Aktuell

Kapitalismus macht krank

Maja Hess, die Präsidentin von medico international schweiz, ist die Hauptrednerin am diesjährigen Internationalen Tag der Arbeit in Zürich. Ein Gespräch mit der langjährigen Aktivistin, Ärztin, Psychiaterin und Psychodramatikerin.

1 zu 0 für die KlimaSeniorinnen

Im April 2023 führte der vorwärts ein Interview mit Oda Müller, Vorstandsmitglied des Vereins KlimaSeniorinnen. Damals hatten sie gerade den Schweizer Staat am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Nun, ein Jahr später, folgte das Urteil. Wir fragten bei der Klimaseniorin nach.

Unser täglicher Einzelfall …

Erneut machen die Beziehungen von JSVP-Führungskadern Schlagzeilen. Die Kontakte zu Neofaschist:innen sind für die Jugend der grössten Schweizer Partei ebenso systematisch, wie die zu Markte getragene Ignoranz, mit der Kritik am Schulterschluss mit ganz Rechtsaussen beantwortet wird.

Umstrittene Hilfe für die Ukraine

Der Bundesrat hat bekannt gegeben: Die Schweiz soll sich bis 2036 mit insgesamt fünf Milliarden am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen. In einem ersten Schritt sollen dafür 1,5 Milliarden aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA) zur Verfügung gestellt werden – das sorgt für Kritik.

Nur vier von 100

Die Kriminalstatistik der Polizei offenbart nur einen Bruchteil der tatsächlich stattgefundenen Vergewaltigungen. Die enorme Dunkelziffer und geringe Verurteilungsraten entlarven ein sexistisches System.  

Niemand ist gefangen im eigenen Körper

Die Vergangenheit und Zukunft von Transidentität: Elizabeth Duval ist eine junge Intellektuelle der spanischen Linken und hat unter anderem den Grundlagentext «Nach Trans. Sex, Gender und die Linke» verfasst. Laut der 24-jährigen Autorin wird eine Änderung der aktuellen Situation noch lange brauchen.

Unsere Kultur wiederbeleben

Die Arbeiter:innenkultur geniesst heute, falls überhaupt, noch ein Mauerblümchendasein. Das war nicht immer so, und die Kultur der Klasse für die Klasse hatte einen grossen Einfluss auf die Organisation der Lohnabhängigen. Das Verschwinden der eigenen Kultur ist ein Spiegelbild des Zustands der Arbeiter:innenbewegung – oder gar mehr?

Das Arbeiter:innentheater: Eine Perspektive für heute?

Das Arbeiter:innentheater als politische und künstlerische Praxis konnte sich nach den 1940er-Jahren nicht durchsetzen, die bürgerliche Theaterwissenschaft löschte es gezielt aus der Geschichtsschreibung. Die Wiederbelebungsversuche um die Jahre 1968 und 1980 scheiterten. Ein Abriss und Argumentation dafür, warum man es dennoch erneut versuchen sollte.

Bilder bewegter Zeiten

Die Ausstellung «Lichtblick» zeigt die fotografischen Zeugnisse der politisch-gesellschaftlichen Bewegungen ab den 1970er-Jahren zu Themen wie Arbeit, Gleichberechtigung, Antimilitarismus, Wohnformen sowie Energie und Umwelt. Ziel ist, einen Dialog anzustossen.

Lernresistentes Bundesbern

Schon wieder: Trotz vieler klarer und deutlicher Volksentscheide, versuchen die Bürgerlichen am Sonntagsarbeitsverbot zu rütteln. Und auch dieses Mal müssen argumentatorische Verrenkungen dafür herhalten, um den Angriff auf Arbeits- und Lebensbedingungen zu untermauern.

Beat Jans greift durch

Mit Beat Jans ist ein Sozialdemokrat Justizminister geworden. Wer meinte, dass sich damit die Situation für die Migrant:innen verbessere, erweist sich als naiv. Jans kündigt Verschärfungen an, die von links kaum kritisiert und von rechts als zu lasch eingestuft werden.

Transfeindliche Berichterstattung

In der Berichterstattung der Schweizer Medien, insbesondere des Tages-Anzeigers, befindet sich immer wieder transfeindliches Framing. Das führt zu einer Manifestierung von Vorurteilen und Ängsten und richtet grossen Schaden an. Die Linke reagiert mit einem offenen Brief.

Achtung: Viola liest mit

Am 19.März 2024 überreichten Aktivist:innen der Digitalen Gesellschaft eine an Bundesrätin Viola Amherd gerichtete Petition mit über 10’000 Unterschriften. Gefordert wird die Abschaffung der Kabelaufklärung im Rahmen der kommenden Revision des Nachrichtendienstgesetzes.

