Rechtsextreme im Netz: Eine Gefahr?

Am vergangenen Freitag, dem 11.2. , hörten ca. 25 Personen den Schilderungen von Michael Weiss zu. Dieser war aus Berlin angereist, um die Erkenntnisse des „Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums“ (Apabiz) über die Aktivitäten Rechtsextremer in Social Networks mit Interessierten zu teilen. Organisiert wurde der Abend von der Antifa Bern in den Räumen der Reitschule.

Die schwierige Einteilung des Rechtsextremismus

Das Apabiz, gegründet in den 80ern, sammelt seit Jahren Daten über die rechte Szene und versucht sich an einer Bewertung. So konnte Michael Weiss denn auch erschreckende Zahlen nennen, die auf empirischen Studien beruhen: zwischen 5 und 10% der deutschen Bevölkerung besitzen ein Gedankengut, dass als faschistisch einzuordnen ist. Ausserdem sind bereits 4% aller 15jährigen in rechten Vereinen, Kameradschaften oder Parteien anzutreffen. Was prozentual als vernachlässigbar erscheint, geht, in absoluten Zahlen gesehen, in die Millionen. Und diese Zahlen dürften nicht nur auf die deutsche Bevölkerung zutreffen.

Dabei fällt die Einteilung der „Rechten“ schwer. Man kann drei grobe Kategorien ziehen: die „Aktivist(Inn)en“, die sich selbst als Nazis begreifen und in Parteien organisiert oder auf Aufmärschen anzutreffen sind; die „Nachbarschafts-Nazis“, die sich selbst gar nicht als rechtsextrem empfinden, deren Meinungen aber eine faschistische Grundhaltung widerspiegeln; die Personen (meist Jugendliche), die sich selbst nicht als Nazis sehen, in den meisten Fällen auch kein direkt faschistisches Gedankengut haben, aber im Kontakt mit Faschisten stehen und auf rechte „Kulturveranstaltungen“ gehen. Schwer ist die Einteilung in diese Kategorien, weil insbesondere der letzte Typ kaum fassbar ist. Die Grenzen verfliessen und die Frage, wo eigene faschistische Haltung beginnt und Mitläufertum endet, ist oftmals nur subjektiv beantwortbar. Interessanterweise ist es gerade durch Facebook und ähnliche Social Networks möglich, eine genauere Studie über den jetzigen Rechtsextremismus anzustellen.

Nazis im Netz: Von Unsichtbaren und Provokateuren

Jeder kennt Facebook: Millionen nutzen es, die meisten davon unbedacht. Durch Facebook und Co ist es möglich, eine Flut von Informationen über das Individuum zu erhalten. Auch Neonazis machen da keine Ausnahme. Die Untersuchungen des Apabiz lassen eine Einteilung in zwei Sorten von Neonazis im Netz zu: die ersten, die man als „bekennende Nazis“ bezeichnen könnte, die mit offen faschistischen Bildern, Texten und Liedern prahlen; die anderen, die vermeiden, einen Bezug zu ihren faschistischen Aktivitäten und Meinungen auf ihrer Facebook-Seite herzustellen, die aber durch ihre Freunde enttarnt werden. Was in diesem Zusammenhang auffällig und besorgniserregend ist, ist folgendes: Auf den Seiten der „bekennenden Nazis“ lassen sich, neben Kommentaren anderer Rechter, auch Freundschaftsanfragen, Gästebucheinträge und Kommentare „normaler“ Menschen finden. Das deutet darauf hin, dass das Vorhandensein einer faschistischen Meinung / faschistischer Propaganda bereits als normal hingenommen wird. Teils nimmt dieses Verhalten auch kuriose Blüten an: Da gratuliert die Mutter im Gästebuch zum Geburtstag, über ihr die Freunde aus der Kameradschaft, die Hitlerbilder schicken und daneben der Bruder, der gleichzeitig auch in der Facebook-Gruppe „Kein Bock auf Nazis“ ist.

Stellt virtuelle Präsenz eine wirkliche Gefahr dar?

