Den Protest auf die (Berg-) Strassen tragen

sciopero-generaleAm 7. und 8. Juni 2015 treffen sich auf Schloss Elmau in den bayerischen Alpen die -Staats- und RegierungschefInnen Deutschlands, der USA, Japans, Grossbritanniens, Frankreichs, Italiens und Kanadas. Sie werden über Aussen- und Sicherheitspolitik, Weltwirtschaft, Klima und «Entwicklung» beratschlagen. Die G7 stehen für neoliberale Wirtschaftspolitik, für Militarisierung und Kriege, Ausbeutung, Hunger und für Abschottung gegenüber Flüchtenden. Wir betrachten die Mobilisierung gegen den G7-Gipfel als Teil vielfältiger Protestbewegungen für soziale Gerechtigkeit, für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, für Frieden und für ungeteilte Menschenrechte.

Diese Zusammenkunft der selbst ernannten «wichtigsten Industriestaaten der Welt» inmitten der Bergidylle erinnert an die Konferenzen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, als die Kolonialmächte in Europa über das Schicksal der von ihnen beherrschten Erdteile berieten. Sie repräsentieren die Erwartung, dass ihre Übereinkünfte im Anschluss Gültigkeit für den Rest der Welt bekommen sollen. Mit anderen Worten: Rund 90 Prozent der Weltbevölkerung sollen sich Beschlüssen unterordnen, die von politischen MandatsträgerInnen verantwortet werden, auf deren Auswahl sie nicht den geringsten Einfluss besitzen. Und auch in den G7-Staaten selbst hat die Bevölkerung kein echtes Mitspracherecht. In der Vergangenheit haben die G7-Staaten immer wieder gezeigt, dass sie auf ihre politische, ökonomische und militärische Macht vertrauen, um ihre Positionen weltweit durchzusetzen. Die wichtigsten NATO-Staaten sind Teil der G7. Sie geben jährlich über 900 Milliarden Dollar für Militär und Kriege aus, deutlich mehr als alle anderen Staaten zusammen. Ihre Truppen sind überdies über den Globus verteilt. Allein die USA unterhalten 34 Militärbasen in Ländern, die nicht zur NATO gehören. Hinzu kommt eine fast schon unüberschaubare Anzahl temporärer Militäreinsätze. Beispielsweise gibt es derzeit allein 18 Militärmissionen Deutschlands.

Zum Nutzen der grössten Konzerne

Trotz zunehmender Konkurrenz wird in den G7-Staaten noch immer etwa die Hälfte des weltweiten Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Gleichzeitig haben die meisten «global player» ihren Sitz in einem der sieben Länder. 68 der 100 umsatzstärksten Konzerne der Welt sind dort angesiedelt. Ihr derzeitiges kapitalistisches Wirtschaftsmodell wäre ohne die intensive Ausbeutung des globalen Südens nicht möglich. Angesichts des steten Zwangs für das Kapital, profitable Anlage- und Verwertungsmöglichkeiten zu generieren, ist die G7 seit Jahren Vorreiter der sogenannten «Globalisierung». Im Bestreben, möglichst alle Hindernisse für globale Investitionen und Kapitalverwertung zu beseitigen, setzt sie Freihandelsabkommen aggressiv durch. Dabei geht es um den unbeschränkten Zugang zu Absatzmärkten, den Zugriff auf natürliche Ressourcen und die Ausbeutung der Arbeitskräfte rund um den Globus. Durch die Pläne für transatlantische Abkommen zwischen der EU und den USA beziehungsweise Kanada (TTIP und CETA) ist diese Praxis in das öffentliche Bewusstsein gelangt. Tatsächlich sind Freihandelsabkommen jedoch bereits in grossem Stil Realität. Allein die EU hat momentan mit über 30 Staaten solche Abkommen. Zur Rechtfertigung wird gebetsmühlenartig wiederholt, Freihandel nütze allen Seiten. In der Praxis gibt es jedoch Gewinner und Verlierer – und diese sind eindeutig verteilt.

