An Frau Ständerätin Pascale Bruderer

Sehr geehrte Frau Bruderer,

als FachspezialistInnen für Asylfragen erlauben wir uns, auf Ihr Interview in der Sonntagszeitung mittel eines offenen Briefes zu reagieren. Dies machen wir deshalb, weil wir der Ansicht sind, dass Äusserungen wie die Ihrige der Sache schaden und diejenigen, welche tagtäglich mit den Asylsuchenden direkt zusammen arbeiten und nun das Referendum unterstützen, in einem schlechten, radikalen oder naiven Licht erscheinen lassen.

Sie sagen also, dass Ihnen die inhaltlichen Argumente gegen das Referendum fehlen. Dies liegt mitunter daran, dass diese nicht wirklich existieren. Wir selbst unterstützen alle persönlich oder im Namen unserer jeweiligen Organisationen das Referendum. Aus rein inhaltlichen und keinerlei taktischen Gründen. Wie auch sie selber richtig sagen, muss dies von Zeit zu Zeit einfach gemacht werden, selbst im Angesicht einer absehbaren Abstimmungsniederlage. Sie selber unterstützen das Referendum aber trotzdem nicht – und zwar aus inhaltlichen Gründen. Wir begrüssen diese inhaltliche Diskussion, denn sie kommt aktuell zu kurz. Sie führen dabei fünf Punkte auf, welche als positiv zu bewerten seien und somit gegenüber den negativen Aspekten überwiegen würden. Wir möchten gerne auf diese fünf Punkte eingehen.

1) Die rascheren Verfahren für befristete Asylunterkünfte, die verhindern sollen, dass die Asylsuchende in die Kantone und Dörfer verteilt werden müssen.

Vermutlich spielen Sie hierbei auf Art. 26a der Revision an, der besagt, dass der Bund Anlagen und Bauten des Bundes ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen zur Unterbringung von Asylsuchenden für maximal drei Jahre nutzen kann. Notabene in den Gemeinden. Die Bestimmung verhindert also nicht, dass Asylsuchende in die Dörfer oder Kantone verteilt würden. Dies wäre aber auch nicht zielführend. Wir sind im Gegenteil der Ansicht, dass eben gerade diese Begegnung der Anfang jeglicher Form von Toleranz ist – eine gerade für den Asylbereich (inkl. dessen Glaubwürdigkeit) wichtige Bedingung. Auch nach mehrmaligem Durchlesen können wir also diesen positiven Aspekt inhaltlich im Gesetzestext nicht finden. Falls wir ihn finden könnten, so wäre er indes eher negativ. Darüber hinaus möchten wir Folgendes betonen:

Mit der Einführung von Art. 26 findet eine Kompetenzverschiebung (von den Kantonen und Gemeinden hin zum Bund) statt, die auf der negativen Erfahrungen bei der Suche nach neuen Standorten für ordentliche Zentren beruht. Angesichts der offensichtlichen Schwierigkeiten bei der Suche nach solchen Anlagen ist diese Massnahme nachvollziehbar, birgt aber das Risiko der Unzugänglichkeit solcher Zentren für Menschenrechtsorganisationen. Die Standorte solcher Zentren werden dem bekannten Muster folgen, welches die Kriterien «möglichst abgeschieden und möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit» beinhaltet. Dies ist für ein glaubwürdiges Asylwesen, welches seine Akzeptanz im Zentrum der Gesellschaft suchen muss, äusserst hinderlich. Mittels dieses Artikels soll auch das von Frau Bundesrätin Sommaruga angestrebte Konzept der Bundeszentren analog dem Vorbild Holland (Entwurf 2 Asylgesetzrevision) gestärkt werden. Dieses Vorhaben steht jetzt aber nicht zur Debatte. Es muss diesbezüglich zudem deutlich gemacht werden, dass solche Bundeszentren bereits 1988 eine Abfuhr erhielten und einen schlechten Weg für die Herausforderungen in Bezug auf die Unterbringungsfrage im Asylwesen darstellen.

2) Die finanzielle Unterstützung von Beschäftigungsprogrammen durch den Bund. Das ist die beste Prävention gegen Kleinkriminalität und verhilft den Asylsuchenden zu einem würdigen Alltag.

In Verbindung mit:

3) den Sicherheitspauschalen für die Empfangs- und Verfahrenszentren, die Kantone und Gemeinden darin unterstützt, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Beteiligung des Bundes an den Sicherheitspauschalen von EVZ’s oder besonderen Zentren entlastet die Kantone finanziell und ist auf dieser Ebene begrüssenswert. Allerdings wird es dazu führen, dass genau dieser Absatz (Sicherheit) eine Priorität in der Gelderverwendung gegenüber Abs 4bis (Beschäftigungsprogramme) erfahren wird. Dass die Sicherheitsmassnahmen im Asylbereich schon seit längerem auf eidgenössischer, kantonaler wie kommunaler Ebene Vorrang gegenüber Sozialmassnahmen wie Beschäftigungsprogrammen geniessen, ist nichts Neues. Konkret ausgedrückt werden die Bundesgelder viel eher in eine Aufstockung des Sicherheitspersonals statt in ein Beschäftigungsprogramm fliessen. Dies ist die logische Umsetzung des politischen Kräfteverhältnisses. Abs 4bis bringt zudem keine grundlegend neue Sichtweise, sondern lediglich eine leichte Konkretisierung zum Einsatz von Bundesgeldern – die Möglichkeit zu Beschäftigungsprogrammen bestand auf gesetzlicher Ebene bereits zuvor, gemacht wurde wenig. Sollten wir uns bezüglich dieser Umsetzungsprognose täuschen, dann wäre uns das noch so lieb!

4) Die speziellen Zentren für «renitente» Asylbewerber

Sie sagen: „Auch wenn nur sehr wenige Asylsuchende gewaltbereit sind oder kleinkriminell werden, so sind sie trotzdem eine extreme Belastung für die Bevölkerung, aber auch für das Asylsystem und die überwiegende Zahl der Asylsuchenden, die sich korrekt verhalten. Dieses Problem muss man auf den Tisch bringen und Lösungen liefern. Ich habe selber Asylunterkünfte besucht und gesehen, wie schwierig einige junge Männer sein können, die sich an keine Regeln halten.“

Dazu Folgendes von unserer Seite: In Art. 26 des Asylgesetzes wurden neu drei Absätze aufgenommen, die das Bundesamt für Migration dazu ermächtigen, «renitente» Asylsuchende in besonderen Zentren unterzubringen. Dabei handelt es sich um Asylsuchende, die „die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder die durch ihr Verhalten den ordentlichen Betrieb der Empfangsstellen erheblich stören“. Es ist objektiv jedoch nicht eruierbar, was „erheblich stört“. Ein geringer Verstoss gegen die Hausordnung eines Empfangszentrums kann genügen. Wer also fortan als «renitent» gilt, ist unklar. Mit diesen höchst unbestimmten Kriterien drohen Willkür und Rechtsungleichheit.

Es ist zudem mehr als stark anzuzweifeln, ob die Errichtung dieser besonderen Zentren in der Praxis überhaupt durchführbar ist. Die Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass sich Kantone wie Gemeinden unter Umständen schon bei der Etablierung ordentlicher neuer Zentren für Asylsuchende unkooperativ bis ablehnend verhalten.

Der Umgang mit «renitenten» Personen, auch ausserhalb des Asylbereichs, ist zudem eine Frage, die primär aus sozialer und erst sekundär aus polizeilicher Optik angegangen werden muss. Kleinkriminalität ist störend und muss bekämpft werden. Sonnenklar. Dies wird gemacht und wer kriminell ist wird auch bestraft – dazu haben wir ein Strafrecht. Das Asyl- und Ausländergesetz mit strafrechtlichen Bestimmungen aufzuladen bringt allerdings niemandem etwas.

Im sozialpädagogischen Bereich wird auffälliges Verhalten zudem zuerst analysiert (Ursachenforschung) und danach wird versucht, die Ursachen dafür ins Positive zu verändern. Auch Jugendliche gelten schnell einmal als «renitent» – aber sperren wir sie deswegen gerade weg? In Bezug auf «renitente» Asylsuchende sind die Ursachen offensichtlich: Perspektivenlosigkeit, Unterbeschäftigung, Traumatisierungen oder eine Existenz als systemfremdes Subjekt im Asylwesen sind zu nennen. Hier wird aber nichts gemacht, weil der politische Wille fehlt. Repressive Massnahmen gegen potentielle «Renitenz» sind deshalb blosse Pflästerlipolitik – und überdies bereits strafrechtlich möglich. Beschäftigungsprogramme (oder noch progressiver wäre, wenn die Asylsuchenden arbeiten und somit selbständig agieren dürften) würden diese Politik wahrscheinlich ein Stück überflüssig machen, wie sie auch selbst sagen. Aber von denen reden wir schon genau so lange, wie vom nie zur Realität werdenden umfassenden Rechtsschutz. Womit wir beim Punkt 5 wären.

5) Die Pilotprojekte, die das ambitionierte Ziel von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und dem Bundesamt für Migration unterstützen, die Verfahren einerseits zu beschleunigen und andererseits den Rechtsschutz der Asylbewerber auszubauen. Dieser Spagat ist eine grosse politische Herausforderung, und es ist wichtig, dass die Behörden Erfahrungen sammeln können.

Hierzu möchten wir ein für einmal klar festhalten: die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes beschleunigen gar nichts. Und im Rahmen der Pilotprojekte stehen vor allem die Beschwerdefristen im Vordergrund. Gerade die Verkürzung dieser Rechtsmittelfrist auf 10 Tage bedeutet eine Verkürzung um 2/3 der ordentlichen Frist und ist mit den Verfahrensgarantien gemäss Art. 29 und 29a BV unvereinbar. Diese Änderung, das heisst ein Gewinn von gerade mal maximal 20 Tagen, wird nicht das Problem der jahrelangen Verfahren – so die Begründung – lösen. Das öffentliche Interesse an einem raschen Abschluss eines Asylverfahrens kann eine Abweichung von der im Verwaltungsverfahren des Bundes üblichen dreissigtägigen Beschwerdefrist auch nicht rechtfertigen. Es fragt sich zudem, ob damit tatsächlich eine wesentliche Verkürzung des Verfahrens verbunden wäre. Jedenfalls ist ernstlich zu bezweifeln, ob damit die bevorstehende Wegweisung aus der Schweiz tatsächlich erleichtert und die Rückkehrfähigkeit in den Heimatstaat aufrechterhalten wird.

Die Neuerung trifft desweiteren Personen, die in der Regel ohne Sprachkenntnisse, unter Umständen traumatisiert oder unter Stress oder anderen erschwerenden Einflüssen sind und ist deshalb umso bedenklicher. Dieser schwere Eingriff in grundrechtliche Garantien des Rechtsunterworfenen hält den Anforderungen der Verhältnismässigkeit in keiner Weise stand. Abgesehen davon ist es der Rechtssicherheit nicht zuträglich, wenn der Bundesrat nach Belieben (mit einer unteren Limite im Gesetz) auf dem Verordnungswege Rechtsmittelfristen festlegen kann.

