«Die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse stellen»
Heute Freitagmorgen haben die 400 im Palazzo dei congressi in Lugano tagenden Unia-Delegierten die Diskussion zu verschiedenen Positionspapieren fortgesetzt. Sie verabschiedeten ein neues Leitbild mit den strategischen Hauptleitlinien «Stärke durch Mitgliederwachstum und Mitgliederbetreuung», mehr «Einfluss der aktiven Mitglieder in den Betrieben und Branchen» und «Erfolg durch Mobilisierungsfähigkeit».
Finanzmarktkrise nicht auf Kosten der einfachen Leute bewältigen
In einer Resolution forderte der Kongress anschliessend die Stärkung der Realwirtschaft gegen die Folgen der Finanzmarktkrise. Dies soll mit einem Sofort-Programm erreicht werden, das eine konkjunkturfördernde Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, Zinssenkungen, eine die Beschäftigung stärkende nicht-restriktive Währungspolitik der Nationalbank, das Einfrieren der Strompreise und eine stärkere Besteuerung der Millionärslöhne beinhaltet. Zudem fordert die Unia kräftige Lohnerhöhungen, ein energietechnisches Sanierungsprogramm des Bundes, ein Förderprogramm für erneuerbare Energien, eine Weiterbildungsoffensive sowie die Rücknahme der Strommarktliberalisierung. Es könne nicht sein, dass einige wenige Milliardengewinne abkassierten und die Allgemeinheit für die Verluste einstehen müsse, wenn die Spekulationsblase platze. Der Staat müsse die entfesselte Finanzindustrie an die kurze Leine und insbesondere derivate Geschäfte (Hedge Founds u.ä.) verbieten.
Die Unia will sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Folgen der Krise nicht auf dem Buckel der einfachen Leute ausgetragen würden. Die neoliberale Politik sei gescheitert. Jetzt gelte es eine Wirtschaftsordnung aufzubauen, welche die sozialen Bedürfnisse der Menschen und die Arbeit ins Zentrum stelle und nicht das Kapital: «Es ist höchste Zeit, die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse zu stellen», heisst es in der Resolution.
Couchepin: Gewerkschaften als Schule des Lebens
Auch Bundespräsident Pascal Couchepin beschäftigte sich in seiner Intervention vor dem Unia-Kongress mit der aktuellen Krise. Diese werde zweifellos Einfluss auf die Realwirtschaft haben. Man müsse sich ohne Vorurteile Gedanken über die Auswirkungen der Globalisierung machen. Der Bundespräsident bezeichnete die Gewerkschaften als eine ausserordentliche Schule des Lebens. Sie trügen dazu bei, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die direkte Demokratie zu verwirklichen – zum Wohl des ganzen Landes. Er zolle den Gewerkschaften für ihr Engagement grossen Respekt.
Der Bundespräsident hob zudem die hohe Bedeutung der Sozialpartnerschaft für die Schweiz hervor. 1,5 Millionen Menschen unterstünden in der Schweiz heute einem der 611 existierenden Gesamtarbeitsverträge – so viele wie noch nie zuvor. Dies komme nicht von ungefähr, denn die Sozialpartner seien immer wieder bereit gewesen Lösungen zu finden, wo sich neue Probleme gestellt hätten.
Unia Jugend verlässt aus Protest den Saal
Nach einer Meldung der Online Zeitung 20min.ch haben ein Teil der rund 400 Anwesenden am Freitag den Saal beim Eintreffen von Bundesrat Couchepin verlassen. Unter jenen, die den Saal verliessen, waren viele junge Unia-Mitglider. Am Donnerstag hatten sie einen Vorstoss einer Delegierten begrüsst, der sich gegen den Auftritt des Bundespräsidenten am Kongress wandte.

Heute Nachmittag um 14 Uhr hat im Palazzo dei congressi, dem Kongresszentrum von Lugano, der erste Unia-Kongress begonnen. Die 400 Unia-Delegierten haben den Tätigkeitsbericht der Unia-Geschäftsleitung abgenommen und die Debatte um die strategische Ausrichtung der Grossgewerkschaft eröffnet. Die Tessiner Regierungsrätin Patrizia Pesenti sprach zur Eröffnung vom Scheitern der neoliberalen Rezepte und rief zu einem Ja zur gewerkschaftlichen AHV-Initiative auf.
