Gewerkschaften: Totgesagte leben länger

Auch in der Schweiz sind die Gewerkschaften weiterhin fähig, die Arbeiter*innen zu mobilisieren. Bild: unia.ch

flo. Der Druck auf die Gewerkschaften lässt nicht nach. Eine aktuelle Studie zeigt, dass in vielen Ländern immer weniger Arbeiter*innen organisiert sind. Das Bild ist nicht einheitlich. Die dargestellte Entwicklung dürfen wir aber nicht unterschätzen: Die Lage ist ernst für die Organisationen der Gewerkschaftsbewegung.

Als eine Zeitung den Schriftsteller und Satiriker Mark Twain fragte, was dran wahr sei an den Gerüchten, dass er im Sterben läge, antwortete der Autor gewohnt spitzzüngig und humorig: «Die Gerüchte über einen Tod sind reichlich übertrieben.» Mit demselben Bonmot könnte man aber auch den Zustand der Gewerkschaften beschreiben. Denn trotz Unkenrufen von bürgerlicher Seite, trotz jahrzehntelanger Angriffe und trotz schweren Einbussen haben die Gewerkschaften in mehreren Ländern immer noch ihre Stellung als gesellschaftlich relevante Kräfte gewahrt. Immer wieder kann man beobachten, wie sie breite Massen von Arbeiter*innen mobilisieren und Streiks mit gesamtgesellschaftlicher Durchschlagskraft organisieren.

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Den Pflegenotstand endlich anpacken

Marius Käch. In der Schweiz ist der Pflegenotstand bereits eine Realität. Die miserablen Arbeitsbedingungen fordern ihren Tribut. Während die Zahl der Fachkräfte sinkt, steigt jene der Patient*innen. Die Pflegeinitiative verspricht bessere Arbeitsbedingungen und ein effizienteres Gesundheitswesen.

Die Coronapandemie hat die katastrophalen Arbeitsbedingungen in der Pflege für alle sichtbar gemacht. Bis zu 40 Prozent der Pflegekräfte leiden an Burn-outs, Depressionen und Angststörungen. Mit der Pflegeinitiative kommt der Kampf um bessere Arbeits- und Pflegebedingungen in Fahrt. Am 28.November dieses Jahrs stimmt die Schweiz über die Initiative ab. Ursprünglich vom Schweizerischen Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) initiiert, wächst ein breites Bündnis heran.

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«Es geht um das Wohl der Menschen und nicht um den Profit»

Marius Käch. Der vorwärts sprach mit Angelika. Die 27-Jährige ist stellvertretende Abteilungsleiterin in einem privaten Altersheim in der Ostschweiz. Der Name wurde geändert, denn der Betrieb verbietet den Arbeiter*innen ausdrücklich Auskunft gegenüber Medien zu geben.

Immer mehr Pflegepersonal leidet an Burn-outs, Depressionen und hält den steigenden Druck nicht aus. Mit was seid ihr konfrontiert, das euch so zusetzt?
Der Pflegenotstand ist ein akutes und seit langem bekanntes Problem. Das mussten wir in der Pflege schon Jahre vor der Pandemie an der eigenen Haut erleben. Die Dienstpläne kommen zu knapp raus. Wir arbeiten immer mit der Mindestbesatzung. Wir können so knapp die Grundbedürfnisse decken.

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Sauberes Unternehmen?

sah. Das Reinigungspersonal der Enzler Holding AG wehrt sich und kämpft für Arbeitsbedingungen, die eigentlich selbstverständlich sein sollten.

Jede Immobilie stellt unterschiedliche Anforderungen an Reinigung und Unterhalt. Enzler Holding AG erinnert fast an eine Hydra: Das Unternehmen bietet Reinigungsdienstleistungen in verschiedenen Bereichen an: Allgemeine Reinigung, Reinigung in Hotels, Hygiene/Reinigung in Gesundheitsinstitutionen und chemisch-technische Reinigung in Industrieanlagen. So arbeitet an vielen Orten deren Reinigungspersonal.