Was damit also erreicht wird, ist faktisch eine Schmälerung des Rechtsschutzes. Dies steht im Widerspruch zur Absichtserklärung der Vorlage. Schon 2008 hatte die Mehrheit der vom EJPD eingesetzten Expertenkommission offenbar festgehalten, dass sie eine generelle Verkürzung der Beschwerdefrist im materiellen Verfahren nur dann unterstützen könnte, wenn zusätzliche flankierende Massnahmen zur Verbesserung des Rechtsschutzes von Asylsuchenden vorgesehen werden. Dass nun heute eine Verkürzung der Beschwerdefristen gemäss Art 108. Abs 3 lediglich dann vorgenommen werden darf, „wenn der wirksame Rechtsschutz der betroffenen Asylsuchenden durch geeignete Massnahmen gewährleistet ist“, folgt dieser Bedingung, ist  aber bislang eine hohle Formulierung. Sie greift auf die beabsichtigten Verbesserungen im Bereich des Rechtsschutzes im Rahmen des Entwurfs 2 der Asylgesetzrevision vor, wie Sie auch richtig sagen. Deren Verwirklichung ist heute aber weder zeitlich absehbar, noch auf Grund der politischen Verhältnisse im Parlament als realistisch zu bezeichnen.

Zudem gilt es zu unterstreichen: Selbst wenn der Zugang zu einer unabhängigen Rechtsberatung garantiert werden sollte, ist darauf zu verweisen, dass die zeitaufwändige Hauptschwierigkeit in Asylverfahren meist die Beschaffung von Beweismitteln und die Aufarbeitung des Sachverhalts darstellt, und nicht dessen korrekte rechtliche Würdigung.

In realistischer Konsequenz wird eine Kürzung der Beschwerdefristen also zu überhasteten und somit fälschlich gefällten Negativentscheiden führen. Da die Vollzugsproblematik im Bereich Rückkehr und Rückschaffungen bestehen bleibt, wird dies mehr Asylsuchende in die Nothilfe oder gar in die Illegalität drängen, was letztendlich nicht in der Absicht der Schweiz stehen kann.

Desweiteren möchten wir Sie und mit Ihnen viele andere in zwei wichtigen Punkten korrigieren. Sie sagen: „Wenn eine Person an Leib und Leben bedroht ist, weil sie desertiert, erhält sie auch in Zukunft Asyl.“

Nein. Sie wird eine vorläufige Aufnahme erhalten. Und dadurch in einen präkäreren Status gedrängt. Dieser wird übrigens im laufenden Entwurf 1 der Asylgesetzrevision stark angegriffen.

Sie sagen fürderhin zum Botschaftsverfahren: „Auch für die besonders Schutzbedürftigen werden nicht alle Türen geschlossen: Ihnen bleibt der Weg über das humanitäre Verfahren. Die Kriterien für eine Aufnahme in der Schweiz sind in diesem Verfahren die gleichen wie beim Botschaftsasyl.“

Auch dazu: leider nein. Das Botschaftsverfahren soll gemäss Bundesrätin Sommaruga durch das Verfahren zur Erlangung eines humanitären Visums «ersetzt» werden. Diese Argumentation lässt gerade in der SP viele glauben, dass die Flüchtlinge trotzdem noch legal einreisen könnten. Die Kriterien sind andere, es wechselt von «Glaubhaftmachung» zu «beweisen». Vom Verfahren zur Erlangung eines humanitären Visa sind zudem all jene Flüchtlinge, die sich in einem Drittstaat befinden, ausgeschlossen. EritreerInnen und SomalierInnen, die zusammen 43.5% der Botschaftsgesuche in den letzten Jahren stellten, müssten ein humanitäres Visum in einem Drittstaat einreichen, da in ihrem eigenen Land keine Schweizer Botschaft existiert. Sie sind somit fortan vom Verfahren eines humanitären Visums schlicht und einfach ausgeschlossen. Mehr dazu unter: http://www.asyl.ch/facts-botschaftsvefahren/

Wir bitten Sie, diesen Brief zur Kenntnis zu nehmen und hoffen, dass Sie unsere Argumente genau studieren. Wir hoffen wie Sie auch, dass eine Trendwende im Asylbereich dereinst stattfinden wird. In dieser Revision können wir diese, anhand der nun geschilderten Argumente, aber einfach nicht erkennen.

Mit freundlichen Grüssen

Marie-Claire Kunz, CSP-Genève;?Moreno Casasola | Solidarité sans frontières?Karin Jenni | augenauf Bern?Samuel Häberli | Freiplatzaktion Zürich?Melanie Aebli | Demokratische JuristInnen und Juristen Schweiz

 

Arbeitskampf bei Lonza

Die Geschäftsleitung der Lonza hat am 31.Oktober anlässlich einer Sozialpartnerinformation den Abbau von 395 Stellen in Visp angekündet. Mit anderen Worten: Jede siebte Stelle in Visp wird den übertriebenen Renditezielen des Managements geopfert. Rund 200 Lonza-Beschäftigte haben am 1.November  an zwei Betriebsversammlungen in Visp das weitere Vorgehen gegen die angekündigte Massenentlassung beschlossen. Die Walliser Staatsratspräsidentin Esther Waeber-Kalbermatten (SP) und der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, Staatsrat Jean-Michel Cina (CVP), sicherten dabei der Belegschaft ihre volle Unterstützung zu

Die Arbeitnehmenden der Lonza akzeptieren den gestern angekündigten brutalen Abbau von einem Siebtel der Stellen in Visp nicht. Die versammelten Lonza-Beschäftigten verabschiedeten gestern Abend einstimmig eine Resolution mit vier zentralen Forderungspunkten:

– Rücknahme des geplanten Abbaus, keine Entlassungen und keine Druckversuche gegenüber der Belegschaft.

– Eine vernünftige Konsultationsfrist bis Ende Februar 2013, damit die Belegschaft und ihre Gewerkschaften Alternativvorschläge ausarbeiten können.

– Offene und transparente Information der Sozialpartner über alle relevanten Unternehmensdaten.

– Einsetzen einer Task Force unter der Leitung des zuständigen Staatsrates und unter Einbezug der Gemeinde Visp, der Lonza und der Sozialpartner.

Für den Fall das das Lonza-Management diese Forderungen nicht erfüllt, kündigten die Versammlungsteilnehmer einstimmig einen Warnstreik an. Die an einer der Versammlungen anwesenden Staatsräte Esther Waeber-Kalbermatten und Jean-Michel Cina sicherten den Beschäftigten ihre volle Unterstützung zu. Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements Cina unterstütze die Bildung einer Taskforce unter Einbezug der Sozialpartner. Klar ist, dass sich auch die Lonza daran beteiligen muss. Cina verlangte weiter eine massive Verlängerung der — von Lonza gestern auf mickrige zwei Wochen anberaumte — Konsultationsfrist, damit ein gesetzeskonformes Verfahren durchgeführt werden kann.

Belegschaft hat genug von immer neuen Abbaumassnahmen

Bereits in den vergangenen Jahren mussten die Arbeitnehmenden der Lonza mehrfach harte Sparmassnahmen der Firma hinnehmen, zuletzt den Abbau von 190 Stellen im Jahr 2010 und im vergangenen Jahr eine Arbeitszeiterhöhung um 1,5 Stunden. Und jetzt kündigt das Management schon wieder neue, harte Einschnitte an, bevor die Vereinbarung über Arbeitszeiterhöhung, welche auch ein Kündigungsverbot beinhaltet, Ende Febuar 2013 ausläuft. So verstösst das Lonza-Management gegen Treu und Glauben und tritt die Sozialpartnerschaft mit Füssen. Das lässt sich die Belegschaft nicht weiter gefallen.

Unterstützungskomitee gebildet

Mit Unterstützung der Unia und der Syna bildet die Belegschaft nun Arbeitsgruppen, die im Rahmen des Konsultationsverfahrens Vorschläge erarbeiten wird, wie Kündigungen vermieden werden können. Zudem bildet sich unter der Führung der beiden alt-Staatsräte Thomas Burgener (SP, Unia-Mitglied) und Wilhelm Schnyder (CVP, Syna-Mitglied) ein überparteiliches Unterstützungskomitee für die kämpfende Lonza-Belegschaft. Mit einer Petition, die ebenfalls gestern an den Versammlungen verabschiedet und lanciert wurde, wollen die Arbeitnehmenden und das Unterstützungskomitee die breite Bevölkerung mobilisieren.

Klicke hier für die Petition: Unterschreiben und einschicken!

Quelle und weitere aktuelle Infos: www.unia.ch

Solidarität mit Metin Aydin

Metin Ayden wurde am 1. November aus der Schweiz in die JVA Hohenasperg inDeutschland ausgeliefert (129b).
Er befindet sich im 55 Tag im Hungerstreik und seit ein einigen Tagen (wahrscheinlich 4), im Durststreik.

Demo und Kundgebung in Zürich

Samstag 3. November 2012 Helvetiaplatz Zürich
Besamlung und Kundgebung ab 11.00 Uhr
Demo 14.00 
Schlusskundgebung 16.00 auf dem Helvetiaplatz

Hier der Artikel aus dem vorwärts vom 28.August 2012

Stopp Auslieferung von Metin Aydin

Seit über einem Jahr sitzt der kurdische Politiker Metin Aydin im Kanton Zürich in Auslieferungshaft. Obwohl er in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannt ist, droht ihm wegen seinen politischen Aktivitäten ein Strafverfahren in Deutschland.

Metin Aydin ist ein kurdischer Politiker und in Frankreich anerkannter Flüchtling. Als Metin Aydin vor gut einem Jahr in die Schweiz reiste, wurde er von den Schweizer Behörden festgenommen. Seither sitzt er in der Schweiz in Auslieferungshaft. Deutschland hat ein Auslieferungsbegehren gestellt.
Der deutsche Staat führt ein Strafverfahren gegen Metin Aydin, weil er in Deutschland für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) politisch aktiv gewesen sei. Die PKK, welche sich für die Selbstbestimmung des kurdischen Volkes in der Türkei einsetzt, ist in Deutschland verboten. Aydin soll in Deutschland nun wegen Verstosses gegen die politischen Artikel 129a und 129b bis zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt werden. Diese Gesetzesartikel, welche die Zugehörigkeit an illegalen Organisationen im In- und Ausland unter dem Vorwand der «Terrorismusbekämpfung» unter Strafe stellen, dienen insbesondere dazu, politischen Aktivismus über die «normalen» Strafandrohungen hinaus unter Strafe zu stellen. Strafbar macht sich dabei, wer schon in einer verbotenen Organisation Mitglied ist, ohne jedoch dabei selbst an militanten Aktionen teilgenommen zu haben.
Unter diesen Umständen erhält die Auslieferung auch aus rein rechtlicher Sicht einen höchst fragwürdigen Charakter: In der Schweiz ist die PKK legal, einen Strafartikel wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation existiert in der Schweiz nicht. Die schweizerische Gesetzgebung verlangt jedoch ganz klar, dass eine Tat auch gemäss schweizerischem Gesetz strafbar sein muss, um einem Auslieferungsbegehren entsprechen zu können. Zudem wäre die Auslieferung ausgeschlossen, wenn die Strafverfolgung einen vorwiegend politischen Charakter hat, was im Fall von Metin Aydin dann auch mit Sicherheit der Fall ist.
Es ist davon auszugehen, dass die Auslieferung durch die Schweiz, zu welcher die Schweiz keineswegs verpflichtet wäre, selbst politischen Charakter hat: Ausländische politisch Aktive in der Schweiz sollten mit der Androhung von Auslieferung eingeschüchtert werden. Dies wohl mit dem Ziel, migrantische politische Gruppierungen, insbesondere die in der Schweiz stark vertretenen kurdischen AktivistInnen, von politischem Handeln abzuhalten. Nicht zuletzt versucht die Schweiz damit aber auch, repressiven Drittstaaten wie der Türkei einen Gefallen zu tun.

