Klimajugend: Wie weiter jetzt?

Lara Frey. «The oceans are rising and so are we», schallt es durch die Strassen Berns. Der Menschenstrom ist gigantisch. Hunderttausend Personen demonstrieren an diesem Nachmittag des 28.Septembers gegen die Klimaerwärmung. Aus der ganzen Schweiz sind sie angereist, um für eine Welt zu kämpfen, die statt Profit eine Zukunft will.

In ihren wildesten Träumen hätten sich wohl die Klimastreikenden, die letzten Dezember die Klimastreiks in Zürich initiierten, nicht ausgemalt, dass die Bewegung derartige Ausmasse annehmen würde. Was begann als eine Gruppe Jugendlicher, die nicht weiter mitansehen konnte, wie der Planet von den Kapitalist*innen und ihren Unternehmen zerstört wird, und von bürgerlichen Medien als ein kurzlebiger Hype belächelt wurde, hat sich innerhalb weniger Monate zu einer der grössten Massenbewegung der Schweiz in diesem Jahrhundert entwickelt.
Lauffeuerartig breiteten sich die freitäglichen Klimastreiks in der ganzen Schweiz aus, und entgegen aller Prognosen der Politikwissenschaftler*innen und Soziolog*innen gewinnt die Klimajugend nach wie vor an Zulauf, statt im Sand zu verlaufen. Wie ist es dazu gekommen und wie wird sich die Bewegung weiterentwickeln?

Die Stärken der Bewegung
Was die Schweizer Klimabewegung von den europaweiten Fridays for Future abhebt, ist der hohe Grad an Strukturen und Organisation seit Beginn der Bewegung. Schon früh wurden nationale Treffen organisiert, an denen Klimastreikende aus der ganzen Schweiz teilnahmen und aus denen sich Arbeitsgruppen, Forderungen, Pläne und Richtlinien herausbildeten. Demokratische Strukturen zu schaffen war und ist eines der Grundziele der Bewegung, damit jede und jeder sich einbringen kann. In einem beeindruckenden Tempo und mit herausragender Eigenverantwortung wurden politische Entscheidungen gefällt, die die Bewegung fördern, statt ihr im Weg zu stehen. So wurde beispielsweise der Klimajugend bewusst, dass es bei einer solch grossen Gruppe, wie der Klimastreik sie inzwischen geworden ist, politisch verheerend wäre, weiterhin jegliche Entscheidung ausschliesslich nach dem Konsensprinzip zu treffen. Am nationalen Treffen im Juli wurden folglich erstmals Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheiten gefällt.
Aspekte wie diese zeigen auf, dass die Jugendlichen die politische Situation korrekt analysieren und entsprechend handeln – genau dies macht auch die Stärke der Klimajugend aus. So hat sich innerhalb eines halben Jahres auch das Konzept eines Klimageneralstreiks herauskristallisiert und dessen Planung begonnen. Auch hier haben die Jugendlichen die aktuelle politische Situation korrekt gelesen und daraus den richtigen Schluss gezogen: Da die institutionalisierte Politik der bürgerlichen Demokratie der Schweiz unwillig und vor allem unfähig ist, sich mit angebrachten Massnahmen der Klimakrise zu stellen, ist die einzige Lösung das Mobilisieren und Organisieren der breiten Massen. Dies geschieht durch den Klimageneralstreik, der einerseits den Arbeiter*innen vor Augen führt, welche Macht sie besitzen, wenn sie vereint sind, und welcher andererseits ein konkretes Druck- und Kampfmittel auf die Schweizer Kapitalistenklasse darstellt.

Die richtigen Schlüsse ziehen
Der konstante Einsatz, das unermüdliche Planen, Austauschen, Organisieren, Demonstrieren, Streiken des letzten halben Jahres beginnt jedoch auch, ein Tribut zu fordern. Viele Aktivist*innen der Klimajugend treten weniger energetisch auf, nehmen sich zurück, hinterfragen plötzlich ihr Tun. Weil sich die Schweizer Politik nach wie vor weigert, irgendwelche konkrete Massnahmen für den Klimaschutz umzusetzen, fragen sich die Jugendlichen, ob es überhaupt einen Sinn hat, weiterzukämpfen. Symbolische «Siege», wie beispielsweise das Ausrufen des Klimanotstandes in vielen Schweizer Gemeinden, erfreuen nur noch am Rande, da man weiss, dass es nur bei der Symbolpolitik bleiben wird und keine konkreten Massnahmen folgen werden. Wieso soll man Monat für Monat, Tag für Tag Energie darin investieren, einen Klimastreik zu planen, wenn er sowieso nichts zu bewirken scheint? Wieso soll man sich die Mühe machen, auf die Strasse zu gehen, wenn das Parlament mit keiner Wimper zuckt und sich nach wie vor zufrieden in der eigenen Tatenlosigkeit suhlt?
Im Moment ist es wichtig, dass die Bewegung die richtigen Schlüsse zieht. Auf keinen Fall darf jetzt nachgelassen werden. Das Momentum muss aufrechterhalten werden. Jedoch ist der Anschein nicht falsch, dass es sich nicht lohnt, die gesamten Bemühungen auf die parlamentarische Politik auszurichten. Viel mehr sollten die Kräfte vereint darauf aufgewendet werden, die gesamte Bevölkerung zu mobilisieren und sie aufzuklären, wieso der Kapitalismus und seine bürgerliche Demokratie unfähig sind, den Klimawandel aufzuhalten. Durch Aufklärung und Organisation der Arbeiter*innenklasse wird es möglich sein, die Bewegung zu vergrössern und den Klassenkampf zu verschärfen. Genau so kann man den Druck aufrechterhalten und mit dem Generalstreik 2020 die Kapitalistenklasse in solche Bedrängnis gebracht werden, dass sie konkrete Massnahmen zum Klimaschutz liefern müssen.

Nicht alleine lassen
Die Klimajugend hat schon am ersten nationalen Treffen entschieden, dass die offizielle Forderung nach einem Systemwechsel laut werden wird, wenn im Kapitalismus keine Lösung möglich ist. An diesem Punkt ist die Bewegung jetzt angelangt; man sieht ein, dass der Kapitalismus kein Interesse und keine Möglichkeit hat, den Klimawandel zu bekämpfen, dass der Widerspruch zwischen Profit und Wachstum und einer nachhaltigen, auf die Bedürfnisse ausgerichtete Produktion unvereinbar ist. Es ist jetzt unerlässlich, dass die Klimastreikenden diese Feststellung nicht nur Feststellung sein lassen, sondern auch Taten folgen lassen. Es ist offensichtlich, dass sich ein Systemwandel – beziehungsweise die sozialistische Revolution, die sich hinter diesem Ausdruck versteckt – nicht von heute auf morgen erwirken lässt, doch der Kampf dafür muss jetzt beginnen. Die nächsten Wochen und Monate werden richtungsweisend sein dafür, wie der Kampf für das Klima, der Kampf gegen den Kapitalismus, weitergeführt werden wird. Die bisherigen Entwicklungen der Bewegung lassen aber hoffen, dass die Klimajugend weiterhin korrekte Schlüsse und darauffolgende Taten treffen wird. Wichtig ist jetzt, dass man die jungen Demonstrierenden nicht alleine lässt, sondern sie ermutigt, unterstützt, ihnen die marxistischen Methoden und Wege nahebringt.

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