22. Jahrestag des Giftgasanschlags auf Halabja

Anlässlich des 22. Jahrestages des Giftgasangriffs auf die irakische Stadt Halabja vom 16. März 1988 erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die Gräueltaten des irakischen Regimes gegen die Kurden und andere Minderheiten im Nordirak.

Vor kurzem hat das Irakische Spezialgericht den Giftgasanschlag auf Halabja als Genozid verurteilt. Dies ist von grosser Bedeutung für die lokale Bevölkerung, die bis heute unter den Spätfolgen des Massakers leidet. Die GfbV unterstützt mit einem Projektpartner vor Ort die Menschen in der betroffenen Region.

Der Angriff auf Halabja gilt als das grösste Giftgasmassaker an Zivilpersonen seit dem Zweiten Weltkrieg und war Teil des 1987 begonnenen Vernichtungsfeldzuges des Regimes von Saddam Hussein gegen die Kurden sowie weitere Minderheiten wie die Assyrer, Turkmenen und Yeziden im Nordirak. Die sogenannte Anfal-Kampagne – was soviel wie „legitime Beute“ heisst – forderte bis zu ihrem Ende 1988 rund 182‘000 Opfer. Neben Gasangriffen wurden auch Massendeportationen, Vergewaltigungen und Massenerschiessungen als Waffen gegen die zivile Bevölkerung des Nordirak eingesetzt. Am 16. März 1988 erreichte die Vernichtungskampagne einen tragischen Höhepunkt mit dem Angriff auf die Stadt Halabja. Allein dieser Angriff forderte 5‘000 Menschenleben und durch die Folgen starben bisher weitere 10‘000 Menschen. Auch heute leidet die Bevölkerung von Halabja noch unter dem Giftgasangriff. So treten beispielsweise schwere Atemnot, Krebs, Missbildungen bei Neugeborenen, Totgeburten, Haut- und Augenkrankheiten, Unfruchtbarkeit und psychische Krankheiten in den betroffenen Regionen in einem erhöhten Masse auf.
Der Hauptverantwortliche für die Offensive, Ali Hasan al-Madschid („Chemie-Ali“), wurde zum Tode verurteilt und im Januar 2010 hingerichtet. Am 1. März dieses Jahres entschied nun das Irakische Spezialgericht (Iraqi High Criminal Court), der Giftgasanschlag auf Halabja sei als Genozid zu verurteilen. Zuvor hatte das Gericht 2005 den Angriff als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Die Opfer feiern den Entscheid als grossen Erfolg und auch die kurdische Regionalbehörde hat den Entscheid als wichtigen Schritt begrüsst.
Die GfbV Schweiz unterstützt seit Anfang 2008 die im Nordirak tätige Entwicklungsorganisation WADI bei der Umsetzung von vier Selbsthilfe-Projekten in Halabja und Umgebung. Ziel der Projekte ist es, die Opfer des Giftgasangriffs und ihre Angehörigen zu unterstützen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Dabei konzentrieren sich die Aktivitäten auf die psychologische Aufarbeitung der Anfal-Offensive durch die Opfer, die Stärkung der Position der Frauen in der Zivilgesellschaft und eine sinnvolle Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche.
Weitere Information: Gedenkkundgebung am 20. März 2010

Am Samstag, 20. März 2010 von 14.00-15.30 Uhr organisiert das Schweizer Komitee von Kurdocide Watch (CHAK) mit Unterstützung der GfbV auf dem Helvetia-Platz in Bern eine Gedenkkundgebung anlässlich des 22. Jahrestages des Giftgasangriffs auf Halabja. MedienvertreterInnen und weitere Interessierte sind herzlich willkommen.

Verseuchte Flüchtlingslager im Nord-Kosovo

Anlässlich des internationalen Tages der Roma am Mittwoch den 8. April soll mit einer Mahnwache im Flüchtlingslager Osterode an die humanitäre und medizinische Katastrophe erinnert werden, in der sich über 550 intern vertriebene Roma befinden.

Seit 1999 leben diese in toxisch hoch verseuchten Flüchtlingslagern im Nord-Kosovo. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert in einem dringenden humanitären Appell die Schweizerische Regierung auf, sich für die Evakuierung der Lager und die adäquate medizinische Versorgung der Bewohner einzusetzen.

Am Mittwoch den 8. April wird anlässlich des internationalen Tages der Roma im Flüchtlingslager Osterode ab 8.00 Uhr mit einer Mahnwache auf die unerträglichen Lebensbedingungen aufmerksam gemacht, unter denen über 550 intern vertriebene Roma in den bleiverseuchten Flüchtlingslagern Cesmin Llug/?esmin Lug und Osterode in Nord-Mitrovica zu leiden haben. Die Mahnwache soll an die dringend geforderte Evakuierung und medizinische Behandlung der Roma-Gemeinschaften erinnern. Ebenso ist sie ein Gedenken an die 81 Todesfälle, bei denen von einem engen Zusammenhang mit der schweren Umweltbelastung ausgegangen wird.

