Die PdA ist im Nationalrat!

denis-de-la-reusille-Mit Denis de la Reusille hat die Partei der Arbeit (PdA) den 2011 verlorenen Nationalratssitz zurückgewonnen. Auch in der restlichen Schweiz ist die PdA im Aufwind. Im Übrigen hat sich die bürgerliche Mehrheit im Parlament vergrössert.

Die SVP und die FDP haben zusammen mit den kleinen rechtsextremen Parteien eine Mehrheit im schweizerischen Nationalrat. Die parlamentarische Linke hat vor diesem Szenario gezittert und versucht, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Mit mässigem Erfolg. Für SP und Grüne mag es vielleicht angenehmer sein, sich von den netten Bürgerlichen à la BDP und CVP in die sozialpolitische Suppe spucken zu lassen. Bürgerliche bleiben aber Bürgerliche; im Zweifelsfall werden sie stets die Interessen der Klasse der Reichen verteidigen, ob mit Klauen oder Kompromissen.

Umso erfreulicher ist es, dass die radikale Linke, die konsequent die Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung vertritt, wieder einen Sitz im Schweizer Parlament errungen hat: Mit einem Glanzresultat von fast 11 000 Stimmen konnte Denis de la Reusille von der PdA einen der vier Neuenburger Nationalratssitze gewinnen. De la Reussille konnte damit weit mehr Stimmen auf sich vereinen als der Spitzenkandidat der Grünen und sogar ein gutes Stück mehr als der gewählte SVP-Vertreter. Im Kanton Neuchâtel erreichte die PdA einen WählerInnenanteil von fantastischen 12,2 Prozent und überholte so die grüne Listenpartnerin, die 9,3 Prozent der Stimmen erhielt.

Amanda Ioset, Sekretärin der PdA Schweiz und Aktivistin in Neuchâtel, freut sich über das Ergebnis und macht deutlich, dass «eine Stimme links der SP im Nationalrat so notwendig ist wie nie». Und weiter: «Die Bevölkerung in Neuchâtel hat gezeigt, dass sie die neoliberalen Diktate nicht mehr akzeptiert, die den ArbeiterInnen im Kanton und in der ganzen Schweiz aufgezwungen werden.»

Stark in der Westschweiz

Der Wahlkampf der Neuenburger GenossInnen fand unter dem Motto «Wir brauchen einen radikalen Wandel» statt. Und sie waren tatsächlich mit radikalen Forderungen aufgetreten: In ihrem Wahlprogramm fordern sie klar Mindestlöhne, aber auch eine Obergrenze für Löhne, «um die Konkurrenz untereinander, die von den Bossen verursacht wird, einzuschränken». Ein besonderer Schwerpunkt des Wahlkampfs bildete die Altersvorsorge. Hierbei forderte die PdA Neuchâtel die Überführung der zweiten Säule in die erste, um so die AHV zu stärken. Dies stellt einen völligen Gegensatz dar zu den Reformplänen von SP-Bundesrat Alain Berset, die in der Zwischenzeit zwar etwas abgemildert wurden, trotzdem noch auf dem Rücken der Arbeiterschaft, besonders den Arbeiterinnen, durchgesetzt werden sollen. Ferner trat die PdA Neuchâtel für einen kostenlosen ÖV sowie eine gratis Bildung «von der Krippe bis zur Hochschule» ein.

Im Jura ist die PdA zum ersten Mal angetreten und hat prompt 3,8 Prozent der Stimmen geholt. SP und Grüne verlieren stark (7,1 bzw. 3,7 Prozent weniger), die SP kann ihren Sitz jedoch halten.

Im Kanton Waadt erreicht die Listenverbindung von PdA und solidaritéS 2,9 Prozent, was eine Verschlechterung darstellt im Vergleich zu den Wahlen 2011, als die beiden Parteien getrennt angetreten sind. Damals erreichte die PdA 2,1 Prozent und solidaritéS 1,8 Prozent. Der Partei entgeht hier der Sitz im eidgenössischen Parlament einigermassen knapp.

Auch in Genf trat die PdA in einer Listenverbindung mit der in diesem Kanton stärkeren solidaritéS an. Unter dem Namen «Ensemble à Gauche» haben sie 6,1 Prozent der Stimmen erhalten und sind ebenfalls leer ausgegangen.

