Schweizer Imperialismus

tell_chWir Eidgenossen sind reich und mächtig: Die 15 umsatzgrössten Unternehmen in der Schweiz haben im 2010 einen Umsatz von 680’873 Milliarden oder 680 Billionen und 873 Milliarden oder 680’873’000’000’000 Franken erzielt. Im Verhältnis dazu hat die Eidgenossenschaft im selben Jahr läppische 191’916 Milliarden Franken eingenommen – nicht mal ein Drittel der Einnahmen der «Big 15». Die Top 5, das sind der Reihe nach Glencore  (145’000 Mil.), Nestlé (109’722) Trafigura (79’200), Novartis (52’682) und Roche (47’473) erzielten einen Umsatz von 434’077 Milliarden,  64,19 Prozent des Totalumsatz der 15 grössten Unternehmen der Schweiz! Und: Für die «Big 15» arbeiten fast eine Million Menschen verteilt auf der ganzen Welt. Noch Fragen zur Frage, wer die Welt mitregiert?

Wir Eidgenossen sind aber auch ein gebildetes Volk. Wir wissen daher, dass unser Reichtum und Überfluss darauf basiert, dass viele andere bitter arm sind und gar nichts haben. Im Kapitalismus ist es wie im Spielkasino: Wenige gewinnen, weil viele  verlieren und der ganz grosse Profit macht der Besitzer der Spielstätte. Natürlich gehören wir in unserem schönen, fetten Land mitten in Europa zu den «Winners». Die «Loosers» kennen wir auch: Laut der Vereinten Nationen (WFP) leiden rund 870 Millionen Menschen weltweit an Hunger, etwa jeder achte (12 Prozent). Jedes Jahr sterben etwa 8,8 Millionen Menschen an Hunger, was einem Todesfall alle drei Sekunden(!) entspricht. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Während wir am Stück des weihnachtlichen Bratens kauen, um ihn besser zu verdauen, stirbt ein Mensch an Hunger. Eins … zwei … gestorben; Eins … zwei … gestorben. Häufig sind Kinder betroffen, jedes vierte ist in Ent-wicklungsländern untergewichtig. Wir wissen es, verdrängen es aber gerne gerade vor Weihnachten, um die bevorstehenden Fress-orgien überhaupt überleben zu können.

Wir wissen es: Die Schweizer Multis sitzen an der Schaltzentrale, sie sind wesentlicher Teil des Gehirns des kapitalistischen Monsters, der unglaubliche, mörderische Missstände auf dieser Welt produziert. Spätestens an dieser Stelle sollten wir Eidgenossen aber auch ein Problem haben?: Wir können nicht behaupten, von nichts gewusst zu haben. Wer in der Nähe von  Zürich, Basel, Vevey, Baar oder Rapperswil-Jona wohnt, also praktisch alle Eidgenossen, der hat die Hauptquartiere der Schweizer Multis, der  Mitverantwortlichen für die vielen Schandtaten auf der Welt als Nachbar. Wir wohnen Tür an Tür mit ihnen und niemand kann daher behaupten, sie nicht gesehen zu haben. Wenn wir sie nicht sehen, dann nur weil wir sie nicht sehen wollen, weil wir lieber wegschauen, weil es bequemer und einfacher ist.

Was kann ich dagegen tun? Sorry, das ist aber nicht die Frage. Wenn unser Nachbar ein Mörder und Halunke ist, dann ist die Frage  nicht «Was kann ich dagegen tun?» sondern ganz einfach?:  «Will ich was dagegen tun?»  Wenn wir uns diese Frage mit Ja beantworten, dann finden sich die verschiedensten Formen und Möglichkeiten, sich aktiv für mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt zu engagieren – ja, auch hier bei uns in der Eidgenossenschaft! Vielleicht finden wir zwischen den bevorstehenden Fressorgien zwei Minuten Zeit, um uns die Frage zu stellen, ob wir gegen die Ursachen der perversen Ungerechtigkeit auf dieser Welt was tun wollen. In diesem Sinne frohe Festtage liebe Eidgenossen – und denkt daran: Eins … zwei … gestorben!

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