Aktivist@s aus der Redaktionsstube

Als mir die nette Papeterieangestellte ein aktuelles Buch andrehen wollte, zuckte ich nur stolz die Schultern und meinte mit einem lässigen Unterton: «Kann ich gratis haben. Bin Redakteur und da bekommt man die Bücher nachgeworfen, falls man dann auch darüber was schreibt.» Wo ich denn arbeiten würde, wollte die Verkäuferin etwas neidisch wissen. Die Antwort «beim vorwärts» schien ihr nicht wirklich etwas zu sagen. Zu meiner Beruhigung blieb ihr Gesicht auch dann noch stirnrunzlig, als ich hinzufügte: «Das ist der kleine Bruder der WOZ». Auch die WOZ sagte ihr nichts. Anders meine Grossmutter, die beim letztjährigen Weihnachtsessen wissen wollte, womit ihr Enkel derzeit sein Lebensunterhalt verdiene. «Ach, beim ‹vorwärts›, der Zeitung der Sozialisten, arbeitest du!», schnellte es erstaunt hervor, durchaus wohlwollend gemeint. Auch dieser Blocher schimpfte mal in einer Arena-Sendung laut über einen namentlich nicht genannten Redakteur des vorwärts. Und auch er tat so, wie wenn man den «vorwärts» jetzt zwingend kennen müsste. Offenbar gab es mal Zeiten, wo das so war.

Kein Produkt sondern politisches Instrument

Unsere Zeitung will weder Produkt noch eine «normale» Zeitung sein. Es fällt uns schwer, uns der Logik der freien Marktwirtschaft zu unterwerfen und am liebsten würden wir sowieso allen ein Graits-Abonnement machen. Geht natürlich nicht, schliesslich müssen auch wir von was leben, und immer den Kühlschrank der PdAZ zu plündern ist auch nicht nett. Würde jemand die einzelne Redaktionsmitglieder des «vorwärts» nun fragen, was für sie oder ihn die Zeitung darstellt, würde der Fragende in etwa so viele Antworten bekommen, wie es Redaktionsmitglieder gibt. Und das ist gut so. Wir verstehen uns als Plattform für eine emanzipatorisch-sozialistische Bewegungen und bieten den Gruppen ein Gefäss, die ansonsten im allgemeinen Medienbrei nicht zu Wort kommen. Die reichhaltigen Vergangenheit – die Geschichte des Vorwärts reicht bis ins 1886 zurück – verpflichtet und motiviert. Geblieben ist eins: eine Zeitung, die es immer noch gibt und immer noch lebt. Wo von einer parlamentarischen Linken bis zum dribbelnden Linksaussen jede Position Platz hat und hatte. Das Zeitungmachen ist jedoch nicht einfacher geworden. Es sind Zeiten, in denen linke Strukturen sich in einer tiefen Sinnkrise befinden und täglich ums Überleben kämpfen. Mit dieser Realität sind auch wir als ZeitungsmacherInnen konfrontiert. Heute sind wir VerkäuferInnen, LobbystInnen, Schreibende und oft kommt die eigene Zeitung zu kurz, weil jede und jeder von uns noch in weiteren Projekten eingebunden ist und schliesslich braucht es auch Themen, worüber wir überhaupt schreiben können. So ist das, und der «vorwärts» ist gestern wie heute ein Instrument im politischen Kampf. Kritisch beziehen wir Position, wissen was journalistische «Seriösität» à la NZZ und Tagesanzeiger ist und kacken drauf. «Sex and crime» heisst die Losung des bürgerlichen Medienbreis. Für jeden Fritzel mit Kellerabteil knallen die Champagnerkorken auf den Redaktionsbüros. Wir kotzen und spielen nicht mit.

Die Nichtigkeit der «neuen Medien»

Wer nun denkt, dass linke Publikationen wie der «vorwärts» auf Grund der «neuen Medien» in ihrer Existenz bedroht sind und verstärkt unter Druck kommen, der irrt. Zwar wird das Internet als neue basisdemokratische und zensurfreie Errungenschaft angepriesen und in den Himmel gelobt, trotzdem wird derjenige, der sich auf die Suche nach dem elektronisch-widerständischen Nirvana begibt, enttäuscht. Zumindest was die Schweiz betrifft. Mal abgesehen von «indymedia.ch», das eher ein Ärgernis als eine informative Plattform ist, fällt in erster Linie das Vakuum auf, dass konsterniert. Die neuen Technologien bleiben unerschlossen, geschweige denn, dass durch die neue Medien wichtige gesellschaftliche Impulse erfolgen würden. Im Gegenteil, nun findet definitiv jeder Tropf irgendwo eine Homepage mit seiner persönlichen Verschwörungstheorie. Hauptsache ein imaginärer und übermächtig erscheinender «Feind», der die Welt kontrolliert und der das eigene Nichtstun und Ohnmacht rechtfertigt.

Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit

Als Redaktion ist uns die Basisnähe wichtig und wir verstehen das Schreiben als Teil unseres politischen Engagements. Der Logik des Profits verweigern wir uns und stellen diesem Denken unsere Vision einer antikapitalistischen und menschlichen Gesellschaft entgegen. Es wäre ja nett, wenn wir nach der simplen Marktlogik:«Je höher die Qualität der Zeitung, desto mehr AbonnentInnen» funktionieren könnten. Doch auf einen grünen Zweig kommen wir so nicht. Es gilt unsere Schwächen zu analysieren und diese sich einzugestehen. Wir sind ein Spiegelbild einer Bewegung, unser «Erfolg» ist eng verknüpft mit der Lebendig- und Widerstandsfähigkeit der Menschen, die gegen die menschliche Kälte in dieser Gesellschaf aufbegehren. Und wir verstehen uns als Teil dieser Bewegung und wollen nicht vom hohen Ross herunter über andere urteilen. Wir stehen – trotz allen Widersprüche – Seite an Seite, und wir scheitern und gewinnen gemeinsam.   Und wir sind der eigenen Geschichte verpflichtet, die eng mit der Zeitung verknüpft ist. Von Generationen zu Generation war der «vorwärts» ein Sprachrohr für eine utopische Perspektive und gerechtere Welt. Wir bleiben dran, versprochen!

Sozialabbau ist Diebstahl!

«Stopp Sozialabbau» heisst die aktuelle Kampagne der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS). Sie soll die Zusammenhänge, Mechanismen und Hintergründe aufzeigen, die von den Bürgerlichen benutzt werden, um den Sozialabbau voranzutreiben. Die Promille-Abgabe zeigt, dass es alternative Finanzierungsmodelle zur bürgerlichen Sparpolitik gibt.

Pünktlich auf den Tag der Arbeit 2010 fordert die PdAS die Promille-Abgabe auf das Eigenkapital von allen Betrieben mit mehr als einer Milliarde (1000 Millionen) Franken Vermögen. Einbezahlt werden soll in einen Sozial-Fonds, der für die Mitfinanzierung der Sozialversicherungen vorgesehen ist. Rund 650 Millionen Franken können so jährlich eingenommen werden. Eine hübsche Summe, die beispielsweise dazu dienen könnte, auf die vorgesehenen Kürzungen bei der Arbeitslosenversicherung zu verzichten. Auch zeigt die Forderung der PdAS einmal mehr, dass in der Schweiz viel Reichtum vorhanden ist. Wie dieser verteilt wird, ist eine Frage des politischen Willens.

Sozialabbau ist Diebstahl

Die Spielregel im Kapitalismus ist bekannt und sie ist so einfach wie im Kasino: Es braucht Verlierer, damit es Gewinner gibt. So benützen die Bürgerlichen die Krise, um auf der einen Seite den Sozialabbau massiv voranzutreiben, und auf der anderen Seite den Unternehmen, deren Managern und deren Aktionären fette Gewinne zu ermöglichen. Zum besseren Verständnis einige aktuelle Beispiele aus dem Staate der Eidgenossen: Mit der Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetztes (AVIG) sollen rund 600 Millionen Franken auf dem Buckel der erwerbslosen Menschen gespart werden. Jene Menschen, die von der Krise am härtesten betroffen sind, sollen zur Kasse gebeten werden. Zum Vergleich die Schlagzeile  auf «moneycap.com» vom Dienstag, 20. April: «Die Novartis AG hat im 1. Quartal 2010 den Nettoumsatz bei konstanten Wechselkursen um 18 Prozent gesteigert. In US-Dollar resultierte ein Anstieg um 25 Prozent auf 12 131 (Vorjahr 9 709) Millionen. Das operative Ergebnis nahm um 42 Prozent auf 3 511 (2 347) Millionen und der Reingewinn um 41 Prozent auf 2 948 (1 975) Millionen US-Dollar zu, wie der Konzern mitteilte.» Dies zur sicheren Freude ihrer Aktionäre.