Drohende Folter in der Türkei
Nach der Verbüssung einer allfälligen Haftstrafe in Deutschland würde Metin Aydin wahrscheinlich in die Türkei abgeschoben werden. Dort droht ihm nicht nur weitere Inhaftierung, welcher er zunächst durch Flucht nach Frankreich entkommen konnte, sondern auch schwerste Folter durch die türkischen Sicherheitskräfte. Folter ist in der Türkei eine weit verbreitete Praxis und speziell im Kampf gegen kurdische Widerständische die Regel. Obwohl die Schweiz darum weiss – die Schweiz konnte deswegen insbesondere nicht den in der Schweiz wohnhaften kurdischen Politiker Mehmet Esiyok an die Türkei ausliefern – verschliesst sie im Fall Aydin davor willentlich die Augen. Im Bewusstsein, dass Metin Aydin in der Türkei gefoltert werden wird, wird er nach wie vor in Auslieferungshaft gehalten.
Das Bundesamt für Justiz verfügte im Februar dieses Jahres die Auslieferung und tat dies auch öffentlich kund. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es der Schweiz eben auch um eine Abschreckungswirkung an andere ausländische Politaktivisten geht. Auf Druck des Anwalts von Metin Aydin, Marcel Bosonnet, musste die Rechtsmittelinstanz jedoch den Auslieferungsentscheid aufheben und zu neuer Beurteilung an das Bundesamt zurückweisen. Dieses muss nun einen neuen Entscheid fällen, welcher in den nächsten Wochen erwartet wird.
Breite Solidarität
Gegen die Auslieferung an Deutschland, welche wohl mit Folter in der Türkei enden würde, hat sich eine breite Solidaritätsbewegung etabliert: Der kurdische Dachverband in der Schweiz FEKAR, welcher sämtliche kurdischen Vereine in der Schweiz repräsentiert, lancierte eine Petition für die Freilassung von Aydin. Diese soll im Rahmen einer Kundgebung an die schweizerischen Behörden übergeben werden. Auch will die FEKAR im direkten Gespräch mit Vertretern des Schweizer Staates auf die Lage von Aydin aufmerksam machen. Weiter fand am 20. Juli vor dem türkischen Konsulat in Zürich eine Kundgebung gegen seine Auslieferung statt. Die Zürcher Polizei machte dabei klar, auf welcher Seite sie steht: Teilnehmende wurden kontrolliert und ohne weitere Begründung wurde ein Transparent beschlagnahmt. Die FEKAR hofft jedoch, durch die Information über die Lage von Metin Aydin genügend öffentlichen Druck auf die Schweiz aufzubauen, damit diese von der Auslieferung und als Folge davon der weiteren Inhaftierung und Folter absieht.

Europa streikt

Der Europäische Gewerkschaftsbund erklärt den 14. November zum europäischen Aktionstag  «Für Arbeitsplätze und Solidarität in Europa und gegen die Austeritätspolitik» und ruft seine Mitgliedsgewerkschaften mit 60 Millionen Mitgliedern in der Europäischen Union auf zu protestieren, zu demonstrieren und zu streiken. Erstmals wird es in mehreren Ländern gleichzeitig zum Generalstreik kommen. In  Portugal, Spanien, Griechenland und Zypern werden an dem Tag wohl alle Räder still stehen. In Italien sind verschiedene Aktionen geplant. In Italien ruft der kämpferische Gewerkschaftsbund CGIL zu einem vier Stündigen Generalstreik. Basisgewerkschaften sowie kommunistische Parteien und Gruppen haben sich dem Anruf angeschlossen. Die beiden anderen rosaroten Gewerkschaftsbünde UIL und CISL unterstützen den Generalstreik nicht.

Soziale Mindeststandards erkämpfen

Das Exekutivkomitee des EGB verurteilte am 17. Oktober die sogenannten Sparmassnahmen, die Europa in Stagnation und Rezession treiben und Ungleichgewichte sowie Ungerechtigkeiten vertiefen und den Sozialabbau beschleunigen. Es wirft dem IWF vor, mit falschen Berechnungen die zu erwartenden Folgen der Austeritätspolitik im Vorfeld geschönt zu haben. Es wendet sich gegen die frontalen Angriffe auf Tarifvertragssysteme und Gewerkschaftsrechte bei der Durchsetzung der Politik der Troika. Hier sei unsererseits daran erinnert, dass auch die Führungen von SPD und Grünen grundsätzlich den «Hilfsprogrammen»  zum Beispiel für Griechenland zustimmen. Bei letzterem ist dessen integraler Bestandteil die gesetzliche Nichtigkeitserklärung aller Tarifverträge. Warum sollen Politiker, deren einstiger Basta-Kanzler den Gewerkschaften mit staatlichen Eingriffen drohte, wenn sie nicht selbst ihre Tarifverträge für betriebliche Verschlechterungen öffnen würden, zu gegebener Zeit vor gleichen Massnahmen in Deutschland zurückschrecken? Unter Hinweis auch auf die wachsenden Proteste in den EU-Ländern will der EGB um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen und soziale Mindeststandards in der EU kämpfen.

Quelle: www.kommunisten.de

Über 7’000 Unterschriften eingereicht

Am Montag 22. Oktober hat die Partei der Arbeit Zürich (PdAZ) über 7’000 gesammelte Unterschriften für die Initiative «Steuerbonus für dich» eingereicht. Der Parteivorstand bedankt sich an dieser Stelle herzlich bei allen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben.

Zur Erinnerung: Rund 12’900 (1,5 Prozent) Steuerpflichtige haben ein Vermögen von mehr als 3 Millionen Franken. Ihr gemeinsamer Reichtum beläuft sich auf mehr als 123 Milliarden (!) Franken. Sie besitzen somit 45 Prozent des gesamten Privatvermögens. Rund 2400 (5,2 Prozent) Firmen im Kanton Zürich haben ein Eigenkapital von 5 Millionen Franken und kommen gemeinsam auf ein Vermögen von über 405 Milliarden (!) Franken. Sie besitzen somit 96 Prozent des gesamten Eigenkapitals. Die Besteuerung von 1 Prozent dieses Vermögens führt zu Einnahmen von über 5 Milliarden Franken. Mit diesen Einnahmen wird der Steuerbonus finanziert, von dem rund 80 Prozent der Steuerpflichtigen profitieren. Wenig für Wenige, viel für Viele!

Der Reallohn der Normalverdiener hat in den letzten 20 Jahren trotz stetigem Wirtschaftswachstum durchschnittlich abgenommen. Dieses Wirtschaftswachstum wurde von der Bevölkerung, nicht von den Managern geschaffen. Einen Bonus haben sich also alle verdient. Die Hälfte des im Kanton Zürich erwirtschafteten Gewinns kommt zurzeit den Superreichen zugute, die bereits jeglichen Luxus besitzen. Mit der Annahme der Initiative geben sie einen Teil dieses Geldes jenen zurück, welche den Reichtum erwirtschaftet haben.

Partei der Arbeit Zürich

Opération Libertad

In «Opération Libertad» erzählt der Filmemacher Nicolas Waldimoff die Geschichte einer militanten linken AktivistInnengruppe aus der Westschweiz, die in eine Bank einbricht, um Verbindungen zur Diktatur in Paraguay nachzuweisen. Der vorwärts hat ihn zum Gespräch über seinen Film getroffen.

Beginnen wir mit der vielleicht schwierigsten Frage: Ist «Opération Libertad» nur ein Film über Politik oder ist er auch ein politischer Film?

In einem Film politisch zu sein heisst für mich, eine Verbindung zwischen den Charakteren und der Gesellschaft herzustellen, in der sie leben. Die Story von «Opération Libertad» ist politisch, weil diese Geschichte von Menschen handelt, die die Gesellschaft verändern wollen. Der Film erzählt aber auch von einer Zeit, in der sich politisch mehr bewegt hat.

Ihr Film ist also auch nostalgisch?

Keinesfalls. Mein Film spielt Ende der Siebzigerjahre. Ich war zu dieser Zeit noch ein Kind, die Themen dieser Zeit beschäftigen mich also nicht persönlich. Mein Film sollte daher auch nicht historisch sein. Was mich dagegen schon lange sehr interessiert, ist das politische Engagement. Schon im Alter von dreizehn Jahren las ich Bücher über die «Rote Armee Fraktion». Meinen ersten Film in der Filmschule drehte ich über die Gruppe «Vancouver Five», die in den frühen Achtzigern agierte.

Kann uns diese Geschichte heute noch etwas sagen?

Ich habe diese Zeit gewählt, weil in unseren Gebieten politisch derzeit wenig läuft. Anhand der Geschichte versuche ich zu zeigen, was es heisst, wenn sich jemand dazu entscheidet, die Linie der Legalität aus politischen Gründen zu überschreiten, und welchen Preis diese Person dafür zu bezahlen hat.

Welche Menschen sind es denn, die bereit sind, diese Linie zu überschreiten?

Vor zwanzig Jahren habe ich einen Film über eine Gruppe militanter Aktivisten aus der Schweiz gedreht, die wegen Verbindungen zur Stasi von Carla del Ponte verhaftet wurden. Ich hatte die Chance, mich mit ihnen zu unterhalten, und kam zum Schluss, dass diese militanten Aktivisten vor allem keine aussergewöhnlichen Menschen sind. Ich wollte auch die Protagonisten in meinem Film anders darstellen, wie das etwa in «Der Baader Meinhof Komplex» geschieht.

Wie zeichnet dieser Film seine Figuren?

Der Film ist vor allem ein Actionfilm. Er verhindert aber die Identifikation mit den Figuren. Sie sehen entweder aus wie Superhelden oder wie riesige Psychopaten, sind aber in jedem Fall meilenweit von uns weg.

Der Film ist auch ziemlich ideologisch.

Klar! In diesem Film wird für den Zuschauer oder die Zuschauerin nicht erkennbar, dass diese Aktivist-Innen zur gleichen Welt gehören wie sie oder er. Sie werden behandelt wie Aliens.

Wie stellen Sie die AktivistInnen dar?

