Solothurner Behörden reissen Familie auseinander

Die Menschenrechtsgruppe augenauf Bern hat am Mittwoch, 20. Mai vor dem Amt für öffentliche Sicherheit des Kantons Solothurn eine Mahnwache durchgeführt, um gegen die Verlängerung der Ausschaffungshaft des Liberianers Alpha Konneh zu protestieren.

Mit Transparenten, Flugblättern und einer theatralischen Aktion, bei der symbolisch eine Familie auseinandergesägt wurde (siehe Bild), machten die AktivistInnen von augenauf auf ihr Anliegen aufmerksam. An einer Medienorientierung vor Ort informierten Doris Mühlemann, die Lebenspartnerin von Alpha Konneh und Mutter des gemeinsamen Kindes, sowie Nadia Bisang und Philipp Meyer von augenauf Bern über die Hintergründe des Falles.

Seit 11 Monate in U-Haft

Die Aktion richtete sich gegen ein Urteil des Haftgerichts Solothurn von vergangenem Freitag, dem 15. Mai 2009, das trotz schriftlicher Interventionen der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und augenauf Bern die Verlängerung der Ausschaffungshaft von Alpha Konneh um zwei weitere Monate genehmigte.

Alpha Konneh reiste im September 2007 in die Schweiz ein, wo sein Asylgesuch zwei Monate später abgelehnt wurde. Bereits seit 11 Monaten befindet er sich im Untersuchungsgefängnis Solothurn in Ausschaffungshaft, ohne eine Straftat begangen zu haben. Er ist Vater eines im Oktober 2008 in der Schweiz geborenen Sohnes. Seit Monaten kämpft seine Lebenspartnerin und Mutter des gemeinsamen Kindes um eine Aufenthaltsgenehmigung für Alpha Konneh, gestützt auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, welcher das Recht auf Achtung vor dem Familienleben garantiert. Obwohl der Prozess der Vaterschaftsanerkennung kurz vor dem Abschluss steht und die beiden vorhaben zu heiraten, und obwohl bereits zwei Ausschaffungsversuche mit zahlreichen Unstimmigkeiten gescheitert sind (siehe Dokumentation im Anhang), beabsichtigt das Amt für Ausländerfragen des Kantons Solothurn hartnäckig, Alpha Konneh mit allen Mitteln auszuschaffen. Diese Praxis macht einmal mehr deutlich, dass sich Personen in Ausschaffungshaft de facto in einer entrechteten Situation befinden.

Menschenverachtend

Vaterschaftsanerkennungsverfahren, Heiratsvorbereitungen, laufendes Strafverfahren, offensichtliche Schwierigkeiten mit der liberianischen Regierung bei der Rückführung ? Selbst jenseits aller humanitären Überlegungen ist es nicht nachvollziehbar, warum der Kanton Solothurn und das BFM soviel Energie und Geld mit dem Versuch verschwenden, Alpha Konneh auszuschaffen.

augenauf Bern kritisiert die Haftverlängerung und die versuchten Ausschaffungen aufs Schärfste. Mit diesen unnötigen und kostenintensiven Massnahmen reisst die schweizerische Migrationspolitik, in diesem Fall ausgeführt vom Kanton Solothurn, in menschenverachtender Weise eine junge Familie auseinander.

140 Menschen ausgeschafft, 424 folgen bald!

Seit 12. Dezember 2008 setzt die Schweiz das sogenannte Dublin-II-Abkommen um. Wie das Bundesamt für Migration (BFM) am 7. April mitteilte, wurde ab Beginn der Umsetzung bis Ende März 997 Personen für eine Abschiebung vorgesehen und davon bereits 140 Asylsuchende ausgeschafft. Bei 424 Personen steht eine Rückschiebung kurz bevor.

Für Amnesty International (AI) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) weist Dublin II gravierende Mängel beim Rechtsschutz der betroffenen Personen auf, die sich jetzt bei der Umsetzung zeigen. Wenn der Rückschaffungsentscheid den Asylsuchenden erst auf dem Weg zum Flughafen eröffnet wird, verletzen die Behörden das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Auch hat ein Rekurs keine aufschiebende Wirkung.

So lange es innerhalb der verschiedenen Vertragsstaaten unterschiedliche Verfahrensstandards und Anerkennungspraktiken gibt, steht bei Rückschiebungen weiterhin die Sicherheit von Asylsuchenden auf dem Spiel. Es genügt nicht, dass sich die Schweiz bei Rückschiebungen darauf beruft, dass sich auch andere Dublin-Staaten an die Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention halten müssten.

AI und SFH fordern deshalb das BFM auf, die Verantwortung für den Schutz von Flüchtlingen nicht mit der Rückschiebung abzutreten, sondern die anschliessenden Asylverfahren im Ausland genau zu verfolgen und im Zweifelsfall die Sicherheit von bedrohten Personen zu garantieren. Das Schweizer Asylgesetz verbietet eine indirekte Rückschiebung. Es darf nicht passieren, dass nach einer Rückschiebung eine Person Opfer einer Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips wird.

Fall von Fahad K. – Rückschaffung nach Schweden trotz Schutzbedürfnis

Der Fall des Asylbewerbes Fahad K. zeigte vor wenigen Tagen exemplarisch, wie wenig die Dublin-II-Vereinbarungen dem Schutzbedürfnis von Flüchtlingen Rechnung tragen. Der junge Iraker wurde am 2. April 2009 mit einem Spezialflug nach Schweden ausgeschafft. Im Gegensatz zu Schweden schickt die Schweiz aufgrund der Sicherheitslage keine abgewiesenen Asylsuchenden in den Zentral- und den Südirak zurück.

Amnesty International fordert die Schweizer Regierung auf, Massnahmen zum Schutz von Fahad K. zu prüfen, falls Schweden ihn in den Irak zurückschicken sollte. Um sein Leben zu schützen, wäre auch eine Rückführung in die Schweiz zu prüfen.

Im Irak hatte Fahad K. als Übersetzer für das US-Militär gearbeitet. Er wurde von bewaffneten islamistischen Gruppen als «Verräter» bedroht und musste das Land verlassen. Annähernd 300 Iraker, die wie Fahad K. als Übersetzer gearbeitet hatten, wurden bereits umgebracht