Unser Ziel – gleich viel!»

Julia Gerber RüeggJulia, vor welchem Hintergrund ruft der Gewerkschaftsbund zum Aktions- und Streiktag auf und was sind eure konkreten Forderungen?

In der ganzen Schweiz wird der Grundsatz der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau verletzt. Für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort wird oft nicht das Gleiche bezahlt. Im Kanton Zürich stehen wir sogar vor der Situation, dass sich die Lohnschere zwischen Mann und Frau wieder öffnet, zudem gibt es in der Privatwirtschaft eine Quote von 10 Prozent offen, illegaler Lohnungleichheit. Aus gewerkschaftlicher Sicht steht der Bereich der Arbeit und des Lohns natürlich im Vordergrund. Was wir wollen, ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit für beide Geschlechter. Ein weiteres Ziel ist, dass Frauen die Wirtschaft mitgestalten können. Das heisst, es braucht mehr Frauen in den Führungspositionen. Auch hier hat die Lohngleichheit eine Hebelwirkung. Ein Beispiel: Sobald ein Paar für ein Kind verantwortlich wird, also Betreuung und Haushalt regeln muss, dann überlegt es sehr rational – es rechnet. Da der Mann in der Regel mehr verdient, ist es für die Familie finanziell die grösserer Einbusse, wenn der Mann sich aus dem Beruf zurückzieht. Darum kümmern sich die Mütter mehr um Kind und Haushalt und die Väter konzentrieren sich auf die Karriere– da ist es dann klar, dass mehr Männer in Spitzenpositionen ankommen. Da dieses Muster sehr verbreitet ist, haben sich auch die Arbeitgeber darauf eingestellt und investieren, in der Erwartung, dass sich die Frau vermutlich irgendwann stärker aus dem Beruf zurückziehen wird, auch vermehrt in die Weiterbildung und die Laufbahn der Männer. Um diesen Kreis durchbrechen zu können, ist Lohngleichheit absolut notwendig. Deshalb ist unser Motto für den Frauenstreiktag auch «Wir haben ein Ziel – gleich viel!».

Wenn ihr ein starkes Zeichen für die Sache setzen wollt, warum ruft ihr dann nur zu Streikpausen und nicht zum Streik auf?

Das ist eine gute Frage. (lacht) Ich glaube, es genügt zur Zeit, die Macht der Frauen in Wirtschaft Familie und Gesellschaft, die Botschaft von 91, «Wenn Frau will, steht alles still» in Erinnerung zu rufen. Dazu genügen erstmal Streikpausen. Man muss nicht immer gleich mit dem schwersten Geschütz auffahren.

Weshalb gibt es keine Gleichstellung, obwohl wir rechtlich gesehen gleichberechtigt sind? Wessen Interessen stehen gegen die wirkliche Gleichstellung?

Gleichstellung heisst natürlich Machtteilung. Viele Männer haben kein Interesse an einer anderen Organisation der Gesellschaft. Das liegt auch in der Sozialisation, denn lange Zeit wurden Frauen ja wirklich als Zudienerinnen erzogen, die das Leben des Mannes erleichtern sollten, während er die Familie ernährt. Die Rolle der Männer ist hier die des Ernährers, praktisch eine heroische Rolle. Diese zu verlassen, ist in der Vorstellung vieler immer noch ein Bedeutungsverlust. Auch ist es ein Problem, dass sich die Gleichstellungsoffensive innerhalb eines Systems bewegt, das grundsätzlich auf Machtungleichgewichten zwischen arm und reich abläuft. Frauen verfügen nachweislich über viel weniger Reichtum als Männer. Wobei aber anzumerken ist, dass das Problem der Diskriminierung der Frauen in allen bisher bekannten politischen Systemen virulent war und ist. Eine Welt, frei von Diskriminierung der Frauen, muss erst noch erfunden werden. Dass Männer langsam bemerken, dass es noch Qualitäten neben der Karriere gibt, etwa die Zeit für die Familie, ist für mich eine Hoffnung. Denn: Können wir Frauen die Gleichstellung allein umsetzen? Nein, was wir auch brauchen, ist das Engagement der Männer. Das nächste Wegstück muss ein gemeinsames sein. Das, was wir am wenigsten brauchen ist ein Geschlechterkrieg. Der wirft uns nur zurück und den verorte ich als reaktionär – etwa bei den Antifeministen.

Infos zu den geplanten Veranstaltungen am 14. Juni unter: http://zh.14juni2011.ch/

Auszug aus dem Artikel, der im «vorwärts» vom 10. Juni erscheint. Unterstützt uns mit einem Abo!

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