«Heimliche» Sympathien

Der versuchte Auftritt des österreichischen Faschisten Martin Sellner wird gar das Fedpol beschäftigt haben. Vor allem aber zeigen die Ereignisse die Sympathien von parlamentarischen Rechten gegenüber gedungenen Faschist:innen auf.

Kaskade der Repression

Das Kaskadenmodell soll mit Beginn der kommenden Fussballsaison Ende Juli eingeführt werden. Mit Kollektivstrafen und Repression soll die angebliche Fangewalt eingedämmt werden. Ein Schuss, der nach hinten losgehen wird.

Für eine soziale Wohnungspolitik

In der Stadt Bern sind die Mieten gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent gestiegen. Die AL/PdA-Fraktion im Stadtberner Parlament reicht eine Motion ein, um den steigenden Mieten auf dem städtischen Immobilienmarkt Halt zu bieten. Gefordert wird unter anderem eine Mietzinsdeckelung.

Die Bayrische Räterepublik und die KommunistInnen

«Bayern, der Bolschewik geht um! Hinaus mit ihm am Wahltag!» forderte ein Plakat der Bayerischen Volkspartei (BVP) zu den Wahlen im Januar 1919

Das grafisch so eindrucksvoll illustrierte drohende «Unheil» konnte bei den Wahlen abgewendet werden: Die BVP, Vorläuferin der CSU, wurde bei den Landtagswahlen stärkste Partei, die USPD, Partei des Ministerpräsidenten Eisner, erzielte ganze 2,5 Prozent der Stimmen; die Partei der «Bolschewiken», die KPD, wenige Wochen zuvor gegründet und bayernweit im Januar 1919 einige Dutzend, allenfalls wenige hundert Mitglieder zählend, hatte zum Landtag wie zur Nationalversammlung nicht einmal kandidiert.
Doch grade mal ein Vierteljahr später schien sich die Befürchtung der BVP zu bestätigen: Am 13. April, dem Palmsonntag, nach einem niedergeschlagenen gegenrevolutionären Putsch, wählten die im Hofbräuhaus versammelten Münchner Betriebs- und Kasernenräte – die wenigsten von ihnen waren Kommunisten! – einen Ausschuss an die Spitze der nur eine Woche zuvor ausgerufenen Räterepublik, in dem die Kommunisten eine bestimmende Rolle spielen sollten. Wie kam es dazu? Zumal die kommunistische Partei, obwohl glühende Verfechterin des Rätesystems, sich entschieden gegen die Ausrufung der Räterepublik gewandt und die Beteiligung an ihr abgelehnt hatte?
Die Haltung zur Räterepublik war innerhalb der KPD, in Bayern und reichsweit, vor dem und während des April 1919 heftig umstritten. Und sie blieb dies auch nach der blutigen Niederschlagung der Räterepublik und dem Justizmord an Eugen Leviné, dem führenden Kopf der Münchner Kommunisten wie der «zweiten«, proletarischen Räterepublik. Wie und warum sich diese Haltung veränderte, welche Rolle die KPD in der Räterepublik spielte, wer die Vertreter der unterschiedlichen Positionen waren und welche Motive sie bestimmten – davon soll an diesem Tag die Rede sein. Aber auch davon, welche Lehren aus den damaligen Auseinandersetzungen für heute zu ziehen sind. Wir freuen uns auf eine streitbare Diskussion.

18. März in Zürich im Rahmen des Politessen Komm&Iss der PdAZ, 18h30 Essen; 19h45 Vortrag
im
Mozaik, Hardstr. 35

22. März in Biel-Bienne 19h im unia-Sitzungszimmer, Murtenstr. 33 (5. Stock) – traduction en français possible

Kapitalismus macht krank

sit. Maja Hess, die Präsidentin von medico international schweiz, ist die Hauptrednerin am diesjährigen Internationalen Tag der Arbeit in Zürich. Ein Gespräch mit der langjährigen Aktivistin, Ärztin, Psychiaterin und Psychodramatikerin.