Ich versuche sie so darzustellen, wie mir die militanten AktivistInnen begegnet sind, die ich getroffen habe. Diese Leute sind nicht an Waffen, Gewalt oder Action interessiert. Sie sehen Gewalt höchstens als notwendige Folge ihrer politischen Überzeugung. Umso besser aber, wenn sie sie verhindern können. In «Opération Libertad» wollte ich daher von normalen Leuten erzählen, die eine spektakuläre Aktion planen. Die Aktion geht aber schief und sie geraten in eine Situation, die sie komplett überfordert. Plötzlich kippt alles in einen Ernst, den die AktivistInnen nicht beabsichtigt hatten. Die Revolution ist eben kein Spiel.

Für den Film haben Sie eine interessante Erzählform gewählt: Wir sehen vermeintliches Amateur-Filmmaterial, in dem ein Aktivist den Überfall auf
die Bank festhält. Warum?

Ich wollte erreichen, dass der Zuschauer/die Zuschauerin spüren kann, was dieses politische Engagement bedeutet und was schwierig daran ist. Ich zeige auch die Ängste und Zweifel der AktivistInnen und wie sie sich immer wieder selber kritisieren. Um diese Intimität herzustellen, eignet sich ein Familienfilm doch am besten. Ich spiele mit dem Anschein, dass es sich um dokumentarisches Material handelt. So entsteht nicht diese Barriere und das Gefühl, der Inhalt habe nichts mit einem zu tun. Ich mag die Vorstellung, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist, wenn die ZuschauerInnen den Kinosaal verlassen.

Am Schluss des Films spricht der Kameramann zu seiner Tochter, der er das Filmmaterial zeigt, sie könne nun ihre eigene Geschichte daraus  gestalten. Was meinen Sie damit?

Es geht mir nicht um die Frage, ob solche Aktionen gut oder schlecht sind. Junge, politisch denkende Leute können sich meinen Film anschauen und vielleicht werden sie davon inspiriert. Es geht mir darum, dass wir weiter über Geschichten wie die von Hugues diskutieren und nicht vergessen, dass solche Dinge möglich sind.

Die Geschichte von «Opération Libertad» erinnert an den Film «Die fetten Jahre sind vorbei». Wurden Sie von diesem Film beeinflusst? 

Ich habe mir diesen Film natürlich angesehen und auch einen der Schauspieler, Stipe Erceg, übernommen. Der Film ist gut gemacht, aber ich finde es problematisch, dass er in der Gegenwart spielt. Alles, was der Film zeigen kann, sind symbolische Aktionen: Leute, die in ein Haus einbrechen und Möbel verrücken. Und dennoch werden die AktivistInnen erwischt. Der Film hat aber Recht, wenn er zeigt, dass es heute nicht mehr viele Spielräume gibt. Man wird heute viel schneller erwischt oder gar getötet. Man muss sich bewusst sein: Für militante Aktionen muss man heute bereits sein zu sterben. Die einzigen, die das auf breiter Basis bereit sind zu tun, sind islamistisch Terroristen. Andere politische AktivistInnen weichen daher auf die symbolische, mediale Ebene aus.

Auch die Gruppe in Ihrem Film plant ein solche Medienspektakel, das aber misslingt. Ihre Aktion wird von den Medien totgeschwiegen. Sind Sie diesbezüglich also pessimistisch?

Die Aktion im Film geht ja nicht völlig schief, denn das gestohlene Geld aus der Bank wird danach an GenossInnen im Ausland weitergegeben. Die Aktion ist zur Hälfte erfolgreich und scheitert zur Hälfte. Aber so ist das ja immer mit dem politischen Kampf. Man gewinnt oder verliert nie klar. Für mich ist es wichtig, schon den Willen, bis zum Ende zu gehen, als Erfolg zu sehen. Oder um es einfach zu sagen: Die Bewegung ist wichtiger als ihr Ziel.

Dieser Wille ist heute eine Seltenheit geworden.

Man sieht aber auch überall auf der Welt Leute, die den Atem dazu haben, Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Es gibt ja auch in Europa und den USA wieder Protestbewegungen. Doch es sieht für mich manchmal so aus, als würden sie gegen eine riesige Wand anrennen. Es scheint heute klar zu sein, dass wir etwas verändern müssen. Wir müssen aber noch nach einem Weg dafür suchen. Mit meinem Film kann ich höchstens zu dieser Suche anregen.

Ihr Film ist aber keineswegs neutral. Sie haben doch offensichtliche Sympathien mit Ihren ProtagonistInnen.

Mein Herz schlägt für eine Seite, das ist klar. Ich bin nicht jemand, der den Kompromiss sucht, ich will aber auch nicht belehrend oder paternalistisch sein. Ich fühle mich auf jeden Fall tief verbunden mit den Aufständischen auf der ganzen Welt.

Aus der vorwärts-Ausgabe vom 26. Oktober 2012

Zwischen Abbau & Disziplinierung

Die nationalrätliche Sozialkommision (SGK) bereitet zur Zeit den zweiten Teil der 6. Revision der Invalidenversicherung (IV) vor. Damit wird die Mitte 2000er Jahre eingeläutete «Sanierung» der IV abgeschlossen. Was als schlichte «finanztechnische» Reform erscheint, ist ein Frontalangriff auf Behinderte, Erwerbslose und schliesslich auf alle Lohnabhängigen. Sozialabbau und Sozialdisziplinierung bilden dabei die Stossrichtung der Revision. 

Der zweite Teil der 6. IV-Revision (6b) sieht in erster Linie drei wichtige Veränderungen vor: Erstens soll ein stufenloses Rentensystem das Vier-Stufen-System ersetzen, ganze Renten werden erst ab 80 Prozent Invaliditätsgrad gesprochen (früher bei 70 Prozent). Zweitens zielt diese Revision auf die verstärkte Arbeitsmarktintegration besonders von psychisch Behinderten, dafür sollen die Eingliederungsmassnahmen ausgeweitet werden. Drittens wird die Regelung für RentnerInnen mit Kindern neu festgelegt, sie erhalten nur noch eine 30 Prozent Rente (früher 40 Prozent). Kurz: Die IV-Revision 6b führt den Trend zur Senkung sowohl von neuen wie auch von laufenden Renten fort.

Raus aus der IV

Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die jetzige Teilrevision isoliert und in sich geschlossen zu betrachten. Die aktuellen Bemühungen von Parlament und Bundesrat, die IV «finanziell zu stabilisieren», betten sich in ein langjähriges Programm sozialen Umbaus in der IV ein. Die 2007 eingeführte 5. IV-Revision hatte zum Ziel, durch ein «Früherfassungs- und Frühinterventionssystem» die Neurenten um 30 Prozent zu kürzen. Dies wurde auch erreicht: Zwischen 2003 und 2011 ist die Anzahl neuer Renten um 47 Prozent gesunken. Es ist aber zu bezweifeln, dass der Rentenrückgang tatsächlich auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zurückzuführen ist. Eine Studie zur Wirkung von Eingliederungsmassnahmen stellt fest: «Es ist darauf hinzuweisen, dass in der Mehrzahl der Evaluationsstudien zur aktiven Arbeitsmarktpolitik in verschiedenen Ländern kein positiver und oft ein negativer Effekt von Beschäftigungsprogrammen auf die Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu werden, gefunden wird. Insofern kann also nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Weg zu deutlich erhöhter Erwerbstätigkeit der betroffenen Personen führt». Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass gewisse Erkrankungen und Behinderungen – vor allem somatoforme Schmerzstörungen – schlicht aus der IV «wegdefiniert» wurden. Dass die SozialdemokratInnen nun in ihrer Mitteilung zur laufenden Revision fordern, dass «statt die Renten zu kürzen, die Eingliederung der Menschen in den Arbeitsmarkt verbessert werden muss», mutet angesichts dieser Erkenntnis zynisch an.

Technokratischer Neusprech

Wurden durch die 5. IV-Revision die «Kosten gesenkt», so sollte die IV-Zusatzfinanzierung Mehreinnahmen für die «Sanierung» der IV generieren. Im 2009 wurde die Mehrwertsteuer für sieben Jahre um 0,4 Prozent erhöht. Die parlamentarische Linke unterstützte diese Erhöhung. Nur: Durch die Mehrwertsteuererhöhung zahlen vorwiegend niedrige und mittlere Einkommen – und nicht zuletzt die IV-RentnerInnen selbst – diese Massnahme. Durch eine Besteuerung von zusätzlichen 0,2 Prozent der Vermögen über 10 Millionen Franken hätte das Defizit innerhalb von sieben Jahren und jährlichen Zusatzeinnahmen von 0,5 Milliarden Franken beseitigt werden können. Auch diese rein «technisch» erscheinende Revision visierte somit die Senkung des «gesellschaftlichen Lohnes» an.

Assistenzbeitrag gegen Frauen?

Das Hauptelement des ersten Massnahmenpakets der 6. IV-Revision trugt den Titel: «Eingliederungsorientierte Rentenrevision: Neu sollen grundsätzlich auch schon laufende Renten systematisch darauf überprüft werden, ob bei ihren BezügerInnen ein Potenzial zur Wiedereingliederung vorhanden ist.» Damit konnte der Bestand der Renten noch einmal massiv reduziert werden. Wurde die 5. IV-Revision nur knapp erfolglos mit dem Referendum bekämpft, wurden diese Massnahmen breiter akzeptiert. Das Parlament hatte von den Erfahrungen einige Jahre zuvor gelernt und baute den «Assistenzbeitrag» in die Revision ein. Damit sollten die IV-BezügerInnen selbst für die individuell benötigten Hilfeleistungen jemanden anstellen können, unabhängig von der bestehenden institutionellen Hilfe. Was wie ein Schritt Richtung «Selbstbestimmung» aussieht, entpuppt sich als Privatisierung der Hilfe und als Zementierung der Geschlechterverhältnisse. Denn es sind meist Frauen und Mütter, die zu Hause bleiben und behinderte Kinder und Männer unterstützen. Der «Assistenzbeitrag» ändert auch nichts daran.

Angriffe auf alle Lohnabhängigen

In einer immer kränker machenden Arbeitswelt (70 Prozent der Befragten gaben 2011 an, am Arbeitsplatz psychischem Druck ausgesetzt zu sein) wird der Platz für Menschen mit Behinderungen verschwindend klein. Die gezwungene Wiedereingliederung unter solchen Umständen erhöht ihr Leiden und ruft gar neue Leiden hervor.

Mit diesen Revisionen wird suggeriert, dass nicht die Mechanismen des globalisierten Kapitalismus an den Nöten der Menschen schuld sind, sondern die Betroffenen selbst. Mit der Ausschliessung aus der IV werden sie zudem als «asozial», «unfähig» und «unangepasst» gebrandmarkt. Dadurch sollen die (Noch-)Erwerbstätigen unter Druck gesetzt werden, sich angepasst zu verhalten, um nicht selbst in die «Kaste der Asozialen» zu fallen. Umso mehr beugen sie sich den UnternehmerInnen und geben sich allgemein autoritätsunterwürfig. Der Sozialabbau und die Sozialdisziplinierung treffen somit sowohl die Erwerbstätigen wie auch die Erwerbslosen. Dem Kapital kommt das gelegen, denn es geht ihm um den Profit, nicht um die Menschen. Diese Revision gehört also mit allen Mitteln bekämpft.