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Menschenzentrierte Gesundheit

sah. Beim Netzwerk «Gesundheit vor Profit» steht das Wohl der Patient*innen und der Arbeiter*innen im Vordergrund, nicht die Gewinnmaximierung. Die Mitglieder kämpfen für eine Reform unseres Gesundheitssystems.

Als Signet ist der aufgeblasene Gummi-Handschuh auf der Internetseite von Netzwerk «Gesundheit vor Profit» zu sehen. Das Netzwerk besteht aus einem Zusammenschluss von Gesundheitsfachpersonen verschiedener Berufsgruppen, die sich für ein «menschenwürdiges Gesundheitssystem» einsetzen. Dabei denken die Aktivist*innen vor allem an die Interessen der Patient*innen und der Arbeiter*innen.

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Grosse Ungleichheit

sit. Die Gewerkschaft Unia hat ihre Lohnschere-Studie 2021 veröffentlicht.
Während wenige fett absahnen, bangen viele um ihre Existenz.

«Im Corona-Jahr 2020: Top-Manager und Aktio-när*innen sahnen ab, Angestellte sorgen sich um ihre Zukunft». So fasst die Gewerkschaft Unia in wenigen Worten ihre Lohnschere-Studie 2021 zusammen. Diese befasst sich mit der Lohnschere in den grössten Schweizer Konzernen.

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Streiken: möglich und nötig

flo. Mutig gehen die Kolleg*innen vom Waadtländer Universitätsspital CHUV in Lausanne voran. Sie beweisen, dass Arbeitskämpfe im Gesundheitssektor nicht nur ausgefochten werden können, sondern müssen. Ein wichtiger Beitrag dazu kann der «Streikbus» der Gewerkschaft VPOD beitragen.

Streiken? In einem Krankenhaus? Wie soll denn das gehen? So heisst es oft, wenn es um die Forderung nach Arbeitskämpfen in Krankenhäusern geht. Zwar kommt es in anderen Ländern Europas immer wieder zu Streiks im Gesundheitssektor. Aus dem deutschsprachigen Raum gibt es mit dem Charitéstreik in Berlin von 2017 gar ein anschauliches Beispiel, wie in Krankenhäusern gestreikt werden kann. Aktuell droht die Belegschaft erneut mit Streik, wenn nicht mehr Personal eingestellt wird.

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Gegen den vertragslosen Zustand

flo. Trotz anderslautender Abmachungen hat der «Verband schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten» den Gesamtarbeitsvertrag in der Schreinerbranche abgeschossen. Die Kolleg*innen organisierten am Samstag 3.Juli eine Kundgebung in Zürich.

«So kann es nicht weitergehen!», schallte es aus den Lautsprechern, als Giuseppe Reo, der Verhandlungsleiter der Gewerkschaft Unia, das Mikrofon ergriff. «Wir sind bereit zum Verhandeln. Jetzt sind die Arbeitgeber am Zug!» Die rund 400 Schreiner*innen auf dem Zürcher Lindenhof stimmen durcheinander, aber laut zu.
Sie sind aus dem Tessin, aus Arbon, aus dem Waadtland, aus allen Teilen des Landes angereist, um mit den Gewerkschaften Unia und Syna für ihren Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zu kämpfen.

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Solidarität ist Handarbeit

Mathias Stalder. Gefährdung der Gesundheit am Arbeitsplatz, Stress mit dem Chef, Kündigung, Erwerbsausfall, Kurzarbeit oder andere Probleme wegen der Coronakrise – über das Corona-Solifon unterstützen sich Arbeiter*innen gegenseitig. Ein Gespräch mit Mitgründer Johannes Wetzel zur organisierten Selbsthilfe in Zeiten der Krise.