Maja, bekommen die Menschen wegen des Kapitalismus den Schnupfen oder gar Fieber?
Die Menschen bekommen weder Schnupfen noch Fieber. Aber sehr viele Menschen, die auf der Schattenseite des Kapitalismus leben, kriegen weltweit einfach zu wenig: zu wenig zum Leben, zu wenig, um ihre Gesundheit zu schützen, zu wenig Sicherheit, zu wenig Bildung, zu wenig Teilhabe an Entscheidungen und an der Gestaltung des sozialen Zusammenlebens. » Weiterlesen

1 zu 0 für die KlimaSeniorinnen

lmt. Im April 2023 führte der vorwärts ein Interview mit Oda Müller, Vorstandsmitglied des Vereins KlimaSeniorinnen. Damals hatten sie gerade den Schweizer Staat am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Nun, ein Jahr später, folgte das Urteil. Wir fragten bei der Klimaseniorin nach.

Oda, was ist seit unserem letzten Interview, sprich eurer Reise nach Strasbourg geschehen?
Nach der Anhörung in Strasbourg hatte sich so ziemlich alles verändert. Wir erhielten ganz viele Interview-Anfragen, Einladungen für Podiumsdiskussionen und noch vieles mehr. Ausserdem waren wir ein zweites Mal in Strasbourg für die Anhörung der Jugendlichen aus Portugal. » Weiterlesen

Unser täglicher Einzelfall …

flo. Erneut machen die Beziehungen von JSVP-Führungskadern Schlagzeilen. Die Kontakte zu Neofaschist:innen sind für die Jugend der grössten Schweizer Partei ebenso systematisch, wie die zu Markte getragene Ignoranz, mit der Kritik am Schulterschluss mit ganz Rechtsaussen beantwortet wird.

Dass Führungspersonen der Jungen Schweizer Volkspartei (JSVP) bei Referaten von faschistischen Organisationen herumhängen, die Mutterpartei eben jene Faschist:innen zu Wahlkampfhelfer:innen macht, sorgt inzwischen im Wochentakt für Schlagzeilen. Genauso, wie dass SVP-Altmeister Blocher sich dazu bemüssigt fühlt, die Kontakte zu verteidigen, welche die Parteijugend zu vom Nachrichtendienst überwachten Rassist:innen pflegt.

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Umstrittene Hilfe für die Ukraine

dom. Der Bundesrat hat bekannt gegeben: Die Schweiz soll sich bis 2036 mit insgesamt fünf Milliarden am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen. In einem ersten Schritt sollen dafür 1,5 Milliarden aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA) zur Verfügung gestellt werden – das sorgt für Kritik.

Krieg bedeutet immer auch Wiederaufbau. Und das klingt erst mal gut, klingt nach Erneuerung, nach dem Ende von Leid und Zerstörung. Aber weil sich Wiederaufbau und Krieg im selben kapitalistischen Rahmen abspielen, sind es nur zwei Seiten derselben Medaille. Wiederaufbau unter kapitalistischen Vorzeichen bedeutet die erzwungene Öffnung der Ukraine für ausländisches Kapital.

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Nur vier von 100

lmt. Die Kriminalstatistik der Polizei offenbart nur einen Bruchteil der tatsächlich stattgefundenen Vergewaltigungen. Die enorme Dunkelziffer und geringe Verurteilungsraten entlarven ein sexistisches System.  

1371 Frauen sollen laut der Kriminalstatistik der Polizei (PKS) im Jahr 2023 vergewaltigt worden sein. Doch die Wahrheit ist viel gravierender. In Vergewaltigung steckt bewusst das Wort Gewalt. Denn Gewalt heisst unter anderem: Unrechtmässiges Vorgehen, wodurch jemand zu etwas gezwungen wird. Das Perfide daran ist, dass ein Vergewaltigungsopfer in der Schweiz höchstwahrscheinlich keine Anzeige erstattet.

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Niemand ist gefangen im eigenen Körper

sah. Die Vergangenheit und Zukunft von Transidentität: Elizabeth Duval ist eine junge Intellektuelle der spanischen Linken und hat unter anderem den Grundlagentext «Nach Trans. Sex, Gender und die Linke» verfasst. Laut der 24-jährigen Autorin wird eine Änderung der aktuellen Situation noch lange brauchen.

«Das Ende der menschlichen Zivilisation werden wir wohl eher erleben als das Ende der Geschlechter», sagt Elizabeth Duval. Die im Jahr 2000 geborene Autorin studiert aktuell Philosophie und moderne Literatur an der Sorbonne-Universität in Paris. Sie ist Aktivistin für Transrechte. Zudem hat Duval schon verschiedene Publikationen veröffentlicht: so beispielsweise 2018 die Textsammlung «Cuadernos de Medusa» (Die Hefter der Medusa), den Erzählband «Asalto a Oz» oder die Gedichtsammlung «Excepción» (Ausnahme).

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Die Nelkenrevolution: 50 Jahre nach dem historischen Umsturz

Nelken in den Gewehrläufen der Soldaten wurde zum Symbol der Revolution 1974 in Portugal.

