Il violino die Cervarolo

cervarolo-violino_cervarolo-1Vor dem Film wird jeweils ein kurzer Überblick zum historischen Kontext und den aktuellen Prozessen gegeben, danach steht Zeit für eine Diskussion mit den Filmemachern zur Verfügung. Für Übersetzung ist gesorgt.

Zum Film

Während des Zweiten Weltkriegs, kurz bevor er selbst an die Front geschickt wird, vertraut Virgilio Rovali, ein Geiger aus dem Appennin bei Reggio Emilia, der Mutter seine wertvolle Geige an. Er ist noch nicht nach Hause zurückgekehrt, als im März 1944 seine und viele andere Familien aus dem kleinen Dorf Cervarolo Opfer eines Massakers durch deutsche Wehrmachtseinheiten und italienische Faschisten während einer grossangelegten Vergeltungsaktion werden. Mit Hilfe der Erinnerungen derer, die als Kinder damals alles mit ansehen mussten und den Überlieferungen seiner Familie, versucht Italo, der Sohn Virgilios, fast siebzig Jahre danach die Verantwortlichen für das Verbrechen zu finden.

Dank seiner unermüdlichen Nachforschungen und den Ermittlungen einer Gruppe von Staatsanwälten wird endlich ein Prozess eröffnet. Die Tragödie des Massakers hat für immer das Leben von Italo und seiner Familie gezeichnet. Seine Erinnerungen leben im Laufe des Prozesses wieder auf, einschliesslich der unglaublichen Geschichte der Geige seines Vaters.

«Il Violino di Cervarolo» beschränkt sich nicht auf Geschichte und Erinnerung; gleichzeitig dokumentiert der Film die Kriegsverbrecher-Prozesse vom vergangenen Jahr in Verona aus der Perspektive der Überlebenden und Angehörigen und gibt diesen eine Stimme.

75 Min., Italien 2012, Italienisch mit deutschen Untertiteln

Freitag, 11. Januar: St. Gallen, Kinok, 19.30 Uhr
Samstag, 12. Januar: Luzern, Sentitreff, 19.30 Uhr
Sonntag, 13. Januar: Zürich, Kino Xenix, 14.30 Uhr

 

Ins «heute» tragen

Der Dokumentarfilm zeigt, wie wichtig heute Erinnerung an vergangene aber nicht vergessene Ereignisse, die nichts von ihrer Aktualität eingebüsst haben, ist. Während des Prozesses von Verona wurden im Juli 2011 sechs Offiziere/Unteroffiziere der Wehrmachtseinheit «Herman Göring» in Abwesenheit zu lebenslangen Haftstrafen und Entschädigungszahlungen verurteilt. Von diesen sechs sind drei im Oktober 2012 in zweiter Instanz freigesprochen worden. Drei lebenslängliche Strafen sind bestätigt worden, aber trotz dieser Verurteilung erwartet die Täter keine Strafe, da Deutschland ihre Auslieferung verweigert. Ähnlich ist das Kräfteverhältnis bei den zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen für Kriegsverbrechen. Von Italien und Griechenland rechtskräftigt zu Entschädigungszahlungen verurteilt, hat Deutschland im Februar 2012 vom internationalen Gerichtshof in Den Haag seine «Staatenimmunität» zugesichert bekommen.

Das beruhigt im Hinblick auf die nächsten Kriege…

Das Urteil von Verona hat darum nur symbolische Ausstrahlung – die Täter sind benannt und die kollektive Erfahrung anerkannt worden, zumindest teilweise. Entschädigungen für die Überlebenden und Angehörigen, die ihr Leben lang unter den Traumatisierungen und materiellen Folgen der Massaker leiden mussten, werden aber genauso unerfüllte Forderungen bleiben, wie die späte Konfrontation und Strafbarkeit der Nazi-Täter.

Um dieser Situation nicht ohnmächtig und untätig entgegen zu stehen, wird «Il Violino di Cervarolo» die Erinnerung an die Vergangenheit ins «heute»  tragen, unter anderem dorthin wo die Täter heute wohnhaft sind.

Weitere Informationen:

http://maipiufascismo.blogsport.de

http://www.istoreco.re.it

«Kein Vergeben, kein Vergessen! Nie wieder Faschismus!»

 «Vogliamo giustizia! La memoria non si cancella! Mai più fascismo!»

Marx ohne Zähne

Michael Heinrichs Bücher über die Kritik der politischen Ökonomie geniessen einen guten Ruf – nicht ganz zu unrecht. Und doch muss man sie mit einigem Vorbehalt lesen: Zu schnell begräbt der Autor darin wichtige Erkenntnisse in Bezug auf die Krise und die Klassenfrage.

Aus der Printaugabe vom 9. November. Unterstütze uns mit einem Abo.

Wo ein neuer Kapital-Lesekreis gegründet wird, hat man heute meist schnell Michael Heinrichs bereits in 10. Auflage erschienene «Kritik der politischen Ökonomie» zur Hand. Tatsächlich ist dem Autoren mit seinem Einführungsbüchlein eine plastische und gut verständliche Einführung in das Werk von Karl Marx gelungen. Mit «Wie das Marxsche Kapital lesen?» legte er eine Leseanleitung für die ersten Kapitel des ersten Bandes des «Kapitals» nach, die die Befassung mit der schwierigen Wertformanalyse und dem viel diskutierten Fetischkapitel erleichtert. Auch in der marxistischen Diskussion hat es der Autor zu hoher Reputation gebracht. Seine Dissertation «Die Wissenschaft vom Wert» gilt längst als Standardwerk. Der Mathematiker und Politologe beherrscht es, die komplexe und vielschichtige Materie der marxschen Kritik einfach und doch fundiert darzustellen. Und doch muss man Heinrich mit gewissen Vorbehalten lesen. Was Heinrich in seiner ausführlichen Beschäftigung mit Marx entwickelt, ist eine bestimmte Interpretation, die auch in seinen Einführungsbüchern durchscheint.

Die «Neue Marx Lektüre»

Die «Schule», der Heinrich angehört, wird heute «Neue Marx Lektüre» genannt und hat neben einigen Vorläufern ihren Ursprung etwa in den 1970er Jahren. Sie ist als direkte Reaktion auf die Krise des Marxismus zu verstehen und war von Beginn an geprägt von einer scharfen Abgrenzung gegenüber der marxistisch-leninistischen Leseweise von Marx, die zu grossen Teilen zur Legitimationswissenschaft des realsozialistischen Regimes geworden war. Die AutorInnen dieser neuen Leseweise kritisieren die historisierende Interpretation der Marxschen Formanalyse, die sie meist auf Engels zurückführen. Sie problematisieren die staats- und revolutionstheoretischen Implikationen dieser Interpretation und fokussieren selber sehr viel stärker auf die Formbestimmungen bei Marx. Man muss es ihnen hoch anrechnen, dass sie mit vielerlei politisch verheerenden Verirrungen in der traditionellen Auslegung der marxschen Theorie aufgeräumt haben. Gleichzeitig haben viele AutorInnen aber in bestimmten Fragen das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Zudem bleibt die «Neue Marx Lektüre» meist im akademischen Diskurs befangen, der zwar ungeheur penibel ist, sich aber gerade deswegen scheut, klare politische Folgerungen aus der neuen Lektüre zu ziehen.

Differenzen und Kritik

Die «Neue Marx Lektüre» ist in sich nicht homogen, sondern weist Widersprüche und Brüche auf, und es wäre verkehrt, sie als geschlossenes Ganzes behandeln zu wollen. Hier soll es um die bestimmte Leseweise von Michael Heinrich gehen, der sich seit einigen Jahren zum prominenten Aushängeschild dieser Lektüre-Bewegung gemausert hat. Es gab auch innerhalb dieser Neulektüre berechtigte Kritik an Heinrichs Auslegung: Etwa an der «Zweiweltenlehre» von Heinrich, in der Produktionssphäre und Zirkulation nur noch formell verbunden sind oder an der Behauptung Heinrichs, dass das Geld keine Geldware sein müsse, sondern blosses Symbol sein könne. Es soll in diesem kurzen Artikel aber nicht um diese marxologischen Dispute gehen, obwohl diese oftmals schwerwiegende politische Konsequenzen haben. Stattdessen soll an zwei Beispielen veranschaulicht werden, wo Heinrich mit einer politisch-revolutionären Leseweise von Marx in Widerspruch gerät: An der Krisentheorie und an der Klassenfrage.