Die Frage, die sich aus faschistischen Gruppen mit teils 10.000 Mitgliedern ergibt, ist einfach: Stellt die Präsenz der Faschisten im Netz eine wirkliche Gefahr da und führt die Online-Aktivität der Neonazis zu mehr Nazi-Aktivitäten auf der Strasse? Glücklicherweise deuten die Beobachtungen des Apabiz nicht in diese Richtung. In den Gegenden, in denen die Neonazis besonders aktiv im Netz waren, konnte keine erhöhte rechte Aktivität auf der Strasse gemessen werden. Umgekehrt: Dort, wo die Nazis besonders stark in der Gesellschaft verankert sind und bereits (reale!) Strukturen geschaffen haben, sind sie im Netz geradezu unterrepräsentiert. Dies scheint sich durch den Aufbau der Social Networks erklären zu lassen. In ihnen ist es extrem leicht, eine grosse Masse von Menschen zu erreichen. Jeder Eintritt in eine Gruppe erfordert nur einen Mausklick, Einladungen sind ebenso schnell verschickt. Die dialektische Kehrseite dieser Einfachheit ist die Schwäche der Bindungen, die so aufgebaut werden. Eine Nazi-Gruppe kann schnell Tausende von Mitgliedern bekommen, dies aber nur, weil die Schwelle einzutreten so gering ist. Hingegen ist die Mobilisierung einer solchen Gruppe (dahin, dass sie etwa einen Aufmarsch organisiert) mit der enormen Erhöhung der Hemmschwelle verbunden: Nur die Wenigsten sind dazu bereit. So sammeln sich Nazis zwar leicht Massen, aber eben Massen von Unüberzeugten, die nicht lange darüber nachdenken, ob oder nicht sie einer Gruppe beitreten.

Während also die Rekrutierung neuer, aktiver Personen in die Naziszene durch Facebook kaum stattfindet, scheint es andere Gefahren zu geben. Die Taktik der Antifa, die auf der Isolierung von Rechtsextremen beruht, wird durch Facebook enorm erschwert. Social Networks liefern die Möglichkeit, sich mit der „Szene“ verbunden zu fühlen. Und dies auch dann, wenn man in seinem Ort eigentlich der einzige ist, der die rechte Meinung vertritt. So wird eine Strategie, die auf die Zerrüttung dieser Verbundenheit basiert, konterkariert. Auch eine zweite Gefahr zeichnet sich deutlich ab: Durch das Vorhandensein rechtsextremer Propaganda in Social Networks besteht immer die Chance, dass rechte Parolen, Bilder und letztlich Meinungen sich langsam und schleichend normalisieren. Es scheint schwer, die Öffentlichkeit für Faschismus zu sensibilisieren, wenn sie tagtäglich von faschistischer Propaganda umgeben ist. Besonders heimtückisch ist dies, weil sich eine derartige Propaganda nicht immer als solche zu erkennen gibt und so als „selbstverständlich“ hingenommen werden kann.

Antifaschistisch entgegenwirken?

Wie man dem Auftreten der Rechten im Netz entgegentreten soll, ist umstritten. Michael Weiss gab zu verstehen, dass bereits die Abschätzung der Gefahren schwer fällt, was durchaus verständlich ist. Eine Möglichkeit den Rechten zu begegnen, wird von den Benutzern der Social Networks erprobt. So gibt es etwa eine „Virtuelle Lichterkette“ (eine eigens gegründete Gruppe), die bereits mehrere Hunderttausend Mitglieder hat und den Facebook-Anbieter dazu bringen will, die NPD-Seite zu löschen. Allerdings scheint es auch hier fraglich, wie viel Überzeugung tatsächlich hinter jedem der Gruppenmitglieder steckt und inwieweit eine Löschung von Inhalten wirklich nützlich ist. Da die Möglichkeit der Wiederanmeldung besteht, scheint man sich einer Sisyphos‘ Aufgabe zu hinzugeben.

