Aktivist@s aus der Redaktionsstube

Als mir die nette Papeterieangestellte ein aktuelles Buch andrehen wollte, zuckte ich nur stolz die Schultern und meinte mit einem lässigen Unterton: «Kann ich gratis haben. Bin Redakteur und da bekommt man die Bücher nachgeworfen, falls man dann auch darüber was schreibt.» Wo ich denn arbeiten würde, wollte die Verkäuferin etwas neidisch wissen. Die Antwort «beim vorwärts» schien ihr nicht wirklich etwas zu sagen. Zu meiner Beruhigung blieb ihr Gesicht auch dann noch stirnrunzlig, als ich hinzufügte: «Das ist der kleine Bruder der WOZ». Auch die WOZ sagte ihr nichts. Anders meine Grossmutter, die beim letztjährigen Weihnachtsessen wissen wollte, womit ihr Enkel derzeit sein Lebensunterhalt verdiene. «Ach, beim ‹vorwärts›, der Zeitung der Sozialisten, arbeitest du!», schnellte es erstaunt hervor, durchaus wohlwollend gemeint. Auch dieser Blocher schimpfte mal in einer Arena-Sendung laut über einen namentlich nicht genannten Redakteur des vorwärts. Und auch er tat so, wie wenn man den «vorwärts» jetzt zwingend kennen müsste. Offenbar gab es mal Zeiten, wo das so war.

Kein Produkt sondern politisches Instrument

Unsere Zeitung will weder Produkt noch eine «normale» Zeitung sein. Es fällt uns schwer, uns der Logik der freien Marktwirtschaft zu unterwerfen und am liebsten würden wir sowieso allen ein Graits-Abonnement machen. Geht natürlich nicht, schliesslich müssen auch wir von was leben, und immer den Kühlschrank der PdAZ zu plündern ist auch nicht nett. Würde jemand die einzelne Redaktionsmitglieder des «vorwärts» nun fragen, was für sie oder ihn die Zeitung darstellt, würde der Fragende in etwa so viele Antworten bekommen, wie es Redaktionsmitglieder gibt. Und das ist gut so. Wir verstehen uns als Plattform für eine emanzipatorisch-sozialistische Bewegungen und bieten den Gruppen ein Gefäss, die ansonsten im allgemeinen Medienbrei nicht zu Wort kommen. Die reichhaltigen Vergangenheit – die Geschichte des Vorwärts reicht bis ins 1886 zurück – verpflichtet und motiviert. Geblieben ist eins: eine Zeitung, die es immer noch gibt und immer noch lebt. Wo von einer parlamentarischen Linken bis zum dribbelnden Linksaussen jede Position Platz hat und hatte. Das Zeitungmachen ist jedoch nicht einfacher geworden. Es sind Zeiten, in denen linke Strukturen sich in einer tiefen Sinnkrise befinden und täglich ums Überleben kämpfen. Mit dieser Realität sind auch wir als ZeitungsmacherInnen konfrontiert. Heute sind wir VerkäuferInnen, LobbystInnen, Schreibende und oft kommt die eigene Zeitung zu kurz, weil jede und jeder von uns noch in weiteren Projekten eingebunden ist und schliesslich braucht es auch Themen, worüber wir überhaupt schreiben können. So ist das, und der «vorwärts» ist gestern wie heute ein Instrument im politischen Kampf. Kritisch beziehen wir Position, wissen was journalistische «Seriösität» à la NZZ und Tagesanzeiger ist und kacken drauf. «Sex and crime» heisst die Losung des bürgerlichen Medienbreis. Für jeden Fritzel mit Kellerabteil knallen die Champagnerkorken auf den Redaktionsbüros. Wir kotzen und spielen nicht mit.

Die Nichtigkeit der «neuen Medien»

Wer nun denkt, dass linke Publikationen wie der «vorwärts» auf Grund der «neuen Medien» in ihrer Existenz bedroht sind und verstärkt unter Druck kommen, der irrt. Zwar wird das Internet als neue basisdemokratische und zensurfreie Errungenschaft angepriesen und in den Himmel gelobt, trotzdem wird derjenige, der sich auf die Suche nach dem elektronisch-widerständischen Nirvana begibt, enttäuscht. Zumindest was die Schweiz betrifft. Mal abgesehen von «indymedia.ch», das eher ein Ärgernis als eine informative Plattform ist, fällt in erster Linie das Vakuum auf, dass konsterniert. Die neuen Technologien bleiben unerschlossen, geschweige denn, dass durch die neue Medien wichtige gesellschaftliche Impulse erfolgen würden. Im Gegenteil, nun findet definitiv jeder Tropf irgendwo eine Homepage mit seiner persönlichen Verschwörungstheorie. Hauptsache ein imaginärer und übermächtig erscheinender «Feind», der die Welt kontrolliert und der das eigene Nichtstun und Ohnmacht rechtfertigt.

Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit

Als Redaktion ist uns die Basisnähe wichtig und wir verstehen das Schreiben als Teil unseres politischen Engagements. Der Logik des Profits verweigern wir uns und stellen diesem Denken unsere Vision einer antikapitalistischen und menschlichen Gesellschaft entgegen. Es wäre ja nett, wenn wir nach der simplen Marktlogik:«Je höher die Qualität der Zeitung, desto mehr AbonnentInnen» funktionieren könnten. Doch auf einen grünen Zweig kommen wir so nicht. Es gilt unsere Schwächen zu analysieren und diese sich einzugestehen. Wir sind ein Spiegelbild einer Bewegung, unser «Erfolg» ist eng verknüpft mit der Lebendig- und Widerstandsfähigkeit der Menschen, die gegen die menschliche Kälte in dieser Gesellschaf aufbegehren. Und wir verstehen uns als Teil dieser Bewegung und wollen nicht vom hohen Ross herunter über andere urteilen. Wir stehen – trotz allen Widersprüche – Seite an Seite, und wir scheitern und gewinnen gemeinsam.   Und wir sind der eigenen Geschichte verpflichtet, die eng mit der Zeitung verknüpft ist. Von Generationen zu Generation war der «vorwärts» ein Sprachrohr für eine utopische Perspektive und gerechtere Welt. Wir bleiben dran, versprochen!

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