Parlamentarisches Vabanque

flo. Die Erfolge von kantonalen und kommunalen Mindestlohninitiativen will man nun durch das Parlament kippen. Damit würde nicht nur der Röstigraben vertieft, sondern gar der Souverän entmachtet und der Föderalismus gekippt. Das sorgt selbst von Bürgerlichen aus den betroffenen Gebieten für Kritik.

Unsere Bürgerlichen haben es schon ein wenig mit der Heuchelei. Wenn sie am 1.August auf irgendeiner Kuhwiese stehen und über 1291 fantasieren, gibt es kaum etwas Wichtigeres als den Föderalismus. Die fremden Richter sollen einem nicht mehr aufzwingen, was man nicht will. Ausser es geht darum, dass man schlechtere Löhne zahlen darf.

Drohszenarien entpuppen sich als Lügengebilde
Einer dieser Urschweizer, die die Erfolge gewerkschaftlicher Kampagnen für bessere Löhne unterhöhlen wollen, ist der Obwalder Ständerat Erich Ettlin von der Partei «Die Mitte». Als Folge eines Antrags von Ettlin beschloss der Ständerat, dass neu kantonale Mindestlohnvorgaben durch tiefere Lohnvorgaben in Generalarbeitsverträgen (GAV) ausgehebelt werden können. Der Nationalrat folgte mit einer entsprechenden Vorlage im letzten Dezember. Damit kämpfen beide Kammern des Parlaments sowohl gegen Volks- als auch Bundesgerichtsentscheide.
Ziel der Vorlage ist die Unterhöhlung kommunaler und kantonaler Mindestlohnbestimmungen (siehe Artikel oben). Wegen der Beschlüsse aus dem Bundeshaus drohen beispielsweise im Kanton Genf in insgesamt sieben Branchen tiefere Löhne. Dabei haben sich die ganzen Drohszenarien, die Bürgerliche aufgebaut hatten, um die Annahme von Mindestlöhnen zu verhindern, als Lügengebilde herausgestellt. Eine Studie von Ökonom:innen der Universität Neuenburg hat den kantonalen Mindestlohn und seine Auswirkungen auf die Gastronomiebranche untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass die Beschäftigung in der Gastrobranche nicht zurückgegangen ist, sondern seit Einführung des Mindestlohns gar angestiegen ist.
Auch in Genf konnte man keine Nachteile (ausser vielleicht für gierige Patrons) durch die Einführung eines Mindestlohns feststellen. Dort profitieren insgesamt drei Prozent der Beschäftigten von der Einführung des Mindestlohns. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Dass man nun von Bundesbern aus versucht, die Volksentscheide in Städten und Kantonen, die sich für Mindestlöhne ausgesprochen haben, zu kippen, kommt in den Regionen, in denen solche Volksabstimmungen gewonnen wurden, nicht gut an. Selbst Bürgerliche, wie der freisinnige Neuenburger Regierungsrat Alain Ribaux kritisieren die Versuche, Mindestlöhne vom Stöckli und dem Nationalrat aus zu verhindern. Er sagte: «Aus Gründen des Föderalismus und weil sich die Bevölkerung an der Urne für Mindestlöhne ausgesprochen hatte, waren ich persönlich und auch die Kantonsregierung gegen den Entscheid.»

Dann eben kämpfen!
Dass nun aber vom Parlament aus, demokratisch gefällte Entscheidungen in einer derart skandalösen Art und Weise unterlaufen werden sollen, bedeutet vor allem eines: Wenn Volksentscheide durch das Parlament gekippt werden, wenn kantonale Mindestlöhne durch tiefere GAV umgeworfen werden, gilt es bessere GAV zu erkämpfen. Das heisst, dass es für uns in den Gewerkschaften dafür zu kämpfen gilt, dass die in den GAV festgelegten Löhne steigen. Und das beste Mittel, um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu schaffen, ist der Streik. Wenn sich die Bürgerlichen im Parlament dafür stark machen, dass wir und unsere Leute weniger bekommen, als man für ein würdevolles Leben braucht, dann fangen wir eben auch an, ihre Profite anzugreifen.
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