Der Gemeinderat des Zürcherischen Dänikons will ein Versammlungsverbot für schulpflichtige Jugendliche einführen. Dagegen regte sich Protest von Einwohnenden Dänikons und der JUSO Kanton Zürich (siehe vorwärts vom 11. Juli 2008). Nachdem der Bezirksrat Dielsdorf einen entsprechenden Rekurs gegen das Verbot abwies, liegt der Ball nun beim kantonalen Verwaltungsgericht.
Blicken wir kurz zurück, was bisher geschah. Am 18. Juni vergangenen Jahres beschloss die Gemeindeversammlung des 1800 Seelen-Dorfes Dänikon im Zürcher Unterland ein Versammlungsverbot für Jugendliche. Schulpflichtige dürfen sich gemäss Artikel 27 der neuen Polizeiverordnung nach 22 Uhr nicht mehr in Ansammlungen im öffentlichen Raum aufhalten. Schnell regte sich Protest gegen diese Massnahme. Die JUSO des Kantons Zürich mobilisierte die Jugendlichen Dänikons mit dem Slogan «Rumhängen erlaubt» zu einer Party auf dem Dorfplatz. Verschiedene Stimmberechtigte aus der Gemeinde reichten zudem Beschwerde beim Bezirksrat Dielsdorf gegen die aus ihrer Sicht unverhältnismässige Regelung ein.
Ein halbes Jahr später, anfangs Januar, gab der Bezirksrat nun bekannt, dass er die Beschwerden vollumfänglich zurückweist. Damit wurde die umstrittene Verordnung rechtskräftig. Doch weder die oppositionellen Dänikerinnen und Däniker, noch die JUSO möchten sich mit diesem Beschluss ohne weiteres zufrieden geben. Sie ziehen den Fall deshalb nun gemeinsam vor das Zürcher Verwaltungsgericht.
Unsauberes Vorgehen, rechtswidriger Inhalt
Gemäss den Beschwerdeführenden verstösst das Vorgehen der Gemeinde Dänikon in zweierlei Hinsicht gegen bestehendes Recht. Zum einen sei das Verfahren nicht sauber und transparent vonstatten gegangen. Der Gemeinderat hatte das umstrittene Versammlungsverbot erst in einer zweiten Lesung in die Polizeiverordnung aufgenommen. In einer ersten Version, welche die Gemeindeversammlung zwecks Klärung einer Frist zurückgewiesen hatte, stand der betreffende Artikel noch gar nicht in der Verordnung. Aufgrund der grossen Tragweite dieser Änderung hätte der Gemeinderat in den Abstimmungsunterlagen deutlicher auf sie aufmerksam machen müssen, so die Beschwerdeführenden. Sie sprechen gar von einer Irreführung der Stimmberechtigten, da der Gemeinderat «die Revision der Polizeiverordnung als eine blosse Anpassung an die Zeit und an das übergeordnete Recht anpries». Eine freie Willensbildung und unverfälschte Stimmabgabe sei so nicht möglich gewesen.
Zum anderen verstosse das Versammlungsverbot gegen verfassungsmässig garantierte Grundrechte. Es handle sich um einen unverhältnismässig schweren Eingriff in die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit junger Menschen. Artikel 27 der revidierten Polizeiverordnung erinnere in ihrem Wortlaut «an öffentliche Ordnungen autoritärer oder sich im Notstand befindlicher Staaten», so die Beschwerdeschrift. Zudem löse der Gemeinderat mit seinem Vorgehen die angeblichen Probleme nicht: «Erstens könnten sich die schulpflichtigen Jugendlichen vor 22 Uhr weiterhin schlecht benehmen. Zweitens könnten nicht mehr schulpflichtige Jugendliche nach 22 Uhr weiterhin unerwünschte Aktivitäten entfalten. Drittens ist nicht einsichtig, weshalb schulpflichtige Jugendliche, die vor Inkrafttreten der besagten Bestimmung (illegale) Nachtruhestörungen oder Sachbeschädigungen verübt haben sollen, nach Inkrafttreten von Artikel 27 der revidierten Polizeiverordnung von solchen unerlaubten Handlungen absehen würden.» Aus diesen Gründen hoffen die JUSO und die Beschwerdeführenden, dass das Verwaltungsgericht das Ausgehverbot aufhebt. Falls nicht, behalten sie sich weitere Schritte vor.
Präzedenzfall schaffen
Was das Verwaltungsgericht entscheidet, dürfte indes Konsequenzen haben, die weit über den Kanton Zürich – geschweige denn die Gemeinde Dänikon – hinausreichen. Denn Dänikon ist bezüglich des sehr repressiven Vorgehens gegenüber Jugendlichen kein Sonderfall. Zahlreiche andere Gemeinden in der Schweiz griffen zu ähnlichen oder gar noch schlimmeren Massnahmen. Besonders krasse Beispiele finden sich im Kanton Bern. Die Gemeinde Täuffelen beauftragte beispielsweise eine private Sicherheitsfirma damit, Jugendliche ab 22 Uhr nach Hause zu schicken. In Ins dürfen Schulpflichtige nach 23 Uhr nur noch in Begleitung ihrer Eltern auf die Strasse. Und in Interlaken verbietet man es ihnen gleich generell, sich nach 22 Uhr im öffentlichen Raum aufzuhalten.
Im Falle Dänikons kommt es nun jedoch zum ersten Mal dazu, dass ein Gericht über die Rechtmässigkeit einer solchen Massnahme befinden muss. Gibt das Zürcher Verwaltungsgericht den Beschwerdeführenden Recht, stellt dies auch weiter gehende Ausgehverbote anderer Gemeinden in Frage. Dank dem Mut einzelner Dänikerinnen und Däniker, sowie der tatkräftigen Unterstützung durch die JUSO, könnte so ein Präzedenzfall geschaffen werden. Das wäre ein deutliches Signal an die Gemeinden schweizweit, dass sie sich auch im Umgang mit Jugendlichen an die bestehenden Gesetze halten müssen.
Allzu viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker greifen derzeit zu den einfachsten und populistischsten Mitteln bei Problemen mit jungen Menschen: Mehr Polizei, mehr Regeln und Verordnungen, mehr Bestrafung. Ein mutiger und konsequenter Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts könnte ein erster Schritt sein, diesen grassierenden «Law and Order»-Trend im Umgang mit jungen Menschen zu durchbrechen. Die Gemeinden müssten sich wieder vermehrt daran machen, Probleme zwischen den verschiedenen Generationen zum Wohle aller zu lösen – statt einfach immer nur zu Ungunsten der Jüngeren zu entscheiden.
Aus der Printausgabe vom vorwärts vom 20. Februar 09