Freihandel regiert über Menschenrechte

Die Erklärung von Bern(EvB), Alliance Sud und die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien haben sich bei der Anhörung der Aussenpolitischen Kommission(APK) gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens der Schweiz mit Kolumbien ausgesprochen.

Die drei Organisation kritisieren die schweizerische Aussenpolitik, die sich einerseits stark für die Menschenrechte einsetzt, aber andererseits im Freihandelsabkommen mit Kolumbien die systematischen Menschenrechtsverletzungen mit keinem Wort erwähnt. Eine vorschnelle Ratifizierung des Abkommens würde dem Ruf der Schweiz als Vertreterin der Menschenrechte enorm schaden. Somit hätte die Schweiz zwei Sachen zu verlieren:  ihre Vertrauenswürdigkeit im Engagement für die Menschenrechte und ihren internationalen Ruf.

Menschenrechtssituation in Kolumbien

Laut dem Jahresbericht 2008 von Amnesty International(AI) machten sich Guerillagruppen, die Sicherheitskräfte sowie paramilitärische Gruppierungen allesamt einer Vielzahl schwerwiegender Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht schuldig.  MenschenrechtsverteidigerInnen, GewerkschaftsvertreterInnen sowie andere zivilgesellschaftlich engagierte Bürger waren erneut Angriffen ausgesetzt. Die kolumbianische Regierung zeichnet ein zu positives Bild der Menschenrechtslage und leugnet sogar, dass es einen bewaffneten Konflikt gibt. Der am 28.Oktober 2008 veröffentlichte Bericht zeigt aber, dass die internen Vertreibungen, die Ermordung von Zivilpersonen und das «Verschwindenlassen» zugenommen hatten.

Die Schweiz muss eingreifen

Die Erklärung von Bern, die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien und Alliance Sud sind sich einig, dass die Schweiz bei der Ratifizierung des Freihandelsabkommens nicht vorschnell sein darf. Die drei Organisationen fordern vom Parlament ein Moratorium bei der Ratifizierung des Freihandelsabkommens bis eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage erreicht ist und eine Bewertung der Auswirkungen des Abkommens auf die Menschenrechtssituation in Kolumbien.

Die Kommissionsmehrheit lehnte einen entsprechenden Rückweisungsantrag trotz allen Bedenken ab. Die dünne Begründung war, dass das Abkommen für die Schweiz ein wichtiger Bestandteil der Konjukturankurbelung ist. Die EvB liess verlauten, dass sie und ihre Partnerorganisationen weiterhin vehement gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Kolumbien kämpfen werden.

Eines muss klar sein: Menschenrechte kommen definitiv vor Freihandel und Wirtschaft.

Abzocken auf Kosten der Arbeiterinnen

Der bevorstehende Markteintritt von Lidl in der Schweiz bringt nicht nur billige Preise, sondern auch eine ganze Menge ethischer Fragen mit sich. Im ihrem jüngsten Bericht vom 10. Februar 2009 zeigt die internationale Clean Clothes Campaign (CCC) auf, wie das Geschäftsmodell der Supermarktgiganten Walmart, Tesco, Carrfour, Lidl und Aldi systematisch die globale Abwärtsspirale der Arbeitsbedingungen vorantreibt.

Durch ihre enorme Grösse und ihre Marktmacht setzen die Supermärkte Walmart, Tesco, Carrfour, Lidl und Aldi Arbeitsstandards. Ihre Verantwortung nehmen sie jedoch bei weitem nicht wahr, im Gegenteil: Die fünf Supermarktgiganten nutzen gezielt ihre Marktmacht, um Preise zu drücken und kurze Lieferfristen durchzusetzen. Diese Einkaufspolitik der Supermarktgiganten ist eines der Haupthindernisse, um internationale Arbeitsstandards umzusetzen – Standards, zu denen sich die Supermärkte grösstenteils notabene sogar selbst verpflichtet haben.

Ergebnisse schockieren – CCC/EvB fordert mehr Engagement von den Supermärkten

Das Geschäftsmodell der Supermarktgiganten hat einen hohen Preis: Am andern Ende der Lieferkette schuften die Fabrikarbeiterinnen für wenig Geld mehr als 80 Stunden pro Woche. Die CCC hat in den vergangenen Monaten eine Befragung unter 440 ArbeiterInnen in 30 Fabriken durchgeführt, die alle für mindestens einen der fünf Supermarktgiganten produzieren. Hungerlöhne, exzessive Arbeitszeiten sowie massiv eingeschränkte Gewerkschaftsrechte kommen in praktisch allen Firmen vor.