Entschärfung der Krisentheorie

Heinrich unterzieht die verschiedenen krisentheoretischen Stränge des traditionellen Marxismus einer Kritik. Insbesondere mit dem berühmten «tendenziellen Fall der Profitrate» verfährt er dabei hoch formalisierend. Er weist nach, dass dieses marxsche Gesetz sich mathematisch nicht beweisen lässt. Unter der Prämisse, dass variables Kapital nur durch konstantes ersetzt wird, wenn es weniger kostet als das zu ersetzende, kommt Heinrich rechnerisch sogar auf das Gegenteil: Eine sinkende organische Zusammensetzung des Kapitals und damit ein Ansteigen der Profitrate. Einerseits überzeugt er zwar argumentativ, dass sich dieses marxsche Gesetz nicht mathematisch beweisen lässt. Andererseits sind die Prämissen von Heinrich nicht plausibel: Das Kapital ersetzt variables Kapital auch, um seine Produktivität zu steigern und die erhoffte Profitmasse auszudehnen. Zudem weist Marx schon darauf hin, dass die Maschinerie «ein Kriegsmittel wider Arbeitermeuten» ist und entsprechend eingesetzt wird. Man muss nur etwas die Augen offen halten, um zu sehen, wie sehr sich die organische Zusammensetzung des Kapitals zumindest in den Metropolen erhöht hat. Was Heinrich mit der Tendenz der fallenden Profitrate macht, ist bezeichnend für seine Auslegung der Marxschen Theorie: Er abstrahiert von den konflikthaften Prozessen und vom permanenten Klassenkampf und fasst das Kapital weitgehend als «automatisches Subjekt».

Krise und die Klassenfrage

Was Heinrich zur Krise abschliessend zu sagen hat, zieht der marxschen Theorie als Theorie der Revolution die Zähne: Das Kapital ist nicht mehr prozessierender Widerspruch, sondern wird einerseits von zyklischen Krisen heimgesucht und andererseits von Krisen geschüttelt, in deren Folge das Akkumulationsmodell geändert werden muss. Hier verkürzt Heinrich die marxsche revolutionäre Kritik zu einem Entwicklungsmodell. Stattdessen müsste man das Kapital als konflikthaften Prozess auffassen, der immanente Schranken hat, die zwar gewaltsam überwunden werden können, die aber immer wieder potentiell revolutionäre Situtationen erzeugen, in deren Folge sich ein Subjekt konstituieren kann, das das Ganze über den Haufen zu werfen fähig ist.

Dieses Problem ist eng mit der Klassenfrage verknüpft: Bei Heinrich existiert eine Kapitallogik, die dem Handeln der Menschen vorausgesetzt ist. Auch wenn Heinrich eingesteht, dass die Menschen diese Strukturen tagtäglich reproduzieren, liegt das Hauptaugenmerk doch auf den ihnen vorausgesetzten Strukturen, auf dem Kapital als «automatischem Subjekt». Statt in eine solche Schlagseite zu verfallen, müsste man herausarbeiten, warum die kapitalistische Gesellschaft notwendig auf dem Klassenkampf beruht und sich durch diesen entfaltet. Marx macht das etwa im Kapitel über den Arbeitstag. Man muss dabei nicht jeden illegalen Download als Klassenkampf auffassen, aber man sollte die realen Prozesse des Klassenkampfes und ihre Bedeutung für die Konstitution des Kapitals nicht aus den Augen verlieren. Genau diese Gefahr besteht aber, wenn man statt des Originals nur Michael Heinrichs Bücher über das «Kapital» liest, auch wenn sie den Einstieg in die schwierige Materie erleichtern können.

Opération Libertad

In «Opération Libertad» erzählt der Filmemacher Nicolas Waldimoff die Geschichte einer militanten linken AktivistInnengruppe aus der Westschweiz, die in eine Bank einbricht, um Verbindungen zur Diktatur in Paraguay nachzuweisen. Der vorwärts hat ihn zum Gespräch über seinen Film getroffen.

Beginnen wir mit der vielleicht schwierigsten Frage: Ist «Opération Libertad» nur ein Film über Politik oder ist er auch ein politischer Film?

In einem Film politisch zu sein heisst für mich, eine Verbindung zwischen den Charakteren und der Gesellschaft herzustellen, in der sie leben. Die Story von «Opération Libertad» ist politisch, weil diese Geschichte von Menschen handelt, die die Gesellschaft verändern wollen. Der Film erzählt aber auch von einer Zeit, in der sich politisch mehr bewegt hat.

Ihr Film ist also auch nostalgisch?

Keinesfalls. Mein Film spielt Ende der Siebzigerjahre. Ich war zu dieser Zeit noch ein Kind, die Themen dieser Zeit beschäftigen mich also nicht persönlich. Mein Film sollte daher auch nicht historisch sein. Was mich dagegen schon lange sehr interessiert, ist das politische Engagement. Schon im Alter von dreizehn Jahren las ich Bücher über die «Rote Armee Fraktion». Meinen ersten Film in der Filmschule drehte ich über die Gruppe «Vancouver Five», die in den frühen Achtzigern agierte.

Kann uns diese Geschichte heute noch etwas sagen?

Ich habe diese Zeit gewählt, weil in unseren Gebieten politisch derzeit wenig läuft. Anhand der Geschichte versuche ich zu zeigen, was es heisst, wenn sich jemand dazu entscheidet, die Linie der Legalität aus politischen Gründen zu überschreiten, und welchen Preis diese Person dafür zu bezahlen hat.

Welche Menschen sind es denn, die bereit sind, diese Linie zu überschreiten?

Vor zwanzig Jahren habe ich einen Film über eine Gruppe militanter Aktivisten aus der Schweiz gedreht, die wegen Verbindungen zur Stasi von Carla del Ponte verhaftet wurden. Ich hatte die Chance, mich mit ihnen zu unterhalten, und kam zum Schluss, dass diese militanten Aktivisten vor allem keine aussergewöhnlichen Menschen sind. Ich wollte auch die Protagonisten in meinem Film anders darstellen, wie das etwa in «Der Baader Meinhof Komplex» geschieht.

Wie zeichnet dieser Film seine Figuren?

Der Film ist vor allem ein Actionfilm. Er verhindert aber die Identifikation mit den Figuren. Sie sehen entweder aus wie Superhelden oder wie riesige Psychopaten, sind aber in jedem Fall meilenweit von uns weg.

Der Film ist auch ziemlich ideologisch.

Klar! In diesem Film wird für den Zuschauer oder die Zuschauerin nicht erkennbar, dass diese Aktivist-Innen zur gleichen Welt gehören wie sie oder er. Sie werden behandelt wie Aliens.

Wie stellen Sie die AktivistInnen dar?

Ich versuche sie so darzustellen, wie mir die militanten AktivistInnen begegnet sind, die ich getroffen habe. Diese Leute sind nicht an Waffen, Gewalt oder Action interessiert. Sie sehen Gewalt höchstens als notwendige Folge ihrer politischen Überzeugung. Umso besser aber, wenn sie sie verhindern können. In «Opération Libertad» wollte ich daher von normalen Leuten erzählen, die eine spektakuläre Aktion planen. Die Aktion geht aber schief und sie geraten in eine Situation, die sie komplett überfordert. Plötzlich kippt alles in einen Ernst, den die AktivistInnen nicht beabsichtigt hatten. Die Revolution ist eben kein Spiel.

Für den Film haben Sie eine interessante Erzählform gewählt: Wir sehen vermeintliches Amateur-Filmmaterial, in dem ein Aktivist den Überfall auf
die Bank festhält. Warum?

Ich wollte erreichen, dass der Zuschauer/die Zuschauerin spüren kann, was dieses politische Engagement bedeutet und was schwierig daran ist. Ich zeige auch die Ängste und Zweifel der AktivistInnen und wie sie sich immer wieder selber kritisieren. Um diese Intimität herzustellen, eignet sich ein Familienfilm doch am besten. Ich spiele mit dem Anschein, dass es sich um dokumentarisches Material handelt. So entsteht nicht diese Barriere und das Gefühl, der Inhalt habe nichts mit einem zu tun. Ich mag die Vorstellung, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist, wenn die ZuschauerInnen den Kinosaal verlassen.

