
Die Gewerkschaft   Unia hat heute Vormittag in Bern an einer Medienkonferenz die Bilanz ihrer   ersten vier Jahre seit der Fusion 2004 gezogen und einen entsprechenden   Tätigkeitsbericht vorgestellt. Mit klaren Worten kritisierte Unia-Co-Präsident   Andreas Rieger die Verantwortlichen der Finanzmarktkrise und forderte eine   6-Punkte Sofortprogramm, um die Schweizer Realwirtschaft vor den Auswirkungen   zu schützen.
«Die Unia ist gut   gestartet und heute aus der Schweiz nicht mehr wegzudenken». Mit diesen   Worten eröffnete Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti die   Bilanzpressekonferenz. Die Fusion sei überraschend reibungslos verlaufen und   die 200’000 Unia-Mitglieder hätten sich erstaunlich schnell mit der neuen   Gewerkschaft identifiziert. Einige Arbeitgebervertreter hätten auf die erfolgreiche   Fusion zuerst mit Abwehrreflexen reagiert, doch habe sich die anfängliche   Aufregung auf Arbeitgeberseite mit der Zeit gelegt. Seither habe die Unia wichtige   neue Gesamtarbeitsverträge – z.B. für Temporärbeschäftigte oder für das   Reinigungspersonal – aushandeln können. In der grossen Mehrheit der   Fälle habe die Unia am Verhandlungstisch und im Dialog mit den Arbeitgebern   Verbesserungen für die Arbeitnehmenden erreicht, so Ambrosetti, «doch wo   nötig, war die Unia auch bereit, Arbeitskämpfe zu unterstützen und zu führen.»
Sofortprogramm   und nachhaltiger Umbau der Wirtschaft
Als «wichtiges Gegengewicht zu den entfesselten   Märkten» bezeichnete Andreas Rieger, ebenfalls Co-Präsident der Unia, die   Gewerkschaft. Mit klaren Worten kritisierte er die zerstörerischen Folgen der   seit den 90er Jahren grassierenden Deregulierungsideologie, deren Scheitern   mit der aktuellen Finanzmarktkrise unübersehbar geworden sei. Statt mit   Steuermilliarden die faulen Papiere der Spekulanten aufzukaufen, müssten   diese Mittel nun sinnvoll in die Realwirtschaft investiert werden, um diese   vor den Auswirkungen der Krise zu schützen. Rieger stellte ein entsprechendes   6-Punkte Sofortprogramm vor, das Zinssenkungen durch die Nationalbank sowie   die Kantonal- und Raiffeisenbanken, eine die Konjunktur stimulierende   Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand, ein Stopp der Preistreiberei der   Elektrizitätsbarone, eine Besteuerung der Manager-Topsaläre (über 1 Million   Franken) als Unternehmensgewinne und substanzielle Lohnerhöhungen im bevorstehenden   Lohnherbst beinhaltet.
Falls die Schweizer   Wirtschaft durch die Finanzkrise ernsthaft getroffen werde, müssten zudem   bereits beschlossene Investitionsvorhaben der öffentlichen Hand, insbesondere   im Bereich der Infrastruktur und des Transports, beschleunigt umgesetzt   werden. «Werden diese Massnahmen nicht ergriffen», so Rieger, «dann macht   sich die Politik an einem Abschwung mitschuldig». In jedem Fall aber müsse   die Schweiz langfristig in einen ökologisch und sozial nachhaltigen Umbau der   Wirtschaft investieren. Dazu gehörten namentlich ein energiepolitisches Sanierungsprogramm   des Bundes (Bonus für Gebäudesanierung und Förderung von Spartechnologien)   sowie ein Förderprogramm für erneuerbare Energien und entsprechende   Technologien.
Erster Unia-Kongress am kommenden Wochenende
Im   weiteren Verlauf der Pressekonferenz stellte Unia-Geschäftsleitungsmitglied   Rita Schiavi die Unia als «Mitmach-Gewerkschaft» vor. Die Unia verstehe sich   als soziale Bewegung: «Aktive Mitglieder   und ein breites Bündnis mit anderen sozialen Bewegungen machen die Kraft und   die Ausstrahlung der Unia aus.» André Daguet, ebenfalls Mitglied der   Unia-Geschäftsleitung, bezeichnete seine Gewerkschaft als «aktive Kraft in   der politischen Landschaft der Schweiz». Sie habe bei zahlreichen Referendums-   und Abstimmungskampagnen zu sozialpolitischen Themen und gegen die   Deregulierungsoffensive eine wichtige Rolle gespielt. «Die Gründung der Unia   hat den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Deregulierung gestärkt.»
Unia-Geschäftsleitungsmitglied   Fabienne Blanc-Kühn verwies schliesslich auf die besonders starke Verankerung   der Unia in der lateinischen Schweiz, in der fast die Hälfte der   Unia-Mitglieder wohnt. Sie lud die Medienvertreter zum bevorstehenden ersten Kongress   der Unia in Lugano ein, an dem sich ab Donnerstag nebst mehreren hundert   Gästen (darunter Bundespräsident Couchepin) 400 Delegierte treffen, um eine   neue Leitung zu wählen und die gewerkschaftspolitischen Schwerpunkte für die   kommenden vier Jahre festzulegen.