Die Macht des Geldes

Lea Fäh. Dem Finanzplatz kommt eine besondere Verantwortung in der Klimakrise zu. Nicht umsonst heisst es: Wo das Geld liegt, liegt die Macht. Es gilt, Finanzflüsse in Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens zu bringen. Ob dies gelingen wird?

Alle Jahre wieder. Auch 2022 steht die Schweiz auf dem Siegertreppchen des unrühmlichen Schattenfinanzindex des Tax Justice Network. Diesmal auf Platz zwei. «Der Schweizer Finanzplatz gehört trotz aller Reformen der letzten zehn Jahre immer noch zu den undurchsichtigsten weltweit. Es braucht dringend mehr Transparenz», fordert Allianz Sud in ihrer Medienmitteilung zum diesjährigen Ergebnis. Gleichzeitig ist unser Finanzplatz einer der wichtigsten in der globalen Weltwirtschaft und hat somit einen besonders grossen Hebel in der internationalen Klimapolitik.

Fehlende Transparenz
Mehr Transparenz bräuchte es zu den klimaschädlichen Auswirkungen von Finanzflüssen. Der Finanzsektor müsste gegenu?ber der O?ffentlichkeit und Aufsicht transparent bei klimaverträglichen Investitionsmo?glichkeiten sein.
Sabine Döbeli, Geschäftsführerin des Verbands Swiss Sustainable Finance (SSF), erklärt auf Anfrage des vorwärts: «Die Finanzdienstleister sind auf klimarelevante Daten von Unternehmen angewiesen. Systematisch offengelegte Klimainformationen von Unternehmen verbessern die Transparenz zur Klimaverträglichkeit von Finanzprodukten.» Schon heute würden viele Anbieter*innen klimafreundliche Produkte anbieten, aber oft fehlten vergleichbare Klimainformationen für fundierte Entscheide.
Hier setzt der Bundesrat an, der jüngst Richtlinien zur verbindlichen Klimaberichterstattung ausgearbeitet hat. Grosse Schweizer Unternehmen müssen nun ab 2024 über Klimabelange öffentlich Bericht erstatten. In den Klimaberichten sollen einerseits die finanziellen Risiken des Klimawandels beziffert werden. Solche Klimarisiken sind etwa Kosten aus der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft, wie durch CO2-Bepreisung. Anderseits muss offengelegt werden, welche Auswirkungen die Geschäftstätigkeit auf den Klimawandel hat. Unternehmen müssen unter anderem beschreiben, wie sie ihre Treibhausgasemissionen reduzieren.

Schlusslicht Europas
Die Schweiz ist im Zugzwang. Mit ihrem regulatorischen Laissez-faire gerät sie zunehmend ins Hintertreffen. Ausserhalb unserer Landesgrenzen sind die Arbeiten an Offenlegungen in Bezug auf Umweltbelange schon weit fortgeschritten. Eine entsprechende EU-Richtlinie ist seit 2014 in Kraft und befindet sich bereits in ihrer Überarbeitung. Sie wird verschärft, es sollen weitere Offenlegungspflichten hinzukommen.
Die neuen Regeln für die Schweiz konstituieren wie im Umland die Empfehlungen der Task Force für klimabezogene finanzielle Offenlegung (Task Force on Climate-related Financial Disclosures, TCFD) als den Standard, an dem sich die Klimaberichte orientieren sollen. Das ist der massgebende, internationale Standard mit dem Ziel, weltweit für einheitliche Datensätze zu sorgen.

Wirkung fraglich
Wird das erfreuliche Vorpreschen des Bundesrats Wirkung haben? SSF-Chefin Döbeli sagt gegenüber dem vorwärts: «Die Datenlage zu Klimarisiken und -auswirkungen von Schweizer Unternehmen wird sich damit verbessern. Das macht es für die Finanzdienstleister einfacher, Transparenz und verlässliche Klimainformationen zu ihren Portfolios bereitzustellen.» Allerdings sind nur Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern verpflichtet, einen Klimabericht zu veröffentlichen. «Für einen Grossteil der Wirtschaft wird die Datenlage also dünn bleiben», räumt Döbeli ein.
Gleich sieht das Robert Bachmann, Finanzexperte der NGO Public Eye (siehe Artikel oben): «Die meisten der 245 Kohleunternehmen in der Schweiz werden von der Verordnung nicht erfasst. Die grossen Player fallen aber wohl darunter.» Zudem sei es auch unter der Berichterstattung nach TCFD noch gut möglich, dass Unternehmen und Banken Wege zur diskreten Kohlefinanzierung finden, schätzt er. An dieser grundsätzlichen Problematik ändere sich mit den jüngsten Bestrebungen des Bundes nichts.
Schafft es unser Finanzplatz bis 2050 CO2-neutral zu werden? Döbeli argumentiert: «Kohle verschwindet nicht von heute auf morgen aus den Portfolios. Aber schon 27 Banken, 40 Vermögensverwalter und 15 Versicherungen haben eine Netto-Null-Initiative unterzeichnet.» Zusammen seien sie für einen Grossteil der Kredit- und Anlageportfolios sowie Versicherungsgelder in der Schweiz verantwortlich. «Aber nur wenn die Unternehmen, die finanziert werden, und in die investiert wird, alle ihre Klimaemissionen rasch senken, können auch Finanzdienstleister dieses Ziel erreichen», plädiert sie an die Gesamtwirtschaft.

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