Protesttag mit drei Millionen Menschen!

Seit mehr als zwanzig Jahren hat es in Frankreich so grosse Gewerkschaftskundgebungen nicht mehr gegeben: Drei Millionen Menschen gingen am 19. März in 219 Städten auf die Strasse, um gegen die Wirtschaftspolitik von Staatschef Sarkozy und seiner Rechtsregierung zu protestieren und eine Kursänderung zu fordern – noch einmal eine halbe Million mehr als beim letzten Gewerkschaftsaktionstag am 29. Januar.

Die Polizei kam auf nur insgesamt 1,2 Millionen Teilnehmer, hatte diese Zahl aber, wie die CGT mitteilte, schon am Morgen des Aktionstags um 8 Uhr, also praktisch vor seinem Beginn herausgegeben. Immerhin waren es auch nach dieser Zahl mindestens 200 000 mehr als am 29. Januar. Von den acht grössten französischen Gewerkschaftsbünden, die diese Aktion gemeinsam organisiert haben, wurde betont, dass die demonstrierte gewerkschaftliche Einheit wesentlich zum Erfolg beigetragen hat. 78 Prozent der Bevölkerung hatten sich bei Umfragen von Meinungsforschungsinstituten zu den Aktionen zustimmend geäussert. Sarkozys Regierung beharrt jedoch trotz der Massenbeteiligung unter sichtlicher Missachtung des Mehrheitswillens der Bevölkerung auf dem Standpunkt, dass es einen «neuen Umschlag» zur Finanzierung von Antikrisen-Massnahmen, die nicht den Banken und Konzernen, sondern der Bevölkerung zugute kommen, nicht geben werde. Die Gewerkschaften wollen nun am 30. März über die Formen der Fortsetzung ihrer Aktionen beraten

Frankreich: Gewerkschaften planen Mobilisierung

Die französischen Arbeiter und Angestellten und ihre Gewerkschaften wollen «nicht für eine Krise zahlen, für die sie nicht verantwortlich sind». Die grössten Gewerkschaften des Landes planen deshalb für Anfang Jahr gross angelegte Mobilisierungen. Mit dem historisch einmaligen Zusammengehen sollen Forderungen nach sozialer Absicherung Nachdruck verliehen werden.

Die französischen Gewerkschaften wollen sich nicht einfach passiv damit abfinden, dass die Lasten der Wirtschaftskrise von Regierung und Unternehmern auf die arbeitende (und arbeitslose) Bevölkerung abgewälzt werden. Deshalb haben sich alle  acht grossen französischen Gewerkschaftszentralen (CFDT, CGT, FO, CFTC, CGC, FSU, Solidaires und UNSA) bei einem Spitzentreffen am 24. November zum ersten Mal seit langer Zeit wieder auf «das Prinzip einer massiven Mobilisierung der Beschäftigten zu Anfang des Jahres 2009» verständigt.
In einem gemeinsamen Communiqué hielten die Gewerkschaften fest, dass sich Probleme der Kaufkraft und der Arbeitsplätze für die Beschäftigten verschärft haben. Unternehmen zwingen ihre Angestellten immer häufiger zu Kurzarbeit und unfreiwilligem Urlaubnehmen. Entlassungen häufen sich, und Temporärarbeitende werden massenhaft in die Arbeitslosigkeit geschickt. Gleichzeitig setzt die Regierung ihre Politik des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst fort. Deshalb soll eine gemeinsame massive Aktion ihre Forderungen nach Arbeitsplatzsicherung, Erhöhung der Kaufkraft, sowie nach Massnahmen zur Schaffung eines neuen ökonomischen Aufschwung deutlich machen.

