Generalstreik in Rumänien

Schon am 19. Mai hatten rund 60.000 Personen vor dem Regierungssitz in Bukarest gegen das jüngste Paket von Austeritätsmassnahmen protestiert, welches Einschnitte von 25 Prozent bei den Löhnen und 15 Prozent bei den Pensionen und anderen Sozialleistungen vorsieht, so auch im Falle der Arbeitslosigkeit. Die Massnahmen sollen schon nächsten Monat in Kraft treten. Obwohl das Volk schon zu den ärmsten Europas gehört, und obwohl der Durchschnittslohn nur bei 300 Euro liegt, die Mindestrenten bei 85 Euro, will die Regierung noch einmal 1,7 Milliarden Euro aus der rumänischen Bevölkerung herauspressen. Das ist die Bedingung des IWF, um dem Land die nächste Tranche von einem 2009 vereinbarten Rahmenkredit von 20 Milliarden zu überlassen.

Seit Wochen verstärken sich die Proteste. Die Manifestation der Gewerkschaften vom 19., zu welcher die fünf Gewerkschaftszentralen des Landes aufgerufen hatten, war eine der grössten seit zwei Jahrzehnten.

Antikommunistische Gesetze

Im Zeitpunkt, in dem sich die Folgen der Wiederaufrichtung des Kapitalismus in grossen Teilen der rumänischen Bevölkerung schmerzlich niederschlagen, hat das rumänische Parlament ein antidemokratisches Gesetz verabschiedet, welches Polizei, Justiz und Heer von Mitgliedern der Kommunistischen Partei säubern will, deren Mitgliedschaft vor Dezember 1989 zurückreicht. Dieses sogenannte “Lustrationsgesetz” ist Bestandteil einer neuen antikommunistischen Offensive, welche der wachsenden Desillusionierung der verarmenden Bevölkerung über den Kapitalismus begegnen will.

Senegal: Unabhängigkeitsfeier mit Protesten

Die 50?Jahrfeier der Unabhängigkeit des westafrikanischen Staates Senegal, die von Staatschef Abdoulaye Wade am 3. und 4. April mit grosser Parade, Staatsgästen aus aller Welt und Feuerwerk inszeniert worden war, wurde nicht zu der erwünschten Manifestation der Einheit des Volkes unter seiner Führung. Ein Bündnis der Oppositionsparteien nutzte die Gelegenheit, um am Tag der feierlichen Einweihung des «Denkmals der afrikanischen Wiedergeburt» einen zweistündigen Protestmarsch durch die Hauptstadt Dakar zu veranstalten.

Grosse Armut

Vordergründig hatte sich der damit geäusserte Missmut an der Gestaltung dieses Denkmals entzündet, das der 83-jährige Staatschef weithin sichtbar auf einem kleinen Hügel an der Atlantikküste in achtjähriger Bauzeit errichten liess, ohne Kosten zu scheuen. Es musste unbedingt «das größte Denkmal der Wel» werden, mit 53 Metern Höhe die Freiheitsstatue von New York um fünf Meter übertreffend. Die riesige Skulptur zeigt einen muskulösen afrikanischen Mann, energisch in Richtung Atlantik gegen Westen blickend, mit einem Kind auf dem nach vorn gestreckten linken Oberarm, während sein rechter Arm eine hinter ihm angeordnete junge Frau umfasst. Das Ganze aus Bronze, mehr als 200 000 Tonnen schwer, im Stil an sowjetische Monumentalskulpturen der Stalin-Zeit erinnernd. Im Inneren ein Panorama-Restaurant mit Aufzug und weiteren Restaurants, Geschäfte, Kinos, Theater und Ausstellungssäle im Umfeld. Das Monument sollte laut Staatschef ein Denkmal «für ganz Afrika» sein, das die Kraft des afrikanischen Menschen symbolisiert. Ein Sinnbild für Afrika am Beginn des 21. Jahrhunderts, «das nach fünf Jahrhunderten Sklaverei und zwei Jahrhunderten Kolonialismus aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht tritt» und «aufrechter denn je entschlossen ist, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen». Für Afrika sei «nichts zu gross», versuchte Wade der Kritik an der «Gigantomanie» seines Werkes zu begegnen.

Aber Wades afrika-patriotische Töne verfingen bei einem Teil der Bevölkerung nicht mehr. Stein des Anstosses waren vor allem die enormen Kosten, die auf 15 bis 20 Millionen Euro beziffert werden. Und das in einem Land, in dem immer noch 60 Prozent der Bevölkerung mit weniger als 50 Euro im Monat auskommen müssen und 65 Prozent Analphabeten sind, weil es nicht genug Schulen gibt. Noch mehr Empörung entstand, als bekannt wurde, dass der Staatschef 35 Prozent der Einnahmen von den künftigen Besuchern der verschiedenen Etablissements der Anlage als Entgelt für seine «Autorenrechte» beansprucht, weil er das «Konzept» für das Denkmal entwickelt habe. Allerdings liess er inzwischen mitteilen, dass er dieses Geld für den Bau von Schulen «spenden» wolle.

Musterland?

Doch der Unmut, der sich in der Denkmals-Kritik entlud, sitzt tiefer. Die Opposition bezeichnete das Monument als typischen Ausdruck des autoritären und von den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen abgehobenen Regierungskurses des Staatschefs. Vor zehn Jahren war Wade im Präsidentenwahlkampf 2000 als der grosse Hoffnungsträger und «Reformer» nach „40 Jahren Sozialisten-Herrschaft“ präsentiert worden. Mit «Sozialisten-Herrschaft» war die Regierungszeit der sozialdemokratischen Staatschefs Senghor und Diouf gemeint, die nach der Unabhängigkeit des Landes an die Macht gekommen waren, aber die Hoffnungen auf eine baldige Überwindung der kolonialen Abhängigkeit und bessere Lebensverhältnisse für die Masse der Bevölkerung nicht erfüllten. Dabei war Senegal in der Weltpresse jahrelang als afrikanisches «Musterland für Demokratie und sozialen Frieden» dargestellt worden. Mit Wade kam nun ein «Liberaler», der versprach, durch «mehr Marktwirtschaft» für einen raschen Aufschwung zu sorgen. Heraus kam aber lediglich, dass sich die kleine Schicht der einheimischen neureichen Geschäftsleute etwas vergrösserte, während die industrielle Entwicklung überwiegend in den Händen ausländischer, besonders französischer «Investoren» blieb und von deren Profitinteressen bestimmt wurde. Dieses neokoloniale und am Neoliberalismus orientierte «Entwicklungsmodell» verband sich mit einer florierenden Vetternwirtschaft des Präsidenten-Clans und einer den ganzen Staatsapparat durchdringenden Korruption. Für die Masse der Bevölkerung blieb es beim Leben in Armut. Vor allem junge Senegalesen versuchten in den letzten Jahren immer mehr, der Misere zu entkommen, indem sie unter Lebensgefahr in mickrigen Booten über das Meer oder durch die Wüste Sahara den Weg nach Norden zur illegalen Einwanderung in Europa suchten und dies oft mit dem Leben bezahlten. Im Land selbst hat sich die wirtschaftliche und soziale Situation in der letzten Zeit immer weiter verschlechtert.