Lasst Kuba leben!

Volker Hermsdorf. Kuba befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise und Staatspräsident Miguel Díaz-Canel zeigt Verständnis für die Gründe der Proteste. Hauptgrund der Krise ist die völkerrechtswidrige Blockade der USA. Der neu gewählte US-Präsident Biden will den Druck erhöhen und führt einen Cyber-Krieg gegen den sozialistischen Inselstaat.

Kuba, das im Kampf gegen die Ausbreitung des neuen Coronavirus bislang erfolgreicher als die meisten anderen Länder war, meldete am 22.Juli mit 7784 Neuinfektionen und 66 Verstorbenen an nur einem Tag, die bis dahin höchsten Zahlen seit Beginn der Pandemie. Der Negativrekord war möglicherweise auch eine Folge der zu gewalttätigen Ausschreitungen ausgearteten Proteste vom 11.Juli, bei denen viele Demonstrant*innen keinerlei Vorsichtmassnahmen eingehalten hatten. Die anfangs friedlichen Proteste, die dann in Akte von Vandalismus, Plünderungen sowie brutale Angriffe auf Bürger*innen und Ordnungskräfte umschlugen, hatten sich zunächst nur gegen Stromausfälle und die mangelhafte Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten gerichtet. Das sei verständlich, erklärte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel, denn das Land befinde sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Sonderperiode nach dem Untergang der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Osteuropas zu Beginn der 1990er-Jahre.

USA erhöhen Druck
Hauptursache der aktuellen Krise ist die seit über 60 Jahren von den USA gegen Kuba verhängte Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, die von Donald Trump durch 243 weitere Sanktionen extrem verschärft worden war. Die beginnende Wirbelsturmsaison, der Niedergang des Tourismus, vor allem aber die Folgen der Corona-Pandemie haben die Situation zusätzlich verschlechtert. Am 22.Juli verhängte Trumps Nachfolger Joseph Biden – ungeachtet der akuten Notlage der dortigen Bevölkerung – zusätzliche Sanktionen gegen Kuba. Weiter kündigte er an, gemeinsam mit rechtsextremen Contra-Verbänden in Miami, der – von Washington dominierten – Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und verbündeten Regierungen, den «Druck auf Kuba» weiter zu erhöhen.

Unakzeptabel
Dagegen protestierten auch in den USA Politi-ker*innen aus Bidens eigener Partei, sowie zahlreiche Bürger*innen und Menschenrechtsaktivist*in-nen. So verurteilte die Bewegung «Black Lives Matter» am 14.Juli «die unmenschliche Behandlung der Kubaner*innen durch die US-Regierung» und forderte Washington auf, alle Sanktionen sofort aufzuheben. Am 23.Juli veröffentlichte die New York Times einen von 400 Einzelpersonen und Organisationen unterzeichnete ganzseitigen Aufruf mit dem Titel: «Lasst Kuba leben!» Darin verlangen die Verfasser*innen von Biden, «sofort eine Executive Order zu unterzeichnen und Trumps 243 Zwangsmassnahmen gegen Kuba aufzuheben». Der Appell erinnert daran, dass die Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten am 23.Juni zum wiederholten Mal gefordert hatte, die US-Blockade zu beenden. Es sei «unakzeptabel, während einer Pandemie, Überweisungen und die Nutzung globaler Finanzinstitutionen durch Kuba zu blockieren, da der Zugang zu US-Dollars für den Import von Lebensmitteln und Medikamenten notwendig ist», heisst es in dem Aufruf.