Bei der Invalidenversicherung (IV) wird bald die sechste Revision vom National- und Ständerat in Angriff genommen. Die Vorschläge des Bundesrats verheissen nichts Gutes. So soll der Druck auf die betroffenen Menschen erhöht werden, um sie möglichst rasch wieder in den Arbeitsprozess zu zwingen. Wie die nötigen Stellen geschaffen werden sollen, wird nicht verratend. Durch die «Wiedereingliederungsmassnahme» sollen rund 210 Millionen Franken eingespart werden. Total sind bei der IV-Revision Einsparungen von über 400 Millionen Franken geplant. Kein Problem für die Manager und Aktionäre der Galenica, die im Gesundheitswesen tätig ist. «Galenica hat im Geschäftsjahr 2009 – wie angekündigt – ein zweistelliges Gewinnwachstum erzielt.» Dies zum vierzehnten Mal in Folge. Und: «Im laufenden Jahr soll der Gewinn gar um 20 Prozent gesteigert werden. Der konsolidierte Reingewinn von Galenica stieg 2009 um 11,2 Prozent auf 210,4 Millionen Franken», ist am 16. März wiederum auf moneycap.com zu lesen.

Die 12. Revision der AHV ist bereits Gegenstand von Gesprächen. Hier soll unter anderem das Rentenalter für die Frauen auf 65 Jahren erhöht werden. Verschiedene bürgerliche Exponenten machen keinen Hehl daraus, dass die Männer künftig bis 67 Jahre schuften sollen. Der Teuerungsausgleich soll bei der AHV-Rente fallen und nur bezahlt werden, falls es die AHV-Finanzen erlauben. Der Credit Suisse kann dies alles egal sein. Die Bank hat sich im vergangenen Jahr an die Spitze der Schweizer Top-100-Unternehmen katapultiert. «Mehr als 14,6 Milliarden Franken an Firmenwert für die Aktionäre hat CEO Brady Dougan geschaffen», ist über die CS in der Bilanz vom 3. März 2010 zu lesen.

Wenig Reiche dafür viele Arme

Auch der Blick in die jüngste Vergangenheit beweist, dass der Sozialabbau mit System durchgeführt wird und es das politische Programm der bürgerlichen Parteien ist. In wirtschaftlich guten Zeiten behauptet die Bourgeoisie, dass Sozialleistungen überflüssig sind und das Wachstum der Wirtschaft verhindern. In Krisenzeiten wird dann gesagt, dass die Sozialversicherungen wie die AHV, IV und ALV hoch verschuldet sind und daher saniert werden müssen. Dabei ist das «Rezept» von SVP und Co. immer das gleiche und heisst Abbau der Leistungen, Zerschlagung des Sozialstaates. Dieses Vorhaben hat sich mit der Krise deutlich verschärft. Zuerst wurde eine Reihe von Privatisierungen im Service public durchgeführt. Dann wurden Steuererleichterungen für die Reichen durchgesetzt mit der Ausrede, dass dies der Wirtschaft und somit uns allen dienen würde. Gleichzeitig wurde die Lohnentwicklung praktisch blockiert. Dies mit der Begründung, dass es die einzige Möglichkeit sei, um im internationalen Konkurrenzkampf bestehen zu können. Weiter wurden die Aufgaben des Staates neu definiert, sprich reduziert, was zu massiven Verschlechterungen der Leistungen führte. Das Resultat dieser Abbaupolitik ist, dass wenige Reiche noch reicher und viele dafür noch ärmer werden. Die Kluft zwischen jenen, die ein Herrenleben führen und jenen, die nur mit Mühe bis ans Monatsende kommen, wird immer grösser.

Ein erster Schritt

Was bringt die Promille-Abgabe? Sicher einiges an Diskussionsstoff, und das ist gut so. Die Bosse werden behaupten, dass durch die Abgabe Arbeitsplätze verloren gehen. Ihnen sagen wir, dass der durchschnittliche Lohn in der Schweiz 5 800 Franken pro Monat beträgt. Ein Promille davon sind 5.80 Franken, ein Kaffee und Gipfeli. Im Vergleich verlangt die PdAS von den Grossunternehmen ein Kaffe und Gipfeli pro Jahr. Das ist nicht viel. Andere werden daher sagen, ein Promille sei zu wenig. Sie haben recht! Ihnen sagen wir aber: Unterschreibt die Online-Petition für die Promille-Abgabe trotzdem. Es ist ein erster Schritt, und auch der längste Weg beginnt… eben mit dem ersten Schritt!