Privatisierung des Trinkwassers

Die «grossen Sieben» sind nicht nur die Vorreiter der Globalisierung. Sie inszenieren sich auch als Umwelt- und Klimaschützer. Umso bizarrer ist es, dass ihr Gipfeltreffen mit all seiner Infrastruktur und dem massivem Aufgebot an «Sicherheitskräften» ausgerechnet in einem Naturschutzgebiet stattfinden soll. Aber um die Fauna und Flora der oberbayerischen Alpen geht es ohnehin nicht. Und wohl auch nicht um Klimaschutz. Die G7-Staaten selbst stehen nämlich auf der Liste der Produktion von klimaschädlichen Abgasen pro EinwohnerIn weltweit ganz vorne. Spitzenreiter ist Kanada. Dort sind die klimaschädlichen Emissionen pro BewohnerIn im Durchschnitt achtmal so hoch wie in China und sogar zwanzigmal so hoch wie in Indien. Die anderen G7-Staaten schneiden in diesem Vergleich nicht viel besser ab. Die Politik der G7 betrachtet die Umwelt als ökonomische Ressource, die dem Markt zur Verfügung gestellt werden soll. Die Liste der Beispiele ist lang: Von der Privatisierung der Trinkwasserversorgung über die Patentierung von Heilpflanzen durch Pharmakonzerne, die Verwendung von Lebensmitteln als industrielle Energieträger bis hin zum Handel mit dem Recht auf Umweltverschmutzung. In der Logik der G7 regelt der Markt den Zugriff auf und die Verwendung der Ressourcen der Umwelt. Wer nicht in der Lage ist dafür zu bezahlen, hat kein Recht darauf.

Abschottung, Kriminalisierung und Rassismus

Dass das kapitalistische Wirtschaftssystem einen bislang noch nie gekannten Reichtum produziert und gleichzeitig eine noch nie gekannte Armut, ist schon seit 150 Jahren bekannt. Heute reproduziert sich dieser Zusammenhang täglich vor unseren Augen: 2013 wurden weltweit Waren und Dienstleistung im Wert von knapp 74 Billionen US-Dollar erzeugt. So viel wie nie zuvor. Gleichzeitig hat fast eine Milliarde Menschen nicht einmal Zugang zu sauberem Wasser. Weltweit zerfallen gesellschaftliche Strukturen. Ganze Regionen sind von militärischer Intervention, Bürgerkrieg, Ressourcenkämpfen, wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit, zerstörten Lebensbedingungen und Vertreibungen geprägt. Laut UN befinden sich über 50 Millionen Menschen auf der Flucht, die höchste Zahl seit dem 2. Weltkrieg. Wenn nach den Gründen dieser Konflikte gefragt wird, lohnt sich der Blick nach Elmau. In vielen der Staaten, deren Sozialsysteme kollabiert sind, sind die «grossen Sieben» involviert. Politisch, wirtschaftlich und oft auch militärisch. Umso bezeichnender ist es, wie mit Flüchtenden umgegangen wird. Während die G7-Staaten die Öffnung der Grenzen für das Kapital konsequent voranbringen, umschliessen sie ihr Territorium zunehmend mit einem undurchdringlichen Grenzregime. Die Menschen, die in ihrem Wirtschaftsmodell nicht mehr als nützlich erscheinen, werden der Möglichkeit beraubt, in den wirtschaftlichen Zentren ein Auskommen zu finden. Jahr für Jahr lassen Tausende ihr Leben bei dem Versuch, die aufgerüsteten Grenzen Europas und Nordamerikas zu überwinden. Diejenigen, die es schaffen, werden mit Kriminalisierung und rassistischer Ausgrenzung konfrontiert.

Organisation der Proteste

Seit Mai dieses Jahres treffen sich AktivistInnen aus Deutschland und Österreich regelmässig, um die Proteste im Sommer 2015 zu organisieren. In mehreren Arbeitskreisen und auf bisweilen zwei Aktionskonferenzen wurden ein Aktionsplan, ein gemeinsamer Bündnisaufruf sowie ein Aktionskonsens beschlossen. Über einen Koordinierungskreis, bestehend aus Delegierten der grösseren, meist bundesweit organisierten Strukturen, werden die kommenden Termine und der Ablauf der Proteste geplant. Beschlüsse werden jedoch basisdemokratisch in den Plena auf den Aktionskonferenzen gefasst. Nebenbei sind besonders AktivistInnen aus München und Umgebung damit beschäftigt, Informationen zu sammeln, sich zu vernetzen und die Öffentlichkeitsarbeit zu bewerkstelligen. Mit einem offenen Gegengipfel «von unten» wollen wir die inhaltlichen und politischen Alternativen zur politischen Agenda der G7 präsentieren und diskutieren. Mit einer gemeinsamen Grossdemonstration im Vorfeld des G7-Gipfels wollen wir unsere Forderungen gemeinsam in die Öffentlichkeit tragen. Während des G7-Gipfels wollen wir mit Aktionen in Elmau, Krün, Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald präsent sein und einem reibungslosen Ablauf des Treffens im Wege stehen. Die nächste Aktionskonferenz, zu der wir auch über die deutschen Grenzen hinaus einladen, findet am 13. und 14. Dezember in München statt.

Bündnis-Homepage: www.stop-g7-elmau.info

Kontakt in der Schweiz: pdaz@pda.ch

 

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