Profit statt Gesundheitsvorsorge

dab. Die durch die Pandemiemassnahmen verschärften Missstände im Rückkehrzentrum Aarwangen sind skandalös. Verschiedene Organisationen verlangen in einer Online-Petition vom Kanton Bern, die andauernden und zunehmenden unmenschlichen Zustände endlich zu beheben.

«Stop Isolation» ist eine Gruppe von Asylbewerbenden mit Negativentscheid. Sie leben in den Rückkehrzentren Biel-Bözingen, Gampelen, Aarwangen und Konolfingen im Kanton Bern. Trotz, respektive gerade wegen ihrer prekären Situation wehren sich die Geflüchteten. «Die Rückkehrzentren sind offene Gefängnisse und bedeuten ein Leben in Isolation» betonen Aktivist*innen, «ein Leben in Würde ist dort nicht möglich». Vernachlässigte Infrastruktur, enge Platzverhältnisse, desolate hygienische Bedingungen, Sparpolitik der Betreiberfirma ORS AG und teilweise schlecht geschultes Personal machen ihnen sehr zu schaffen. Viele leben lange Jahre unter diesen Verhältnissen. Sie verlangen seit bald einem Jahr mit Demos und Aktionen Aufenthaltsbewilligungen und mehr Respekt statt Repression und Nothilfe. Die für ihre Rechte aktive Gruppe «Stop Isolation» schlug im Rückkehrzentrum Aarwangen beim Ausbruch der zweiten Welle schon früh Alarm: Die Hygienebedingungen seien schlecht, es fehle an sanitären Anlagen, es gebe nur ToiTois im Freien. Während der zehntägigen Quarantäne unter Bewachung von Securitas sei für das Zentrum nur ein Container zur Verfügung gestanden und es habe zu Beginn der zweiten Welle an Masken, Seife und Desinfektionsmittel gemangelt. Während der zehntägigen Quarantäne zeigte bei mehr als einem Drittel der Bewohner*innen der PCR-Test positiv an. Den Bewohner*innen sei die Ausrichtung der acht Franken Nothilfeleistungen halbiert worden, da sie während der Quarantäne Essen vom Kanton bekommen haben, klagen sie an.

Personal am Anschlag
Die ORS Service AG als Betreiberin der Unterkunft und der Kanton als Auftraggeber kommen laut den drei NGOs ihrer Verpflichtung, die Gesundheit der Nothilfe beziehenden Menschen mit geeigneten Massnahmen zu schützen nicht oder nur ungenügend nach – seit geraumer Zeit und trotz vielfältigen Protesten. Seit der Kanton Bern Schutzmasken liefern muss, stellt die ORS im Rückkehrzentrum Aarwangen genügend Masken, gefüllte Seifenspender und Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Firma spart – systembedingt aus Profitgründen – auch bei den Raumgrössen, die vorgeschriebenen Abstände können so nicht eingehalten werden. «Das hiesse konkret für die Situation in den Asylzentren, dass es eine dezentrale individuelle Unterbringung braucht – mindestens während Quarantänezeiten», schreibt die NGO Migrant Solidarity Network. Für die ORS Service AG kein Thema: Menschen bleiben in kollektiven Schlafräumen eingepfercht und leben auf engsten Raum. Auch die vorhandene Infrastruktur wird nicht ausgeschöpft. Im Rückkehrzentrum Aarwangen bleibe ein Gebäudetrakt ungenutzt und Toiletten seien unnötig geschlossen. Die Firma ORS stelle trotz der Gesundheitskrise kein zusätzliches Gesundheitspersonal und auch kaum anderes Personal ein. Das Personal sei am Anschlag und übernehme kaum zusätzliche Verantwortung. «Erkrankte Personen und Personen in der Quarantäne erhalten kaum Unterstützung in Bezug auf Pflege, Einkaufen, Kochen, Kleiderwaschen usw.» Migrant Solidarity Network weiter: «Die Firma bevorzugt Schuldzuweisungen anstelle von Qualitätsentwicklung und macht wie immer alle anderen verantwortlich. Statt aus eigenen Fehlern zu lernen, indem die Beobachtungen und die Rückmeldungen von Bewohnenden ernst genommen werden, weist ihnen die ORS Service AG in den Medien sogar öffentlich die Schuld für Probleme zu.»

Kündigung für ORS!
Drei Organisationen Stop Isolation!, Migrant Solidarity Network (MSN) und Demokratische Juristinnen und Juristen Bern (djb) stellen Forderungen in ihrer Petition an den Berner Regierungsrat und die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rats: Die Menschen aus dem Rückkehrzentrum Aarwangen sollen in einer quarantänetauglichen, menschenwürdigen Einrichtung untergebracht werden. Diese soll genügend Raum und sanitäre Einrichtungen bieten, damit die Hygienevorschriften und Abstandsregeln eingehalten werden können.
Alle Bewohner*innen der Rückkehrzentren im Kanton Bern sollen Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung, zu Tests und zum Transport zum Testzentrum bekommen. Und die Geflüchteten sollen die gesamten Nothilfeleistungen von acht statt nur vier Franken pro Tag erhalten, auch während der Quarantäne. Weiter fordern die unterzeichnenden Organisationen die Durchführung einer unabhängigen Untersuchung über die Unterbringungsbedingungen in ORS Service AG betriebenen Zentren im Kanton Bern und den Entzug des Auftrags an die ORS Service AG für die Führung der Rückkehrzentren im Kanton Bern.

Petition unterzeichnen: https://act.campax.org

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