Gegen Frauen und die AHV

05_FrauendemoIn der Westschweiz regt sich bereits heftiger Widerstand gegen das Reformprojekt von SP-Bundesrat Alain Berset. Geplant sind unsoziale Massnahmen, die vor allem auf Kosten der Frauen und der AHV gehen werden.

Am 30. Mai sind mehrere Hundert Personen durch die Strassen von Lausanne gezogen, um gegen die geplante Reform der «Altersvorsorge 2020», die nach dem SP-Bundesrat und ihrem Urheber auch «Bersets Reformpaket» genannt wird, zu protestieren. Auf den Transparenten der Demonstrierenden konnten Sprüche gelesen werden wie «Ein Jahr länger arbeiten? Nein danke!», «Stoppt die Sparübung auf dem Rücken der Frauen» oder «Zu meinem Fünfzigsten: Rente und Sozialismus!». Worum geht es bei dieser Reform, die den Widerstand der Gewerkschaften und ArbeiterInnen hervorgerufen hat?

Bald Rente mit 67?

Laut Bundesrat ist Bersets Reformpaket das einzige Mittel, um «die gegenwärtigen Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen». Ein hübsches Beispiel für die leeren Floskeln, die typisch sind für unsere Regierung und das tatsächliche Wesen der Reform verschleiern: Beabsichtigt wird eine Reihe unsozialer Massnahmen, welche vor allem auf dem Rücken der Frauen und generell der ArbeiterInnenklasse ausgetragen werden dürften.

Ein erster Punkt des Projekts ist die Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre und die Abschaffung der Witwenrente. Eine Sparmassnahme im Umfang von 1,5 Milliarden Franken, die der sozialdemokratische Vorsteher des Innendepartements Alain Berset mit der Forderung nach «Gleichheit» rechtfertigt. Dieses Argument ist blanker Hohn, wenn man bedenkt, dass der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern noch immer erheblich und es Ersteren überlassen ist, den Grossteil der Hausarbeit zu verrichten. Ausserdem kann man sich sicher sein, dass das Vorhaben bloss eine erste Etappe ist auf dem Weg zu einer allgemeinen Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre, was die ArbeitgeberInnen bereits seit Beginn der Konsultation über das neue Gesetz gefordert haben.

Balance in Gefahr

Der zweite Teil der Reform sollte einem bekannt vorkommen: Es geht um eine Verringerung der beruflichen Vorsorge (BVG) durch die Senkung des Mindestumwandlungssatzes. Obwohl dieser Umwandlungssatz gegenwärtig noch im Gesetz festgeschrieben ist, möchte der Bundesrat, dass er innerhalb von vier Jahren von 6,8 Prozent auf 6 Prozent reduziert wird. Die reinste Provokation, weil bereits 2010 eine ähnliche Vorlage – die mit einer Senkung auf 6,4 Prozent aber weit weniger drastisch war – mit 73 Prozent der Stimmen vom Volk abgelehnt worden ist! Wenn es darum geht, die Interessen der Versicherungen zu befriedigen, scheint es, als ob unsere Regierung keinerlei Skrupel hat, sich über den Willen der Bevölkerung hinwegzusetzen.

Falls noch irgendwelche letzte Zweifel bestehen über den tendenziösen Inhalt von Bersets Reformpaket, sollte ein Blick auf den dritten Teil der Reform genügen, um auch diese aus dem Weg zu räumen: Geplant ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, bekannterweise eine besonders unsoziale Steuer, die gleichermassen hohe wie tiefe Einkommen trifft. Zweck dabei ist, die Löcher in der Finanzierung der AHV zu stopfen. Parallel dazu wird als letztes Vorhaben im Paket der Beitrag des Bundes an der AHV stark gekürzt, von 19,5 Prozent auf 10 Prozent. Momentan verhält es sich so, dass die Einnahmen aus den Beitragszahlungen der Versicherten des jeweiligen Jahres die Renten im nächsten Jahr finanzieren, während der Bund die restlichen 19,5 Prozent der Kosten übernimmt. Die geplante Kürzung wird unweigerlich die Balance dieses Systems gefährden. Ein System, das sich seit Jahrzehnten bewährt hat.

Alternative Finanzierung

Die Reform der Altersvorsorge geht somit auf Kosten der Frauen und der AHV selber. Diese vorbildliche Sozialversicherung muss das Fundament bleiben, welches durch ein System der Umverteilung und der kollektiven Risikoverteilung eine Solidarität zwischen den Arbeiterinnen und Arbeitern und zwischen den Generationen herstellt. Es stimmt zwar, dass die AHV-Beiträge derzeit erhöht werden müssen, das sollte aber auf eine andere Art durchgeführt werden, indem beispielsweise Einkommensquellen besteuert werden, die bisher nicht zur Unterstützung der AHV beitragen mussten: Kapitalerträge, Aktien, Finanzoptionen und andere. Eine Alternative wäre eine Erhöhung der paritätischen Beiträge, die es der AHV im Grunde genommen erlauben müssten, die grundlegendsten Bedürfnisse der RentnerInnen zu decken. So wäre es in der Verfassung vorgeschrieben, ist aber in der Realität mit den aktuellen Renten nicht der Fall. Statt ein Projekt vorzuschlagen, dass endlich die Einhaltung unserer Verfassung durchsetzt, zieht es der Bundesrat vor, vor den ChefInnen und den Privatversicherungen in die Knie zu gehen. Eine Entscheidung, bei der durchaus das Risiko besteht, aus der AHV ein Anhängsel der zweiten Säule zu machen.

AHV stärken!

Es widerspricht klar den Interessen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, die AHV zugunsten der zweiten Säule zu schwächen, auch weil Letztere stark von den Finanzmärkten abhängig ist. Diese Logik macht den Kern der Reform der Altersvorsorge 2020 aus und das Vorhaben muss deshalb in seiner Gesamtheit abgelehnt werden, auch wenn es einige positive Aspekte enthält, zum Beispiel die bessere Aufsicht und höhere Transparenz in der BVG. Andererseits muss jeder Vorschlag, der in die Richtung einer Stärkung der AHV geht, wie die AHVplus-Initiative der Gewerkschaften, unterstützt werden. Indessen muss, im vollständigen Gegensatz zum Projekt von Berset, versucht werden, für die Abschaffung der zweiten Säule zu sorgen. Genau das schlägt die Partei der Arbeit vor mit einer schrittweisen Eingliederung der zweiten Säule in die erste, unter Beibehaltung aller sozialen Erungenschaften. Das ist das einzige Mittel, um der Bevölkerung eine Rente zu ermöglichen, die ihren Bedürfnissen gerecht wird.

Aus der Printausgabe vom 19. Juni 2015. Unterstütze uns mit einem Abo

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