Feministische Solidarität Indonesien

Jonas Jakob. Die Ausstellung «Feministische Solidarität Indonesien» im Ziegel
oh Lac (Rote Fabrik Zürich) stellt das feministische Kollektiv Needle’n’Bitch
aus Yogyakarta (Java) vor. Eröffnet wird sie am 19.Juli mit einer Filmvorführung und einer spannenden Podiumsdiskussion.

Wie funktioniert Feminismus in einem Land, dessen Präsidentschaftskandidat wegen Menschen-rechtsverletzung angeklagt wurde und in dem die Religion omnipräsent ist? Das indonesische Frauen*kollektiv Needle’n’Bitch liefert diesbezüglich Antworten. Das 2010 entstandene Kollektiv bietet Hilfe an für Frauen*, Transmenschen und Männer*, die Opfer sexueller und geschlechtsbezogener Gewalt wurden. Es leistet Beratungsarbeit bei ungewollter Schwangerschaft und organisiert Empowerment-Workshops. Dank ihrem unermüdlichen Engagement kann das Kollektiv seine Aktivitäten mittlerweile auch im universitären Rahmen durchführen. Mit der Ausstellung will der Verein Ikan Paus einen Wissensaustausch über internationale Frauen*kämpfe bewirken und beabsichtigt dadurch eine positivere Beziehung der beiden Länder.

Indonesien und die Schweiz
Der Verein Ikan Paus hat zum Zweck, den Wissensaustausch zwischen Indonesien und der Schweiz zu fördern. Dabei soll sich der Austausch grundsätzlich auf die Themen Kultur, soziale Interaktion und Ökologie beziehen. Das diesjährige Projekt behandelt die Aspekte Feminismus und LGBTQ*. Den bisherigen Austausch der beiden Länder betrachten die Vereinsgründer*innen immer noch als zu geprägt von asymmetrischen Machtverhältnissen.
Am 7.März 2021 stimmte die Schweizer Bevölkerung dem Freihandelsabkommen mit Indonesien zu und somit zur Deregulierung der Handelsbeziehungen mit Indonesien. Die Abstimmung machte den Anschein, als sei dies der Beginn von bilateralen Beziehungen der beiden Länder. Der Austausch zwischen Indonesien und der Schweiz geht allerdings weiter zurück. Zu kolonialen Zeiten bereisten die beiden Basler Vettern Fritz und Paul Sarasin im Namen der Forschung den indonesischen Archipel. Einige ihrer, heute widerlegten, Studien prägten die Rassenlehren deutscher Eugeniker Anfang des 20.Jahrhunderts.
Neben Forschungsinteressen prägen seit jeher wirtschaftliche Absichten den Austausch. Vor allem Gewürze und Tabak spielten zur Zeit der niederländischen Kolonialisierung eine wichtige Rolle für die Schweiz. Die Villa Patumbah im Zürcher Seefeld und der Stadtteil Helvetia in Medan (Region Nordsumatra) erinnern an die Tabakplantagen, mit denen Schweizer*innen reich wurden. Sie zeigen auf, wie asymmetrisch sich die Machtverhältnisse entwickelten.
Heute zählt Gold (2019: 190 Millionen Franken) und Palmöl (durchschnittlich über 800 Tonnen jährlich) zu den wichtigen Importgütern aus Indonesien. Die Schweiz exportierte im Gegenzug letztjährig Kriegsmaterial im Wert von über 111 Millionen Franken. Indonesien wurde dadurch zur zweitgrössten Abnehmerin. Das neue Freihandelsabkommen wird die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und den Kriegsmaterialexport weiter fördern. Zur Umsetzung des Abkommens mit der Schweiz und den weiteren Efta-Staaten verabschiedete die indonesische Regierung letzten Oktober das Omnibus-Gesetz. Es dient hauptsächlich ausländischen Investor*innen und schwächt den Arbeiter*innen- und Umweltschutz. Folglich verdeutlicht das Gesetz die hierarchisch geprägten Verhältnisse im Land.