Aus der vorwärts-Ausgabe vom 26. Oktober. Unterstütze uns mit einem Abo.

Gegendarstellung

Transpi an der Langstrasse

Persönliche Gegendarstellung eines/einer DemoteilnehmerIn des «Demonstrativen Stadtspaziergangs» vom Sa. 27.10.12 in Zürich K4, welche dem vorwärts zugespielt wurde.

Ab 20:30 versammelten sich ca. 350 Leute bei winterlichem Schneefall auf dem Güterbahnhof Areal mit Musikanlagen, einem Holzpolizeiauto, einem grossen getragenen Sarg des Güterbahnhofs, einer Mobilen „Ghetto-Tonne“ um sich die Finger wärmen zu können und einer mobilen Bar.

Geplant war ein Stadtspaziergang mit Musik und Reden an neuralgischen Punkten des Kreis 4, um auf die Verdrängungspolitik aufmerksam zu machen. Z.B. bei der Bäckeranlage wäre eine Rede geplant gewesen, wo darüber informiert worden wäre, wie die Polizei mit dem Wegweisungsparagraphen unliebsame Elemente aus dem Quartier loswerden wollen. Auch eine wichtige Form der Aufwertung eines Quartiers (wichtig für wen?).

Vgl. z.B. http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Wie-die-Polizei-das-Gesetz-auslegt/story/27115866

 


Um 21H setzte sich der Zug in Bewegung und versuchte vom Güterbahnhofparkplatz auf die Hohlstrasse zu gelangen. Nach keinen 3 Metern wurde der Demonstrationszug (massiv) mit Gummischrot attackiert.

Weder wurde – nach Polizeireglement vorgeschrieben – das Gummischrotgewehr defensiv eingesetzt, noch wurden die erforderlichen 20Meter Abstand eingehalten, welche nur im Notfall unterschritten werden dürften.

Diese Einschätzung, dass die Polizei ohne Vorwarnung offensiv die Demo mit Gummischrot attackiert hat, wurde von einem Fotografen zwei Stunden später in einem Gespräch geteilt.

Gummischrot ist übrigens keine Bagatellwaffe. Im Schnitt passieren bei jedem ~1000 Schuss Augenverletzungen bei den Attackierten. Ein 40Jähriger Graphiker in der PdA sieht auf einem Auge nur noch 10% wegen Gummischrot. In anderen Ländern z.B. Österreich braucht es deswegen auch eine richterliche Verfügung, um Gummischrot einsetzen zu dürfen.

Nun denn die Demo reagierte und feuerte Feuerwerkskörper in Richtung Polizei. Es flogen keine Flaschen oder Steine. Gleichzeitig wurde von der Demoleitung der Polizei per Megafon mitgeteilt, dass dies ein friedlicher Stadtspaziergang sein soll mit Reden und Musik. Die Polizei antwortete mit Tränengas und Gummischrot.

So musste sich der Demozug wieder ins Innere des Güterbahnhofsareal auf den Parkplatz zurückziehen um sich zu beraten. Dies wurde aber gekonnt durch die Polizei verhindert, in dem sie auch auf das Güterbahnhofareal vorstiess  und weiter mit Gummischrot auf die Menschen schoss. Die Demo konnte durch einen kleinen Seitengang doch auf die Hohlstrasse vorstossen.

Am nächsten Tag war ich nochmal auf dem Güterbahnhofareal. Der Parkplatz war übersäht mit Gummischrot Projektilen. Notabene ist der Güterbahnhofparkplatz kein Ort, an welchem der Verkehr oder irgendwer behindert würde. Es war ein Parkplatz.

Bei der Station Güterbahnhof wurden daraufhin Strassenbarrikaden errichtet, um sich vor dem anrollenden Wasserwerfer und den Riot-Cop-Polizeiwagen zu schützen.  Dann bog man ins Quartier ab und spurtete durch das Quartier. Die Demo versuchte trotzdem über die Bahngeleise in Richtung Bäckeranlage vorzustossen. Die Demo war aber zu versprengt, um sich noch effektiv gegen den Wasserwerfer und die anrollende Armada der Polizei zu schützen.

So löste sich die Demo auf und besammelte sich 45Minuten später nochmals an der Langstrasse, ungefähr halb so gross wie zuvor, um den kleine Rest des Spaziergangs und das abschliessende Konzert trotzdem noch durchführen zu können. Die politischen Reden wurden aber leider gekonnt durch die Polizei verunmöglicht.

So zog man noch durch die Langstrasse, und in der Neufrankengasse konnte man von 23H weg doch noch das geplante Live-Konzert auf einem Lieferwagen durchführen. Es war eine gute Stimmung. Die Leute auf der Strasse, reagierten extrem positiv «endlich macht mal wer etwas », «schön dass es Leute gibt die immer noch kämpfen». Die Passantinnen sind sogar auf die Demo und die FlyerverteilerInnen zugekommen, um einen Flyer zu bekommen und es gab viele gute Gespräche.

Als das Konzert vorbei war, die Ghettotonnen gelöscht und abtransportiert und die meisten Leute auf dem Nachhauseweg, attackierte die Polizei den kleinen Rest der Demo nochmals mit voller Kraft. Sie spritze dann auch noch mit dem Wasserwerfer in die Marsbar, um die «bösen Jungs» die sich dort versteckten zu bestrafen. Eine Passantin oder Demonstrantin, die das Gespräch mit der Polizei suchen wollte, wurde mit Pfefferspray angegriffen. Aber was können die Leute dort tun? Was können wir allgemein gegen Polizeiübergriffe tun, wenn selbst Polizeigewalt Opfer-Anwälte den Opfern raten, ja nicht zu klagen, weil man sonst eine Gegenklage am Hals hat`? Ich sage nur «Eldar S.»

Meine Vermutung zu dieser Polizei-Schlussaktion an der Neufrankengasse ist, dass die Polizei nochmals gute Bilder produzieren wollte, welche durch die Medien gehen konnten, damit die ganze Veranstaltung in den Medien und bei den Menschen, welche nicht dort waren diskreditiert werden konnte.

 

Analyse der Medienberichterstattung

Ich hoffe immer noch darauf, dass den Menschen auffällt, dass bei solchen Meldungen fast ausnahmslos auf allen Newsportalen die gleiche SDA (Schweizerische Depechen Agentur) mit einem anderen Lead und evt. Einem anderen Bild reproduziert wird. Nur Blick.ch und 20min.ch schreiben ein wenig mehr, oder haben noch ein abstruses Videöchen.  Bei Blick.ch wird im Video ja auch gesagt, dass die Polizei mit Gummischrot «antwortete» was halt nicht der Fall ist und normalerweise auch einfach immer falsch ist. Normalerweise reagiert eine Demo auf Polizeigewalt. So geschehen z.B. am Bellevue oder auch am Central (wobei es dort wirklich aufgeheizt war und eigentlich zeitgleich Chlöpfte). Etc. etc.

Ich habe kein einziges Medium gefunden, welches zumindest teilweise auf den Inhalt des Flyers oder auf das Konzert an der Neufrankengasse eingegangen ist.

Link zum Communiqué der Demoleitung, zum verteilten Flugblatt und zu einigen Bildern: http://switzerland.indymedia.org/de/2012/10/87840.shtmlFronttransparent

 

Wer bewohnt die Stadt?

In der Stadt Bern sind Wohnungen und vor allem günstige Wohnungen rar. Die Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr. Da von der Stadt nur wenig bis nichts passiert, um dem Wohnungsmangel entgegenzutreten, greifen wir selbst ein und bauen auf dem Kornhausplatz Wohnungen, wie sie wohl entstehen werden, wenn sich nicht bald massiv was ändert.

Am 29. Oktober 2012 um 10:00 Uhr baut die Partei der Arbeit Bern auf dem Kornhausplatz mehrere 1-Zimmer-Wohnungen, wie sie in immer mehr Städten der globalisierten Welt schon üblich sind, um der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Mit diesen Schachtel-Wohnungen wollen wir auf die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt aufmerksam machen, welcher vor allem für Familien mit tiefen und mittlerem Einkommen hart trifft.

Geht es nach dem Willen des Gemeinderats, dann sollen aber weiter günstige Wohnungen im Besitz der Stadt vernichtet und dafür «gute Steuerzahler» angelockt werden. Verkauft wird uns das dann als «soziale Durchmischung» und «ökologische Nachhaltigkeit» – wie bei Stöckacker Süd! Wir nennen es aber beim Namen: soziale Vertreibung! Wir werden weiter kämpfen gegen die Vernichtung von günstigem Wohnraum und gegen die scheinheilige Politik der «sozialen Aufwertung» (Gentrifizierung) städtischer Quartiere. Und wir fordern eine aktive Wohnpolitik im Interesse der unteren Einkommen. Schluss mit der Vertreibung von Menschen, die sich keine teure Wohnung leisten können! Holen wir uns den Boden bei denen, die ihn der Allgemeinheit nie zurückgegeben haben: bei den Burgern!

Die Stadt denen, die hier wohnen!

Das Geschäft mit dem Hunger

Für viele ist es ein Spiel, das derzeit auf dem Nahrungsmittelmarkt abläuft. Ein Spiel mit einigen wenigen GewinnerInnen und Milliarden von VerliererInnen: Die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Um der Profitmacherei mit dem Leid anderer einen Riegel vorzuschieben, hat die JUSO Schweiz eine Volksinitiative für ein Spekulationsverbot mit Nahrungsmitteln lanciert. Aus dem vorwärts vom 12. Oktober. Unterstütze uns mit einem Abo.

Spekulation mit Nahrungsmitteln gibt es nicht erst seit dem 21. Jahrhundert. Schon seit langem sichern sich ProduzentInnen und HändlerInnen von landwirtschaftlichen Produkten ab, indem sie bereits vor der Ernte einen bestimmten Preis pro Liefermenge vertraglich vereinbaren. Diese Preisabsicherung bietet dem Bauern oder der Verarbeiterin Planungssicherheit und macht für alle Beteiligten Sinn.

Absolut keinen Sinn macht hingegen die exzessive Spekulation auf Nahrungsmittel, wie sie insbesondere in den letzten Jahren viel Leid verursacht hat: Seit Ende der 1990er Jahre eine Reihe von Deregulierungen ausgesprochen wurden, sind Wetten auf Preisentwicklungen von Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen zu einem profitablen Geschäft geworden. Es erstaunt wenig, dass die SpekulantInnen ihre Machenschaften in diesen Markt verlegten, nachdem 2006 mit der Subprime-Krise die Immobilienmärkte zusammenbrachen – ein neuer, rentabler Markt musste gefunden werden.