Seit 10 Jahren anhaltende humanitäre und medizinische Katastrophe

Bereits 1999 wurden von der UNO auf den bleiverseuchten Abraumhalden der stillgelegten Trepca-Mine die Flüchtlingslager für intern Vertriebene (IDP Camps) Cesmin Llug/?esmin Lug und Osterode errichtet. Diese sollten nach Versprechung der UNO innerhalb von 45 Tagen geschlossen werden. Trotz Warnungen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des IKRK wurden die Lager bis heute nicht evakuiert. Im Rahmen von mehreren Fact Finding Missions der GfbV hat unter anderem der Umweltmediziner Dr. Klaus-Dietrich Runow mit Haar- und Blutproben festgestellt, dass die Bleibelastung bei den Flüchtlingen in den Lagern um ein Vielfaches über dem Referenzbereich liegt und zu einer irreversiblen Schädigung des Nerven- und Immunsystems sowie zu Störungen des Knochenwachstums und der Blutbildung führt. Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, zeigte sich nach seinem Besuch im Kosovo Ende März tief besorgt über die bleiverseuchten Lager: «Dies ist eine äusserst ernstzunehmende humanitäre Katastrophe. Es ist ein Skandal, dass auch fünf Jahre, nachdem eindeutig festgestellt wurde, dass es gefährlich ist, in diesem Gebiet zu leben, noch keine Lösung gefunden wurde, um die Bewohner, unter denen auch Kinder sind, zu schützen.»

Auch die Schweiz ist gefordert

Hammarberg appelliert an die politischen Entscheidungsträger: «Ich fordere alle Verantwortlichen nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass die betroffenen Familien unverzüglich in eine sichere Umgebung ziehen können und dass alle kontaminierten Personen eine angemessene medizinische Versorgung erhalten.» Die GfbV als Kontaktstelle der internationalen Koalition «Kosovo Medical Emergency Group» (KMEG) unterstützt diesen Appell und fordert die Schweiz als eines der wichtigsten Geberländer im Kosovo dazu auf, sich mit allen Mitteln für die Beendigung dieser humanitären Katastrophe einzusetzen

China: Über 1000 Uiguren verhaftet

Im vergangenen Jahr liessen die chinesischen Behörden über 1000 Uiguren verhaften. Gemäss der Schweizerischen Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterschieden sie dabei nicht zwischen politischen AktivistInnen und gewalttätigen Extremisten. Uiguren stünden vielmehr unter Generalverdacht.

Die chinesischen Behörden haben erstmals offizielle Zahlen über die Verhaftung von Angehörigen der Volksgruppe der Uiguren veröffentlicht. 2008 seien in den ersten elf Monaten 1295 Uiguren wegen «Gefährdung der Sicherheit des Staates» oder verbotener religiöser Aktivitäten festgenommen worden, liess die chinesische Staatsanwaltschaft am Sonntag verlauten. Für die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) macht die hohe Zahl der offiziell zugegebenen Festnahmen deutlich, dass die Olympischen Spiele in Peking für die Uiguren keine Verbesserung der Menschenrechtslage gebracht haben. Die GfbV befürchtet zudem, dass die tatsächliche Zahl der aus politischen Gründen verhafteten Uiguren um ein Vielfaches höher sein könnte.

Besonders im Vorfeld der Olympischen Spiele waren uigurische Regimekritiker willkürlich festgenommen worden, weil die Behörden medienwirksame öffentliche Proteste während des Sportereignisses fürchteten. Massenverhaftungen setzten ein, nachdem im August 2008 mehrfach Polizeistationen von Uiguren gewaltsam angegriffen worden waren. Die GfbV kritisierte wiederholt, dass Chinas Behörden in Xinjiang nicht zwischen friedlichen Protesten uigurischer Regimekritiker und Gewalttaten von Extremisten unterscheiden, sondern uigurische Kritiker allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung pauschal als Terroristen verfolgen.

Sicherung von Rohstoffen

Gegen 1154 der Festgenommenen sei Anklage erhoben worden oder sie seien im Rahmen der Administrativhaft in Arbeitslager eingewiesen worden. Der Sekretär der Kommunistischen Partei in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes, Wang Lequan, hatte im August 2008 ein noch härteres Vorgehen gegen Regimekritiker und uigurische Menschenrechtler gefordert. Erst am 20. Dezember 2008 sind zwei uigurische Studenten – der 19 Jahre alte Mutellip Teyip und der 20 Jahre alte Miradil Yasin – in der Provinzhauptstadt Urumtschi festgenommen worden. Sie hatten an der Universität Flugblätter verteilt, in denen zur Teilnahme an nicht angemeldeten Demonstrationen aufgerufen wurde.

Offiziell begründen die chinesischen Behörden ihr hartes Vorgehen gegen uigurische Regimekritiker mit der Gefahr der Ausbreitung des Terrorismus in Xinjiang, das von den Uiguren Ostturkestan genannt wird. Tatsächlich vermutet die GfbV jedoch, dass die Machthaber in Peking mit ihrer kompromisslosen Unterdrückung jeder freien Meinungsäusserung der Uiguren ihren Zugriff auf die rohstoffreiche Region sichern wollen. 2008 wurde Xinjiang zum zweitwichtigsten Erdölproduzenten in der Volksrepublik. Wurden 1990 in der Region nur sieben Millionen Tonnen Öl gefördert, so waren es im vergangenen Jahr bereits 27,4 Millionen Tonnen. In Ostturkestan werden Erdölreserven in Höhe von 20,9 Milliarden Tonnen sowie Erdgasbestände von 10,8 Billionen Kubikmetern vermutet.

www.gfvb.ch