Smash the Camps!

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Um die Durchführbarkeit der Lagerpolitik im Asylbereich zu testen, ist in Zürich ein Testlager geplant. Nun regt sich Widerstand. Das Gelände  des geplanten Testlagers wird besetzt. Die Aktion «?Smash the Camps?» startet am 18. Mai um 14 Uhr beim Turbinenplatz in Zürich. 

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Die neue Ära der Lagerpolitik zielt auf eine Beschleunigung des Asylverfahrens durch Zentralisierung ab. Im Umfeld der fünf bestehenden Empfangszentren des Bundes entstehen hierfür weitere Lager à 400 bis 500 Plätzen. Nach durchschnittlich 140 Tagen soll entweder ein positiver Asylentscheid vorliegen oder eine Ausschaffung erfolgen.

Auf dem Duttweilerareal in Zürich soll 2014 ein erstes Testlager errichtet werden. Projektleiter Urs von Daeniken, bezeichnenderweise handelt es sich um den Ex-Inlandgeheimdienstchef, bringt die Funktion des Lagers auf den Punkt: «7 bis 7.30 Uhr Frühstück, 11.20 bis 13 Uhr Mittagessen, 17.00 bis 18.30 Uhr Abendessen, 22.00 bis 6.00 Uhr Nachtruhe» (Tagesanzeiger-Online, 6. Februar 2013). Putzarbeiten im Zentrum würden ein Sackgeld von 3 Franken geben, wer sich weigere, gehe leer aus. Wer zweimal zu spät einrücke, dem werde das Sackgeld gestrichen. Zudem wird über eine Ausgangssperre nachgedacht. Dieser militärische Tonfall und die Disziplin sind grundlegende Bestandteile der Lager.

Postkoloniales Grenzregime

Die geplanten Lager dienen offiziell zur Abschreckung von MigrantInnen. Sie zementieren damit postkoloniale Machtverhältnisse. Seit den 1970er Jahren findet eine Globalisierung der Produktion und des Handels statt. Märkte werden liberalisiert und grosse Teile der westlichen Industrie in ehemals kolonialisierte Niedriglohnländer verlagert. Damit sind Landenteignungen von Millionen subsistenzwirtschaftender LandwirtInnen sowie die Zerstörung lokaler Märkte und Sozialstrukturen verbunden. Als Folge dieser Ausbeutung und in der Hoffnung auf eine bessere Lebensperspektive migrieren viele Personen nach Europa. Die europäischen Unternehmen sind jedoch aufgrund des wachsenden Tertiärsektors immer weniger auf niedrigqualifizierte Lohnabhängige aus dem Süden angewiesen. Innerhalb des Schengenraumes herrscht Personenfreizügigkeit. Sie wird als kultureller Erfolg der europäischen Einheit gefeiert, führt jedoch mangels Schutzbestimmungen der Arbeitsbedingungen zu Konkurrenz und Lohndruck. Die Einwanderung nach Europa wird durch kontingentierte Aufnahmen von Hochqualifizierten, verstärkte Kontrollen der Aussengrenze und systematische Ausschaffungen reguliert.

Kapitalistisches Ausbeutungsregime

Falls MigrantInnen trotz des lebensbedrohlichen Grenzregimes in die Schweiz gelangen, werden sie in Zukunft in Bundeslager gesteckt. Es sind Orte der Entrechtung, der Isolation und der Stigmatisierung. In Bundeslagern werden die Flüchtlinge in «Richtige» und «Falsche» unterteilt. Illegalisierte MigrantInnen werden der Ausschaffungsmaschinerie zugeführt oder müssen untertauchen und sich mit Schwarzarbeit durchschlagen. Niedriglohnbranchen wie Bau, Gastronomie, Landwirtschaft oder der Care-Bereich setzen auf einen ethnisch hierarchisierten Arbeitsmarkt und die Ausbeutung illegalisierter MigrantInnen. In bestimmten Sektoren benötigt das Kapital solche entrechtete Arbeitskräfte, um archaische Ausbeutungsformen aufrechtzuerhalten. Die blosse Anwesenheit stigmatisierter Arbeitskräfte dient dazu, Teile der Arbeitswelt gegeneinander auszuspielen und führt zur Anpassungen der Lohn- und Anstellungsbedingungen nach unten.

Neoliberales Asylregime

Die Asylgesetzrevision, über die am 9. Juni abgestimmt wird, die Neustrukturierung des Asylwesens durch Sommaruga und das Mitmischen vieler Asyl-organisationen und Parteien gehören zu den Grundlagen der Lagerpolitik. Im Mittelpunkt standen immer die effizientere Gestaltung des Asylverfahrens und der effektivere Vollzug von Wegweisungen. Effizienz und Effektivität stellen Kriterien in einem betriebswirtschaftlichen Unternehmen dar, um die Abläufe zu optimieren. Die Bundeslager sollen die Abläufe ebenfalls «beschleunigen». Asylsuchende, BFM, Rechtsvertretung, Rückkehrhilfe, Dokumentenprüfende, Polizei und so weiter werden zu diesem Zweck künftig am gleichen Ort konzentriert. Diese Beschleunigung wird im Sinne der Asylsuchenden dargelegt, da diese ein Recht auf einen raschen Entscheid hätten. Das Ziel ist die Zahl der Asylgesuche und Kosten zu senken. Das sind die «Qualitätsmerkmale» eines neoliberalen Asylregimes, welches Flüchtlinge degradiert und wie Waren in einer Fliessbandproduktion verarbeitet.

Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.

«Smash the Camps» ist eine Absage an die herrschende Asyl- und Migrationspolitik. Es ist eine Reaktion auf den Entscheid demokratischer Parlamente, Lager errichten zu wollen. Um gegen alle Orte vorzugehen, wo sich die Lagerpolitik manifestiert oder reproduziert, wird versucht, die entschiedenen Kräfte zu mobilisieren. Ziel ist es, durch direkten Widerstand und konkrete Solidarität statt über Delegation von Macht die Kräfteverhältnisse zu verschieben. So lässt sich heute einen Teil dazu beizutragen, um morgen das Ganzen zu verändern.

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