Johannes, ein Jahr Corona-Solifon. Auf welche Erfahrungen blickt ihr zurück?
Solifon ist eine Initiative des basisgewerkschaftlichen Umfelds vor allem aus der Deutschschweiz. Sie wurde spontan ins Leben gerufen im März 2020, also gleich zu Beginn der Coronapandemie. Es war wirklich schön mit welcher Selbstverständlichkeit einige entschlossene und motivierte Menschen das Solifon so schnell auf die Beine gestellt haben, ohne dass wir uns alle untereinander kannten.

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Es braucht griffige Massnahmen

SGB. Der Lohnunterschied zwischen Frauen* und Männern* hat sich in den letzten Jahren vergrössert: Er liegt jetzt bei 19 Prozent, wovon fast die Hälfte reine Diskriminierung ist. Dies ist das erschreckende Ergebnis der Analyse des Bundesamtes für Statistik (BfS) zur wachsenden Lohnlücke bei den Frauen*. Um diese zu schliessen fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) die konsequente sozialpartnerschaftliche Umsetzung des revidierten Gleichstellungsgesetzes. » Weiterlesen

Die Unia stellt die Weichen für die Zukunft

Marius Käch. Am 4. und 5.Juni fand der nationale Kongress der Unia unter dem Motto «Es ist höchste Zeit» statt. Über 350 Delegierte aus allen Regionen der Schweiz berieten sich über die Reformen des Leitantrages «Unia 2.0» und Anträge zur Strategie der Gewerkschaft für die nächsten vier Jahre.

Kämpferische Präsenz zeigte sich am Kongress die Interessengruppe (IG) Jugend. Nicht nur stellten sie den wegweisenden und erfolgreichen Antrag gegen die Sozialpartnerschaft (siehe Seite 9), sondern wehrten sich mit einem Ordnungsantrag gegen den Besuch des Bundespräsidenten und SVP Mitglied Guy Parmelin. Er war für den zweiten Kongresstag am Samstag, 4.Juni, eingeladen worden. Ein Affront für die Jugendlichen: «Wir wollen den Klassenfeind nicht an unserem Kongress haben! Wir fordern, dass Guy Parmelin sofort ausgeladen wird.»

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Nie aufgeben, nie!

Marius Käch. Zum ersten Mal in der Geschichte der Unia gibt es in der Geschäftsleitung eine Mehrheit von Frauen*. Es ist ein gutes und wichtiges Zeichen für die Zukunft. Weiter will die Gewerkschaft sich verstärkt in Bereichen engagieren, in denen viele Frauen* mit tiefen Löhnen arbeiten.

Mit der Wahl der neuen Geschäftsleitung (GL) hat der Kongress der Unia Geschichte geschrieben, Geschichte für die Unia selbst und für alle Gewerkschaften, denn: Die GL ist zum ersten Mal von mehr Frauen* als Männern* besetzt.

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«Man muss die Kämpfe führen, will man sie gewinnen»

flo. Am Unia-Kongress vom 4. und 5.Juni stimmten die Delegierten einem Antrag zu, der das Verhältnis der Gewerkschaft in Sachen Sozialpartnerschaft neu ordnen soll – ein schon fast historischer Entscheid, der für viel Diskussionsstoff sorgte. Der vorwärts sprach mit dem Antragsurheber Beat Schenk.

Salut Beat, euer Antrag hat am Kongress für Furore gesorgt, was hat es damit auf sich?
Vor dem Kongress schauten wir uns in der Jugendkommission die verschiedenen Strategiepapiere der Gewerkschaft, also die Organisationsstrategie, an.

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Alte Zöpfe gehören abgeschnitten

flo. Die gesundheitliche und ökonomische Lage sorgt für Verwerfungen in den Massen. Das war auch beim Kongress der Unia zu spüren. So votierten die Delegierten für nicht weniger als das Ende der jahrzehntealten schweizerischen Sozialpartnerschaft. Ein Kommentar zu einem schweizer Anachronismus.