UNTERSCHREIBEN UNTER: STOPP-SOZIALABBAU.PDA.CH

Lateinamerika: Frühlingswinde oder Herbststürme?

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist in Lateinamerika geprägt von einem grossen Aufbruch, doch wo ist die internationale Solidarität geblieben?

200 Jahre nach der Erringung der Unabhängigkeit von der spanischen Kolonialmacht sind die damals entstandenen Republiken, die bis vor kurzem durch kleine Eliten und Profiteure beherrscht worden waren, in eine grundsätzliche Krise gefallen. Längst haben es die Menschen satt, zusehen zu müssen, wie die nationalen Reichtümer ausgeplündert werden, ohne dass sich im Land eine nennenswerte soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung abzeichnet. Die Verantwortung und das Versagen der alten Regimes und des kapitalistischen Systems sind enorm. Der Ruf nach einem anderen Kurs, nach einem anderen Umgang miteinander und mit der Umwelt wird nicht nur an Weltforen laut, sondern beginnt sich ansatzweise durchzusetzen.

Der erste Bruch mit dem Alten gelang – einmal abgesehen von Cuba – vor elf Jahren in Venezuela. Ihm folgte vor sieben Jahren Brasilien, dann Bolivien und Ecuador. Selbst in Paraguay gelangte nach sechzig Jahren Diktatur erstmals ein vom Volk unterstützter ehemaliger Bischof an die Regierung, auch in Uruguay und El Salvador mussten die alteingesessenen Eliten Wahlniederlagen einstecken. Jede dieser Entwicklungen hat eigenständigen Charakter, lässt sich nicht vergleichen und ist alles andere als langfristig gesichert. Wir tun jedoch gut daran, genau hinzusehen, nicht allen Verdrehungen der Massenmedien Glauben zu schenken und uns insbesondere nicht abzuwenden.

Denn was sich da im Einzelnen abspielt, hat viel mit unserem eigenen Selbstverständnis zu tun. Im Kern geht es um vermehrten sozialen Ausgleich statt indiskriminierte Ausbeutung, um vermehrten Respekt vor der Natur statt rücksichtslose Ausplünderung. Kurz: Um eine Neugründung des Staates statt Abbau des Staates, des Service public, der Verantwortung für Mensch und Umwelt. Um eine Kultur des Lebens statt einer Kultur des Todes. Besonders spannend sind diese Bestrebungen in jenen Ländern, die auf Jahrtausende alte, aber immer noch lebendige kulturelle Wurzeln zurückgreifen können, die nicht auf dem christlich-abendländischen Modell gründen, wie zum Beispiel in Bolivien.

Neue Akteure in einer neuen Welt

Allerdings: Die globalen Hintergründe, vor denen sich diese neuen Szenarien abspielen sind bei weitem nicht mehr die Selben wie bei den früheren Emanzipationsbestrebungen der 50er bis 80er Jahre. Auf die Welt-Konfrontation zweier unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen in der Nachkriegszeit folgte dann kurzfristig die Alleindominanz des von den USA aufoktroyierten neoliberalen «Modells».

Angesichts der desaströsen Folgen für die überwiegende Mehrheit der gegen 600 Millionen Bewohner Lateinamerikas und der Karibikstaaten sind nicht nur national neue Bewegungen auf den Plan getreten, auch international sind neue Akteure am Werk, welche die Monroe-Doktrin der USA («Amerika den Amerikanern») ignorieren: So die EU, auch Iran, anonyme Investments-Fonds, allen voran jedoch China. Das Rennen um Rohstoffe, Pharmaka, Kredite, Territorien ist neu lanciert…

Daher sind jene Bestrebungen von besonderer Bedeutung, welche die US-Dominanz ablösen wollen durch eine lateinamerikanische Integration. Ansätze dazu gibt es mehrere, ausgehend von der Abhalfterung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist UNASUR am entstehen, daneben ist die Gruppe von Rio aktiv geworden, auf wirtschaftlicher Ebene gibt es bereits den Mercosur, und am weitesten geht die kubanisch-venezolanische Initiative ALBA, mit der nicht nur das bereits weit ausgebreitete Fangnetz von Freihandelsabkommen mit den USA hat ausgebremst werden können, sondern weit umfassender auch eine mediale Komponente (Telesur), eine Entwicklungskomponente (Banco del Sur), ja sogar eine völkerverbindende sportlich-kulturelle Achse beinhaltet.

