Nein zum BMVI!

sit. Geht es nach dem Willen des Parlaments, wird sich die Schweiz mit 300 Millionen Franken an der Finanzierung der verstärkten EU-Abschottung beteiligen. Dagegen formiert sich jedoch Widerstand. Das Kollektiv «Bewegungsfreiheit für alle» kündigt das Referendum an.

BMVI? Die vier Buchstaben stehen für «Border Management and Visa Policy Instrument». Es ist ein Fonds, in welchen alle EU-Mitgliedsstaaten sowie Schengen-assoziierten Staaten wie die Schweiz Gelder einzahlen. Für diese «finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik», so zu lesen in der Botschaft des Bundesrats, stehen von 2021 bis 2027 insgesamt 6,24 Milliarden Euro zur Verfügung. Finanziert werden durch diesen Fonds Massnahmen wie die Einrichtung von IT-Systemen zur Migrationskontrolle, die Durchführung von Risikoanalysen oder den Ausbau von Überwachungsanlagen. Davon profitieren sollen vor allem jene Schengen-Staaten, die eine lange Land- oder Seeaussengrenze oder internationale Grossflughäfen auf ihrem Staatsgebiet haben. Konkret: Der Fonds dient zur Stärkung der EU-Aussengrenzen, zur weiteren Abschottung der EU. Das BMVI ist eine Schengen-Weiterentwicklung, beschlossen von der EU. Die Schengen-assoziierten Staaten sind grundsätzlich dazu aufgefordert, diesen Beschluss zu übernehmen. Kostenpunkt für die Schweiz: 300 Millionen Franken für die Zeitperiode von 2021bis 2027.

Die SP stimmt zu
«Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt», sagte am 11.März 2004 der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck. 20 Jahre später wendet der im Dezember 2023 neugewählte SP-Bundesrat und Justizminister Beat Jans diese absurde Behauptung für die Schweiz an. Der Fonds diene «der Sicherheit der Schweiz und der Verhinderung irregulärer Migration», erklärte Jans. Und er fügte hinzu: «Je besser die Kontrollen an den Aussengrenzen funktionierten, desto weniger Kontrollen sind an den Schweizer Landesgrenzen notwendig.» Ins gleiche Horn bläst auch Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) namens der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats (SIK-S). Die Mehrheit der SIK-S sei der Auffassung, dass der Fonds von «grosser Bedeutung für die Sicherheit der Schweiz» sei. Daher sei eine Beteiligung «sinnvoll, notwendig und ein Zeichen der Solidarität». Ende Februar stimmte der Ständerat dann mit 34 zu einer Stimme bei vier Enthaltungen der Vorlage zu.
Die Neinstimme und die Enthaltungen kamen nicht aus dem linksgrünen Lager, sondern von der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die SP-Vertreter:innen stimmten der Vorlage zu. Dies widerspiegelt das Abstimmungsverhalten im Nationalrat, der bereits im Dezember 2023 den 300 Millionen Franken für die weitere Militarisierung der EU-Aussengrenzen zugestimmt hatte – auch hier mit den Stimmen der SP-Fraktion, während die Grünen sich enthielten.

Das Ja der SP
Das Nein der SVP hat keine humanitären Gründe. Viel mehr ist die «Sünnelipartei» der Ansicht, dass der EU-Aussenschutz eh nicht funktioniere. Daher mache es keinen Sinn, weiteres Geld hineinzubuttern. Viel mehr sollen die nationalen Grenzen gestärkt werden.
Erstaunlich, ja schon fast bedenklich, ist das Ja der Sozialdemokrati:innen. In ihrer Stellungnahme vom November 2021 hält die SP fest, dass sie «hinter einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Migrationspolitik» stehe. Daher begrüsse die SP «grundsätzlich die Schaffung eines Solidaritätsfonds», also des BMVI-Fonds. Die Partei verweist zwar auch auf die humanitäre Situation der Geflüchteten und die krassen Menschenrechtsverletzungen an den EU-Aussengrenzen. Sie verstrickt sich dabei in frommen Wünschen, Forderungen und Appelle an den Bundesrat. Wie etwa, «dass die Mittel der Schweiz darauf abzielen, den raschen Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren in den Ankunftsländern zu verbessern.»
Mensch wird den Eindruck nicht los, dass die SP sich mit ihren Appellen an die Landesregierung das Gewissen reinwaschen will. Denn – und das wissen auch die Sozialdemokrat:innen – in der Botschaft des Bundesrats steht schwarz auf weiss: «Der BMVI-Fonds ist ein Instrument der EU, weshalb seine Verwaltung den Bestimmungen der EU unterliegt.» Als Nicht-EU-Staat müssen spezifische Modalitäten, so wie es die SP wünscht und fordert, mit der EU ausgehandelt werden. Bei diesen Verhandlungen wird der Schweiz seitens der EU mit einem freundlichen Lächeln zugehört – mehr aber nicht. Zu hoffen, dass die Eidgenossenschaft sich gegenüber der EU in der Frage der Aussengrenze durchsetzen kann, ist politisch naiv. Und das ist die SP nicht, so stellt sich die Frage: Warum lehnt die SP das BMVI nicht einfach ab?

Das Mindeste, was zu tun ist!
Doch so ganz ohne Widerstand können die 300 Millionen nicht nach Brüssel fliessen. Kurz nach dem Ja des Ständerats kündigte das Kollektiv «Bewegungsfreiheit für alle» (BFA) das Referendum an. «Die Massnahmen, welche durch den BMVI-Fonds finanziert werden, dienen grösstenteils der Bekämpfung von Migration», ist auf der Website des Kollektivs zu lesen. Und «Die Auswirkungen dieser Politik sind bekannt: Gewalt, Elend und Tod sind an den europäischen Aussengrenzen zum Alltag geworden. Menschen auf der Flucht werden entrechtet, geprügelt und abgeschoben – sei es an der kroatisch-bosnischen Grenze, auf dem Mittelmeer, entlang des Evros in Griechenland oder in den polnischen Wäldern an der Grenze zu Belarus.» Unterstützt wird das Referendum unter anderem von Migrant Solidarity Network. Diesem Netzwerk von Aktivist:innen war es vor zwei Jahren zu verdanken, dass das Referendum gegen die Frontex-Beteiligung der Schweiz zustande kam. Zwar ging die Abstimmung dann verloren, aber zum ersten Mal wurde Frontex in der breiten Öffentlichkeit überhaupt zum Thema. Gleiches muss jetzt mit dem BMVI geschehen. Es ist das Mindeste, was die politische Linke für all jene Opfer an der EU-Aussengrenze tun muss!

Sämtliche Infos: bewegungsfreiheit.ch

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