TTIP-Demo: Gross und sonst?

ttip berlinAm 10. Oktober gingen in Berlin eine Viertelmillion Menschen gegen das Freihandelsabkommen TTIP auf die Strasse. Es war eine der grössten Demonstrationen in Deutschland seit Jahren und die Grösste zu diesem Thema überhaupt. Dennoch blieb sie weitgehend unbeachtet.

Nichts ging mehr. Die Strassen waren verstopft und viele Protestierende schienen sich nicht länger über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), sondern über das lange Rumstehen aufzuregen. Die scheinbar hoch angesetzte Zahl von 150 000 TeilnehmerInnen musste mehrmals nach oben korrigiert werden. Dies überrascht, da die Verhandlungen zu TTIP von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet bleiben. Dem aufrufenden, sehr breiten Trägerkreis – von der Linkspartei, über den Deutschen Gewerkschaftsbund, bis hin zum WWF und dem evangelischen Brot für die Welt – gelang es unter der Parole «Für einen gerechten Welthandel» alle quantitativen Erwartungen zu übertreffen. Doch diese Parole wirkte angesichts einer fehlenden Bezugnahme auf den Kapitalismus als System mit inneren Gesetzen reichlich naiv. Zum zahmen Motto passte auch die Demoroute; rund die Hälfte der Strecke lag in einem bewaldeten Stadtpark, war also nicht sichtbar. Trotz des Riesenaufmarschs blieb das Medienecho eher gering.

 

Angriff auf die Arbeitsbedingungen

Die genauen Auswirkungen von TTIP sind schwer vorherzusagen. Schliesslich wird geheim und fernab der Parlamente verhandelt, was bis weit ins bürgerliche Lager skandalisiert wird. Sicher ist jedoch; jegliche Aussenhandelsbeschränkungen würden radikal abgebaut. Falls sich Staaten nicht an die Vereinbarungen halten würden, sollen Konzerne sie vor privaten Schiedsgerichten verklagen dürfen. Diese Schiedsgerichte wurden in Deutschland jedoch bereits als verfassungswidrig erklärt. Aus linker Perspektive gilt es den Hauptfokus aber nicht auf die Unterwanderung der Demokratie, sondern auf die drohende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu legen. Es ist keine Neuheit und auch nicht Resultat eines auswüchsigen Kapitalismus, dass die bürgerliche Demokratie den Profitinteressen dient. Wichtig ist der Widerstand gegen TTIP als Verteidigungskampf angesichts der drohenden Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und der Deregulierung von VerbraucherInnen- und Naturschutzrichtlinien.

 

Keine Radikale, dafür Rechte

Die Situation in Deutschland unterscheidet sich denn auch zu jener in der Schweiz, wo sich die reformistische Linke kaum um das mühsam zu vermittelnde Thema TiSA (Trade in Services Agreement) kümmert. Bei einer unbewilligten Kundgebung gegen TISA letztes Frühjahr in Zürich gab die Polizei mit einem Grossaufgebot dem Paradeplatz die Ehre. Dass die deutsche Kampagne gegen TTIP reformistisch geprägt ist, müsste und dürfte nicht so sein. Die radikale Linke blieb der Demo fern, was angesichts ihrer Aufmachung verständlich scheint. Eigentlich sind es aber solche Proteste, welche eine revolutionäre Perspektive sichtbar machen können. Notwendig wäre die radikale Einmischung zudem wegen den nationalistischen Aspekten des Protests, welche weder übertrieben noch ignoriert werden dürfen. Auf Transparenten waren häufig genug antiamerikanische und sogar antiisraelische Parolen zu lesen. Demnach werden die Angriffe des internationalen Kapitals als ein Verteilkrieg zwischen Nationen verstanden, in dem es die «eigene» zu schützen gilt. Demgegenüber muss die internationale Solidarität unter den ArbeiterInnen gestärkt und der Kapitalismus als Ganzes thematisiert werden. Vor einem solchem Hintergrund könnte der Widerstand gegen Freihandelsabkommen mit Protesten wie in Berlin nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auf einen Bruch mit dem Kapitalismus verweisen

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