Zuhören und debattieren

Immer öfter nehmen Schreibende der Wochenzeitung (WOZ) für sich in Anspruch, die einzigwahre Wahrheit links der politischen Mitte zu vertreten. Das ist nicht nur anmassend, sondern auch langweilig und dumm. Guter Journalismus heisst nämlich, dass sich die Leser:innen aufgrund recherchierter Informationen selber eine Meinung bilden können.
Die WOZ gebärdet sich aber lieber als helvetische Prawda im Taschenformat. Insbesondere, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht: Argumente und Bestrebungen für Verhandlungen und ein baldmöglichstes Ende der Kampfhandlungen haben in der Wochenzeitung keinen Platz. Einheitsfront heisst das seit je im linken Vokabular. Wer sich also nicht einreiht unter die Waffenforder:innen zur «Unterstützung der Ukraine» und zur «Verteidigung unserer westlichen Werte», wird niedergeschrien und mit Häme übergossen.
In der letzten April-Ausgabe breitet die WOZ-Reporterin Anna Jikhareva, auf einer Doppelseite ausgewalzt, eine Schimpftirade gegen all jene Linken aus, die nicht in die mainstreamige Kriegs- und Waffenlogik einstimmen wollen. Und kommt zum Schluss: «Die Gräben, die sich im letzten Jahr aufgetan haben, werden sich so schnell nicht zuschütten lassen. Das würde nicht nur ein Zuhören und Wissenwollen voraussetzen, sondern auch eine ehrliche Auseinandersetzung mit linker Gewaltgeschichte und ihrer Symbolik, einen Abschied von alten Feindbildern und bequemen Gewissheiten.»
Nun, aus pazifistischer Sicht muss man, bei einer ehrlichen Auseinandersetzung mit Gewaltgeschichte, zu einem anderen Schluss kommen: Wahr ist, dass Links und Pazifismus per se keine Synonyme sind. Und dass es in Bezug auf Waffen und Krieg gerade in der Linken schon immer Debatten, Streit und Fraktionsbildung gegeben hat. Das ist heute nicht anders als vor
100 Jahren.
Umso wichtiger wären gegenseitiges Zuhören und Debattieren. Genau das haben aber Anna Jikhareva und ihre Kolleg:innen von der WOZ-Redaktion bei einer Podiumsdiskussion am Vorabend des 1.Mai verhindert: Anlässlich der Vernissage zum jüngsten Widerspruch-Heft mit dem Titel «Ukraine, Krieg, linke Positionen» kamen sie, um zu stören. Statt zuzuhören und sich einzubringen, hat die WOZ-Redaktionsdelegation mit theatralisch zur Schau gestellter Herablassung und aggressiven Interventionen eine konstruktive Diskussion im Keim erstickt.
Statements vom Podium quittierten sie mit Grinsen, permanentem Getuschel und halblauten Kommentaren. Dies störte und ärgerte jene, die gekommen waren, um sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Daran hatte die WOZ null Interesse – wozu auch: Ihre eigene Meinung ist längst gemacht, sie steht Woche für Woche im Blatt. Andere Positionen und Argumente wollten sie gar nicht hören.

 

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