Am Schluss des Films spricht der Kameramann zu seiner Tochter, der er das Filmmaterial zeigt, sie könne nun ihre eigene Geschichte daraus  gestalten. Was meinen Sie damit?

Es geht mir nicht um die Frage, ob solche Aktionen gut oder schlecht sind. Junge, politisch denkende Leute können sich meinen Film anschauen und vielleicht werden sie davon inspiriert. Es geht mir darum, dass wir weiter über Geschichten wie die von Hugues diskutieren und nicht vergessen, dass solche Dinge möglich sind.

Die Geschichte von «Opération Libertad» erinnert an den Film «Die fetten Jahre sind vorbei». Wurden Sie von diesem Film beeinflusst? 

Ich habe mir diesen Film natürlich angesehen und auch einen der Schauspieler, Stipe Erceg, übernommen. Der Film ist gut gemacht, aber ich finde es problematisch, dass er in der Gegenwart spielt. Alles, was der Film zeigen kann, sind symbolische Aktionen: Leute, die in ein Haus einbrechen und Möbel verrücken. Und dennoch werden die AktivistInnen erwischt. Der Film hat aber Recht, wenn er zeigt, dass es heute nicht mehr viele Spielräume gibt. Man wird heute viel schneller erwischt oder gar getötet. Man muss sich bewusst sein: Für militante Aktionen muss man heute bereits sein zu sterben. Die einzigen, die das auf breiter Basis bereit sind zu tun, sind islamistisch Terroristen. Andere politische AktivistInnen weichen daher auf die symbolische, mediale Ebene aus.

Auch die Gruppe in Ihrem Film plant ein solche Medienspektakel, das aber misslingt. Ihre Aktion wird von den Medien totgeschwiegen. Sind Sie diesbezüglich also pessimistisch?

Die Aktion im Film geht ja nicht völlig schief, denn das gestohlene Geld aus der Bank wird danach an GenossInnen im Ausland weitergegeben. Die Aktion ist zur Hälfte erfolgreich und scheitert zur Hälfte. Aber so ist das ja immer mit dem politischen Kampf. Man gewinnt oder verliert nie klar. Für mich ist es wichtig, schon den Willen, bis zum Ende zu gehen, als Erfolg zu sehen. Oder um es einfach zu sagen: Die Bewegung ist wichtiger als ihr Ziel.

Dieser Wille ist heute eine Seltenheit geworden.

Man sieht aber auch überall auf der Welt Leute, die den Atem dazu haben, Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Es gibt ja auch in Europa und den USA wieder Protestbewegungen. Doch es sieht für mich manchmal so aus, als würden sie gegen eine riesige Wand anrennen. Es scheint heute klar zu sein, dass wir etwas verändern müssen. Wir müssen aber noch nach einem Weg dafür suchen. Mit meinem Film kann ich höchstens zu dieser Suche anregen.

Ihr Film ist aber keineswegs neutral. Sie haben doch offensichtliche Sympathien mit Ihren ProtagonistInnen.

Mein Herz schlägt für eine Seite, das ist klar. Ich bin nicht jemand, der den Kompromiss sucht, ich will aber auch nicht belehrend oder paternalistisch sein. Ich fühle mich auf jeden Fall tief verbunden mit den Aufständischen auf der ganzen Welt.

Aus der vorwärts-Ausgabe vom 26. Oktober 2012

Eric Hobsbawm

Eric Hobsbawm war einer der wichtigsten marxistischen Intellektuellen der Welt. Auch, weil sich bei ihm auf einzigartige Weise Biographie und Wissenschaft verbinden. Nun ist er im Alter von 95 Jahren gestorben. Aus dem vorwärts vom 12. Oktober 2012.

Wie kein anderer verband Eric Hobsbawm kritische Analyse und Intervention mit Zeugenschaft. Nicht nur die schiere Menge von Material, Statistik und Themen, über die der britische Historiker bis in sein hohes Alter hinein virtuos verfügte, sondern auch die Tatsache, dass Hobsbawm die entscheidenden weltgeschichtlichen Ereignisse am eigenen Leib erfuhr, verleiht seiner publizistischen und politischen Tätigkeit eine Autorität, die ihres Gleichen sucht. Hobsbawm war ein engagierter Intellektueller und er war ein linker Intellektueller. Aber seine politische Parteinahme war nicht einfach das, was man  weltanschaulich nennt. Von Erfahrung gesättigt und motiviert war sie ebenso wie sie den Ausdruck wissenschaftlicher Einsicht und Anstrengung bedeutete. Die Gewissenhaftigkeit von Hobsbawms umfassenden historischen Darstellungen und theoretischen Einsätzen ist von seinem Selbstverständnis als marxistischem Autor nicht zu trennen.

Dass die Welt sich nicht vergesse

Aber auch die unbeirrbare Orientierung am Konzept einer Weltgeschichte bestimmte in Hobsbawms Arbeit die Aufgabe des historischen Materialisten zur politischen Tätigkeit. Man kann hinter dem Konzept der Weltgeschichte eine genuin marx’sche Einsicht am Werke sehen: Weltgeschichte ist keine a priori gegebene Idee, sondern von historischer Materialität, eine Möglichkeit, die der Kapitalismus als globalisierendes und globalisiertes Phänomen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte realisiert. Diese Reflexion gibt der Aufgabe des Historikers erst ihre Form; sie mit Inhalt zu füllen, ohne den Ideologemen erfundener Traditionen, Mythenbildungen oder eurozentrischer Chauvinismen zu erliegen, ist ihr Probierstein. Vor ihm zu bestehen, hat Hobsbawm sich bemüht. Das ergibt die Breite seiner Darstellungen: Er konfrontierte die grossen Persönlichkeiten mit den kleinen, die wenigen Privilegierten mit den Massen, die Ökonomie mit den Entwicklungen in Kunst und Kultur und die erste Welt mit derjenigen, die jene auf sich zu reduzieren versucht. Und über alldem thront der kategorische Imperativ  geschichtlichen Erzählens: Dass die Welt sich nicht vergesse.

Dem Vergessen sah Hobsbawm vor allem die radikale Ideologie des sich selbst genügsamen Marktes zuarbeiten. Dagegen brachte er reale Geschichte in Anschlag. Er hatte sie alle kommen und gehen sehen, die Weimarer Republik, als liberale Hoffnung, das tausendjährige Reich der Faschisten, das diese ablösen sollte, den Aufbau der Nachkriegsordnung mit ihrer Verschränkung von Sozialdemokratie und Nationalstaatlichkeit und schliesslich die neoliberalen Angriffe darauf.  Der Antrieb, zu erinnern, ist die leibhaftige Reaktion auf die Welt. Hobsbawm hat sich selbst als einen Schöngeist beschrieben und im gleichen Atemzug  die Urszene seiner Politisierung: Eine Jugendlicher, der sich in der untergehenden Weimarer Republik dem Sozialistischen Schülerbund anschliesst und 1933 am letzten Marsch der Arbeiterbewegung durch Berlin teilnimmt. Als Jude und Linker gleich doppelt vertrieben und im konservativen England als aufstrebender Akademiker der Arbeiterbewegung verschrieben: Hobsbawms Engagement verschränkt Individuellstes und Allgemeinstes.

Bis zuletzt Mitglied der Kommunistischen Partei Englands

So lässt sich die übliche Nachrede und Kritik am Wissenschaftler Hobsbawm vielleicht umdrehen: Nicht seine Weltanschauung hat seine wissenschaftliche Tätigkeit verunreinigt, vielmehr hat seine Forschung ihn dazu gebracht, die Welt als Bereich analytischer Intervention wahrzunehmen. Und die  Verantwortung, begreifend zu erinnern, bedeutete ihm nicht nur, in die Kommunistische Partei Englands einzutreten, sondern auch, ihr bis zuletzt – dem Untergang der Sowjetischen Alternative – angehörig zu bleiben. Nichts hat Hobsbawm mehr Kritik, Häme und Unverständnis eingetragen als das; nichts hat mehr psychologistische oder politische Diffamierungsversuche provoziert. Dabei war auch die Zeit, in der das autoritäre Sowjetmodell als realistische politische Option von Hobsbawm ernst genommen wurde, begrenzt. Bald nach dem Krieg setzte er seine Hoffnungen und Bemühungen auf eine Erneuerung von Labour oder fungierte als Vordenker des Eurokommunismus. Was er aber nicht tat, war sich von der Tatsache zu distanzieren, dass ihm und seinen ParteigenossInnen der gewaltsame und gewalttätige Aufbau einer Alternative als einzige politische Antwort auf den Zusammenbruch des  kapitalistischen Westens und seine faschistischen Krisenerscheinungen vor Augen stand. Für einen Augenblick historischer Erfahrung besass die sowjetische Option Aktualität.