Nicolai Rapit. Armut, Arbeitslosigkeit, Ungleichheit: Die Arbeiter:innen leiden unter den sich verschlechternden ökonomischen Verhältnissen Portugals. Gleichzeitig zeichnet sich eine politische Rechtsentwicklung ab. Was ist passiert in dem Land, das vor gerade mal 50 Jahren einen sozialistisch geprägten Umsturz feierte?

Am 25.April 1974, unmittelbar nach Mitternacht, erklingt in den Radiosendern von Lissabon das verbotene Lied «Grândola Vila Morena» vom revolutionären Musiker José Afonso. Es ist das geheime Zeichen für den koordinierten Umsturz der längsten faschistischen Diktatur Europas. In den frühen Morgenstunden erobert die Bewegung der Streitkräfte (MFA) die strategischen Punkte der Hauptstadt und wird von der Bevölkerung euphorisch empfangen. » Weiterlesen

Für Nestlé sind nicht alle Babys gleich

sit. Abhängigkeit von Zucker für den Profit? Was der Nahrungsmittelkonzern Nestlé als bestmögliche Babynahrung verkauft, enthält Zucker – oft gar in grossen Mengen. Zwar nicht in der Schweiz, dafür in Ländern mit grosser Armut.

50 Jahre nach dem Skandal «Nestlé tötet Babys» versichert der Weltkonzern aus der Vergangenheit gelernt zu haben, und beteuert sein «ungebrochenes Engagement» für eine «verantwortungsvolle Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten». Doch die Realität ist eine andere: Eine Recherche der NGO Public Eye und dem internationalen Aktionsnetzwerk zur Säuglingsnahrung (Ibfan) zeigt, dass Nestlé in  Ländern mit tiefen Einkommen wie Südafrika oder Indonesien seiner Baby- und Kleinkindernahrung Cerelac und Nido massiv Zucker beimischt – im Gegensatz zur Schweiz. Public Eye schreibt in ihrer Medienmitteilung zum Recherchebericht auch: «Besonders stossend: Nestlé bewirbt diese Produkte in seinen Hauptmärkten in Afrika, Asien und Lateinamerika aggressiv als wichtig für die gesunde Entwicklung von Kindern.» Aber der Reihe nach.

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Unsere Kultur wiederbeleben

sit. Die Arbeiter:innenkultur geniesst heute, falls überhaupt, noch ein Mauerblümchendasein. Das war nicht immer so, und die Kultur der Klasse für die Klasse hatte einen grossen Einfluss auf die Organisation der Lohnabhängigen. Das Verschwinden der eigenen Kultur ist ein Spiegelbild des Zustands der Arbeiter:innenbewegung – oder gar mehr?

Arbeiter:innenkultur. Also Kultur, die von Arbeiter:in-nen für Arbeiter:innen erschaffen wird. Ja, man mag es heutzutage kaum glauben, aber so was gab es mal. In den 1950er- bis 1970er-Jahren besuchten jeweils mehrere hundert Menschen die Anlässe des Vereins Kultur und Volk in Zürich. Heute ist die Arbeiter:innenkultur in der Schweiz kaum mehr zu finden. Das ist kein Zufall, denn auch die Arbeiter:innenbewegung befindet sich nicht in einer Blütezeit. Kann eine Wiederbelebung der eigenen Kultur, also jene der Klasse für die Klasse, dazu beitragen, dass die Bewegung wieder wächst, gar an gesellschaftlichem Einfluss gewinnt? » Weiterlesen

Das 1.-Mai-Komitee und das grösste Polit- und Kulturfest der Schweiz

Sevin Satan. Seit über 40 Jahren organisiert das 1.-Mai-Komitee in Zürich das dreitägige internationalistische Fest rund um den Tag der Arbeit. Doch, wie kam es überhaupt dazu und warum? Der vorwärts sprach mit Anjuska Weil, Theresa Jäggin und Raffaele Spilimbergo, drei Politaktivist:innen, die von Beginn an dabei waren.

Der 1.-Mai-Umzug mit dem dreitägigen Festbetrieb auf dem Zeughaus-Areal war für die Schreibende dieser Zeilen schon als achtjähriges Mädchen, damals frisch in die Schweiz gekommen, absolut das Beste. Es herrschte immer eine Vorfreude. Die Transparente des Demonstrationsumzugs zu tragen, bis die Arme keine Kraft mehr hatten, war super. Womöglich ohne zu wissen, was draufstand. Aber egal, es war cool.
Danach auf dem Zeughaus-Areal, das war wirklich paradiesisch. Wir Kinder sprangen auf den Blasios (grosse Gummimatten), sammelten Flaschen ein, um Pfandgeld zu kriegen und uns leckere Sachen damit zu kaufen. Dann das Kinderschminken, das sonstige Kinderprogramm und natürlich bis in die späten Abendstunden aufbleiben zu dürfen. Was will man als Kind noch mehr? Und das an drei Tagen hintereinander.

