Die zahnlose Erbschaftssteuer

Die Initiative zur Reform der Erbschaftssteuer tönt gut: Ein einheitliches System für die Schweiz, keine Ungleichbehandlung der ErbInnen, Geld für die AHV. Was uns Rot-Grün und die Christlich-Sozialen servieren, ist allerdings ein wässriges Süppchen. Reiche mit bis zwei Millionen Stutz kommen ungeschoren davon, Familienunternehmen mit 50 Millionen ebenso.

«Die Erbschaftssteuerreform will das heutige System nicht auf den Kopf stellen, sondern schlägt eine gezielte Anpassung vor.» Mit diesen Worten hat es Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen, auf den Punkt gebracht. Am 14. Juni wird die Initiative zur Erbschaftssteuerreform den Stimmberechtigten zur Abstimmung vorgelegt. Lanciert wurde die Initiative von SP, Grünen, Gewerkschaftsbund und – etwas verdächtig – auch von der EVP. Im Kern geht es um Folgendes: Kantonale Erbschaftssteuern werden abgeschafft, stattdessen erhebt der Bund eine einheitliche Erbschafts- und Schenkungssteuer. Zwei Drittel der Einnahmen daraus gehen an die AHV, ein Drittel bleibt bei den Kantonen. Der Steuersatz beträgt 20 Prozent. So weit, so gut; obwohl der Steuersatz auch höher sein könnte. Grossbritannien und die USA mit 40 Prozent und Frankreich mit 45 Prozent sind in dieser Beziehung deutlich mutiger.

Steuerfreie Millionen

Um es allen recht zu machen, und mit «allen» ist das Kleinbürgertum gemeint, sind verschiedene Ergänzungen und Sonderregelungen hinzugefügt worden. Erstens erlässt die Erbschaftssteuer den Reichen einen Freibetrag von 2 Millionen Franken. Ein- bis zweifache MillionärInnen dürften also steuerfrei vererben. Das ist geschickt gemacht: Letztes Jahr wurde die Steuerbonusinitative der Partei der Arbeit Zürich (PdAZ) vom Bundesgericht für ungültig erklärt, weil es zu grosse «Brüche und Sprünge bei der Besteuerung» verursache. Mit dem Freibetrag wird ein solcher «Bruch» vermieden. EinE ErbIn von zwei Millionen und einem Franken muss nur 20 Rappen Steuern zahlen. Bei der PdAZ-Initiative, wo der Steuersatz von einem Prozent wesentlich milder gewesen wäre, hätte jemand mit 2999999 Franken Vermögen nichts, jemand mit 3 Millionen sofort 30000 Franken zahlen müssen. Allerdings bedeutet dieser Freibetrag auch, dass etliche Bonzen, die über ein Vermögen von nicht viel mehr als zwei Millionen verfügen, ziemlich gut davonkommen.

Zweitens sind Eheleute und PartnerInnen von der Erbschaftssteuer befreit. Das kann einigen Multimillionärsfamilien helfen. Beispielsweise kann eine Multimillionärin mit vier Millionen Franken den Kindern und der Lebenspartnerin je zwei Millionen vermachen, ohne Steuern zu bezahlen. Stirbt dann noch die Lebenspartnerin gibt es für die ErbInnen wieder zwei Millionen; insgesamt könnten sie auf diese Weise bis vier Millionen Franken steuerfrei erben. Für reiche Homosexuelle bedeutet die Reform tatsächlich einen Fortschritt. Gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz dürfen bekanntlich rechtlich keine Kinder adoptieren, auch nicht die Kinder des oder der PartnerIn. Die nicht leiblichen Kinder von homosexuellen Elternteilen werden dadurch vom kantonalen Erbrecht teilweise stark benachteiligt. Spitzenreiterin ist diesbezüglich Basel-Stadt, wo die Erbschaft an eineN NichtverwandteN mit bis zu 49 Prozent besteuert wird.

«Ein liberales Anliegen»

Die Initiative sieht für die allseits umworbenen KMU besondere Regelungen vor. Um Familienunternehmen nicht zu gefährden, gelten für Betriebe die mindestens zehn Jahre von den ErbInnen weitergeführt werden «besondere Ermässigungen». Im Initiativtext bleibt offen, wie diese konkret aussehen, sie sollen bloss den Weiterbestand der Betriebe nicht gefährden und Arbeitsplätze erhalten. Das Initiativkomitee spricht von einem Freibetrag von 50 Millionen Franken und einem Steuersatz von fünf statt 20 Prozent auf den Rest. Landwirtschaftliche Betriebe, die in der Familie bleiben, sollen sogar völlig steuerfrei wegkommen.