Achtungserfolg im Rest

Im Tessin steht die PdA durch die Abspaltung des Partito Communista (PC) etwas geschwächt da. Konnte sie vor vier Jahren noch 1,2 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, sind es diesmal nur 0,5 Prozent. Zusammen mit dem PC liegt der WählerInnenanteil aber etwas über dem Ergebnis der letzten eidgenössischen Wahlen.

Die Berner GenossInnen verbesserten ihren WählerInnenanteil auf 0,5 Prozent. Besonders erfolgreich waren sie im Verwaltungskreis Jura bernois, wo sie auf 2,1 Prozent der Stimmen kamen.

Im Kanton Zürich ist die PdA eine Unterlistenverbindung mit der Alternativen Liste (AL) eingegangen, auch weil der AL gute Chancen auf einen Sitz im Parlament vorausgesagt wurden. Die PdA Zürich konnte ihre 0,24 Prozent mit einen leichten Zugewinn wacker halten. Die AL hat ihrerseits ihren WählerInnenanteil um 0,7 auf 1,7 Prozent steigern können, was nicht für einen Nationalratssitz reichte. Marcel Bosonnet, Spitzenkandidat der PdA, zeigte sich gegenüber dem vorwärts nicht überrascht: «Die AL hat in letzter Zeit zunehmend gezeigt, dass sie keine wirkliche Alternative ist, dass sie immer mehr zu einer sozialdemokratischen Partei wird. Das haben die Wählerinnen und Wähler gemerkt, auch durch die Arbeit der AL in der Exekutive der Stadt Zürich.»

Im Hinblick auf das Ergebnis der PdA sagte Bosonnet, diese sei auch «weiterhin gefordert und verpflichtet, mehr zu tun, um die Wähler zu überzeugen, dass sie eine Alternative aufzeigt zu den gängigen Parteien». Er konstatiert, dass dies nicht gelungen sei, fasst es allerdings auf als «eine Aufforderung an uns, mehr daran zu arbeiten, sich mehr um die Bevölkerung zu kümmern». Und konkretisiert: «Nicht nur um die, die wählen können, sondern auch um die, die von den Wahlen ausgeschlossen sind.»

 

Aus der Printausgabe vom 23. Oktober 2015. Unterstütze uns mit einem Abo

TTIP-Demo: Gross und sonst?

ttip berlinAm 10. Oktober gingen in Berlin eine Viertelmillion Menschen gegen das Freihandelsabkommen TTIP auf die Strasse. Es war eine der grössten Demonstrationen in Deutschland seit Jahren und die Grösste zu diesem Thema überhaupt. Dennoch blieb sie weitgehend unbeachtet.

Nichts ging mehr. Die Strassen waren verstopft und viele Protestierende schienen sich nicht länger über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), sondern über das lange Rumstehen aufzuregen. Die scheinbar hoch angesetzte Zahl von 150 000 TeilnehmerInnen musste mehrmals nach oben korrigiert werden. Dies überrascht, da die Verhandlungen zu TTIP von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet bleiben. Dem aufrufenden, sehr breiten Trägerkreis – von der Linkspartei, über den Deutschen Gewerkschaftsbund, bis hin zum WWF und dem evangelischen Brot für die Welt – gelang es unter der Parole «Für einen gerechten Welthandel» alle quantitativen Erwartungen zu übertreffen. Doch diese Parole wirkte angesichts einer fehlenden Bezugnahme auf den Kapitalismus als System mit inneren Gesetzen reichlich naiv. Zum zahmen Motto passte auch die Demoroute; rund die Hälfte der Strecke lag in einem bewaldeten Stadtpark, war also nicht sichtbar. Trotz des Riesenaufmarschs blieb das Medienecho eher gering.

 

Angriff auf die Arbeitsbedingungen

Die genauen Auswirkungen von TTIP sind schwer vorherzusagen. Schliesslich wird geheim und fernab der Parlamente verhandelt, was bis weit ins bürgerliche Lager skandalisiert wird. Sicher ist jedoch; jegliche Aussenhandelsbeschränkungen würden radikal abgebaut. Falls sich Staaten nicht an die Vereinbarungen halten würden, sollen Konzerne sie vor privaten Schiedsgerichten verklagen dürfen. Diese Schiedsgerichte wurden in Deutschland jedoch bereits als verfassungswidrig erklärt. Aus linker Perspektive gilt es den Hauptfokus aber nicht auf die Unterwanderung der Demokratie, sondern auf die drohende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu legen. Es ist keine Neuheit und auch nicht Resultat eines auswüchsigen Kapitalismus, dass die bürgerliche Demokratie den Profitinteressen dient. Wichtig ist der Widerstand gegen TTIP als Verteidigungskampf angesichts der drohenden Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und der Deregulierung von VerbraucherInnen- und Naturschutzrichtlinien.