Nahrung für zwölf Milliarden

Die Zahlen des Food Price Index der UN-Landwirtschaftsorganisation sprechen eine deutliche Sprache: Innerhalb der letzten sechs Jahre haben massive Schwankungen der Lebensmittelpreise sowie ein tendenzieller Anstieg stattgefunden. Dieser Anstieg war so stark, dass Weizen, Mais und Reis 2011 durchschnittlich 150 Prozent teurer waren als im Jahr 2000. Fakt ist: Es wird nicht gehungert, weil zu wenig Nahrung produziert wird – weltweit können Lebensmittel für zwölf Milliarden Menschen produziert werden. Es wird gehungert, weil sich Menschen in den wirtschaftlich wenig entwickelten Ländern die Nahrungsmittel, die sie zum Leben brauchen, schlicht nicht mehr leisten können. – Ein Anstieg der Lebensmittelpreise um ein Prozent verursacht, dass zusätzliche 15 Millionen Menschen hungern müssen. Weltweit leiden deswegen 950 Millionen Menschen täglich an Hunger und Mangelernährung – ein Siebtel der Weltbevölkerung.

Umso zynischer wirken die Argumente der bürgerlichen GegnerInnen: Für sie sind einzig Dürren, der Anstieg von Biosprit, die erhöhte Nachfrage von Schwellenländern und Exportbeschränkungen für den Anstieg der Preise verantwortlich – Spekulation habe keinen Einfluss, so der Tenor. Doch Dürren und Exportbeschränkungen gab es schon vor den Preisanstiegen und als 2009 mehr Biokraftstoff produziert wurde als je zuvor, sanken die Preise dennoch kurzzeitig massiv. Natürliche Faktoren mögen zu einem Preisanstieg führen – aber nur Spekulation hat die Macht, derartige Preisausschläge zu verursachen und natürliche Faktoren um ein Vielfaches zu verstärken. Dies hat mittlerweile auch schon so mancher neoliberaler Marktfundamentalist begriffen. So hat 2011 das WEF die Einschränkung der Spekulation zu ihrem Hauptjahresziel gemacht, die deutsche Commerzbank hat die Preiswetten auf den Lebensmittelmärkten ganz eingestellt und die USA, einstiges Kernland der Nahrungsmittelspekulation, haben einige Deregulierungen wieder rückgängig gemacht.

 

Kampf den Hungermachern!

Diese Tatsachen halten das Finanzkapital in der Schweiz freilich nicht davon ab, sich am Elend anderer Menschen zu bereichern. Es ist daher notwendig, dass politische Massnahmen gegen die HungermacherInnen und ihre VollzugsgehilfInnen in den Parlamenten ergriffen werden. Zu gross ist die Gefahr, dass die Schweiz, wie in so vielen Bereichen der Finanzwirtschaft, Oase für die widerlichste Form der Profitmacherei wird. Da die Schweizer Grossbanken (die Pensionskassen spekulieren übrigens auch) und Agrarhandelskonzerne einen grossen Teil der weltweiten Spekulation mit Nahrungsmitteln mittragen und einige der grössten Rohstoffunternehmen der Welt, wie Glencore, ihren Hauptsitz in der Schweiz haben, ist es wichtig, dass der Kampf gegen den Hunger und seine VerursacherInnen gerade auch in der Schweiz geführt wird.

Die JUSO Schweiz hat daher am 1. Oktober 2012 die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» lanciert. Unterstützt wird sie bislang von Jean Ziegler, ehemals UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung, der SP, den Grünen, den jungen Grünen, dem Hilfswerk Solidar, Swissaid und dem linken Bauernverband Uniterre. Dass heutzutage einige wenige superreiche VertreterInnen des Finanzbanditismus ganz legal astronomische Gewinne durch das Geschäft mit dem Hunger verdienen, ist ein nicht haltbarer Zustand und Jean Ziegler trifft mit seinen Worten den Kern der Sache: «Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet. Die Weltordnung des globalisierten Kapitalismus ist nicht nur mörderisch, sondern auch absurd. Sie tötet, aber sie tötet ohne Notwendigkeit.»

Deshalb: Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln! Initiative unterschreiben jetzt und hier!!

 

 

 

Die Wirklichkeit wird verdrängt

«Nur Namibia und Singapur sind ungleicher als die Schweiz». Prekarisierung, Verteilung des Wohlstands oder Demografie, überall wird die Wirklichkeit zugunsten falscher Ansichten verdrängt. Davon ist Ueli Mäder überzeugt. Im GZ Riesbach zeigte der Soziologe vor den GenossInnen der PdA Zürich an deren Basar auf, was man aus wissenschaftlicher Sicht dagegenhalten kann. Aus der aktuellen Ausgabe des vorwärts. Unterstütze uns mit einem Abo.

Ein Genosse im Plenum wollte es von Ueli Mäder dann doch noch genauer wissen. Schliesslich hatte sich dieser am Schluss seines Vortrags etwas gar kurz ausgedrückt, obwohl es da um seine Schlussfolgerungen fürs politische Handeln ging. Er hatte vom Wiederaufkommen des politischen Liberalismus, von Umverteilung und dem Gleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit gesprochen, nicht aber von grundlegenderen Veränderungen. Das war dem Genossen zu ungenau. Umso erfreuter war er jedoch, als Mäder sich als standhaften Sozialisten outete: «Ich bin einer von denen, die das <Kapital> nicht nur einmal gelesen haben», verkündete er. Auf dem Gesicht des Genossen machte sich ein Lächeln breit.

Die PdA Zürich hatte Mäder, der eine Professur für Soziologie an der Uni Basel inne hat, an ihren Basar ins GZ Riesbach eingeladen, um übers Thema «Prekariat» zu sprechen. In seinem Referat konzentrierte sich Mäder darauf, zu erklären, wie es in der Schweiz seit den Siebzigerjahren zu einer zunehmenden Prekarisierung kommen konnte. Noch Anfang der Siebziger lag die Arbeitslosenquote in der Schweiz nahe bei null Prozent. «It’s getting better all the time», diese Zeilen der Beatles drücken für Mäder aus, wie man damals über die wirtschaftliche Lage gedacht hat. Aufwärts ging es auch weiterhin, nur nicht für alle.

Die Prekarisierung nimmt zu, 

aber wie kam es dazu?

Mäder zeigt drei entscheidende Gründe dafür auf: Erstens habe sich das Machtzentrum der Welt durch die Globalisierung zuerst westwärts verschoben und dann als solches aufgelöst. Die Konkurrenz auf dem Weltmarkt sei verschärft worden, wodurch der Druck angestiegen sei, die Arbeit zu rationalisieren. Zweitens sei auf den politischen Liberalismus der Siebziger, der die Gleichbehandlung von Kapital und Arbeit vorsah, das Modell des angelsächsischen Finanzkapitalismus gefolgt. Mäder spricht im Sinne Antonio Gramsci von einer Überlagerung. Wie er anhand verschiedener Beispiele ausführt, prägt diese Verschiebung die allgemeine Meinung massgeblich. Drittens hinkten die Sozialsysteme der Entwicklung der Lebenswelt hinterher.

Mäder präsentierte allerhand Zahlen. Zum letzten Punkt etwa diese: In Zürich leben gerade mal noch 15 Prozent der Menschen in einer klassischen Kleinfamilie. Zwar komme das Bundesamt für Statistik (BFS) dieser Tatsache entgegen, indem mit Haushalten statt mit Familien gerechnet würde. «Will man zum Beispiel die Zahl der <Working Poor> bestimmen, ist diese Art zu rechnen aber trügerisch, weil oft mehrere Menschen von einem Haushaltsbudget leben müssen», sagt Mäder. Das BFS kommt auf 200 000 «Working Poor», Mäder auf über eine halbe Million.

 

Immer mehr prekäre Arbeitsverhält-

nisse, «aber wo ist das Problem?»

Für sein letztes Buch «Wie Reiche denken und lenken» hat Mäder neben statistischer Arbeit auch Interviews mit Reichen geführt. «Als ich Daniel Vasella mit den wachsenden Zahlen an Erwerbsarmut und prekären Arbeitsverhältnissen konfrontiert habe», erzählt Mäder «hat er mir sofort zugestimmt und angefügt: ‹Aber wo ist das Problem?›» Die Anekdote spiegelt für Mäder auch eine Verschiebung in der allgemeinen Meinung zu diesen Themen. Eine zunehmende Akzeptanz der Prekarisierung ist die Folge.

Bezüglich des Verhältnisses von Kapital und Arbeit herrsche in Thinktanks derzeit die Meinung vor, das Kapital sei gegenüber der Arbeit deutlich zu begünstigen. «Ich stelle aber fest, dass diese Ansicht gerade unter sehr reichen Leuten zunehmend relativiert wird», sagt Mäder. Viele der Reichen, die Mäder für sein Buch interviewt hat, sähen eine zunehmende Gefahr in den grossen sozialen Ungleichheiten. Es sei durchaus aussagekräftig, wenn sich bei denjenigen, die viel zu verlieren haben, solche Meinungsänderungen zeigten.

So viele Studien, aber welche 

ist die richtige?

Auch mit der Verwendung von Statistiken spiegeln sich solche Verschiebungen. Eine neue OECD-Studie etwa, die zu zeigen versuche, dass die Lohnunterschiede in der Schweiz gar nicht so hoch sind, werde von den meisten Medien unreflektiert zitiert. Dies, obwohl die Studie noch weiter gehe als die von Economiesuisse. Zu falschen Schlüssen kämen aber beide, weil sie mit Nominallöhnen statt mit verfügbaren Löhnen rechneten. «Die untersten Löhne haben seit den Neunzigerjahren um etwa zwanzig Prozent abgenommen», hält Mäder dagegen.

Auch was die Sozialversicherungen angehe, herrschten oft falsche Ansichten vor. Auch die GenossInnen der PdA Zürich bleiben davor nicht verschont und fallen auf Mäders Fangfrage herein, ob in der Schweiz mehr Leute über 65 Jahre oder mehr unter 20 Jahre alt seien. Letzteres ist richtig. Auch treffe die von der Regierung immer wieder beschworene Verschuldung der AHV nicht zu, in Wahrheit sei sie bisher immer zumindest kostendeckend gewesen. «Nächste Woche spreche ich an der Universität St. Gallen und werde da die Zahlen dazu präsentieren», meint Mäder. «Die sind dann jeweils überrascht, wenn ich sage, dass die AHV eigentlich hochrentabel ist.»

 

Die Reichen ahnen, dass sie 

in Gefahr sind

Aus sozialistischer Sicht seien die Besitzverhältnisse schlussendlich aber am wichtigsten. Und in dieser Frage ist die Schweiz global das beste Beispiel: Das Vermögen pro Kopf ist mit Abstand am höchsten, jedeR zehnte MilliardärIn der Welt wohnt hier und gleichzeitig sind die Vermögen so ungleich verteilt wie fast nirgendwo sonst. «Nur in Namibia und Singapur ist der Reichtum noch ungleicher verteilt als in der Schweiz». Die 300 Reichsten Menschen besitzen hier zusammen 470 Milliarden Vermögen. Ihr kleiner Verlust von 10 Milliarden während der Finanzkrise ist längst wettgemacht.