Für kulturellen Austausch und bessere Arbeitsbedingungen
Auch dieses Jahr wird wieder an über drei Tagen gefeiert. Das 1.-Mai-Fest mit seinen zahlreichen Veranstaltungen im bunten Rahmenprogramm ist das grösste linke Polit- und Kulturfest der Schweiz. Organisiert wird das Fest vom 1.-Mai-Komitee Zürich, das seit 1982 als Verein konstituiert ist. Er besteht aus mehr als 50 politischen Organisationen, die in der Mitbestimmung gleichberechtigt sind. Auf seiner Website ist zu lesen: «Der Verein bezweckt den kulturellen Austausch und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Schweizer:innen und Migrant:innen, die Verbesserung der Situation der in- und ausländischen Arbeitnehmer:innen sowie international die Befreiung und Selbstbestimmung der Völker.»
Doch, was sind die Ursprünge des 1.-Mai-Komitees? Was waren die Gründe, es ins Leben zu rufen? Wir sprachen mit drei Politaktivist:innen, die es wissen müssen: Anjuska Weil, Theresa Jäggin und Raffaele Spilimbergo (Raffy). Anjuska ist seit 1971 Mitglied der Partei der Arbeit (PdA) und war von 1980 bis 1993 deren politische Sekretärin. Von 1991 bis 1999 sass sie als Vertreterin der FraP! (Frauen macht Politik!) im Zürcher Kantonsrat. Sie ist Gründungsmitglied des 1.-Mai-Komitees und war dann die folgenden 20 Jahre aktiv dabei. Kurz nach der Gründung stiessen die Aktivistin Theresa und von der damaligen Gewerkschaft Druck & Papier (heute Syndicom) Raffy zum Komitee. Beide sind heute noch aktiv. Drehen wir also das Rad der Geschichte um über vier Jahrzehnte zurück …

Beginnen wir bei den Ursprüngen: Wie ist das 1.-Mai-Komitee entstanden?
Anjuska: 1980 entschied der Vorstand des Gewerkschaftsbundes Stadt Zürich, keinen Demonstrationsumzug mit anschliessender Kundgebung mehr zu organisieren. Es hiess, es kämen zu wenig Leute. Eine Zeit lang war die Teilnahme eine Flaute, Organisationen der Migration nahmen kaum teil.

Theresa: Dies hatte sicher auch damit zu tun, dass der 1.Mai nach der Volksabstimmung in Kanton Zürich ein offizieller Feiertag wurde.

Anjuska: Die SP hatte beschlossen, nur noch eine Saalveranstaltung im Volkshaus zu organisieren. Etliche linke Aktivist:innen fanden aber, das gehe gar nicht. So haben sich SP-Mitglied Peter Münger, Roger Roth von der Gewerkschaft Druck & Papier (heute Syndicom) und Fritz Amsler von der Progressiven Organisation Schweiz (POCH) zusammengetan. Diese drei zentralen Figuren, eine Person von der Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) und ich von der PdA waren die erste Kerngruppe. Danach kamen schnell andere Personen dazu, wie Theresa und Raffy.

Raffy: Mehmet Akyol der damaligen Gewerkschaft Textil Chemie und Papier (GTCP), die dann in die Unia integriert wurde, war auch ziemlich von Beginn an dabei.

Theresa: Bald schlossen sich auch Leute von der damaligen Gewerkschaft Bau und Holz, der heutigen Unia, der Gewerkschaft VPOD und der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), wie Angelo Tinari, an.