Selbstverständlich geben sich die Vereinigten Staaten, die multinationalen Konzerne und die mit ihnen verbandelten nationalen Oligarchien alles andere als geschlagen. Nebst den altbekannten Mitteln der Gewalt (Destabilisierung, Repression, Todesschwadronen, militärische Intervention) gibt es bereits eine Grosszahl von weniger offensichtlichen, subtileren und dennoch effizienten Formen zur Aufrechterhaltung von Einfluss und Macht. Eine neue Variante ist der parlamentarische Putsch «zum Schutz der (eigenen, alten) Verfassung» à la Honduras. Alles begleitet von ideologischen Ablenkungsmanövern und grossen Medienkampagnen.

Internationale Solidarität?

Wir sollten uns darob nicht verwirren lassen. Hatten die Ereignisse in Chile (70er Jahre), Nicaragua (80er Jahre) und zuletzt noch in Chiapas (90er Jahre) eine breite Welle der Solidarität in Europa ausgelöst, sind es heute nur noch einzelne, relativ kleine und länderbezogene Gruppen, welche eine direkte Solidaritätsarbeit leisten. In der Deutschschweiz hat mit dem Zentralamerika-Sekretariat immerhin eine wichtige, übergeordnete Einrichtung überlebt, inklusive der zweimonatlichen «Correos».

Ein unschönes Zeichen der Zeit bleibt es jedoch, dass sich hier in Europa weder zu Venezuela noch zu Bolivien oder zur  Unterstützung der kontinentalen Integrationsinitiative ALBA keinerlei nennenswerte gemeinschaftliche Bewegung gebildet hat. Immerhin gibt es hierzu nun erste Ansätze zu einer Vernetzung. In Bern hat am 10. April ein Treffen verschiedener Solidaritätsgruppen mit diesem Ziel stattgefunden, und für den 8. Mai ist ein weiteres, ähnliches Treffen vorgesehen.

Zu Lateinamerika und Bolivien findet am Dienstag, 11. Mai, eine Informations- und Diskussionsveranstaltung der PdAZ mit René Lechleiter statt. Volkshaus Zürich, 19.30 Uhr.

Aufruf der PdA zum 1. Mai 2010

«Stopp Sozialabbau» heisst die aktuelle Kampagne der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS), denn Sozialabbau ist Diebstahl! Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Wie der vorhandene Reichtum verteilt wird, ist eine Frage des politischen Willens. Daher lanciert die PdAS am internationalen Tag der Arbeit 2010 die Forderung nach der Promille-Abgabe zur Mitfinanzierung der Sozialversicherungen.

Hier die Forderungen der PdAS:

a) Alle Grossbetriebe, die ein Eigenkapital von mehr als 1 Milliarde (1000 Mio.) Franken aufweisen, zahlen ein Promille vom Eigenkapital in einen Sozialfonds ein.

b) Den Verzicht auf sämtliche Abbaumassnahmen bei den Sozialversicherungen.

Beispiel der Promille-Abgabe

Unternehmen                                             Eigenkapital                              Promille-Abgabe

Crédit Agricole (Suisse) SA                            70950 Mio.                           70,9 Mio.

Novartis                                                        55440 Mio.                           55,4 Mio.

Nestlé                                                           50744 Mio.                           50,7 Mio.

Mit der Promille-Abgabe fliessen jährlich rund 700 Millionen in den Sozialfonds. Dieser dient der Mitfinanzierung der Sozialversicherungen, damit auf weitere Abbaumassnahmen verzichtet werden kann.

Der Sozialabbau ist ein Diebstahl mit System. Es ist das politische Programm der bürgerlichen Parteien, welche die Krise benutzen, um die Leistungen der Sozialversicherungen massiv abzubauen:

– 600 Millionen Franken sollen auf dem Buckel der Arbeitslosen gespart werden. So will es die neue AVIG-Revision der Bürgerlichen. Warum sollen die Menschen bezahlen, welche von der Krise am härtesten betroffen sind und eh in einer äusserst prekären Lebenslage sind?