So steht Hobsbawm beim zweiten Blick besser da als viele Linke und ihre KritikerInnen. Er war unizeitgemäss. Und dies ist er noch bis kurz vor seinem Tod. Nicht erst seit der Grossen Rezession im Ausgang der Finanzkrise, aber ab dann im medialen Fokus, warnt er vor dem Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten und verbindet seine Warnungen immer mit Einsichten in die strukturelle Beschaffenheit des Kapitalismus. Als Katastrophen-Eric verliehen die Medien ihm die Konturen einer Kassandra. Aber auch als Nichtspezialist in einer Welt von SpezialistInnen, wie er sich einmal nennt, hat er den Nimbus des Hervorragenden. Auch dies ein Gesetz, das die Sache ihm auferlegt. Auch dies eine politische Stellungnahme. Ein institutioneller Aufstieg erfolgt erst spät in der akademischen Karriere, nachdem dem Marxisten seine Publikationen und Lehraufträge bereits zu grosser Bekanntheit verholfen haben. Und erst im hohen Alter sieht sich Hobsbawm an Ehren und Auszeichnungen hochdekoriert. Seine letzten  Publikationen – ein Nachruf auf seine Kollegin Dorothy Wedderburn und eine Aufsatzsammlung zu  Marx und darüber, wie die Welt zu verändern sei – bezeugen als Kerngeschäft die akribische Pflege des politischen Erinnerns. Wie die Welt zu verändern sei – oder vielmehr: Dass. Denn ein Utopist ist einE MarxistIn in Hobsbawms Augen nie, sondern einE kritischeR AnalytikerIn der bestehenden Zustände, die nun einmal die des globalisierten Kapitalismus sind. So gross ist mit dem Verlust des 95-jährigen Historikers der Verlust für alle, die dieses Anliegen teilen. Nur zu erahnen der Verlust derer, die ihn kannten und um die er sich kümmerte. Eric Hobsbawm ist in der Nacht auf den 1. Oktober in einem Londoner Spital verstorben.

«Ig gse numeno schwarz»

Simon Baumann und Andreas Pfiffner sind so etwas wie die Michael Moors der Schweiz. Sie ziehen mit der Kamera herum und fühlen der Bevölkerung auf den politischen Zahn. «Image Problem», ihr Versuch einer satirischen Dokumentation über das Image der Schweiz, misslingt aber weitgehend.

Aus der aktuellen Ausgabe des vorwärts – unterstütze uns mit einem Abo.

Was soll man über diesen Film bloss schreiben! Verlässt man den Kinosaal, bleibt vor allem das Rätsel zurück, was die Macher von «Image Problem», Simon Baumann und Andreas Pfiffner, uns hier wohl sagen wollen. Auf der Homepage zum Film wird versprochen, dieser «entlarve den Mangel an Solidarität und die zunehmende Fremdenfeindlichkeit im Kleinstaat Schweiz». Das klingt, als könne einem dieser Film etwas beibringen. Obwohl zahlreiche Befragungen von meist ausgeprägt bürgerlich denkenden Passant-Innen im Film vorkommen, die teils haarsträubend rassistische Kommentare wie «wenn ig hie zum fänster useluege, gsen ig nume no schwarz» abgeben, ist «Image Problem» kein Dokumentarfilm. Er ist eine satirisch erzählte Geschichte über die Produktion eines Dokumentarfilms, was eigentlich ganz wichtig wäre. » Weiterlesen

vorwärts Soliparty „Black & Red“ // dubstep-dnb-minimal-tech

Black & Red- 2 floors !!!
21 juli-21:00 @ provitreff

Live :
Neon nichtig (dnb-dubstep)

Djs:
Dance floor(dubstep) :
SuBSToNe(BE)
Bombo(ZH)
Nick Rhythem Family(ZH)

Bar floor (minimal,tech) :
kollektiv blut sauger (Hamburg)
Steinklopfer(ZH)
Miister Joe(Voler dans l’univers)

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Schon die alten Römer wussten, dass wummrige dubstep Beats die Vorboten des Spartakusaufstandes 73 v.Chr. waren.

Die sozialistische Zeitung „vorwärts“ existiert zwar noch nicht seit dem römischen Spartakusaufstand, berichtet aber bereits seit 1893 auf Seiten der Unterdrückten – konsequent antikapitalistisch.

Auch die heutigen Lohnherren wissen, dass mit „Black & Red“ erneut rasende dnb-, klickend-rythmisch tropfende minimal-tech- und endlostief hämmernde dubstep beats in Zürich Einzug halten werden.
Heute 2085 Jahre nach dem ersten Spartakusaufstand und 93 Jahre nach dem zweiten Spartakusaufstand sind die Bässe von „Black & Red “ die Vorboten für einen sich neuerlich erhebenden Zorn.

Von Athen über Bern nach Caracas,
Von Chiapas über Davos nach Havanna,
Von Istanbul über Kairo nach Oakland,
Von Santiago de Chile über Quebec nach Zürich,
an den Brennpunkten unserer Welt ist der vorwärts dran, in der Region Schweiz, wie auch in anderen uns weiter entfernten Regionen der Welt.

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«Näher als sie scheinen»

Kai Degenhardt. Auch meine fünfte Platte ist selbstverständlich wieder ein politisches Liedermacher-Album – was sonst? Allerdings nicht im Sinne, dass ich zur Klampfe singend tagespolitische Themen erörtere. Ich zähle meine Musik zu dem Genre, das die Anglo-Amerikaner «Singer-Songwriter» nennen und das bei uns unter «Liedermacher» läuft.

Musikalisch basieren weite Teile des Albums auf Geräusch-Samples – vom Mülltonnendeckel über Katzen-Gemieze zum Schlagschrauber. Ich bin tatsächlich in den letzten zwei Jahren meiner Umwelt häufig dadurch auffällig geworden, dass ich mit einem mp3-Recorder durch die Gegend lief und alle möglichen Alltagsgeräusche aufgenommen habe. Ausschliesslich aus solchen Schnipseln habe ich dann am Rechner die Beats für die Stücke des neuen Albums gebastelt. Der entstehende Verfremdungseffekt ist natürlich Sinn der Angelegenheit. Aber keine Sorge, auch klassische Musikinstrumente werden noch gespielt, und zwar Gitarre, Bass, Klavier, Melodica und Laptop.
«Näher als sie scheinen» ist aber auch ein Album im hergebrachten Sinn des Wortes, weil die darauf enthaltenen Stücke inhaltlich zusammengehören. Die seit nunmehr fünf Jahren andauernde und stetig sich verschärfende globale Systemkrise bildet den übergeordneten thematischen Bezugsrahmen für die insgesamt 16 Stücke. Ob heute wieder gilt, dass «wenn alles beim Alten bleiben soll, sich alles ändern muss» – wie es die Lampedusa in seinem Roman «Der Leopard» schrieb, oder doch schon ein Szenario zu erkennen ist, «dass die oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen» (Lenin) – das versuche ich auf der Platte, sozusagen en passant, poetisch zu erörtern.