 

Keine Radikale, dafür Rechte

Die Situation in Deutschland unterscheidet sich denn auch zu jener in der Schweiz, wo sich die reformistische Linke kaum um das mühsam zu vermittelnde Thema TiSA (Trade in Services Agreement) kümmert. Bei einer unbewilligten Kundgebung gegen TISA letztes Frühjahr in Zürich gab die Polizei mit einem Grossaufgebot dem Paradeplatz die Ehre. Dass die deutsche Kampagne gegen TTIP reformistisch geprägt ist, müsste und dürfte nicht so sein. Die radikale Linke blieb der Demo fern, was angesichts ihrer Aufmachung verständlich scheint. Eigentlich sind es aber solche Proteste, welche eine revolutionäre Perspektive sichtbar machen können. Notwendig wäre die radikale Einmischung zudem wegen den nationalistischen Aspekten des Protests, welche weder übertrieben noch ignoriert werden dürfen. Auf Transparenten waren häufig genug antiamerikanische und sogar antiisraelische Parolen zu lesen. Demnach werden die Angriffe des internationalen Kapitals als ein Verteilkrieg zwischen Nationen verstanden, in dem es die «eigene» zu schützen gilt. Demgegenüber muss die internationale Solidarität unter den ArbeiterInnen gestärkt und der Kapitalismus als Ganzes thematisiert werden. Vor einem solchem Hintergrund könnte der Widerstand gegen Freihandelsabkommen mit Protesten wie in Berlin nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auf einen Bruch mit dem Kapitalismus verweisen

Die Unia kämpft gegen Uber

uberWährend mehr als einer Stunde konnte man am Basler Bahnhof SBB kein Taxi bekommen. Etwa 100 TaxifahrerInnen beteiligten sich am 30. September an der Protestaktion, die von der Unia organisiert wurde und auf die Kampagne «Uber verbieten» aufmerksam machen sollte. Die TaxifahrerInnen sind wütend. Das Transportunternehmen Uber vermasselt ihnen das Geschäft. In Zürich klagen sie bereits über 40 Prozent weniger Verdienst und auch in Basel, wo bloss wenige Dutzend Uber-FahrerInnen tätig sind, seien «klare Umsatzeinbussen» spürbar.

Uber ist ein Unternehmen, das über eine App auf Mobiltelefonen scheinbar bloss Transportmöglichkeiten vermittelt. Der Erfolg des Konzerns rührt in erster Linie daher, dass er alle seine Kosten und Verantwortungen auslagern kann. Das Unternehmen beschäftigt selber nur wenig Angestellte, die App ersetzt eine Vermittlungszentrale. Es verfügt über keine eigenen Fahrzeuge und muss daher auch nicht für deren Versicherung aufkommen. Den Verschleiss und das Benzin bezahlen die FahrerInnen aus eigener Tasche und für das Versicherungsrisiko haften sie selbst. Den Gewinn investiert Uber in geschickte Kommunikation, PR und Lobbying. Doch Uber funktioniert wie jedes Taxiunternehmen. Im Basler Taxigesetz steht folgende Definition: «Das Taxi dient dem gewerbsmässigen Transport von Personen und Waren gegen ein in der Tarifverordnung festgesetztes Entgelt ohne festen Fahrplan oder feste Linienführung.» Uber müsste also wie ein Taxi behandelt werden. Der zuständige Unia-Sekretär Roman Künzler drückt es so aus: «Es ist nicht relevant, wie man eine Dienstleistung oder das Fahrzeug nennt, sondern welche Funktion es ausübt. Und dies ist eben der Transport von Personen von A nach B gegen Entgelt. Daher ist Uber eigentlich ein Taxi und gehört als solches den gleichen Regulierungen unterworfen.»