Wie ist das frisch entstandene Komitee vorgegangen?
Anjuska: Wir organisierten im Kollektiv den Demons-trationsumzug. Kurzfristig entschieden wir, dass wir anschliessend ein Fest machen wollten. So wurde das erste 1.-Mai-Fest in der Roten Fabrik durchgeführt, damals noch nur an einem Tag. Wir haben im ersten Jahr möglichst viele linke Organisationen der Migration eingeladen. Die ersten Treffen fanden im PdA-Sekretariat statt. Damals waren vor allem die italienischen und die spanischen Kommunist:innen aktiv. Als die Organisation breiter geworden war, wurde entschieden, das Fest nach dem Demoumzug in der Bäckeranlage durchzuführen. Bald kamen chilenische, palästinensische, sprich die Palestine Liberation Organization (PLO), sowie türkische und kurdische Organisationen dazu, auch solche aus der Kulturszene. Es war von Anfang an klar, dass nur linke Organisationen eingeladen werden. Die migrantischen Organisationen waren bald in der Mehrzahl, einige Schweizer:innen ertrugen es schlecht, in der Minderheit zu sein. Es war vor allem beim Beschluss der Hauptparole oder des/der Hauptredner:in des Komitees am Fest schwierig, wenn diese sich beispielsweise auf die Türkei bezogen.

Theresa: Es gab sehr lange Sitzungen, ohne Abstimmungen. Es wurde stets nach einem Konsens gesucht, oftmals bis um Mitternacht. Viele Jahre fanden die Vollversammlungen im ehemaligen Cooperativo statt.

Wie haben sich dann das Komitee und das Fest weiterentwickelt?
Anjuska: Nach dem zweiten oder dritten Jahr haben wir gemerkt, dass wir das 1.-Mai-Komitee als Verein konstituieren mussten. Die Reservationen von Lokalitäten, Bands, die ganze Infrastruktur, die wir aufstellten, Tontechnik, Stände usw., damit gingen wir grosse finanzielle Verpflichtungen ein, die wir als Einzelne nicht mehr tragen konnten.

Theresa: In der Bäckeranlage haben wir das Fest auf zwei Tage ausgeweitet. Wir haben über das WC-Reinigen, Aufstellen, Abräumen, Aufräumen bis hin zur Nachtwache, alles selbst gestemmt. Danach gingen wir gemeinsam ins Volkshaus und zählten das Geld. Es war sehr solidarisch.

Anjuska: Wenn es am 1. Mai schlechtes Wetter war, entstand finanziell schnell ein Risiko, um die Kosten zu decken. Die Überlegung war dann, die 1.-Mai-Feier auf drei Tage zu verteilen, um das Wetterrisiko zu reduzieren. Gleichzeitig kamen immer mehr Organisationen dazu, das Programm wurde erweitert und dann wurde das kulturpolitische Fest ins Zeughaus-Areal verlegt.

Was waren die grössten Herausforderungen? Und gab es auch heikle Momente?
Anjuska: Die schlimmsten Auseinandersetzungen waren damals unter türkischen und kurdischen Organisationen, wahrscheinlich um 1982 herum. Da fielen einmal Schüsse und wir mussten vor Ort entscheiden, ob wir jetzt das Fest abbrechen sollten. Wir konnten das nicht, da wir es sonst finanziell nicht hätten stemmen können. So lief das Fest weiter. Das war sehr abstrus. Diese Organisationen wurden vom Platz verwiesen. Das war schon eine ganz krasse Ausnahme.

Theresa: Einmal hat die Polizei Tränengaspetarden, gefüllt mit verbotenem Giftgas, über die Zeughausdächer ins Areal geschossen. Panik und Chaos brach aus.

Raffy: Ich rannte raus zu dieser Polizistin, die da hereingeschossen hatte und rief aus: «Gahts no! Da sind tausende Menschen auf dem Areal, viele Kinder und ältere Personen. Hören Sie sofort auf!» Sie erwiderte, dass alle Chaot:innen im Areal seien. Ich flippte aus und sagte: «Schauen sie mal durch das Gitter hinein, dann sehen sie es selber.» Über Funk wurde sie dann mit den anderen Polizist:innen zurück beordert. Ein älterer Mann hatte einen Herzinfarkt wegen des Tränengases und die Polizei versperrte dem Krankenwagen den Weg. Das war sehr chaotisch.

Anjuska: Eine Tränengasgranate ist direkt vor mir auf den Tisch geprallt. Zunächst habe ich nichts mehr gesehen, so haben meine Augen gebrannt.

Theresa: Am nächsten Tag gab es eine Demo gegen den Polizeieinsatz.
Raffy: Ab Mitte der 1990er-Jahre gab es immer wieder ein Theater mit den Nachdemos. Es nahmen damals auch sehr viele Teenager daran teil. Auch wir wurden wegen den Nachdemos mal eingekesselt. Das 1.-Mai-Komitee ist seitdem immer bei den Eingängen und sagt den Menschen klar, dass sie im Areal bleiben sollen, damit solche Fälle nicht mehr vorkommen. Wegen der Standkosten und -Einnahmen gab es immer wieder Reklamationen innerhalb des Komitees. Dieses Misstrauen machte mich wütend. So haben wir angefangen, alle Kosten offenzulegen. Doch keine dieser Organisationen, die zuvor laut reklamiert hatten, kam dann, um sie zu prüfen. Wir haben fixe Kosten für das Areal, aber es kommt jeweils noch eine hohe Stromrechnung dazu, da der Strom von der Grossverteiler- Anlage bezogen werden muss.

