar nicht, dass das Referendum unter Dach und Fach ist. Damit das Referendum zu Stande kommt, muss die Kanzlei die Unterschriften zuerst prüfen und das Erreichen von 50’000 gültigen Unterschriften bestätigen. Ein allfälliger Abstimmungstermin ist noch offen. Das erste mögliche Datum ist nach Angaben der Bundeskanzlei der 17. Mai 2009.

Unterstützung für Rettungsplan der Gewerkschaften

Die Angestellten der Zellulosefabrik Atisholz in Luterbach SO wollen die vom norwegischen Borregaard/Orkla-Konzern angekündigte Schliessung nicht kampflos hinnehmen. An einer sehr gut besuchten Betriebsversammlung beschlossen sie am Donnerstagvormittag nahezu einstimmig, zusammen mit den Gewerkschaften Unia und SPV gegen das rücksichtslose «Todesurteil» und für die Erhaltung der 440 Arbeits- und Ausbildungsplätze zu kämpfen.

Die Mitarbeitenden fordern den Rückzug des Schliessungsentscheids, die Verlängerung der Konsultationsfrist bis 31. Januar 2009 und die sofortige Aufnahme von Sozialplan-Verhandlungen. Die Unia präsentierte an der Versammlung bereits erste Projekte eines Rettungsplans für die Erhaltung der 440 Arbeits- und Ausbildungsplätze.

«Wir lassen uns nicht mit einer menschenverachtenden Politik der fertigen Tatsachen abspeisen», rief der Unia-Branchenverantwortliche Corrado Pardini die Belegschaft zum Widerstand auf. Pardinis Forderung: «Borregaard muss unverzüglich an den Verhandlungstisch sitzen und alle Unterlagen offenlegen, die für die Erarbeitung und Prüfung alternativer Lösungen erforderlich sind.» Dabei wird die Unia auch vom Schweizerischen Papier- und Kartonarbeitnehmerverband (SPV) unterstützt.

Pardini verwies an der Betriebsversammlung zudem auf zwei konkrete Alternativ-Projekte («Hefe Süd» und «Austria»), welche von Kadermitarbeitern der Borregaard entwickelt und vorangetrieben werden. Mit diesen Projekten könnten nahezu die Hälfte der bedrohten Arbeitsplätze gerettet werden. Diese Pläne verdienen eine echte Chance und dürfen nicht durch eine überstürzte Schliessung zunichte gemacht werden.

Die Borregaard-Belegschaft in Luterbach verlangt daher eine Verlängerung der Konsultationsfrist bis Ende Januar 2009. Zudem müssten die Borregard-Mitarbeitenden mit einer Durchhalteprämie im Betrieb gehalten werden. Gefordert werden Lohnzuschläge von 50 % ab Oktober, 100 % ab Dezember und 150 % ab Januar. Mit Blick auf die fälligen Sozialplanverhandlungen verlangt die Belegschaft zudem die Offenlegung der Zahlen der Wohlfahrtstiftung. «Die Gelder, mit denen uns die Direktion billig abspeisen will, gehören sowieso uns» heisst es in der Entschliessung der aufgebrachten Belegschaft.

EURO 08: Grundrechte-Bilanz liegt vor

Gemäss grundrechte.ch vorliegenden Angaben sind während der EURO 08 nicht – wie die Verantwortlichen in ersten Bilanzen behauptet haben – 550 sondern 1000 Personen festgenommen oder  verhaftet worden.

Diese und zahlreiche weitere Informationen sind in der Auswertung des Beobachtungs- und Rechercheprojekts, das grundrechte.ch anlässlich der Euro lanciert hatte enthalten. Die fundierte Bilanz der Einschränkung von Grundrechten während der EURO 08 erscheint als Beilage der WOZ-Ausgabe vom 2. Oktober.

Ein offensichtliches Fazit aus Grundrechte-Sicht ist, dass die Polizei und die Sicherheitsdienste gegenüber ausgelassenen ausländischen EURO-Fussballfans eine wesentlich grössere Toleranz zeigten als gegenüber „einheimischen“ BesucherInnen oder anlässlich von Kundgebungen und schweizerischen Club-Fussballspielen. Die zahlreichen, bei grundrechte.ch und anderen Basisgruppen eingegangenen Erlebnisberichte zeigen die Zwiespältigkeit polizeilicher Gastfreundschaft eindrücklich auf. In diesem Zusammenhang setzt grundrechte.ch ein grosses Fragezeichen hinter die von diversen Polizeien nun geltend gemachten Überstunden.

grundrechte.ch fordert nun die Verantwortlichen in der Politik auf, genau zu prüfen, in wie weit Teile dieser Überstunden nicht hausgemacht sind – zum Beispiel anlässlich der unverhältnismässigen Polizeiaktionen im Vorfeld der EURO 08, die von der Polizei selbst als Euro-Testaktionen bezeichnet wurden (Grosseinsätze und flächendeckende Festnahmen von unbeteiligten oder friedlich demonstrierenden Personen in Basel, Bern, Luzern etc.) oder durch unnötige Personenkontrollen abseits jeglicher Euro-Fanmeilen.

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