Zwischen Morricone und modalem Jazz
Dabei möchte ich gerne das ganze Spektrum der persönlichen Konnotationen meiner HörerInnen wachrufen, auf dass diese sich mit Text und Musik irgendwie verzahnen. Dazu gehören Emotionen und Erinnerungen an frühere Erfahrungen und Wahrnehmungen (Näher als sie scheinen, Über den Mond) genauso wie das Durchspielen der inneren Möglichkeiten zu den in den Songtexten gemachten Vorschlägen hinsichtlich der Aneignung von Gegenwart und Geschichte (Herbst 1918, Zum Verbrechen, Vom Machen und Überlegen, Die Karawane). Konzeptalbum? Na klar.
Die zwischen den längeren Songs eingesetzten Miniaturen werfen ihre Streiflichter auf die individuellen Innen- und Aussenräume, wo die politische Grosswetterlage, die voranschreitende gesellschaftliche Fragmentierung und Entsolidarisierung sich ins so genannte Persönliche übersetzen (Frau Gesangsverein, Michael) und sich mitunter eine allgemeine soziale Statuspanik Bahn bricht (Auf Augenhöhe, An den Kufen des Hubschraubers, Wendehammer-Bohème).
Bänkelsong oder doch Ballade? Egal, die klassischen Disziplinen werden jedenfalls auch gepflegt: «Die Ballade vom Bernie Strauss» ist die 12-strophige Erzählung einer postfordistischen Aufsteiger-Biographie und ihres Endes, zu einem geloopten Flamenco-Buleria-Fake im 12/4-Takt. Und in «Nach der Sperre» greife ich das Genere «Bewaffnetes Road-Movie» von der letzten Platte wieder auf und setzte die Geschichte fort: Es ist ja auch wirklich nicht meine Aufgabe, mitzuteilen, was in meinem Leben real geschieht, sonder davon zu erzählen, was mir nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit passieren könnte.
In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts hatten sich beträchtliche Teile der kulturellen Opposition aus dem Geist von 1968 in die neoliberale Kapitalismus-Restauration eingeschrieben. Mit dem Platz der Immobilien-, Finanz- und anderer Blasen sind manche davon heftig abgestürzt und auch aufgeprallt. Der 18-minütige XXL-Schluss-Song «Unwetter in Blau» aus der Gattung des epischen Ein-Akkord-Rollen-Liedes erzählt das «Fleddern» eines so Gestürzten: In Raum und Zeit gedehnte Textmalerei zu programmierten Sound- und Geräuschschleifen, drüber live eingespielte, improvisierte Instrumentalstimmen von Klavier und spanischer Gitarre, genremässig irgendwo zwischen Morricone und modalem Jazz.

Ich
Ich zähle meine Musik zu dem Genre, das die Anglo-Amerikaner «Singer-Songwriter» nennen und das bei uns unter «Liedermacher» läuft. Wenn eine Musik und die Texte heute anders klingen, als das zu Zeiten der Burg-Waldeck-Festivals in den 1960ern der Fall war, so verdeutlicht es das nur. Purismus und Tradition sind zwei grundverschiedene Angelegenheiten. Und natürlich mache ich politische Lieder. Ich schreibe und singe von mir und Gott und der Welt und wie das alles zusammenhängt. Im landläufigen TV-Talk-Sinne aber ist und bleibt meine Musik absolut unpolitisch: Weder die Bundespräsidenten-Affäre noch der Fiskalpakt werden von mir auch nur im Ansatz textlich oder musikalisch behandelt.
Geboren 1964, wurde ich in den Siebziger und frühen Achtzigern entscheidend musikalisch sozialisiert, bin also mit Folk, Rock, Punk, Wave, Reggae und so weiter gross geworden, aber natürlich auch mit den Liedern meines im November letztes Jahres verstorbenen Vater Franz Josef Degenhardt. Mit ihm habe ich 20 Jahre als Arrangeur und Gitarrist zusammengearbeitet. Von 1987 an habe ich auf sämtlichen seiner Alben und diversen Tourneen mitgewirkt. Natürlich hat mich das künstlerisch stark geprägt.
Seit 1997 habe ich fünf eigene Alben veröffentlicht. Das letzte, «Weiter draussen», wurde 2008 von der Jury der Liederbestenliste zur CD des Monats November gewählt, und die Vereinigung «Preis der deutschen Schallplattenkritik» wertete es als eine der künstlerisch herausragenden Neuveröffentlichungen des Tonträgermarktes.

Kai Degenhardt spielt am Montag, 2.April in Basel im Hirscheneck, 20.00 Uhr.
Einziges Konzert in der Schweiz

vorwärts feiert!

Im kleinen «Mundwerk» war Grosses los: Freitag- und Samstagnacht feierte der vorwärts das traditionsreiche vorwärts-Fest. Die Redaktion des vorwärts freut sich über mehr als 200 Gäste, engagierte Bands und eine gelungene Party, die bis in die frühen Morgenstunden reicht. Der besondere Dank der Redaktion gilt allen, die halfen, das vorwärts-Fest auch dieses Jahr wieder zu ermöglichen. Ein Bilderrückblick.

 

 

Bald mehr unter: www.vorwaertsfest.ch

Reitschule lehnt ab!

Damit will die Reitschule Raum schaffen für konstruktive Gespräche über die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen Stadt, Bevölkerung, Behörden und Reitschule – ausgehend von realen Problemen und Zuständen.

In der Reitschule gab es die Bereitschaft einen vierjährigen Leistungsvertrag zu unterschreiben. Dass dieser vom Stadtrat abgewürgt wurde, gibt uns Anlass, über die Gesamtsituation nachzudenken und frischen Wind in die Beziehungen zwischen Stadt und Reitschule zu bringen. Ein einjähriger Vertrag schafft aus Sicht der Reitschule eine unhaltbare Situation. Zum einen ist es so nicht möglich, das umfangreiche kulturelle Angebot zu planen, zum andern will die Reitschule ihre Energie nicht in jährliche Vertragsverhandlungen stecken, sondern diese in ihre kulturelle, soziale und politische Arbeit investieren. Die Reitschule will sich diesem Druck nicht beugen, sucht nun neue konstruktive Lösungen der Zusammenarbeit und wird weiterhin im Dialog mit den Stadtbehörden bleiben.

In Memoriam Franz Josef Degenhardt

Mit seinen rund 50 Alben und den 14 Romanen hinterlässt uns der politische Bänkelsänger und Erzähler ein Werk, in dem er uns auf seine Weise, also nach allen Regeln der Kunst, marxistisch stichhaltige Erkenntnisse
über Geschichte, Erfahrungen aus Befreiungskämpfen, über Gesellschaftszustände,
die Menschen schinden und verkrüppeln, über realistische Hoffnungen auf revolutionäre Veränderung vermittelte. Und wie sich die Zeiten verändert haben: Hatte er vor Jahrzehnten eingeladen zum Feiern „an dem Tisch unter Pflaumenbäumen, … denn unsere Sache, die steht nicht schlecht“ und dann Rudi
Schulte, der alte Kommunist aus dem Ruhrpott, die Lage nach der grossen Niederlage treffend auf den Nenner brachte, „da müssen wir durch“. Viele teure Namen hat er in unser Gedächtnis hineingeschrieben: Jos Fritz, Patrice Lumumba, Ho Chi Minh, Salvador Allende, Sacco und Vanzetti, oder hier von uns Mutter
Mathilde, Natascha Speckenbach, die Marx und Engels kennt, „und wie mans macht“
im Klassenkampf, oder die jungen Leute aus den „Zündschnüren“, die den Nazis manches auswischten. Sie alle sind uns ans Herz gewachsen.

Jetzt werden wir in seinen Büchern lesen, seine Platten hören, uns an die wunderbaren Konzerte erinnern, und wie da Solidarität, Internationalismus, Parteinahme für die Arbeiterklasse lebendig zum Begriff
wurden.

Traurig über den Tod unseres Genossen empfinden wir tiefen Dank für alles, was er uns gegeben hat,
auf dass wir die Hoffnung und den Mut zum Kampf für eine bessere Welt nicht verlieren.