Breites Netzwerk an Aktivist*innen
Wenn die öffentlichen Institutionen versagen, entsteht Aktivismus von unten. Genau dies macht das Kollektiv Needle’n’Bitch in Indonesien. Das Frauen*Kollektiv hat seinen Ursprung in der Punkszene aus Jakarta. Aufgrund der steigenden Mietkosten der indonesischen Hauptstadt wechselte das Kollektiv ihren Community Space in die Student*innenstadt Yogyakarta. Mittlerweile besitzt es ein breites Netzwerk an Aktivist*innen in den Bereichen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Selbstverteidigung, un-gewollte Schwangerschaft, Gentrifizierung, Politik und Bildung. Als wichtigste Aktivität bezeichnet das Kollektiv ihre Arbeit zum Thema geschlechtsbezogene Gewalt. Hiervon leitet sich auch das Wort «Bitch» im Namen ab; es dient als Selbstermächtigung im Umgang mit geschlechtsbezogener Diskriminierung im grössten muslimischen Land der Welt.
In ihrem Community Space finden Betroffene einen Zufluchtsort und erhalten kostenlose Beratung und Unterstützung. Zur Prävention organsiert das Kollektiv unter anderem Workshops in Selbstverteidigung und Empowerment. In Letzterem nähen die Kollektivmitglieder gemeinsam mit Frauen* wiederverwendbare Binden. Dabei steht der Austausch über Menstruation und die eigene Rolle als Frau* im Zentrum. Diese Workshops stossen auf breites Interesse. Inzwischen führt das Kollektiv sie auch in anderen Regionen Indonesiens wie Papua und an Universitäten durch.

Klare politische Slogans
Durch die vermehrte Aufmerksamkeit rund um das Kollektiv konnten deren Mitglieder im letzten Jahr an dem Gesetzesentwurf gegen sexuelle Gewalt in Indonesien (Rancangan Undang-Undang Penghapusan Kekerasan Seksual RUU PKS) mitwirken. Als die erste Coronawelle Indonesien erreichte, baute das Kollektiv mit Hilfe ihres breiten Netzwerks in kürzester Zeit eine «Küche für alle» (KüFA) auf. Die Landwirt*innen, die die KüFA mit regionalen Lebensmitteln belieferten, kennen das Kollektiv durch die gemeinsame Kampagne gegen den geplanten Ausbau des Flughafens in Yogyakarta. Im Rahmen des nationalen Infrastrukturprojekts wurden in den letzten Jahren zahlreiche Landwirt*innen und Bewohner*innen rund um den Flughafen enteignet.
Trotz all der positiven Resonanz befindet sich das Kollektiv permanent in finanziellen Schwierigkeiten. Um weiter existieren zu können, produziert und verkauft das Kollektiv unter anderem Kleider und Taschen mit klaren politischen Slogans («Needle»), die Teil der Ausstellung im Ziegel oh Lac sind.

Die Ausstellung
Die zweimonatige Ausstellung «Feministische Solidarität Indonesien» über das indonesische Kollektiv Needle’n’Bitch wird am Montag, 19.Juli im Ziegel oh Lac eröffnet mit einem Film über das Kollektiv, der in Zusammenarbeit mit dem Verein Ikan Paus entstanden ist. Anschliessend findet eine Podiumsdiskussion statt. Thematisiert werden dabei die verschiedenen Frauen*kämpfe in den Ländern Indonesien (Verein Ikan Paus: Suprihatin Tukiyati), Schweiz (Ni Una Menos) und Baskenland (Free Nekane: Nekane Txapartegi). Es sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten festgestellt werden können. Der Ziegel oh Lac unterstützt die Podiumsdiskussion mit einer «Küche Für Alle». An der Ausstellung selbst werden die Handwerke und Aktivitäten des Kollektivs gezeigt. Zudem werden die Bilder der Basler Fotografin Eleni Kougionis (elenikougionis.com «Punk auf Indonesisch») ausgestellt.

Der Autor ist aktiv im Verein Ikan Paus.

Zur Ausstellung
Am 19.Juli 2021 eröffnet der Verein «Ikan Paus – Verein für Wissensaustausch Indonesien & Schweiz» die Ausstellung «Feministische Solidarität Indonesien». Im Ziegel oh Lac (Rote Fabrik Zürich) werden die Aktivitäten und DIY-Crafts des feministischen Kollektivs Needle‘n‘Bitch aus Yogyakarta (Java) präsentiert. Die Ausstellung gibt Einblicke in die Kämpfe von Frauen* auf Java und thematisiert den indonesischen Kontext.
Alle Einnahmen der Ausstellung gehen an das indonesische Frauen*Kollektiv Needle’n’Bitch (Instagram@needleandbitch). Mit dem Erlös ist der Kauf eines neuen Community Space sowie die Finanzierung von weiteren Workshops in ländlichen Regionen geplant. Begleitend zur Ausstellung finden Soli-WMYN*-Workshops im Streikhaus Zürich (Sihlquai 115) mit anschliessendem Apéro statt (Prix Libre!).
Samstag 31. Juli und
Samstag 07. August:
14 bis 15 Uhr Yoga,
15.30 bis 16:30 Uhr Combat & Dance
Anmeldung auf:
suprihatin@ikanpaus.ch
Instagram @ikanpaus_verein

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