Nebst der Einführung eines umfassenden Verhaltenskodexes der Supermärkte braucht es daher vor allem Umsetzungsmassnahmen und eine externe Verifizierung der Bemühungen. Der Bericht zeigt, dass Handeln Not tut, insbesondere bezüglich Gewerkschaftsfreiheit, Einführung eines Bedürfnislohns (=Deckung der Lebenskosten), Behebung von genderspezifischer Diskriminierung und Eindämmung von temporären Arbeitsverhältnissen. Zudem braucht es grundsätzlich eine Anpassung der Einkaufs- und Preispolitik der Supermarktgiganten. Auch Regierungen müssen einen aktiveren Part übernehmen und sicherstellen, dass die relevanten ILO-Konventionen in der nationalen Gesetzgebung Eingang und Durchsetzungskraft finden.

Schweizer Supermarktriesen mit besseren, aber nicht guten Noten

Coop und Migros sind global gesehen nicht mit den untersuchten Supermarktgiganten zu vergleichen, im Raum Schweiz sind sie jedoch die Schrittmacher am Markt. Auch Coop und Migros heizen mit den kürzlich durchgeführten Preissenkungen die Schnäppchenjagd auf dem Markt an. Die beiden Supermärkte gehören mit Blick auf ihr soziales Engagement im Textilbereich hierzulande nicht zu den schlechtesten – Naturaline von Coop hebt sich sogar positiv ab. Sowohl Migros wie Coop lehnen aber bisher eine Mitgliedschaft bei der Verifizierungsstelle „Fair Wear Foundation“ ab und verzichten damit darauf, sich aktiv im Verbund mit andern Stakeholdern für verbesserte Arbeitsbedingungen in der Textilbranche zu engagieren und eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Weder notwendig noch verantwortbar

Eines der wichtigsten Produkte des Schweizer Agrokonzerns Syngenta verliert im Pestizidmarkt weiter an Boden. Wie die Gewerkschaft IUL* und die Erklärung von Bern (EvB) in ihrem Bericht «Goodbye Paraquat» zeigen, setzen immer mehr führende Betriebe nicht mehr auf das hochtoxische Syngenta-Herbizid Paraquat.

Auf diese Weise bereiten sie den Weg für ein weltweites Paraquat-Verbot. Die Studie belegt, dass Paraquat in einer modernen Landwirtschaft weder notwendig noch verantwortbar ist. Die schriftliche Befragung von über 40 Unternehmen lässt drei Hauptschlussfolgerungen zu: Erstens haben sich die wichtigsten Produzenten von Bananen (Chiquita, Dole) und Tee (Unilever, Nestlé) bereits von Paraquat verabschiedet oder sind dabei, ihr Nein zu Paraquat umzusetzen. In der Palmölproduktion ist Paraquat, zweitens, bei einigen Produzenten nach wie vor in Gebrauch. Und drittens steht die Verwendung des umstrittenen Herbizids in der Palmölproduktion im Widerspruch zum Wunsch vieler Käufer, Palmöl zu beziehen, das ohne Paraquat produziert wurde.

Verantwortungsloses Verhalten

«Wir begrüssen, dass sich führende Hersteller von Lebensmitteln freiwillig von giftigen Pestiziden wie Paraquat verabschieden. Diese Haltung muss in der landwirtschaftlichen Produktion die Regel und mit nationalen Verboten von Paraquat durch die Regierungen unterstützt werden», sagt IUL-Generalsekretär Ron Oswald. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass eine wirtschaftliche Produktion ohne Paraquat problemlos möglich ist. Die Behauptung des wichtigsten Paraquat-Produzenten Syngenta, man könne auf das umstrittene Herbizid nicht verzichten, ist folglich unhaltbar. «Mit dem verantwortungslosen Festhalten an diesem Produkt und seiner aggressiven Vermarktung macht sich Syngenta mitschuldig an den jährlich zehntausenden von Vergiftungen durch Paraquat», stellt François Meienberg von der Erklärung von Bern fest.