Für jene, die in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts in der Schweiz aufgewachsen sind, gehörte – zumindest in vielen Branchen – zum Leben dazu, dass die Gewerkschaften zusammen mit den Organisationen des Kapitals gewisse Verbesserungen für die Arbeiter*innenschaft aushandeln. Natürlich war es auch damals keine Zeit, in der Kapitalist*in und Arbeiter*in auf Augenhöhe gestanden hätten. Doch waren relative Fortschritte nicht nur möglich, sie wurden auch erwartet.

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Nächste Station: Streik!

Deniz Killi. Es reicht! Das Personal des Waadtländer Universitätsspitals (CHUV) in Lausanne beschloss für den 23.Juni einen eintägigen Streik. Dieser soll und muss der Startschuss für weitere Arbeitskämpfe im Pflegebereich sein.

Rund 100 Mitarbeiter*innen des Waadtländer Universitätsspitals (CHUV) in Lausanne nahmen an der ausserordentlichen Generalversammlung vom 25.Mai teil. Der Antrag, am 23.Juni zu streiken, wurde von einer sehr grossen Mehrheit angenommen. Nebst dem Streik ist für den Abend des gleichen Tags eine Demonstration in Lausanne geplant. » Weiterlesen

Hungerlöhne!

sit. Eine Delegation von über 20 Angestellten der Firma Epsilon AG, einem Tochterunternehmen der Post, führte eine Protestaktion vor dem Posthauptsitz in Bern durch. Die Zeitungszusteller*innen kämpfen gegen miese Löhne und Lohnabbau – und für ihre Würde.

«Post-Tochter Epsilon bezahlt Hungerlöhne», schreibt die Gewerkschaft Syndicom in ihrer Medienmitteilung vom 2.Juni. In der Tat: Ein neues Lohnsystem sieht einen miserablen Stundenlohn in der Branche von 17.44 Franken vor. Dies bedeutet gleichzeitig – mensch lese und staune – für viele Angestellte happige Lohneinbussen von bis zu 600 Franken pro Monat. Dies sei «sehr einschneidend für die vielen Teilzeitangestellten, die meist weniger als 3000 Franken pro Monat verdienen», unterstreicht die Gewerkschaft zurecht.

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Der Gipfel der Frechheit!

sit. Nach dem Ständerat sprach sich auch die zuständige Kommission des Nationalrats für die Reform AHV21 aus. Das Rentenalter der Frauen* soll erhöht werden. Während für viele Frauen*, die Rente nicht bis Ende Monat reicht, werden den Vermögenden im Land Steuergeschenke in Aussicht gestellt.

«Um uns Frauen* diese unsoziale AHV-Reform aufzuzwingen, benutzen der Bundesrat und die bürgerliche Mehrheit im Parlament die Gleichstellung als Vorwand. Das ist der absolute Gipfel der Frechheit, völlig inakzeptabel», sagt Rita Maiorano, Mitorganisatorin des Frauen*streiks 2019 in Zürich und Aktivistin der Zürcher Sektion der Partei der Arbeit (PdA), richtiggehend verärgert auf Anfrage des vorwärts. Sie schnauft kurz durch und fügt dann hinzu: «Gleichheit gibt es für uns Frauen* nirgendwo.

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SOS Schweizer Medienfreiheit

syndicom. Die Angriffe auf die Pressefreiheit in der Schweiz kommen von vielen Seiten und auf verschiedensten Ebenen. Ein Warnruf zum Internationalen Tag der Pressefreiheit vom 3.Mai 2021.

Bei der Anti-Corona-Demonstration vom 20.März in Liestal wurden zwei Medienschaffende durch Aktivist*innen verbal massiv bedroht. Am 1. Mai in Zürich wurden Medienschaffende von der Polizei an ihrer Arbeit behindert. Ein Journalist wurde gar festgehalten und verhöhnt, obwohl er seinen Presseausweis präsentierte. » Weiterlesen

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