Theresa: Generell ist das Plenum sehr geschrumpft. Viele Organisationen kommen und gehen. Vor allem kommen viele Organisationen erst später in die Vorbereitungen hinein, was die Arbeit erschwert und ein bisschen unsolidarisch ist. In den letzten paar Jahren traten viele vom Vorstand zurück. Dies war eine schwierige Zeit, mit der Frage verbunden, wie es denn weitergehen sollte. Jetzt ist es wieder besser. Es gibt wieder eine engagierte Generation.

Zum Schluss: Welche positiven Ereignisse oder Erlebnisse kommen euch in den Sinn, wenn ihr an das 1.-Mai-Komitee denkt?
Anjuska: Die Stadt Zürich hat damals Integrationsprojekte gemacht, doch ich denke, das 1.-Mai-Komitee war zu jener Zeit das grösste Integrationsprogramm, vielleicht ist es das sogar jetzt noch. Doch wohlgemerkt, wir haben keine städtischen Subventionen erhalten und man hat wirklich auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Das finde ich etwas Aussergewöhnliches. Ja, ich denke, es war wirklich das grösste Integrationsprogramm, das die Stadt Zürich hatte. Was ich sehr schön und gut finde, ist, dass der Generationenwechsel schon mehrmals geklappt hat. Und natürlich auch, dass es die 1. Mai-Demonstration und den festlichen Teil auf dem Zeughaus Areal immer noch gibt.

Raffy: Anjuska war und ist immer noch sehr für Vietnam engagiert. Einmal kam der Botschafter Vietnams ans 1.-Mai-Fest und überreichte Anjuska eine goldene Nadel für ihr Engagement. Dies fand ich sehr speziell und schön.

Theresa: Super ist, dass es das 1.-Mai-Komitee nach so vielen Jahren immer noch gibt und sich immer wieder engagierte Leute finden, die dieses grosse Fest organisieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch und für eurer Jahrzehnte langes Engagement für den internationalen Tag der Arbeit.

Das Arbeiter:innentheater: Eine Perspektive für heute?

Szene aus dem Theaterstück «Fiume», das an den Roten Kulturtage im August 2022 im Zürcher Volkshaus aufgeführt wurde. Zu sehen auf dem Foto sind Liam Rooney und Carla Richardsen. Regie führte Artemisia Valisa, geschrieben wurde das Stück von Antonin Rohdich. Bild: Philip Tsapaliras

Antoni Rohdich. Das Arbeiter:innentheater als politische und künstlerische Praxis konnte sich nach den 1940er-Jahren nicht durchsetzen, die bürgerliche Theaterwissenschaft löschte es gezielt aus der Geschichtsschreibung. Die Wiederbelebungsversuche um die Jahre 1968 und 1980 scheiterten. Ein Abriss und Argumentation dafür, warum man es dennoch erneut versuchen sollte.

Was ist das schweizerische Arbeiter:innentheater, und warum scheint niemand davon zu wissen? Von den 1920er- bis 1940er-Jahren gab es im Umfeld der Arbei-ter:innenbewegung, besonders im Umfeld der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS), eine sehr breite und vielfältige Theaterbewegung. Diese durchlief mehrere Phasen, in denen sie sich ideologisch und künstlerisch veränderte. » Weiterlesen

«Er verdient es, dass man sich an ihn erinnert.»

dom. Mit «Ein Psychiater erinnert sich an einen Anstössigen» würdigt Mario Gmür das Schaffen Niklaus Meienbergs, der während so vieler Jahre ein mühsamer Stachel im Arsch derer gewesen war, die es sich in der Schweiz bequem gemacht hatten.

In der aktuellen Literaturgeschichte oder als Vorbild heutiger Medienschaffender ist Meienberg längst nicht so präsent, wie man das noch vor wenigen Jahrzehnten hätte erwarten können. Er, der die von öden Agenturmeldungen geprägte Schweizer Medienlandschaft erschütterte wie kein anderer, der mit seinem eigenwilligen Stil und seiner politischen Ausrichtung aneckte, rechts und (gelegentlich auch) links. » Weiterlesen

Bilder bewegter Zeiten

Redaktion. Die Ausstellung «Lichtblick» zeigt die fotografischen Zeugnisse der politisch-gesellschaftlichen Bewegungen ab den 1970er-Jahren zu Themen wie Arbeit, Gleichberechtigung, Antimilitarismus, Wohnformen sowie Energie und Umwelt. Ziel ist, einen Dialog anzustossen.