Dass sogar die Reichen selbst dies langsam gefährlich finden, konnte man aus Anlass der grossen Krise vermehrt beobachten. Leute wie George Soros haben in den USA höhere Steuern für Reiche gefordert. «Vielen der Reichen, mit denen ich gesprochen habe, befürworten zum Beispiel die Abschaffung der Pauschalbesteuerung, obwohl sie davon profitiert haben», sagt Mäder. Viele dieser Leute sähen ein, dass nur eine Rückkehr zum politischen Liberalismus die Stabilität der Gesellschaft und damit ihren Status sichern könne. Es ist durchaus plausibel, dass dies nicht gelingt. Dass sich daraus auch Chancen ergeben, liegt für uns auf der Hand.

Eric Hobsbawm

Eric Hobsbawm war einer der wichtigsten marxistischen Intellektuellen der Welt. Auch, weil sich bei ihm auf einzigartige Weise Biographie und Wissenschaft verbinden. Nun ist er im Alter von 95 Jahren gestorben. Aus dem vorwärts vom 12. Oktober 2012.

Wie kein anderer verband Eric Hobsbawm kritische Analyse und Intervention mit Zeugenschaft. Nicht nur die schiere Menge von Material, Statistik und Themen, über die der britische Historiker bis in sein hohes Alter hinein virtuos verfügte, sondern auch die Tatsache, dass Hobsbawm die entscheidenden weltgeschichtlichen Ereignisse am eigenen Leib erfuhr, verleiht seiner publizistischen und politischen Tätigkeit eine Autorität, die ihres Gleichen sucht. Hobsbawm war ein engagierter Intellektueller und er war ein linker Intellektueller. Aber seine politische Parteinahme war nicht einfach das, was man  weltanschaulich nennt. Von Erfahrung gesättigt und motiviert war sie ebenso wie sie den Ausdruck wissenschaftlicher Einsicht und Anstrengung bedeutete. Die Gewissenhaftigkeit von Hobsbawms umfassenden historischen Darstellungen und theoretischen Einsätzen ist von seinem Selbstverständnis als marxistischem Autor nicht zu trennen.

Dass die Welt sich nicht vergesse

Aber auch die unbeirrbare Orientierung am Konzept einer Weltgeschichte bestimmte in Hobsbawms Arbeit die Aufgabe des historischen Materialisten zur politischen Tätigkeit. Man kann hinter dem Konzept der Weltgeschichte eine genuin marx’sche Einsicht am Werke sehen: Weltgeschichte ist keine a priori gegebene Idee, sondern von historischer Materialität, eine Möglichkeit, die der Kapitalismus als globalisierendes und globalisiertes Phänomen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte realisiert. Diese Reflexion gibt der Aufgabe des Historikers erst ihre Form; sie mit Inhalt zu füllen, ohne den Ideologemen erfundener Traditionen, Mythenbildungen oder eurozentrischer Chauvinismen zu erliegen, ist ihr Probierstein. Vor ihm zu bestehen, hat Hobsbawm sich bemüht. Das ergibt die Breite seiner Darstellungen: Er konfrontierte die grossen Persönlichkeiten mit den kleinen, die wenigen Privilegierten mit den Massen, die Ökonomie mit den Entwicklungen in Kunst und Kultur und die erste Welt mit derjenigen, die jene auf sich zu reduzieren versucht. Und über alldem thront der kategorische Imperativ  geschichtlichen Erzählens: Dass die Welt sich nicht vergesse.

Dem Vergessen sah Hobsbawm vor allem die radikale Ideologie des sich selbst genügsamen Marktes zuarbeiten. Dagegen brachte er reale Geschichte in Anschlag. Er hatte sie alle kommen und gehen sehen, die Weimarer Republik, als liberale Hoffnung, das tausendjährige Reich der Faschisten, das diese ablösen sollte, den Aufbau der Nachkriegsordnung mit ihrer Verschränkung von Sozialdemokratie und Nationalstaatlichkeit und schliesslich die neoliberalen Angriffe darauf.  Der Antrieb, zu erinnern, ist die leibhaftige Reaktion auf die Welt. Hobsbawm hat sich selbst als einen Schöngeist beschrieben und im gleichen Atemzug  die Urszene seiner Politisierung: Eine Jugendlicher, der sich in der untergehenden Weimarer Republik dem Sozialistischen Schülerbund anschliesst und 1933 am letzten Marsch der Arbeiterbewegung durch Berlin teilnimmt. Als Jude und Linker gleich doppelt vertrieben und im konservativen England als aufstrebender Akademiker der Arbeiterbewegung verschrieben: Hobsbawms Engagement verschränkt Individuellstes und Allgemeinstes.

Bis zuletzt Mitglied der Kommunistischen Partei Englands

So lässt sich die übliche Nachrede und Kritik am Wissenschaftler Hobsbawm vielleicht umdrehen: Nicht seine Weltanschauung hat seine wissenschaftliche Tätigkeit verunreinigt, vielmehr hat seine Forschung ihn dazu gebracht, die Welt als Bereich analytischer Intervention wahrzunehmen. Und die  Verantwortung, begreifend zu erinnern, bedeutete ihm nicht nur, in die Kommunistische Partei Englands einzutreten, sondern auch, ihr bis zuletzt – dem Untergang der Sowjetischen Alternative – angehörig zu bleiben. Nichts hat Hobsbawm mehr Kritik, Häme und Unverständnis eingetragen als das; nichts hat mehr psychologistische oder politische Diffamierungsversuche provoziert. Dabei war auch die Zeit, in der das autoritäre Sowjetmodell als realistische politische Option von Hobsbawm ernst genommen wurde, begrenzt. Bald nach dem Krieg setzte er seine Hoffnungen und Bemühungen auf eine Erneuerung von Labour oder fungierte als Vordenker des Eurokommunismus. Was er aber nicht tat, war sich von der Tatsache zu distanzieren, dass ihm und seinen ParteigenossInnen der gewaltsame und gewalttätige Aufbau einer Alternative als einzige politische Antwort auf den Zusammenbruch des  kapitalistischen Westens und seine faschistischen Krisenerscheinungen vor Augen stand. Für einen Augenblick historischer Erfahrung besass die sowjetische Option Aktualität.

So steht Hobsbawm beim zweiten Blick besser da als viele Linke und ihre KritikerInnen. Er war unizeitgemäss. Und dies ist er noch bis kurz vor seinem Tod. Nicht erst seit der Grossen Rezession im Ausgang der Finanzkrise, aber ab dann im medialen Fokus, warnt er vor dem Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten und verbindet seine Warnungen immer mit Einsichten in die strukturelle Beschaffenheit des Kapitalismus. Als Katastrophen-Eric verliehen die Medien ihm die Konturen einer Kassandra. Aber auch als Nichtspezialist in einer Welt von SpezialistInnen, wie er sich einmal nennt, hat er den Nimbus des Hervorragenden. Auch dies ein Gesetz, das die Sache ihm auferlegt. Auch dies eine politische Stellungnahme. Ein institutioneller Aufstieg erfolgt erst spät in der akademischen Karriere, nachdem dem Marxisten seine Publikationen und Lehraufträge bereits zu grosser Bekanntheit verholfen haben. Und erst im hohen Alter sieht sich Hobsbawm an Ehren und Auszeichnungen hochdekoriert. Seine letzten  Publikationen – ein Nachruf auf seine Kollegin Dorothy Wedderburn und eine Aufsatzsammlung zu  Marx und darüber, wie die Welt zu verändern sei – bezeugen als Kerngeschäft die akribische Pflege des politischen Erinnerns. Wie die Welt zu verändern sei – oder vielmehr: Dass. Denn ein Utopist ist einE MarxistIn in Hobsbawms Augen nie, sondern einE kritischeR AnalytikerIn der bestehenden Zustände, die nun einmal die des globalisierten Kapitalismus sind. So gross ist mit dem Verlust des 95-jährigen Historikers der Verlust für alle, die dieses Anliegen teilen. Nur zu erahnen der Verlust derer, die ihn kannten und um die er sich kümmerte. Eric Hobsbawm ist in der Nacht auf den 1. Oktober in einem Londoner Spital verstorben.

Referendum!

Mit einer Lancierungsaktion in Bern und Zürich startete heute das Referendum gegen die dringlichen Massnahmen der Asylgesetzrevision. Das Referendum setzt somit ein klares Zeichen und erteilt der Verschärfungspolitik im Asylwesen eine klare Absage.

Ein breit abgestütztes Referendumskomitee hat heute mit der Unterschriftensammlung begonnen. Erstmals übernimmt dabei mit den Jungen Grünen Schweiz eine Jungpartei den koordinativen Lead in einer migrationspolitischen Referendumskampagne. Ebenfalls beteiligt sind zahlreiche asyl- und migrationspolitische Organisationen, Gruppierungen und Basisbewegungen, wie etwa die Coordination asile Genève, das FIMM Schweiz, die Demokratischen Juristinnen und Juristen Schweiz (DJS) oder das Netzwerk Asyl Aargau. Die Grüne Partei Schweiz und weitere politische Parteien, gewerkschaftliche und kirchliche Kreise unterstützen das Referendum ebenfalls.

Unumstritten unannehmbar
Die klare inhaltliche Ablehnung der Verschärfungen ist unumstritten. Dies wird nicht nur im Referendumskomitee, sondern auch weit darüber hinaus bejaht. Die Gesetzesänderungen richten sich direkt gegen Flüchtlinge und Asylsuchende. Die Abschaffung des Botschaftsverfahrens hat schlicht und einfach die Absicht, Flüchtlinge davon abzuhalten, in die Schweiz zu gelangen. Die Einengung des Flüchtlingsbegriffs macht Deserteure zu Missbräuchern. Und die Einführung von besonderen Zentren, die niemand Lager nennen möchte, will Asylsuchende möglichst aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verbannen. Sie macht «Renitente» zu Kriminellen und öffnet die Tür für Willkür. Dazu kommt ein Freipass für den Bundesrat, der es erlaubt, mit den Beschwerdefristen leichtfertig zu spielen. Auch dies hat direkte negative Folgen für die Asylsuchenden.
Dass all diese Massnahmen für dringlich erklärt wurden ist zudem haltlos. Es zeigt schonungslos die parlamentarische Hilflosigkeit in der Asylpolitik auf und offenbart eine komplett fehlgeleitete Debatte im gesamten Migrationsbereich. In dieser Debatte wurde stets betont, «dass etwas getan werden müsse». Nun wurde etwas getan. Irgendetwas. Dabei wurde nichts beschleunigt und nichts verbessert, es wurde lediglich verschärft.

Absage an Spielchen
Das Referendumskomitee ist mit dieser Politik nicht einverstanden und ergreift deshalb das Referendum. Dies ist das einzig richtige Zeichen gegen die bürgerlichen Spielchen auf dem Rücken der Flüchtlinge und Aslysuchenden. Das Referendum richtet sich gegen eine Politik der Marginalisierung und Segregation, die im Asylbereich stattfindet und weit über dessen Bereich hinaus geht. Man muss gegen diese Änderungen Stellung beziehen. Ob als HumanistIn, als PazifistIn, als aufgeklärte DemokratIn, als libertäres Individuum oder als VerfechterIn von Rechtsgleichheit. Das Referendumskomitee richtet sich deshalb an alle, die eine solche Politik nicht gutheissen mit dem Aufruf, das Referendum zu unterstützen.