Eine andere Möglichkeit wäre das Infiltrieren rechter Gruppierungen durch Antifaschisten. Der Nachteil ist jedoch offensichtlich: Es würde eine enorme Arbeit bedeuten und, vielleicht noch schlimmer, wohl auch die Aufgabe der eigenen Anonymität. In Anbetracht dieser Perspektiven muss überlegt werden, ob die Antwort auf Rechte im Netz tatsächlich auch im Netz stattfinden soll. Denkbar ist es nämlich ebenso, dass die antifaschistische Arbeit sich weiterhin auf die Strasse, auf die direkte Aufklärung der Menschen vor Ort, konzentriert. So gesehen: Wenn die Antifa ihre Aufgabe in der Realität erfüllt, dann sei den Nazis das Netz geschenkt – es wird ein trostloser Ort für sie.

Die extreme Rechte in «Social Networks»

Veranstaltung der Antifa Bern mit Michael Weiss, Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz, Berlin
Freitag, 11. Februar, 20 Uhr, Infoladen, Reitschule Bern

Die «Social Networks» wie Facebook, MySpace oder wer-kennt-wen dienen nicht nur der Vernetzung extrem rechter Szenen, sondern sie öffnen Räume zur Propaganda und Werbung. In eigens geschaffenen Gruppen gestalten Neonazis einen virtuellen Sozialraum, tauschen Materialien und Termine, organisieren Aufmärsche oder «Nationale Grillabende». In Hunderten Gruppen verknüpfen sie «populistische» Forderungen mit neonazistischen Parolen, verbreiten Weltverschwörungshalluzinationen und erreichen eine bedenklich hohe Anzahl UnterstützerInnen. Vor allem wird in den «Social Networks» nachvollziehbar, wie neonazistische Identität in ein «ganz
normales» Alltagsleben, bestehend aus Techno-Event und Freiwilliger Feuerwehr, eingepasst werden kann.

Der Vortrag gibt, insbesondere am Beispiel der Internet-Community wer-kennt-wen, Einblicke in die vielfältigen neonazistischen Aktivitäten in Social Networks. Wie wirkungsmächtig sind diese? Wie bedeutend ist der virtuelle Raum als Kontaktbörse, Austauschplattform oder Propagandamedium? Erreicht man dort möglicherweise mehr Menschen, als wenn man durch abgeschirmte, menschenleere Vororte marschiert? Oder sind die dort gepflegten Beziehungen zu unverbindlich, die Netzwerke zu substanzlos, um von einer «neuen Gefahr» zu reden? Und: Wie kann man dagegen antifaschistisch intervenieren?

Machtkampf um Klamotten

Basler Zeitung vom 14.01.2011

Im Konflikt um die Kleidermarke Thor Steinar sind die Fronten verhärtet

Die Anschläge von Linksextremen auf den Laden Power Zone halten an. Die Betreiber denken nicht daran, die umstrittene Kleidermarke Thor Steinar aus dem Sortiment zu nehmen. Die Folge ist ein Machtkampf mit grossem Gewaltpotenzial.

Die Basler Staatsanwaltschaft ist ratlos. Sie kann die Urheber der Anschläge auf den Laden Power Zone Basel an der Feldbergstrasse gleich bei der Johanniterbrücke nicht fassen. Sicher scheint nur, dass die Täter aus dem linksextremen, antifaschistischen Milieu stammen. Diese hatten es seit der Eröffnung im September auf das Geschäft abgesehen. Zuerst warnten Flugblätter vor «Nazis in der Nachbarschaft», dann wurden die Schaufenster verschmiert. Ende Oktober deponierten Unbekannte einen Brandsatz vor dem Geschäft. Ende Dezember wurde zweimal das Schaufenster eingeschlagen, einmal mit einer Schleuder. Weiter …

Drei Jubilare

Drei grosse alte Männer des österreichischen Antifaschismus haben in den letzten Tagen besondere Geburtstage gefeiert: Alfred Ströer wurde 90 Jahre alt, Jonny Moser 85 und Rudolf Gelbard 80. Die Welser Antifa gratuliert dazu herzlich, dankt den Jubilaren für ihre grossartigen Lebensleistungen und wünscht ihnen, dass sie ihre Aufklärungsarbeit noch lange fortsetzen können!
Jonny Moser und Rudolf Gelbard sind auch in Oberösterreich – und besonders in Wels – immer wieder als Zeitzeugen an Schulen aktiv. Das Echo bei den Jugendlichen ist hervorragend.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) hat Kurzbiographien der drei Jubilare zur Verfügung gestellt.