– Bei der AHV und der IV ist eine weitere Revision bereits im Gange. Die IVRente von Zehntausenden von BezügerInnen soll gestrichen oder zumindest teilweise gekürzt werden. Bei der AHV soll unter anderem das Frauenrentenalter erhöht werden. Doch eine Rente, die ein würdiges Leben im Alter ermöglicht, ist ein Recht, das von der Schweizer Verfassung garantiert wird. Warum dann der Abbau bei der AHV und IV?

Stoppen wir diesen Diebstahl! Alle heraus zum 1. Mai und unterschreibt die Online-Petition für die Promille-Abgabe unter: stopp-sozialabbau.pda.ch

Es lebe der 1.Mai!!

Partei der Arbeit der Schweiz

Senegal: Unabhängigkeitsfeier mit Protesten

Die 50?Jahrfeier der Unabhängigkeit des westafrikanischen Staates Senegal, die von Staatschef Abdoulaye Wade am 3. und 4. April mit grosser Parade, Staatsgästen aus aller Welt und Feuerwerk inszeniert worden war, wurde nicht zu der erwünschten Manifestation der Einheit des Volkes unter seiner Führung. Ein Bündnis der Oppositionsparteien nutzte die Gelegenheit, um am Tag der feierlichen Einweihung des «Denkmals der afrikanischen Wiedergeburt» einen zweistündigen Protestmarsch durch die Hauptstadt Dakar zu veranstalten.

Grosse Armut

Vordergründig hatte sich der damit geäusserte Missmut an der Gestaltung dieses Denkmals entzündet, das der 83-jährige Staatschef weithin sichtbar auf einem kleinen Hügel an der Atlantikküste in achtjähriger Bauzeit errichten liess, ohne Kosten zu scheuen. Es musste unbedingt «das größte Denkmal der Wel» werden, mit 53 Metern Höhe die Freiheitsstatue von New York um fünf Meter übertreffend. Die riesige Skulptur zeigt einen muskulösen afrikanischen Mann, energisch in Richtung Atlantik gegen Westen blickend, mit einem Kind auf dem nach vorn gestreckten linken Oberarm, während sein rechter Arm eine hinter ihm angeordnete junge Frau umfasst. Das Ganze aus Bronze, mehr als 200 000 Tonnen schwer, im Stil an sowjetische Monumentalskulpturen der Stalin-Zeit erinnernd. Im Inneren ein Panorama-Restaurant mit Aufzug und weiteren Restaurants, Geschäfte, Kinos, Theater und Ausstellungssäle im Umfeld. Das Monument sollte laut Staatschef ein Denkmal «für ganz Afrika» sein, das die Kraft des afrikanischen Menschen symbolisiert. Ein Sinnbild für Afrika am Beginn des 21. Jahrhunderts, «das nach fünf Jahrhunderten Sklaverei und zwei Jahrhunderten Kolonialismus aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht tritt» und «aufrechter denn je entschlossen ist, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen». Für Afrika sei «nichts zu gross», versuchte Wade der Kritik an der «Gigantomanie» seines Werkes zu begegnen.

Aber Wades afrika-patriotische Töne verfingen bei einem Teil der Bevölkerung nicht mehr. Stein des Anstosses waren vor allem die enormen Kosten, die auf 15 bis 20 Millionen Euro beziffert werden. Und das in einem Land, in dem immer noch 60 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 50 Euro im Monat auskommen müssen und 65 Prozent Analphabeten sind, weil es nicht genug Schulen gibt. Noch mehr Empörung entstand, als bekannt wurde, dass der Staatschef 35 Prozent der Einnahmen von den künftigen Besuchern der verschiedenen Etablissements der Anlage als Entgelt für seine «Autorenrechte» beansprucht, weil er das «Konzept» für das Denkmal entwickelt habe. Allerdings liess er inzwischen mitteilen, dass er dieses Geld für den Bau von Schulen «spenden» wolle.

Musterland?

