Hände weg von unseren Renten!

sit. Gegen die Erhöhung des Rentenalters der Frauen* und weil die Renten der Pensionskassen immer geringer werden, findet am Samstag, 18.September, eine grosse Mobilisierung in Bern statt. Blickt man über die aktuell nötigen Abwehrkämpfe hinaus, ist ein neues Rentensystem notwendig.

«Die Renten haben den Existenzbedarf angemessen zu decken», hält Artikel 112 der Verfassung der Schweizer Eidgenossenschaft fest. Zugegeben, «Existenzbedarf» und «angemessen» sind extrem dehnbare Begriffe. Doch: «Mit 2500 Franken im Monat zu leben, geht ganz knapp», sagt Ursula Mattmann in einem Video mit dem Titel «Unsere Geduld ist am Ende», das auf frauenrente.ch zu sehen ist. Mattmann ist Rentnerin. Sie weiss, wovon sie spricht: «Miete und Krankenkasse muss auch ich bezahlen. Und etwas zum Leben möchte ich auch noch haben. Ich möchte auch mal einen Ausflug machen. Das ist ein Recht, wenn man sein ganzes Leben lang gearbeitet hat.»
Für Menschen, vor allem für Frauen*, die wie Ursula Mattmann ihr ganzes Leben malochten, hat das bürgerlich dominierte Parlament kein Gehör. Bereits in der Herbstsession wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Rentenreform AHV21 verabschiedet werden und damit die Erhöhung des Frauen*rentenalters beschlossen. Dieses zusätzliche Arbeitsjahr bedeutet umgerechnet 1200 Franken weniger Rente im Jahr für die Frauen*. Und dies, obwohl Frauen* heute schon rund einen Drittel weniger Rente bekommen als Männer*. Ja, den Bürgerlichen ist selbst der Ausflug von Ursula Mattmann zu viel Luxus, der nicht zum angemessenen Existenzbedarf gezählt werden soll. Schämt euch!

Gewollte Diskriminierung
Dass Frauen* ein Drittel weniger Rente bekommen als Männer*, ist anhand von Fakten erklärbar. Bekanntlich setzt sich die Rente aus dem Beitrag der AHV (1.Säule) und jenem der Beruflichen Vorsorge (2.Säule), sprich der Pensionskasse zusammen. Die AHV ist ein solidarisches Umlageverfahren, das auch die Gleichstellung berücksichtigt. So bekommen Frauen* und Männer* im Durchschnitt eine Rente von 1800 Franken. Das Problem hier: Der Rentenbetrag ist viel zu tief, weit davon entfernt, den Verfassungsauftrag auch nur annähernd zu erfüllen.
Doch der Grund des massiven Rentenunterschieds zwischen den Geschlechtern ist die 2.Säule, also die Pensionskasse. Jenes System, das weder Solidarität noch Gleichstellung kennt und rein auf dem einbezahlten Kapital basiert. Heisst, je mehr Lohn verdient wird, desto höher das einbezahlte Kapital und somit auch die Rente. So nimmt die gewollte Diskriminierung der Frauen* ihren Lauf. Erstens durch die Lohndiskriminierung, die sich eins zu eins auf die Rente auswirkt. Zweitens, weil die berufliche Laufbahn von Frauen* durch die unbezahlte Care-Arbeit, etwa nach der Geburt eines Kindes, oft unterbrochen wird. Drittens, weil viele Frauen* wegen der Familienbetreuung oft in Teilzeitpensen und dabei viertens nicht selten in Niedriglohnsektoren arbeiten. Hinzu kommt der Koordinationsabzug. Er ist jener Teil (25095 Franken im Jahr) des Lohns, der nicht versichert ist. Ein konkretes Beispiel: Beträgt der Jahreslohn 40000 Franken, ist der für die Berechnung der Rente relevante, sogenannte «versicherte Lohn» 14905 Franken (40000 minus 25095). Unter dem Strich ergibt dies alles Folgendes: Frauen* erhalten im Schnitt nur halb so viel PK-Rente wie Männer*. Hinzu kommt, dass nach wie vor fast ein Drittel der Frauen* überhaupt keine PK-Rente erhält.

Versicherungen und Banken jubeln
Welche Interessen im Parlament vertreten werden, zeigt sich in der Frage der Pensionskassen – und somit der Renten – ganz besonders gut. So beschloss die nationalrätliche Kommission (SGK-N) am 20.August einen Reformvorschlag des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Sie führt laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) zu «Rentensenkungen bis zu 12 Prozent für die Erwerbstätigen sowie weitgehende Erleichterungen für Top-Verdienende». Der SGB weiter in seiner Stellungnahme: «Für Verkäuferinnen oder Krankenpflegerinnen ist der Revisionsvorschlag der Kommission fatal. Mit ihren tiefen Löhnen werden sie besonders zur Kasse gebeten.» Und: «Versicherungen und Banken haben sich in der Kommission damit auf der ganzen Linie durchgesetzt. Die Kirsche auf die Torte für die Versicherungen und Banken setzte dann wenige Tage später, am 24.August, die Eidgenössische BVG-Kommission drauf. Sie beschloss, den Mindestzinssatz bei den PK-Renten nicht zu erhöhen und ihn bei einem Prozent zu belassen.

Ein radikaler Wechsel ist nötig
Unter dem Slogan «Hände weg von unseren Renten» rufen nun Gewerkschaften, linke Parteien und Frauen*organisationen zu einer Demonstration am 18.September in Bern auf. «Generell geht es bei den Renten in die völlig falsche Richtung», ist im Aufruf zu lesen. Und: «Unsere Arbeit verdient gute Renten.» Wie wahr! Doch um diese auch in Zukunft zu garantieren, werden Abwehrkämpfe nicht mehr ausreichen. Notwendig in der Rentenfrage ist ein radikaler Wechsel – und zwar hin zur Stärkung der AHV auf Kosten der Pensionskasse. So schlägt die Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) vor, den obligatorischen Teil der BVG (2.Säule) künftig in die AHV (1.Säule) zu integrieren. Dies, um «dem Verfassungsauftrag der Existenzsicherung gerecht zu werden, künftig eine Minimalrente von 4000 Franken festzusetzen», wie im Wahlprogramm 2019 der Partei zu lesen ist. Der Vorschlag sieht vor, dass «ein neues System der Altersvorsorge langsam aufgebaut wird, während gleichzeitig das alte System ausläuft.» Die Linke im Lande täte gut daran, diese Idee ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Share

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zur Sicherheit untenstehende Aufgabe lösen * Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.