Quelle: www.kommunisten.de

Jean Ziegler – das Leben eines Rebellen

Neuerdings ist er Vizepräsident des Beratenden Ausschusses der Menschenrechtskommission der Uno, was ihn aber nicht daran hindert, unentwegt den tagtäglichen Skandal des Welthungers in den Medien anzuprangern: soeben ist auf französisch sein neues Buch «Destruction massiv» erschienen, in dem er die neusten Skandale im Bereich der Nahrungsmittelspekulation aufdeckt (siehe unten!). In einem Interview zu seinem 75. Geburtstag, wies er es weit von sich, nun «weise» werden zu wollen. Im Gegenteil: seine Verve in den Diskussionen mit seinen nicht auf den Mund gefallenen GegenspielerInnen und seine Geduld mit BesucherInnen seiner Lesungen nehmen eher noch zu. Wenn er von aggressiven GesprächspartnerInnen unfair angegriffen wird, zieht er höchstens einmal eine Augenbraue hoch oder rückt die riesige, an Frischs und Dürrenmatts Augengläser erinnernde, Brille zurecht: «Monsieur Teflon» hat man ihn auch schon genannt, weil ihn nichts aus der Ruhe bringen kann, er selbst aber die Unruh einer Schweizer Uhr selber ist.

Die erste Ziegler-Biografie

Jürg Wegelin war bestimmt eine gute Wahl für eine erste, summarische Biographie über Jean Ziegler, nach Roger Federer der berühmteste Schweizer. Wegelin, der mit einer Biografie über Nicolas Hayek bekannt geworden ist («Mister Swatch»), war viele Jahre für die «Schweizerische Depeschenagentur» tätig, dann als Ressortleiter beim «Berner Bund» und bei der «Handelszeitung» angestellt, und wurde schliesslich zum Bundeshauskorrespondenten bei der Wirtschaftspostille «Cash» ernannt. Früher war ich schockiert, wenn ich lesen musste, wie Wegelin Ziegler in seinen Kolumnen im Bund in die Pfanne haute; Ziegler hat es ihm offensichtlich verziehen – nicht umsonst hat er sich zum Katholizismus bekehrt – , und Wegelin ist unter anderem dank dieser Gnade vom Saulus zum Paulus geworden. Wie übrigens der Mainstream der Schweizer Intellektuellen, die nach und nach merken, dass Ziegler eigentlich von Anfang an Recht hatte mit seinen Positionen was die Schweiz und den Kapitalismus betrifft. Zu recht positioniert Wegelin Ziegler in seinem Vorwort als politischen Antipoden des rechtspopulistischen Demagogen Christoph Blocher: «Für die einen ist Ziegler ein mutiger Kämpfer für eine bessere, von Hunger und Armut befreite Welt. Für die andern ist er ein Querulant und Nestbeschmutzer, der das Image der Schweiz im Ausland nachhaltig beschädigt.» Zwischen diesen beiden extremen Polen spielen sich die gründlichen Recherchen des versierten Journalisten Wegelin denn auch ab, wobei er auch das Privatleben seines Protagonisten nicht ausser Acht lässt. Zum ersten Mal werden dem staunenden Publikum Fotos preisgegeben, die Hans Ziegler, so sein wirklicher Name – es war Simone de Beauvoir, die in Paris seinen ersten Beitrag für die Zeitschrift «Temps Modernes» mit «Jean» unterzeichnen liess – in seinem persönlichen, ja sogar sehr privaten Umfeld zeigen: eine grosse Bereicherung im Vergleich zu den ewig gleichen Presseschnappschüssen vor Uno-Fahnen und andern Emblemen beim Händedruck mit andern Grossen dieser Welt. Wegelin hat sich für dieses Buch unzählige Male mit Ziegler im «Café des Cheminots» hinter dem Genfer Bahnhof getroffen, wo bis heute GewerkschafterInnen ein- und ausgehen. Aber Ziegler lädt JournalistInnen auch gerne bei sich ein. Sogar bei Zieglers zu Hause im idyllischen Winzerdorf  Russin, hoch über den Mäandern der Rhone gelegen, wo er heute mit seiner zweiten Ehefrau, der Architekturhistorikerin Erica Deuber-Pauli lebt, war Wegelin eingeladen.

Keine heiklen Themen ausgelassen

Das Buch liest sich wie ein Roman, der Roman eines noch lange nicht beendeten Lebens, das aus unzähligen kleinen, aber deswegen nicht unwichtigen Episoden besteht und auch nicht gradlinig verläuft, weder privat noch politisch, sondern immer wieder in den scheinbar stabilen Phasen von überraschenden Sprüngen und Brüchen rhythmisiert ist. Auf einen Lebensabschnitt zur Zeit der Epoche seiner Jugend in der Berner Oberländer Kleinstadt Thun angesprochen, wo er übrigens kürzlich den Preis der Stadt entgegen nehmen durfte, gibt Ziegler heute offen zu, dass er nicht mehr nachvollziehen könne, was damals in ihm vorgegangen sei, als er als Hauptmann der dortigen Kadetten mit einem Säbel an der Seite, flankiert von zwei jugendlichen Offizieren umherstolzierte, wie eine Illustration der Biografie schwarz auf weiss beweist. Und so lässt das interessante Buch von Wegelin keine heiklen Themen, keine gefährlichen Kurven aus, ohne dass der Biograf jeweils wegen des beschränkten Umfangs, der aber dem Nichthistoriker und auch der nicht primär politisch motivierten Leser in entgegenkommt, in die Tiefe sondieren könnte.

Was für Jean Zieglers unermüdlichen Kampfgeist zeugt, ist auch die Tatsache, dass auf französisch bereits sein nächstes Buch erschienen ist: sein Titel «Destruction massive, Géopolitique dela faim» (Seuil, Paris). Es behandelt die sich ununterbrochen zuspitzende Hungerkatastrophe im jetzigen Moment, da die Menschheit auf sieben Milliarden angewachsen ist, die unser Planet alle problemlos ernähren könnte, wenn die Nahrungsmittel endlich gerecht verteilt würden. Denn die Nahrungsmittel würden objektiv ausreichen, um 12 Milliarden zu ernähren, wie Ziegler nachweist.

Jürg Wegelin, Jean Ziegler – das Leben eines Rebellen, Verlag Nagel & Kimche,
Zürich. 192 Seiten, fester Einband,
mit vielen Abbildungen, 25.90 Franken.

vorwärts-Fest

Das Vorwärtsfest findet dieses Jahr zum ersten mal und ausnahmsweise im Mundwerk
in Zürich Oerlikon statt. Ausserdem dauert es zwei Tage, und pro Abend spielen je zwei Bands.

Am Freitag, 09.12.2011 (ab 21:00) sind dies Kulturattentatund Pueblo Criminal und am Samstag,
10.12.2011 (ab 20:00) The Doodes und The Music Monkeys

Antikapitalistische Demo in Bern

Mitte des 19. Jahrhunderts in Manchester, England: Die Urform des Kapitalismus setzt sich durch. In den Produktionsstätten gilt das Prinzip, aus der Arbeitskraft der Leute das Maximum herauszuholen. Wer unter den physischen und psychischen Belastungen zu Grunde ging, mit dem vorgegebenen Arbeitstempo nicht mithielt, oder am Ende des bis zu 16 Stunden langen Arbeitstages nicht genug Produkte gefertigt hatte, war leicht zu ersetzen. Der Lohn reichte meist nicht für genug Nahrung oder Kleider. Überarbeitung, Obdachlosigkeit, Unfall- und Hungertod waren unmittelbare Bedrohungen.
Diese Epoche ging unter dem Begriff  «Manchesterkapitalismus»  in die Geschichte ein. Die Zeiten scheinen längst überwunden. Heute – gut 150 Jahre später – hat sich so einiges verändert, doch im Kapitalismus leben wir noch immer. Und nein, es stimmt nicht, dass der Kapitalismus das beste aller Systeme ist! Dass er auch heute für die Natur und die meisten Menschen schädlich ist, lässt sich leider an unzähligen Beispielen zeigen:

– Die Lohnarbeiter_innen sind gezwungen ein Leben lang ihre Arbeitskraft zu veräussern und müssen dabei (Berufs-)krankheiten, Unfälle und psychische Erkrankungen in Kauf nehmen.

– Die kapitalistische Produktion nimmt auf die Umwelt als Lebensgrundlage keine Rücksicht und zerstört sie zu grossen Teilen1.
– Das Dasein als Lohnabhängige bedeutet für viele Menschen ständig abzuwägen, ob ein Bedürfnis befriedigt werden kann oder darauf verzichtet werden muss. Existenzängste gehöre zum  Alltag vieler Menschen.
– Den herrschenden Gegensätzen dieser Gesellschaft sind die Menschen andauernd ausgesetzt. Die Konkurrenz macht vor niemandem Halt und durchdringt alle Lebensbereiche2.