EVP-Präsidentin Marianne Streiff gibt zu verstehen, dass es sich nicht um eine wirtschaftsfeindliche Initiative handelt: «Die Initianten sind ganz bewusst darauf bedacht, mit der Erbschaftssteuerreform Familienunternehmen und Bauernhöfe (…) zu schonen.» Und Parteikollege Heiner Studer sagt offen: «Tatsächlich ist es ein liberales Anliegen.»

Bürgerliche Parolen

Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften unterstützen das Vorhaben, wobei sie dabei die sozialen Aspekte der Erbschaftssteuerreform hervorheben. Die Schweiz stünde unter den OECD-Ländern in Sachen Vermögenskonzentration auf dem ersten Platz. Zwei Prozent der Schweizer SteuerzahlerInnen besitzen soviel wie die übrigen 98 Prozent, schreibt die SP in ihrem Argumentarium. Damit will sie wohl an das Motto der Occupy-Bewegung anknüpfen: Wir unteren 99 Prozent gegen das obere eine Prozent. Eine sozialistische Position ist das nicht. Zu den unteren 99 Prozent gehören in der Schweiz laut der Vermögensstatistik 2011 immerhin alle Steuerpflichtigen mit bis drei Millionen Franken und zu den unteren 98 Prozent noch Menschen mit zwei Millionen Franken Vermögen. Die Interessen von MillionärInnen dürften sich doch deutlich von denen der ArbeiterInnen unterscheiden.

Gewerkschaftsbund-Präsident Paul Rechsteiner bringt hingegen ein recht vernünftiges Argument zur Sprache, das für die Initiative spricht, namentlich die Anbindung der Steuer an die AHV: «Dass die reichsten der Erblasser mit der Erbschaftssteuer einen Zusatzbeitrag an die AHV leisten, sorgt für ein Stück Ausgleich innerhalb der betagten Generation der Bevölkerung, was umso wichtiger ist, als sich die finanziellen und sozialen Gegensätze im Alter verschärfen.» Und doch greift auch diese Seite immer wieder auf erzbürgerliche Parolen zurück. In der Gewerkschaftszeitung work stellt der Ökonom Volker Grossmann klar, dass man nicht links sein muss, um mit Ja zu stimmen: «Das ist keine Frage der Gerechtigkeit, sondern der gesamtwirtschaftlichen Effizienz.» Es geht darum «Anreize» zu schaffen, damit sich Leistung lohnt. Die «Leistungsgesellschaft» soll nicht zur Farce verkommen. Mit anderen Worten: Der Kapitalismus soll gerettet werden.

Die Initiative zur Erbschaftssteuerreform macht Kompromisse, wo sie nur kann. Um kleinbürgerliche Stimmen zu gewinnen, hat man einem sinnvollen Anliegen alle Zähne gezogen. Die Rechnung ist nicht aufgegangen: Die restlichen bürgerlichen Parteien lehnen die Initiative allesamt ab. Damit ist der Ausgang der Abstimmung wohl besiegelt. Die Partei der Arbeit hätte an ihren Prinzipien festhalten und die Nein-Parole beschliessen sollen. Eine Erbschaftssteuer mit tiefem Steuersatz und einem Freipass für MillionärInnen ist nicht unterstützenswert. Es muss nicht jeder Furz der linken Parteien mitgemacht werden.

Aus der Printausgabe vom 8. Mai 2015. Unterstütze uns mit einem Abo

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2 Kommentare

  • Patrick Vögelin

    Wenn man Nein stimmt dann spielt man den Kapitalisten in die Karten und gibt dem Kaptial Narrenfreiheit und darum wäre es besser dafür zu stimmen. Klar habt ihr auch recht wenn es um den Betrag ich wäre auch dafür dass man schon ab 1 Million schon Erbschaftssteuer zahlen

  • Schade kann man Artikel von eurer Webseite nicht in den sozialen Medien teilen.
    Ich habe den Artikel über die PID von der aktuellen Ausgabe eingescannt und auf Facebook geteilt. Schöner und „professioneller“ sähen die Artikel von der Webseite auf Fb aus.

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