Recht auf Mobilität

Uber verstösst mit seinen Strukturen gegen etliche gesetzliche Verordnungen. Verschiedene Punkte stossen der Unia besonders übel auf: Für Taxidienstleistungen ist der Taxameter in der Stadt Basel Pflicht. Uber müsste also wie alle Taxis einen solchen mitführen. Stattdessen berechnet das Uber-App den Fahrpreis einerseits nach gefahrenen Kilometern, andererseits nach der Fahrzeit. Dieser Verstoss gegen die Tarifordnung müsste laut Unia geahndet werden. Uber verwendet das System Uber Surge Pricing, welches mittels Algorithmen unter Einbezug der Marktlage einen «optimalen» Preis berechnet. Mit dieser Preisstrategie verlangt Uber zum Teil ein Vielfaches seiner eigenen Preise. Dies ist ein klarer Verstoss gegen die Tarifordnung und die festgelegten Höchsttarife. Es gibt viele gut dokumentierte Fälle, bei denen Uber völlig überrissene Preise verlangte, beispielsweise während Halloween in den USA. «Gerade die festgelegten Tarife sind Teil eines öffentlichen Angebots auf den Taximärkten weltweit. Jeder soll ein Recht auf Mobilität zu einem garantierten Preis haben. Uber hebelt dieses Prinzip aus», schreibt die Unia.

Uber verbieten!

Auch die schlechten Arbeitsrechte der Uber FahrerInnen stellen für die Gewerkschaft ein Problem dar. Es gibt keine festen Arbeitsverträge. Uber zahlt keine AHV, keine Pensionskasse. Es gibt kein regelmässiges Einkommen, die Verfügbarkeit gilt potenziell rund um die Uhr, um auf ein ausreichendes Gehalt Ende Monat zu kommen. In Kalifornien wurde ein erster Gerichtsfall gegen Uber gewonnen, in dem das Gericht feststellte, dass Uber Arbeitgeberin sei und Sozialleistungen zu entrichten habe. Im Kanton Genf und Waadt und in mehreren Ländern wie Thailand und Spanien ist der Dienst mittlerweile bereits verboten worden. Die Unia fordert, dass die ganze Schweiz nachzieht. Als ersten Schritt tritt sie für ein Nein zum neuen Taxigesetz in Basel ein, worüber am 15. November abgestimmt wird und das Uber «explizit freie Fahrt» gewähren würde.

mehr Infos auf: www.stoppuber.ch

 

Aus der Printausgabe vom 9. Oktober 2015. Unterstütze uns mit einem Abo

Der Staat liest mit

überwachungMit dem neuen Nachrichtendienstgesetz soll der Schweizer Geheimdienst weitreichende Kompetenzen erhalten. Die Überwachungsmöglichkeiten greifen tief, Kontrolle gibt es kaum. Ein Referendum will das verhindern.

Die Schweizer Politik baut am Überwachungsstaat. Mit dem Nachrichtendienstgesetz (NDG), das zum Ende der Herbstsession vom Parlament verabschiedet wurde, ist es der heimischen Spionageabteilung künftig erlaubt, private Gespräche mitzuhören, Nachrichten mitzulesen, Räume zu verwanzen und Computer zu hacken. Auch Überwachung im Internet gehört neu zur Aufgabe des Geheimdienstes, der für Bundesrat, Departemente und Kantone die aktuelle «Bedrohungslage» im In- und Ausland zu beobachten hat.

Bereits im Jahr 2009 hatte der Bundesrat einen ersten Anlauf genommen, die nachrichtendienstlichen Kompetenzen auszuweiten. Damals scheiterten die Pläne am Parlament. «Massenüberwachung» und Beschneidung der «Freiheit» kämen nicht in Frage, hiess es. Argumente, die nun kaum mehr Gehör fanden. So stimmten etwa die SVP-Komponenten, die sich im aktuellen Wahlkampf gemäss Smartvote vorgeblich gegen mehr Überwachung stellen, geschlossen für den Gesetzesentwurf ihres Bundesrats, Verteidigungsminister Ueli Maurer. Die SozialdemokratInnen waren derweil gespalten. Nur die Hälfte sprach sich explizit gegen das neue Gesetz aus. Bei der Diskussion im Parlament hätte vor allem die «Terrorabwehr» im Fokus gestanden und die Grundrechte seien vergessen worden, meint Juso-Präsident Fabian Molina dazu. Die Juso ist Teil des «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», das inzwischen das Referendum ergriffen hat.