Der Konflikt um die Schliessung der Zellulosefabrik Borregaard/Atisholz in Luterbach SO verschärft sich. Die Direktion liess am Dienstag die erste Verhandlung mit Vertretern der Gewerkschaft Unia, des Papier- und Kartonarbeitnehmerverbandes (SPV), der Syna und der betrieblichen Arbeitnehmervertretung scheitern. Sie weigerte sich, auf die Forderung nach einer Verlängerung der Konsultationsfrist einzugehen, wie sie vergangene Woche an sehr gut besuchten Betriebsversammlungen von der Belegschaft nahezu einstimmig beschlossen wurde.
Gestern fand in Bern das Fest zum 1. alljährlichen Anti-SVP-Tag statt. Veranstaltet wurde es vom «Bündnis Schwarzes Schaf».
Über die Einführung von biometrischen Pässen kommt es wahrscheinlich zu einer Volksabstimmung. Das überparteiliche Komitee von Gegnern hat gestern in Bern 55’000 Unterschriften für ein Referendum dagegen eingereicht.
Die Angestellten der Zellulosefabrik Atisholz in Luterbach SO wollen die vom norwegischen Borregaard/Orkla-Konzern angekündigte Schliessung nicht kampflos hinnehmen. An einer sehr gut besuchten Betriebsversammlung beschlossen sie am Donnerstagvormittag nahezu einstimmig, zusammen mit den Gewerkschaften Unia und SPV gegen das rücksichtslose «Todesurteil» und für die Erhaltung der 440 Arbeits- und Ausbildungsplätze zu kämpfen.
Gemäss grundrechte.ch vorliegenden Angaben sind während der EURO 08 nicht – wie die Verantwortlichen in ersten Bilanzen behauptet haben – 550 sondern 1000 Personen festgenommen oder verhaftet worden.
Der norwegische Konzern Borregaard will die Zellstofffabrik in Riedholz SO aus wirtschaftlichen Gründen schliessen. Der Zeitpunkt der Schliessung ist noch offen. 440 Personen werden Ihren Arbeitsplatz verlieren, darunter 45 Lehrlinge.
Seit Anfang September hat die Betriebsleitung der Siemens Building Technologies (SBT) in Volketswil 20 Mitarbeitenden eine Lohnkürzung von um die 20 Prozent angekündigt. Dies obwohl die Siemens-Mitarbeitenden keineswegs überdurchschnittliche Löhne beziehen. So wird etwa der Monatslohn einer Produktionsmitarbeiterin von 4500 Franken auf 3700 Franken gesenkt. Durchschnittlich sollen die Löhne nach dem Willen des Managements um etwa 1000 Franken im Monat sinken. Zudem hat Siemens angekündigt, sieben Arbeitsplätze abzubauen, obwohl heute im Betrieb etliche temporär Beschäftigte arbeiten.
«Die JournalistInnen, TechnikerInnen und Administrationsangestellten von TeleBärn fordern bessere Arbeitsbedingungen und die unverzügliche Aufnahme von Verhandlungen.» schreibt die Gewerkschaft comedia. Der Sektor Presse und elektronische Medien der Gewerkschaft comedia «erklärt sich solidarisch mit der Belegschaft und unterstützt ihre berechtigten Forderungen». Der Zürcher Medienkonzern Tamedia als TeleBärn-Besitzer steht bei der Belegschaft im Wort. Nach der Übernahme der Espace Media Groupe Anfang 2008 hatte der Espace-Chef zugesichert: „Gleiches Haus, gleiche Regeln“. Dieses Versprechen muss nun ohne Wenn und Aber eingehalten werden.
Die Benninger Textil AG hat gestern den Abbau von 110 Arbeitsplätzen in Uzwil bekannt gegeben, wovon 60 Stellen nach Deutschland verlagert werden sollen. «Die Benninger Textil AG versucht sich ihrer sozialen Verantwortung zu entziehen Missachtung des GAV, Verletzung der gesetzlichen Mitwirkungsrechte, nicht einmal ein Sozialplan für langjährige, verdiente Mitarbeitende: Die Vorgehensweise des Benninger-Managements ist skandalös.», schreibt die Gewerkschaft Unia in ihrer Medienmitteilung. Sie fordert die Rücknahme der angekündigten Betriebsauslagerung und eine Weiterführung der Produktion in Uzwil.
In Genf hat solidaritéS eine Initiative für die Einführung von Mindestlöhnen eingereicht. Die Partei hinterlegte bei der Staatskanzlei 12 300 Unterschriften. Damit soll endlich die Zahl der Working-Poor sinken.