Diese Härten kommen nicht von ungefähr und sind erst Recht nichts Natürliches. Weil im Kapitalismus nach dem Kriterium des Profits produziert wird, bleibt so manches Bedürfnis der Leute auf der Strecke. Und wer kein Geld oder Eigentum hat, kommt in diesem System kaum dazu auch nur ein Bedürfnis zu befriedigen3. Für die meisten Leute bedeutet dies ein Leben als Lohnarbeiter_in und abhängige Variabel der Eigentümer_innen über die Produktionsmittel4. Und damit die ganze Chose auch ordentlich funktioniert, wacht der Staat mit Gesetz, Gewalt5 und seinen blauen Repräsentanten_innen6.
Dieses System wollen wir nicht! Auch nicht mit irgendwelchen reformistischen Änderungen. Wir wollen eine Wirtschaft, die für die Bedürfnisse der Leute produziert, die Natur nicht zerstört und für jeden genügend hergibt7. Wir wollen eine selbstorganisierte, herrschaftslose Gesellschaft.
Wir wissen, dass wir von diesem Ziel noch weit entfernt sind; wir wissen, dass wir viele sein müssen um eine andere Welt zu realisieren und wir wissen vor allem, dass wir dazu die soziale Revolution machen müssen und machen wollen! Darum rufen wir zu dieser antikapitalistischen Kampagne auf. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Menschen Gedanken machen über das System in dem täglich Tausende verhungern oder burnouten, während andere Golf spielen und Milliarden anhäufen; wir wollen die Menschen davon überzeugen, sich gegen das kapitalistische System zu erheben.

Weitere Infos: www.ak-kampagne.ch

Unsere Schönheit bestimmen wir!

Seit Samstag 24. Septemberist die Liegenschaft an der
Hohlstrasse 485 im Labitzke Areal besetzt. In diesen drei Tagen haben sich mehr
als 50 Personen engagiert, um aus den ungenutzten und zugemüllten Räumen ein
Kulturzentrum zu schaffen, den AutonomenBeautysalon (ABs). Es haben verschieden
Aktivitäten im ABs stattgefunden. Konzerte mit internationalen Bands,
Volxküchen, Vorträge und Kunstaktionen. Nicht zuletzt sind wir und das Areal
schon viel schöner geworden. Mehr als 300Personen haben den ABs bis jetzt besucht,
ohne Konsumzwang oder rassistische Türsteher und bis jetzt ohne Tränengas oder
Gummischrot. Der ABs ist ein offener und alternativer Raum.

Bei zwei Besuchen von Vertretern der Mobimo, der
Eigentümerin, haben wir unsere Gesprächsbereitschaft und unsere Absicht, nicht
kommerzieller Kultur einen Raum zu geben klar unddeutlich kommuniziert. Mobimo
Holding AG, ein BigPlayer im Immobilienmarkt (Mobimo Tower) hat das Labitzke
Areal im Januar vom Rotlicht-ImmobilienhaiFredy Schönholzer übernommen, als
reines Spekulationsobjekt. Ihre konkreten Pläne sind bis jetzt nicht bekannt.

Mobimo spricht von laufenden Mietverträgen mit verschiedenen
Parteien als Räumungsgrund. Was wir jedoch auf dem Areal sehen, sind
heruntergekommene Baracken voller Sondermüll und Schrott des Vorbesitzers
Schönholzer. Eher wäre ein Dankeschön für unsere Aufräumarbeiten angebracht.
Alles in Allem eine dreckige Strategie um die Besetzung loszuwerden.

Wir verlangen von der Stadtpolizei, sich fern zu halten und
auf jede Gewaltanwendung zu verzichten. Ein autonomes Kulturzentrum ist nötig
für ZuReich. Selbstverständlich nicht für die Stadt der Spekulanten. Mit den
echten Mietern und Anwohnern des restlichen, nicht besetzen Areals stehen wir
in Kontakt und sind auch schon freundlich willkommen geheissen worden.

Wir haben das offizielle, staatliche, herrschende und koloniale Schönheitsideal satt. Was die Herrschenden als schöne Stadt verstehen: Teuere Wohnungen, Verdrängung von „unerwünschten“ Bevölkerungsgruppen (MigrantInnen, Arbeitslose, SozialhilfebezügerInnen, nicht profitorientierte Menschen, usw.) aus dem Stadtkern in die Peripherie, rassistische und gewalttätige polizeiliche Kontrolle, saubere und überbewachte Strassen, die von MigrantInnen geputzt und von konsumfähigen Leute belaufenwerden. Diese beauty Stadt wollen wir nicht. Wir teilen die hässliche Weltvorstellung der Kommerzgesellschaft nicht. Mit dieser Art von Beauty können wir nichts anfangen.

Nie mehr schöns Züri. Weniger Gehirnwäsche,
mehrSelbstbestimmung Unsere Schönheit bestimmenwir.

Weitere Aktivitäten werden auf unserem Blog angekündigt:

www.autonomerbeautysalon.wordpress.com

«Ich bin nur ein Mann und kein Prophet»

Von der bürgerlichen Presse totgeschwiegen jährte sich am 11. Mai zum dreissigsten Mal der Todestag von Reggea-König Bob Marley. Mit seiner Band «The Wailers» eroberte er die Welt. Seine Lieder sind heute noch Botschaften für eine Welt ohne Unterdrückung. Eine Hommage an einen der grössten Musiker der Geschichte und bedeutendsten Männer des 20. Jahrhunderts.

Beim Lesen des Buchs «Bob Marley, the untold story» (Bob Marley, die unerzählte Geschichte) von Chris Salewicz erfährt man Dinge über den Reggae-König, welche der Öffentlichkeit wenig bekannt sind: Zum Beispiel, dass Bob als kleiner Junge den Menschen die Hand gelesen hat und ihnen die Zukunft voraussagte. Weitgehend unbekannt ist auch, dass Marley im Jahr 1966 als Prolet am Fliessband des Autokonzerns Chrysler im Bundesstaat Delaware an der Ostküste der USA seine Brötchen verdiente. Und man erfährt, dass er bereits als Kind und in seiner Jugendzeit sich immer wieder am rechten Bein verletzte. Jenes Bein, von dem sich der Krebs durch seinen ganzen Körper frass und am 11.Mai 1981 zum Tod führte. Er starb in einem Spital in Miami. Zehn Tage später, am 21. Mai 1981, strömten 100‘000 Menschen von Kingstown-Downtown, dem Armenviertel der Hauptstadt Jamaikas, um an der Beerdigung teilzunehmen.

Die Insel und das Leben in den Ghettos

Jamaika ist die Heimat von Bob Marley. Bevor Christoph Kolumbus die Insel entdeckte, wurde sie die «Insel des Frühlings» genannt und von den «Arawak» bewohnt. Jamaika hat eine blutige Geschichte: Zuerst die Ausrottung der «Arawak», dann drei Jahrhunderte der Deportationen, der Sklaverei und der brutalen Unterdrücken durch die Spanier und  Engländer. Jamaika hat aber auch eine Revolutionskultur: Die Sklaven, die so genannten «Maroons», leisteten zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert einen Jahren langen, bewaffneten Widerstand in den Bergen gegen die Engländer. Die Hauptstadt Kingstown ist eine Stadt voller Widersprüche, von den bewachten Villen im «Holywood-Style» der Superreichen an den Hängen der «Blue Mountains» bis zu den Blechbaracken in Downtown. «Die Quartiere in Downtowns sind Ghettos der Armut», schreibt Michele Cinque in der Kulturbeilage «Alias» der italienischen, kommunistischen Tageszeitung «il manifesto» und fügt hinzu: «Aus dem Ghetto kommst du entweder mit der Musik, mit der Leichtathletik oder mit der Pistole raus!» In Downtown findet das Leben ausserhalb der Häuser statt. An den Wochenenden fahren die Lastwagen mit riesigen Boxen vor und die Menschen tanzen und feiern bis in die frühen Morgenstunden. In diesen Ghettos liegen die Wurzeln des Reggaes. In einem solchen Ghetto, in Trenchtown, wurde Bob Marley am 6. Februar 1945 geboren.  Die Geschichte seines Landes, das Leben und die Menschen in den Ghettos von Kingstown prägten sein eigenes Leben, seine Musik und die gesamte Rastafari-Bewegung bis heute.