Der Nachlass Kurt Graf/fotolib Basel ist eine visuelle Dokumentation jener politischen Bewegungen, Ereignisse und Ideen, die in der Schweiz der 1970er-Jahre eine ganze Generation prägten. Ab 1975 dokumentierten Kurt Graf, Heiner Vogelsanger und Marcel Geiger als Fotografen-Kollektiv Widerstand und Protest, Aufbruch und Utopien. » Weiterlesen

Lernresistentes Bundesbern

flo. Schon wieder: Trotz vieler klarer und deutlicher Volksentscheide, versuchen die Bürgerlichen am Sonntagsarbeitsverbot zu rütteln. Und auch dieses Mal müssen argumentatorische Verrenkungen dafür herhalten, um den Angriff auf Arbeits- und Lebensbedingungen zu untermauern.

Sie sind bezüglich Arbeitsleben die wohl häufigsten und vom Kapital mit grösster Dringlichkeit geführten Angriffe, die Lohnabhängige in den letzten Jahren erleben mussten: diejenigen auf die Arbeitszeit. Immer grössere Teile unseres Lebens sollen den Profitinteressen irgendwelcher furchtbaren Menschen mit viel zu viel Geld und viel zu viel Macht geopfert werden. » Weiterlesen

Beat Jans greift durch

dom. Mit Beat Jans ist ein Sozialdemokrat Justizminister geworden. Wer meinte, dass sich damit die Situation für die Migrant:innen verbessere, erweist sich als naiv. Jans kündigt Verschärfungen an, die von links kaum kritisiert und von rechts als zu lasch eingestuft werden.

Immer wieder muss man erleben, dass sich Linke darüber freuen, wenn ein:e Sozialdemokrat:in in die Schweizer Regierung gehievt wird: Endlich übernimmt eine:r von uns dieses oder jenes Dossier, endlich wendet sich alles zum Besseren. Bei manchen Bundesrät:innen dauert es dann eine Weile, bis sich das als naive Illusion erweist, bei Beat Jans ging’s hingegen schnell. » Weiterlesen

Transfeindliche Berichterstattung

lmt. In der Berichterstattung der Schweizer Medien, insbesondere des Tages-Anzeigers, befindet sich immer wieder transfeindliches Framing. Das führt zu einer Manifestierung von Vorurteilen und Ängsten und richtet grossen Schaden an. Die Linke reagiert mit einem offenen Brief.

Nachdem spätestens in den 2000er-Jahren das Argument der gefährlichen Homosexuellen an Glaubwürdigkeit eingebüsst hatte, mussten die Rechten sich etwas Neues suchen. Seither versucht sie, trans Menschen in ein schlechtes Licht zu rücken. Besorgten Eltern wird weis gemacht, dass diese «Ideologien» schädlich für ihre Kinder seien.

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Achtung: Viola liest mit

sit. Am 19.März 2024 überreichten Aktivist:innen der Digitalen Gesellschaft eine an Bundesrätin Viola Amherd gerichtete Petition mit über 10’000 Unterschriften. Gefordert wird die Abschaffung der Kabelaufklärung im Rahmen der kommenden Revision des Nachrichtendienstgesetzes.

«Seit mindestens 2017 wird der Internetverkehr von uns allen massenhaft mitgelesen, ausgewertet und für spätere Auswertungen durch Armee und Geheimdienst in der Schweiz gespeichert», so zu lesen in der Petition «Viola liest mit: Kabelaufklärung jetzt abschaffen». Gemeint ist Bundesrätin Viola Amherd.

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«Heimliche» Sympathien

flo. Der versuchte Auftritt des österreichischen Faschisten Martin Sellner wird gar das Fedpol beschäftigt haben. Vor allem aber zeigen die Ereignisse die Sympathien von parlamentarischen Rechten gegenüber gedungenen Faschist:innen auf.

Am 17.März wollte Martin Sellner, bis letztes Jahr Sprecher der rassistischen Identitären Bewegung Österreichs, vor Kamerad:innen ein Referat im Tegerfeld halten, und zwar im sich dort befindenden Aargauischen Kantonalen Weinbaumuseum. Die Verantwortlichen des Museums wurden jedoch von den Organisator:innen des Treffs, der faschistischen Jungen Tat, über den Inhalt der Veranstaltung im Dunkeln gelassen.

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