Bei weiteren Treffen der Gewerkschaftsspitzen am 15. Dezember und 5. Januar möchten diese Inhalt, Form und Modalitäten der geplanten massenhaften Mobilisierung präzisieren. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob die Gewerkschaftskundgebungen und Demonstrationen in zahlreichen Städten Frankreichs auch durch den Aufruf zu einem eintägigen branchenübergreifenden allgemeinen Streik verstärkt werden sollen. Die massgeblich von Kommunisten geführte CGT hatte auf frühere Aktionen gedrängt, bewertete jedoch den in dem gemeinsamen Communiqué nun sichtbar werdenden gemeinsamen Willen aller acht Gewerkschaftsbünde als positiv. Vor allem könne eine solches «noch nie dagewesenes» gemeinsames Vorgehen der acht Gewerkschaften das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Krise zurückdrängen, sagte Maryse Dumas, Bundessekretärin der CGT.

Zehntausende gegen Privatisierung von „La Poste“

Zehntausende Postbeamte haben sich am Dienstag in ganz Frankreich an einem Proteststreik gegen die geplante Teilprivatisierung des Unternehmens beteiligt.Nach Angaben der Gewerkschaften CGT, CFTC, CGC, FO und SUD , die gemeinsam zu dem Ausstand aufgerufen hatten, betrug die Streikbeteiligung etwa 40 Prozent der Gesamtbelegschaft von 230000 Personen. Nach Angaben der Direktion lag sie bei 25 Prozent. Insgesamt blieben etwa 17000 Postfilialen geschlossen. In vierzig französischen Städten kam es zu Protestkundgebungen, darunter in Marseille, Orléans, Bordeaux, Toulouse, Rennes, Lille oder Clermont-Ferrand.

Zu einer zentralen Grossdemonstration versammelten sich am gestrigen Nachmittag im siebten Stadtbezirk von Paris Tausende, um vor den »La Poste«-Firmensitz zu ziehen. »Gegen die Privatisierung. Für einen öffentlichen Postdienst«, stand auf dem Spruchband, hinter dem unter anderen die Gewerkschaftschefs Bernard Thibault (CGT), Jacques Voisin (CFTC) und Annick Coupe (Solidaires) marschierten. »Die Postbeamten müssen weiter Druck ausüben, damit das Gesamtkapital der Post unangetastet bleibt«, betonte Jean-Claude Mailly, Generalsekretär des Front Ouvrière (FO), und erinnerte daran, dass bei vorangegangenen Teilprivatisierungen von öffentlichen Betrieben – wie etwa im Falle von France Telecom oder Gaz de France (GdF) – eine Vollprivatisierung gefolgt sei.

Die französische Regierung plant für 2010 die Umwandlung der Post in eine Aktiengesellschaft sowie für 2011 deren Börseneinführung. Damit solle auf »die Konkurrenzöffnung des Briefdienstes in Europa ab 1. Januar 2011« reagiert werden. Etwa 30 Prozent der Post, deren Wert auf zehn Milliarden Euro geschätzt wird, sollen als Aktien gehandelt werden. Die Gewerkschaften befürchten in Folge insbesondere eine Arbeitsplatzvernichtung grossen Umfangs.

Laut einer Umfrage, die am Dienstag von der kommunistischen Tageszeitung L’Humanité veröffentlicht wurde, sind 61 Prozent der Franzosen gegen die Teilprivatisierung. Die Links­opposition und die Gewerkschaften verlangen, dass zur Frage der Kapitalöffnung eine Volksabstimmung durchgeführt wird –so die gemeinsame Initiative von Sozialistenchef François Hollande (PS), der PCF-Vorsitzenden Marie-George Buffet sowie den kleinen Linksparteien PRG (Radikalsozialisten) und MRC (Linksnationalisten).

Aufgrund der wachsenden Proteste beschloss Präsident Nicolas Sarkozy am Montag die Einsetzung eines Prüfungsausschusses. Dieser solle am 30. November einen Bericht vorlegen. Die Gewerkschaften werten die Verschiebung der Teilprivatisierung als »ersten Erfolg«.

Quelle: Christian Giacomuzzi / junge Welt