Falschmeldungen
Überzeugende Argumente kann der neue Amtsinhaber im Weissen Haus den auch von Russland, China und mehreren Staats- und Regierungschefs der Region erhobenen Appellen zur Änderung seiner Kuba-Politik nicht entgegensetzen. Biden rechtfertigt seine Massnahmen als Reaktion auf die «Unterdrückung friedlicher Demonstranten» in Kuba.
Tatsächlich dokumentieren zahlreiche Videos, jedoch Angriffe aggressiver Gewalttäter*innen auf regierungstreue Bürger*innen, Polizist*innen, Geschäfte, Krankenstationen, Impfzentren und sogar eine Kinderklinik in der Stadt Cárdenas. Innenministerium und Generalstaatsanwaltschaft des Landes versicherten, dass sich Festnahmen und Inhaftierungen vor allem gegen Personen gerichtet hätten, die an solchen Straftaten beteiligt waren oder andere dazu angestiftet hatten. Die meisten deutschsprachigen Medien verbreiteten dagegen ungeprüft Meldungen über «tausende willkürlich Verhaftete und Verschwundene». Meldungen, die US-Medien sowie aus den USA finanzierte «unabhängigen Journalisten» in «sozialen Netzwerken» lanciert hatten. Die Tageszeitung Neues Deutschland meldete dazu allerdings am 17.Juli, dass ein Vertreter des Goethe-Instituts in Havanna, eine von der US-Zeitung Miami Herald veröffentlichte Liste abtelefoniert und «mehrere der angeblich Verschwundenen am selben Tag in ihren Büros oder Wohnungen» erreicht hätte. Die kubanische Tageszeitung Juventud Rebelde räumte am 21.Juli indes ein: «Seien wir ehrlich. Es gibt ein geheimes Gefängnis auf kubanischem Boden» und «niemand weiss mit Sicherheit, wie viele Menschen dort genau inhaftiert waren und welches Schicksal sie erlitten haben». Dabei, so die Zeitung des kommunistischen Jugendverbandes, handele es sich um das US-Gefängnis und Folterlager in dem vom US-Militär widerrechtlich besetzen Gebiet in der Bucht von Guantánamo.

Roboter verschicken Nachrichten
Den ständig wiederholten Falschmeldungen über «Verschwundene» in Kuba, mit denen rechte Contras und Politiker*innen inzwischen sogar die Forderung nach einer militärischen Intervention in Kuba begründen, waren andere Fake-News vorausgegangen. Havannas Aussenminister Bruno Rodríguez hatte Washington bereits kurz nach den Protesten vom 11.Juli vorgeworfen, diese «durch eine gross angelegte Kampagne in Kommunikationsnetzwerken» vorbereitet zu haben. So würden die Regierungen der USA und des Staates Florida, die Firma Proactivo Miami Foundation Inc., die daran wesentlich beteiligt sei, mit Geld versorgen. Dieses Unternehmen arbeite mit anderen, von der US-Regierung finanzierten Medien wie ADN Cuba zusammen, die den Twitter-Hashtag «SOSCuba» kreiert und künstlich zu einem globalen Trend gemacht hätten, sagte Rodríguez. Dazu seien Roboter eingesetzt worden, die in kurzer Zeit Millionen von Nachrichten verschickt hätten, erklärte er. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zitierte dazu den Hinweis des Politikers, dass das Weisse Haus ein Sonderkommando für Cyber-Kriegsführung geschaffen habe, das die ansonsten «fabelhaften Werkzeuge für die Bildung» in Waffen umwandelt, um den digitalen Raum zu militarisieren.

Russland schickt 88 Tonnen Lebensmittel
Eine Analyse von Meldungen der vergangenen Tage habe bestätigt, dass die Vorgänge in Kuba Teil einer verdeckten Operation zur Destabilisierung des Landes seien, meldete auch die russische Agentur Sputnik. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Marija Sacharowa, warnte Washingtons deshalb davor, in Kuba das Szenario einer «farbigen Revolution» anzuwenden. «Erst verhängen sie Sanktionen und erzeugen damit künstlich Probleme, die die wirtschaftliche und soziale Situation verschlechtern», sagte Sacharowa. «So provozieren sie Spannungen und schüren regierungsfeindliche Stimmungen, und wenn die kritische Masse erreicht ist, geben sie der Regierung die Schuld. Sie kleben ihre Etiketten an, diskreditieren ihr Management und treiben die Situation auf die Spitze. Das ist der Algorithmus, den sie jetzt in Kuba anzuwenden versuchen.» So kritisierte die Diplomatin am 15.Juli, die «bekannte Strategie der USA», die bereits in anderen Teilen der Welt eingesetzt worden sei, um «unbequeme Regierungen durch Farbrevolutionen zu stürzen».
Russland schickte am 24.Juli zunächst zwei Flugzeuge mit mehr als 88 Tonnen Lebensmitteln, Schutzausrüstungen für den Kampf gegen das Coronavirus und über einer Million medizinischer Masken nach Havanna.

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