Weiter Infos und Unterschriftenbögen zum runterladen unter www.asyl.ch

Bundesrat gegen eine öffentliche Krankenkasse

Zur Volksinitiative „für eine öffentliche Krankenkasse“ soll nach dem Willen des Bundesrats ein Gegenvorschlag ausgearbeitet werden. Damit anerkennt die Landesregierung einen dringenden Handlungsbedarf bei der Krankenversicherung, enttäuscht aber mit einem halbherzigen Entscheid. Der Trägerverein „für eine öffentliche Krankenkasse“ nimmt das positive Signal zwar mit Genugtuung zur Kenntnis; wird jedoch wie geplant an der ursprünglichen Initiative festhalten, weil diese in wichtigen Bereichen die bestehenden Probleme besser und grundsätzlicher löst und darum das wirksamere Mittel gegen die Prämienspirale darstellt. Bekräftigt werden die Initianten auch von Umfragen, welche eine Zweidrittelsmehrheit für eine öffentliche Krankenkasse anstelle eines teuren Schweinwettbewerbs aufzeigen.

Positiv wertet der Trägerverein den Willen des Bundesrats, die obligatorische Grundversicherung strikter vom Geschäft mit den Zusatzversicherungen zu trennen. Dies wird die Versicherungsmodelle transparenter machen. Jedoch hat auch der Gegenvorschlag des Bundesrats den schwerwiegenden Nachteil, dass nach wie vor Dutzende von Versicherungen ihre Modelle anbieten, sich gegenseitig die kostengünstigsten Versicherten abjagen und horrende Beträge in ihre Werbeetats investieren. Ebenso wird ohne eine einzige öffentliche Krankenkasse das Problem der kostentreibenden Versicherungswechsel nicht zu lösen sein. Aus diesen Gründen wird der Trägerverein weiterhin für die Volksinitiative kämpfen und ist sehr zuversichtlich, dass diese auch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird.

www.oeffentliche-krankenkasse.ch

Klarer Sieg für Hugo

Am Montag (Ortszeit) verbreitete der Nationale Wahlrat Venezuelas (CNE) ein aktualisiertes Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Sonntag, das sich auf einen Auszählungsstand von 97,65 Prozent  bezog. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei für das Land historischen 80,72 Prozent. In 22 der 24 Bundesstaaten Venezuelas konnte sich Chávez durchsetzen, nur Mérida und Táchira an der Grenze zu Kolumbien fielen an die Opposition. Auch im von Henrique Capriles Radonski als Gouverneur regierten Miranda setzte sich Chávez – wenn auch knapp – durch. Am Mittwoch soll Hugo Chávez vom CNE offiziell zum Wahlsieger proklamiert werden.

Die Wahlergebnisse im einzelnen:

Hugo Chávez: 8062056 Stimmen, 55,14 Prozent
Davon:

  • Vereinte Sozialistische Partei (PSUV): 6287638 Stimmen (43,01%)
  • Kommunistische Partei (PCV): 482317 Stimmen (3,29%)
  • Heimatland für alle (PPT): 216293 Stimmen (1,47%)
  • Revolutionäre Netzwerke (REDES): 195283 Stimmen (1,33%)
  • Wahlbewegung des Volkes (MEP): 183178 Stimmen (1,25%)
  • Tupamaros: 166.772 Stimmen (1,14%)
  • Für die soziale Demokratie (PODEMOS): 153243 Stimmen (1,04%)
  • Fünf weitere Listen mit Ergebnissen von unter einem Prozent

Henrique Capriles: 6468450 Stimmen, 44,24 Prozent
Davon:

  • Tisch der demokratischen Einheit (MUD): 2154021 Stimmen (14,73%)
  • Zuerst Gerechtigkeit (PJ): 1807320 Stimmen (12,36%)
  • Eine Neue Zeit (UNT): 1189959 Stimmen (8,13%)
  • Volkswille (VP): 467532 Stimmen (3,19%)
  • Fortschrittliche Vorhut (AP): 252213 Stimmen (1,72%)
  • 13 weitere Listen mit Ergebnissen von unter einem Prozent

Reina Sequera:68936 Stimmen, 0,47 Prozent

Luis Reyes: 8063 Stimmen, 0,05 Prozent

María Bolívar: 7308 Stimmen, 0,04 Prozent

Orlando Chirino: 4062 Stimmen, 0,02 Prozent

Ungültige Stimmen: 282865 (1,89 Prozent)

(CNE/jW)

Quelle: junge Welt Online Spezial

Arbeiten rund um die Uhr?

Die Gewerkschaft Unia hat an ihrer Delegiertenversammlung vom 6. Oktober einstimmig festgehalten: Sie ist bereit, das Referendum gegen die derzeit im Parlament diskutierte Ausweitung der Nacht- und Sonntagsarbeit zu ergreifen.

Die parlamentarische Initiative Lüscher verlangt eine Änderung des Arbeitsgesetzes mit dem Ziel, den 24-Stunden-Betrieb bei Tankstellenshops einzuführen und somit die  Nacht- und Sonntagsarbeit auszuweiten. Der Bundesrat hat einen Gegenvorschlag ins Spiel gebracht, der ebenfalls eine Ausweitung der Nacht- und Sonntagsarbeit im Gesetz verankern will. Der Ständerat hat dem Vorschlag des Bundesrates zugestimmt, in der Wintersession wird die Vorlage im Nationalrat beraten.

Personal soll die Rechnung bezahlen

Mit der Vorlage wird das Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit ausgehöhlt und das Arbeitsgesetz weiter durchlöchert. Der Gesundheitsschutz der Angestellten wird dabei den Profitinteressen untergeordnet. Dies ist ein negatives Signal für alle Branchen. Mehr Nacht- und Sonntagsarbeit geht eindeutig auf Kosten der Beschäftigten. Bereits heute bietet die Verkaufsbranche häufig schlechte Arbeitsbedingungen und tiefe Löhne. Die Unia ist darum bereit, das Referendum gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes zu ergreifen. Der Zentralvorstand hat die Kompetenz erhalten, nach der Beschlussfassung im Nationalrat über die Lancierung eines Referendums zu entscheiden.

SGB wird  nachziehen

Eine «Amerikanisierung» der Ladenöffnungszeiten wäre bei vielen der über 1600 Tankstellenshops in der Schweiz wohl bald Realität, hält auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund ( SGB) fest. Er lehnt sowohl die Vorschläge Lüschers als auch die des Bundesrats ab, weil sie zu mehr Nachtarbeit führen würden. «Sollten sich die Deregulierungsbefürworter in der weiteren parlamentarischen Beratung durchsetzen, wird SGB über die Lancierung eines Referendums entscheiden. Entsprechende Forderungen an die Gremien sind bereits gestellt», schreibt der SGB in seiner Medienmitteilung vom 18.September.

Der Ständerat hat am 17.September den bundesrätlichen Vorschlag zur Umsetzung der Parlamentarischen Initiative Lüscher angenommen. Diese verlangt, dass Tankstellen an Autobahnen und «Hauptverkehrsstrassen» (potentiell also an jeder besseren Dorfhauptstrasse!) neu ihre Ladenöffnungszeiten auf 24 Stunden ausdehnen können, inkl. Sonntage. So könnte jeder Shop-Betreiber selbst entscheiden, ob er nachts überhaupt schliessen will.

Weitere Infos dazu hier

 

12‘000 Kumpels entlassen

Der grösste Platin-Produzent der Welt, Anglo American Platinum, hat einem Bericht des südafrikanischen Nachrichtensenders E-News zufolge am 5. Oktober 12‘000 (!)  streikende Kumpels entlassen. Dies berichtete der südafrikanische Nachrichtensender E-News. Die Kumpel hatten wochenlang ihre Arbeitsaufnahme verweigert und sind trotz Erpressungen und Drohungen des Konzerns nicht eingefahren. 100‘000 befinden sich weiter im Streik.

Mit unerhörter Brutalität gehen Konzern und Polizeikräfte gegen die Arbeiter vor. Den Beschäftigten sei per Mail oder SMS gekündigt worden, sagte einer der Streikführer, Gaddafi Mdoda. Polizei und Spezialeinheiten gingen schon seit Donnerstag mit Knüppel und Gummigeschossen gegen die Streikenden vor. Arbeiter verteidigen sich mit Stöcken. «Am Freitagmorgen wurde die Leiche eines Arbeiters entdeckt. Laut Streikführer Mdoda wurde er offenbar von einem Gummigeschoss tödlich verletzt. In dieser Woche starben bereits sechs Menschen während der Proteste», berichtete am 6. Oktober das Onlineportal «südddeutsche.de».Inzwischen berichtet die südafrikanische Nachrichtenagentur, dass über 100.000 Kumpel auf vielen Zechen streiken. Bei schweren Zusammenstössen mit der Polizei waren im August insgesamt 44 Menschen getötet worden; auch am Freitag starb ein Minenarbeiter in Rustenburg.

Lügen und Einbusse in Millionenhöhe

Anglo American hatte stets die Meldungen ausgegeben, dass die grosse Mehrheit der Arbeiter wieder arbeiten würde. Das war offensichtlich gelogen. Sie fürchteten eine weitere Ausbreitung der selbständigen Streikwelle nach dem Massaker von Marakina, bei dem 34 Arbeiter von Polizeikräften erschossen wurden. Jetzt liess die Konzernzentrale offiziell in Johannesburg verlautbaren: «In vier Platinminen ist so wenig Personal anwesend, sodass die Produktionsprozesse in diesen Industriebetrieben seit Wochen nicht aufrecht erhalten werden konnten.»

Durch die selbständigen Kämpfe der Kumpel in den Platin- und auch Goldminen in Südafrika sind die internationalen Konzerne im Land schwer unter Druck geraten. Die Kreditwürdigkeit von Banken, Telekommunikationskonzernen und Kommunen wurde durch die Ratingagentur Moody‘s bereits herabgestuft. Der Streik droht die internationale Produktion empfindlich zu treffen. Platin ist ein unverzichtbares  Metall für die Herstellung von Katalysatoren in der Autoindustrie. Allein Anglo American nannte als Ausfall durch die Kämpfe  eine Höhe von 700 Millionen Rand (64 Millionen Euro).

Den mutigen Bergarbeitern gehört unsere Solidarität. Ein Minenarbeiter aus Rustenburg erklärt in einer kurzen Mail an die Zeitschrift «SÜDAFRIKA – Land der Kontraste», dass sich die Kumpels im «Kriegszustand» befinden und man den «Feinden» nicht nachgeben wird. «Millionen Kumpel werden eine Macht…», heisst es in der Bergarbeiterhymne, die vor vier Jahren bei dem 2. Internationalen Bergarbeiterseminar erstmals ertönte. Im kommenden  Jahr werden sich Bergarbeiterdelegationen aus aller Welt zur 1. Internationalen Bergarbeiterkonferenz in Peru treffen.

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