Doch der Unmut, der sich in der Denkmals-Kritik entlud, sitzt tiefer. Die Opposition bezeichnete das Monument als typischen Ausdruck des autoritären und von den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen abgehobenen Regierungskurses des Staatschefs. Vor zehn Jahren war Wade im Präsidentenwahlkampf 2000 als der grosse Hoffnungsträger und «Reformer» nach „40 Jahren Sozialisten-Herrschaft“ präsentiert worden. Mit «Sozialisten-Herrschaft» war die Regierungszeit der sozialdemokratischen Staatschefs Senghor und Diouf gemeint, die nach der Unabhängigkeit des Landes an die Macht gekommen waren, aber die Hoffnungen auf eine baldige Überwindung der kolonialen Abhängigkeit und bessere Lebensverhältnisse für die Masse der Bevölkerung nicht erfüllten. Dabei war Senegal in der Weltpresse jahrelang als afrikanisches «Musterland für Demokratie und sozialen Frieden» dargestellt worden. Mit Wade kam nun ein «Liberaler», der versprach, durch «mehr Marktwirtschaft» für einen raschen Aufschwung zu sorgen. Heraus kam aber lediglich, dass sich die kleine Schicht der einheimischen neureichen Geschäftsleute etwas vergrösserte, während die industrielle Entwicklung überwiegend in den Händen ausländischer, besonders französischer «Investoren» blieb und von deren Profitinteressen bestimmt wurde. Dieses neokoloniale und am Neoliberalismus orientierte «Entwicklungsmodell» verband sich mit einer florierenden Vetternwirtschaft des Präsidenten-Clans und einer den ganzen Staatsapparat durchdringenden Korruption. Für die Masse der Bevölkerung blieb es beim Leben in Armut. Vor allem junge Senegalesen versuchten in den letzten Jahren immer mehr, der Misere zu entkommen, indem sie unter Lebensgefahr in mickrigen Booten über das Meer oder durch die Wüste Sahara den Weg nach Norden zur illegalen Einwanderung in Europa suchten und dies oft mit dem Leben bezahlten. Im Land selbst hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in der letzten Zeit immer weiter verschlechtert.

Die Lohnschere öffnet sich weiter

Der vom Finanzsektor ausgelöste wirtschaftliche Einbruch ist noch keineswegs überwunden – aber schon öffnet sich die Lohnschere zwischen den Top-Gehältern und den Mindestlöhnen in den grössten Schweizer Unternehmen beziehungsweise Branchen erneut.

Dies zeigt eine alljährlich bei den 42 wichtigsten Schweizer Unternehmen durchgeführte Unia-Studie. Hauptverantwortlich für diese bedenkliche Entwicklung sind ausgerechnet die Banken und Versicherungen – allen voran die UBS, welche die Entlöhnung der Topkader gegenüber dem Vorjahr mehr als versechsfachte.

Klammert man die auch 2009 weiterhin krisengeschüttelte Schweizer MEM-Industrie und die Temporärbranche aus, ist die Lohnschere – das Verhältnis der durchschnittlichen Toplöhne zu den Minimallöhnen im jeweiligen Unternehmen – 2009 im Vergleich zum Vorjahr bereits wieder deutlich gestiegen. Sie betrug 2009 in den untersuchten Unternehmen 1:56 gegenüber 1:49 im Jahr 2008. Mit anderen Worten: Ein Topmanager verdient durchschnittlich in einer Woche mehr als die Angestellten mit den niedrigsten Löhnen im ganzen Jahr.

Die Spitzengehälter korrelieren dabei keineswegs mit hohen Firmengewinnen. Clariant, Roche, OC Oerlikon, Nestle, Sika und Holcim sind Beispiele für Firmen bei denen die Managerlöhne trotz massiven Gewinneinbrüchen gestiegen sind. Besonders krass ist das Missverhältnis von Leistung und Entlöhnung bei der UBS: Obwohl die Bank weiterhin Milliardenverluste schreibt, ist die Entlöhnung der Topkader von rund 800’000 Franken (2008) auf durchschnittlich 5,285 Millionen Franken (2009) explodiert. Und trotz «Subprime»-Krise und Fehlleistungen im Management nehmen die Bankmanager in der Gehaltsrangliste immer noch die Spitzenplätze ein – allen voran bei der CS, bei der ein Konzernleitungsmitglied im Durchschnitt über 11,4 Millionen verdient. Lohnscheren von über 1:100 sind in dieser Branche der Normalfall.

Umverteilung von unten nach oben stoppen

Nach dem krisenbedingten Einschnitt 2008 zeigt sich: Der Trend zur Lohnungleichheit ist ungebrochen. Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter. Sie führt zu immer mehr Ungleichheit und zu grossen Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft. Die Unia fordert eine Trendwende für mehr soziale Gerechtigkeit. Darum unterstützt die grösste Gewerkschaft der Schweiz die 1:12 Initiative der Jusos und lanciert selber in den kommenden Monaten eine Mindestlohninitiative, welche Lohndumping verhindern und das Niveau der Tieflöhne in allen Branchen heben soll.