Modernisierung der Schlapphüte

Bisher war es den verdeckten ErmittlerInnen erlaubt, öffentliche Orte zu beobachten, ihnen zugetragene Informationen auszuwerten, über die Identität und den Verbleib von Personen nachzuforschen sowie Funk abzuhören. Zu den Methoden, die nun mit dem neuen NDG legalisiert werden, gehört die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, bei der unter anderem das Telefon einer Zielperson abgehört wird. Weiter darf der Geheimdienst Ortungs- und Überwachungsgeräte einsetzen, etwa Sender an Fahrzeugen und Wanzen in Privaträumen anbringen. Auch das Eindringen in Rechner und Einschleusen von Staatstrojanern im In- und Ausland wird erlaubt, um Informationen zu beschaffen und Daten zu manipulieren. Betroffen ist dabei nicht nur, wer unmittelbar im Visier des Geheimdienstes steht. Anschlüsse von «Dritten», von denen aus eine Zielperson kommunizieren könnte, dürfen ebenfalls ausgehorcht werden.

Noch flächendeckender wird die Überwachung durch die neue Bestimmung zur «Kabelaufklärung». Dabei werden alle Datenströme, die zwischen der Schweiz und dem Ausland fliessen, erfasst und auf Schlagworte durchleuchtet. Demnach kann tendenziell jede und jeder durch die Verwendung eines bestimmten Stichworts bei Google, in E-Mails, auf Facebook oder über Whatsapp die Aufmerksamkeit des Geheimdienstes auf sich ziehen. Darüber hinaus soll mit ausgewählten ausländischen Nachrichtendiensten ein automatisierter Datenaustausch stattfinden. Mit wem, wird jährlich vom Bundesrat definiert.

Überwachte Überwacher?

Um den Nachrichtendienst an der Leine zu halten, haben Regierung und Parlament zwei Schranken formuliert. Zum einen gilt für den Einsatz der neuen Methoden eine Bewilligungspflicht. So bedarf es beispielsweise beim Einsatz eines Trojaners der Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Entscheidung liege allerdings bei einem einzelnen Richter, der sich lediglich auf Angaben des Geheimdienstes stützen könne, so Staatsrechtsprofessor Rainer J. Schweizer im Interview mit dem Tages-Anzeiger. Zum anderen soll der Nachrichtendienst künftig einem unabhängigen Kontrollorgan unterstellt werden. Klar ist bisher nur, dass diese Stelle administrativ dem VBS angehören und damit im selben Departement wie der Nachrichtendienst angesiedelt sein wird. Die GegnerInnen des neuen NDG setzen hinter diese «Unabhängigkeit» folglich ein grosses Fragezeichen.

Ob man Ziel der ÜberwacherInnen geworden ist, lässt sich indes kaum feststellen. Zwar existiert ein «Auskunftsrecht», die darin festgehaltenen Bestimmungen halten allerdings nicht, was der Titel verspricht. So kann eine Anfrage beliebig aufgeschoben werden, und zwar in jedem Fall. Personen, über die keine Daten bearbeitet wurden, «informiert der NDB spätestens drei Jahre nach Eingang ihres Gesuches». Im Falle einer erfolgten Überwachung wird informiert, «sobald kein Geheimhaltungsinteresse mehr besteht» und lediglich «sofern dies nicht mit übermässigem Aufwand verbunden ist». Damit existiert die Möglichkeit, gegen den Nachrichtendienst und seine Tätigkeiten rechtlich vorzugehen, auch im Nachhinein faktisch nicht.

Auf das NDG folgt das BÜPF

Während nun das Referendum gegen das NDG läuft, arbeiten Regierung und Parlament weiter am Überwachungsausbau. Mit der Revision des «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs», kurz BÜPF, soll unter anderem die Frist der Vorratsdatenspeicherung von sechs auf zwölf Monate verlängert werden. Bei der Vorratsdatenspeicherung werden «Randdaten» wie Ort und Zeit der Kommunikation sowie AbsenderIn und EmpfängerIn aufgezeichnet. Strafverfolgungsbehörden können bereits jetzt bei Verdacht auf eine Straftat, zu denen bereits Diebstahl und Sachbeschädigung gehören, die Herausgabe dieser Daten verlangen. Auch das Abhören von Telefongesprächen ist ihnen erlaubt.

Auf rechtlich wackeligen Beinen bei der Strafverfolgung steht bis anhin aber der Einsatz von Staatstrojanern. Das revidierte BÜPF soll hier Abhilfe schaffen. Verabschiedet wird das Gesetz voraussichtlich im Dezember.

 

Aus der Printausgabe vom 9. Oktober 2015. Unterstütze uns mit einem Abo