IUL und EvB fordern, dass nun die Staaten handeln und die Anwendung generell verbieten müssen. In der Schweiz ist Paraquat seit zwanzig Jahren, in Europa seit 2007 nicht mehr zugelassen. In Entwicklungsländern wird das Pestizid trotz ungenügender Schutzmöglichkeiten der Anwender nach wie vor rege verkauft.

Mehr Informationen auf www.evb.ch/goodbye (Bericht zum Download)

*Die Internationale Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL) ist ein internationaler Gewerkschaftsbund, dem 353 Gewerkschaften aus 125 Ländern mit insgesamt mehr als 2,7 Millionen Mitgliedern angehören. Sie hat ihren Sitz in Genf.

Ilisu: Baubeginn trotz Ultimatum

Zehn Tage vor Ablauf des Ultimatums an die türkische Regierung wurde bekannt, dass die Bauarbeiten nicht gestoppt, sondern sogar intensiviert wurden. Der europäischen Ilisu-Kampagne liegen aktuelle Fotos vor, die umfangreiche Arbeiten am und im Tigris belegen. Diese Aktivitäten widersprechen der Forderung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, dass die Bauarbeiten im Fluss erst beginnen dürfen, wenn Auflagen im Umwelt-, Kultur- und Umsiedlungsbereich erfüllt sind. Andernfalls drohe die umgehende Kündigung der europäischen Bürgschaftsverträge, so die drei Regierungen.

«Die Bauarbeiten sind ein weiterer Beweis dafür, dass sich die Türkei nicht an die Vorgaben hält. Damit werden die europäischen Regierungen brüskiert. Wenn der Bundesrat daraus jetzt nicht die Konsequenzen zieht und den Vertrag kündigt, verliert er jede Chance auf Glaubwürdigkeit», so Christine Eberlein von der Erklärung von Bern.

In den vergangenen zwölf Monaten  hatten Experten im Auftrag der drei europäischen Staaten wiederholt festgestellt, dass sich die türkischen Behörden nicht an die Vorgaben und die internationalen Standards halten und sogar versucht hatten, die europäischen Vertragspartner zu täuschen. Auflagen waren von Ankara als erfüllt gemeldet worden, was sich bei einer Überprüfung als unwahr herausstellte. Daraufhin stellten die drei Länder der Türkei am 7. Oktober ein Ultimatum, das am 12. Dezember abläuft. Bis dahin muss die türkische Regierung die Auflagen erfüllen bzw. deren Erfüllung glaubhaft garantieren. Andernfalls würden die Verträge gekündigt.

«Ein weiterer Skandal ist, dass der Ort Ilisu und der Blick auf die Baustelle nicht mehr frei zugänglich sind», so Kaspar Haller von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Nicht befugten Personen, zum Beispiel VertreterInnen lokaler Nichtregierungsorganisationen, wurde der Besuch mehrfach verwehrt.

Auch beim Kulturgüterschutz hat sich in den letzten Monaten nichts verbessert. Das ergab der kürzlich veröffentlichte Bericht der Kulturexperten. Laut deren Leiterin, Margarete van Ess vom Deutschen Archäologischen Institut, fehlen noch immer wesentliche Grundlagen. Dazu gehören eine Bestandsaufnahme wertvoller archäologischer Fundstätten im Projektgebiet sowie der Nachweis über die Machbarkeit der Umsiedlung einzelner Baudenkmäler von Hasankeyf.

Dem Vernehmen nach erwägen Deutschland, Österreich und die Schweiz eine Verlängerung des Ultimatums, weil die türkischen Behörden neue Pläne zur Auflagenumsetzung vorgelegt hätten. «Auch wenn die Exportkreditversicherungen es nicht wahrhaben wollen, zeigen die neuesten Entwicklungen, dass weitere Verhandlungen keine Besserung vor Ort bewirken. Nichts deutet darauf hin, dass mögliche neue Pläne besser umgesetzt würden als bisher», so Christine Eberlein. «Eine Fristverlängerung wäre daher eine Bankrotterklärung der europäischen Position und wird zu einer internationalen Protestwelle führen.»

Die Erklärung von Bern und die Gesellschaft für bedrohte Völker informieren heute den Bundesrat sowie ParlamentarierInnen mit einer Stellungnahme über die aktuelle Situation. Mitte Dezember müssen die Exportrisikoversicherung SERV sowie Frau Bundesrätin Leuthard, gemeinsam mit den Regierungen Österreichs und Deutschlands eine Entscheidung treffen.

Quelle: Erklärung von Bern (www.evb.ch)