Von der Politik hat sich Marley immer fern gehalten. Er hat eine eigene Vision der Welt und ihrer Ungerechtigkeiten entgegenhalten. In seinen Botschaften hat er immer  den Kolonialismus, die Sklaverei, die Unterdrückung der Menschen und den Imperialismus ohne Wenn und Aber aufs schärfste verurteilt. Im Lied «War» singt er: «Ein Grundrecht der Menschen ist Gleichheit, ohne Rücksicht auf den Kapitalismus (…) bis die runtergekommenen und unglücklichen Regime gestürzt und zerstört werden, die  unsere Brüder in Angola, in Mosambik, und Südafrika als Untermenschen gefesselt  halten, ist Krieg. Ich sage Krieg. Und bis zu diesem Tag kennt der afrikanische Kontinent keinen Frieden, wir kennen keinen Frieden. Wir Afrikaner werden kämpfen, wir halten das für notwendig. Wir wissen, dass wir gewinnen können. Wir sind überzeugt von dem Sieg. Wir brauchen nicht noch mehr Ärger, oh nein nein nein, nicht noch mehr ärger, was wir brauchen ist Liebe!»

 

Attentat durch die CIA?

Ohne Zweifel war Bob Marley ein äusserst unbequemer Zeitgenosse für die Mächtigen der Welt. So unbequem, dass er im 1976 Opfer eines Attentats in seinem eigenen Haus in Kingstown wurde. Er überlebte nur knapp und mit viel Glück. Im Song «Ambush in the night» (Hinterhalt in der Nacht) singt er über dieses schreckliche Erlebnis: «Alle Waffen gegen mich gerichtet, ein Hinterhalt in der Nacht. Sie haben gegen mich das Feuer eröffnet, ich sehe sie kämpfen für ihre Macht.» Die Gründe und die Täter des Anschlags sind bis heute nicht bekannt. Doch für Don Tayler, den Manager von Bob Marley, der beim Attentat ebenfalls verletzt wurde, ist klar, dass die CIA die Hände im Spiel hatte. Nicht zuletzt deswegen, weil der Mordversuch wenige Tage vor dem Friedenskonzert «Smile Jamaica» durchgeführt wurde.

Äusserst widersprüchlich war die Beziehung von Marley zu den Frauen, die ihm zu Füssen lagen. Rita Marley, die Ehefrau von Bob, hat in ihrem Buch «No Women, no Cry. Mein Leben mit Bob Marley» offen ihre Beziehung zum King des Reggea geschildert. Sie schreibt über die Launen, die Eifersuchtszenen und Betrügereien ihres Ehemannes.

Die  Vorherschaft der Männer auf Jamaica zieht sich durch die ganze jamaikanische Gesellschaft. Sie zeigt sich auch in der Vormachtstellung der Männer in der Musik: Äusserst selten gelingt einer Frau aus Jamaica der musikalische Durchbruch und dies aus sexistischen Gründen. Gefragt nach der sexistischen Ausgrenzungen der Frauen innerhalb der Rastafari-Kultur, sagte Bob Marley: «Die Frauen sind unsere Mütter. Wir haben Mütter und Ehefrauen und es sind Frauen (…) alles andere als Rollen.» (Regga News, 1980) Schwammiger könnte die Antwort des guten Bobs nicht sein. Auch heute noch sind Sexismus und Homophobie unwürdige Begleiterscheinungen, mit denen die Rastafari-Bewegung zu kämpfen hat.

Heute noch überall präsent

Bob Marley ist in Jamaika ein Nationalheld. Er hat mit seiner Musik die Identität und Würde zurückgebracht, die durch Jahrhunderte der Sklaverei ausgerottet wurde. Durch ihn wurde Jamaika weltbekannt und die Jamaikaner sind  wieder stolz auf ihre Insel.  Auch 30 Jahre nach seinem Tod ist Bob Marly  auf Jamaika überall präsent: In den Worten der Menschen, seine Musik erklingt aus jeder Ecke, auf der Strasse und in der Schule singen die Kinder seine Lieder und selbst die nationale Telefongesellschaft wirbt mit einem Foto von Bob Marley. Der unsterbliche Stellenwert von Bob in der jamaikanischen Gesellschaft bringt Tony, der sich als Autospengler in Kingstown-Downtown durchschlägt, bestens auf den Punkt: «Marley hat seinem Volk die Augen geöffnet. Heute noch lernen durch seine Lieder viele Menschen das Lesen und das Schreiben hier in Downtown». Der König des Reggea wurde wegen seinem Charisma und seinem Mut oft mit Melcom X verglichen. Bob sagte jedoch immer wieder: «Ich bin nur ein Mann und kein Prophet. Ich kenne einige Wörter und weiss, wie sie zu gebrauchen.» Bob Marley war und ist eine Ikone der Musiker und einer der bedeutendsten Männer des 20. Jahrhunderts.

Film: Guerilla in Libyen

Im heutigen libyschen Konflikt berufen sich beide Seiten auf die Guerilla unter Omar Mukhtar, dem „Wüstenlöwen“, gegen die italienische Besetzung seit 1911. Der 1979 vom US-syrischen Regisseur Moustapha Akkad mit Anthony Quinn in der Hauptrolle gedrehte Spielfilm zeigt die Guerillataktik und Mussolinis Aufstandsbekämpfungspolitik der „verbrannten Erde“.

KünstlerInnen der CH: Auf nach Bern!

Das revidierte Arbeitslosenversicherungsgesetz, das am 1. April 2011 in Kraft tritt, trifft alle Berufstätigen der Bühnen- und Filmkünste hart, und gefährdet die weitere Ausübung ihrer künstlerischen Tätigkeit. Wir rufen auf, am Montag, 28. Februar, um 11.00 Uhr auf demBundesplatz an der Übergabe der Petition «Aufruf zur Anerkennung der Berufe im Bereich des künstlerischen Schaffens in der französischsprachigen Schweiz» teilzunehmen.

Um die Petitionsübergabe symbolisch zu unterstreichen, werden wir einen Gartenzwerg in den Berner Himmel steigen lassen.

Im Anschluss an die Aktion laden wir Sie zu einer Pressekonferenz ein, die um 12.00 Uhr im Hôtel Kreuz (Zeughausgasse 41,) stattfindet. Das Komitee 12a wird ebenfalls anwesend sein und seine Aufgaben vorstellen. Zudem werden verschiedene

Berufsverbände und Gewerkschaften aus der Deutschschweiz anwesend sein, die ebenfalls von dieser problematischen Situation betroffen sind, und sich mit den Bühnen- und Filmkünstlern solidarisieren.

Sofern nicht sofort die nötigen Massnahmen ergriffen werden, um dem drohenden Untergang der Kunstberufe – und damit verbunden der Kunstschaffenden – entgegenzuwirken, wäre dies ein Beweis für die Gleichgültigkeit gegenüber den Künstlern unseres Landes.

Die Durchsetzung unserer Anliegen hängt von den Anstrengungen des Komitee 12a ab, das sich zusammen mit den politischen Entscheidungsträgern dafür einsetzt, durch eine Anpassung des Gesetzes eine Lösung zu finden. Am 11. März 2011 wir der Bundesrat über die Verordnung zum neuen Arbeitslosenversicherungsgesetz entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt wird sich zeigen, ob die Aufklärungsarbeit des Komitee 12a bei den Politikern Gehör gefunden hat. Falls dies nicht erreicht werden kann, werden wir uns mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diesen Entscheid wehren.

Weitere Infos: joselillo@voilà.fr

Tanzvergnügen zum 8. März

Frauen können auf eine lange und kämpferische Geschichte zurückblicken. Dafür steht der 8.März, ein Tag, an dem nun seit rund 100 Jahren Frauen weltweit auf die Strasse gehen um für ihre Interessen und Rechte zu kämpfen.

Heraus zum internationalen Frauenkampftag 2011! Am Samstag, 26. Februar, 21.Uhr, Helvetiaplatz ZH . Und am 12. März alle Frauen an die Frauen-Demo «Kämpfen lohnt sich» (13:30 Uhr Hechtplatz ZH)

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