Hier geht es zur Antia-Österreich und zum PDF.

Mehr Integration nötig

tachles vom 03.12.2010

Rassismus im Stadion

Rassismus und Rechtsextremismus sind in europäischen Fussballstadien weit verbreitet. Ein Blick auf die Situation in der Schweiz.

Daniel Zuber

Fussball ist eine der beliebtesten und verbreitetsten Sportarten der Welt.

Es wird nicht nur auf der ganzen Welt Fussball gespielt, Millionen von Menschen besuchen auch regelmässig die Stadien ihrer bevorzugten Mannschaft und verfolgen die Spiele am TV. Das Spiel hat ein gewaltiges integratives Potenzial, wie immer wieder betont wird, es baut jedoch auch auf Rivalität, Abgrenzung und lokaler Identität auf, weshalb Fussball stets auch von Herabwürdigungen, Konflikten und Gewalttätigkeiten begleitet wird.

Rechtsextremismus im europäischen Fussball

In den vergangenen Jahren machten gewalttätige Fussballfans, die oft der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind, immer wieder Schlagzeilen. 2005 wurde etwa der ehemalige Kapitän des italienischen Vereins Lazio Rom, Paolo Di Canio, von der Disziplinarkommission des italienischen Fussballverbands FIGC zur Zahlung einer Geldstrafe von 10000 Euro verurteilt, weil er beim Stadt-Derby gegen die AS Roma seine Anhänger mit dem faschistischen römischen Gruss, welcher damals Benito Mussolini galt, salutiert hatte. Anfang Februar 2007 kam auf Sizilien ein 38-jähriger Polizist bei heftigen Fussballkrawallen ums Leben und mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der getötete Polizist hatte zuvor in einem Prozess gegen rechtsradikale Fans ausgesagt. Auch beim kürzlich ausgetragenen EM-Qualifikationsspiel zwischen Italien und Serbien in Genua kam es zu wüsten Ausschreitungen, die den vorzeitigen Abbruch des Spiels herbeiführten. Bilder von serbischen Hooligans mit ausgestrecktem rechtem Armen gingen durch die Medien und es wird darüber spekuliert, ob besagte Hooligans Handlanger rechter Kräfte in Belgrad seien.

In Frankreich machten Ende November 2006 nach einem Spiel zwischen Paris St-Germain (PSG) und Hapoel Tel Aviv etwa 150 PSG-Fans Jagd auf Anhänger des israelischen Vereins. Nachdem ein dunkelhäutiger Zivilpolizist einen jüdischen Fan beschützen wollte, wurde auch dieser attackiert, worauf er sich mit zwei Schüssen gewehrt hat, welche einen jugendlichen PSG-Fan töteten und einen anderen schwer verletzten. Diese Aufzählung könnte lange weitergeführt werden.

Rassismus im Schweizer Fussball

Auch in der Schweiz machten Rassismus und rechte Gewalt auf und neben dem Fussballfeld bereits Schlagzeilen. So musste etwa ein vermeintlich jüdischer Fussballtrainer im November 2008 nach einer Schlägerei ins Spital eingeliefert werden und es kam in einem Extrazug des FC Basel (FCB) Ende August 2007 zu rassistischen Ausschreitungen, woraufhin der Fussballverein eine Fachgruppe gegen Antisemitismus und Rassismus gründete, welche laut dem Mediensprecher des FCB, Josef Zindel, die Ergebnisse ihrer Arbeit voraussichtlich nächsten Frühling öffentlich kommunizieren wird. Weiter …

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