Kein ruhiges Hinterland

flo. Auch dieses Jahr verwandeln die Mächtigen und die Classe Politique Davos in etwas, was wie ein schlechter Film aussieht: Polizeisperren, Luftabwehr, Scharfschützen auf den Hoteldächern. An Proteste gegen den Bonzentreff im Schnee wird es auch heuer nicht fehlen.

Wir da, sie dort: Am Wochenende vom 13. und 14.Januar kamen in Berlin Tausende Kommunist:innen erst bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz, dann bei der Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Demonstration zusammen. Dies, um zu diskutieren, Strategien gegen den Kapitalismus und den Imperialismus zu entwickeln, sowie um gegen dieses System und Kriege zu demonstrieren.
Aber auch die Gegenseite trifft sich dieser Tage. Nicht in Berlin, an einem möglichst für viele gut erreichbaren Ort, sondern mitten in den Alpen, in Davos. Da oben, auf 1500 Metern über Meer, sind sie unter sich, die Superreichen und ihre Steigbügelhalter:innen aus der Politik. Und die Abgeschiedenheit ist gewollt. Man will nicht gestört werden, wenn man einträgliche Abmachungen trifft, netzwerkt und die Geschicke der Welt beschliesst. Das World Economic Forum (WEF) unter seinem Doyen Klaus Schwab hatte sich einst (zumindest nach eigener Erklärung) aufgemacht, die drängendsten Probleme der Welt zu lösen. Wenig erstaunlich hatte der Bourgeois Schwab zu keinem Zeitpunkt vor, auch diejenigen an der Entscheidungsfindung wirklich zu beteiligen, die am meisten unter den Problemen leiden, die ihnen von ihren Kapitalist:innen verursacht werden. Und auch dieses Jahr wird das WEF nicht mehr sein als eine günstige Gelegenheit zur Selbstbeweihräucherung von Menschen mit viel zu viel Geld und viel zu viel Macht, sowie einträglicher Geschäftemacherei.

Denn da, wo Geld ist …
«Sutton’s Law», so wird in der Medizin das Prinzip genannt, Tests nach der logischen Reihenfolge anzuordnen, die am schnellsten zu brauchbaren Diagnosen führt. Benannt ist es nach dem amerikanischen Bankräuber Willie Sutton. Als er von Reporter:innen gefragt wurde, warum er Banken überfallen würde, soll Sutton lakonisch geantwortet haben: «Because that’s where the money is» (weil dort das Geld ist).
Ein Leitsatz, den sich in seiner buchstäblichen Bedeutung wohl der Grossteil der WEF-Besucher:innen zum Mantra gemacht haben. Die meisten, die Mitte Januar hinauf nach Davos fahren, sind nämlich keine der oberen Zehntausend. Sie mischen mit im Spiel um Macht und Profit, werden aber von noch Mächtigeren und Reicheren übertrumpft. Der Grossteil der etwa 2500 Teilnehmenden wird nicht in die Riege der Allermächtigsten und Allerreichsten aufsteigen. Das WEF gibt ihnen aber die Möglichkeit dazu, es zu versuchen. 1800 von ihnen sind als Vertreter:in irgendeines Konzerns anwesend, 800 von ihnen sind CEOs.
Und so ist das Weltwirtschaftsforum nicht nur ein Ereignis, bei dem einige Hundert wirklich Entscheidungen treffen, während sich tausende mindere Bourgeoisen um die Grösse ihres Stücks am Kuchen und um ihren Platz am Tisch balgen. Sie machen, was ihre Klasse macht, sie gehen dorthin, wo das Geld ist. Denn da, wo Geld ist, lässt sich noch mehr Geld machen. Ganz ohne Einstiegsschranke, um den Pöbel fernzuhalten, geht es natürlich nicht: Die Gebühr, um eine Partnerschaft mit dem WEF einzugehen – und damit am Forum teilnahmeberechtigt zu sein – beträgt dieses Jahr zwischen 180000 und 850000 Franken. Es ist selbstredend, dass diese Menschen, die die schwersten Probleme der Welt (Krieg, Ausbeutung, die Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen, Imperialismus, soziale Ungerechtigkeit, Armut, Hunger, massive Fluchtbewegungen, und viele mehr) verursacht haben, sie nicht lösen werden in dieser Atmosphäre aus Aufstiegsdrang und Selbstgerechtigkeit, sondern sie verschärfen.

WEF und Kapitalismus zerschlagen
Sieht man sich die Gästeliste des aktuellen WEF an, dürfte deutlich werden, dass mit dieser Bande keine bessere Welt zu machen ist. So steht «Sicherheit und Zusammenarbeit» auf der Agenda beim WEF. Vor allem die kriegerischen Konflikte in der Ukraine und Israel stehen dabei ganz oben auf der Tagesordnung. Und mit dem ukrainischen Präsidenten Selenski und dem israelischen Staatsoberhaupt Isaac Herzog ist auch relativ deutlich, auf welcher Seite man im entsprechenden Konflikt steht. Zu der Frage eines potenziellen Friedens in der Ukraine werden sich kurz vor dem offiziellen Beginn des WEF 70 Sicherheitsberater:innen von eingeladenen Regierungen treffen, um an einer Diskussion der Schweizer und der ukrainischen Regierung zu Selenskis Friedensplan teilzunehmen. Ebenfalls eingeplant sind Auftritte von Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Als Feigenblätter dürfen auch einige Vertreter:innen aus dem Kreis von NGOs und teilweise gesellschaftlich progressiveren politischen Kräften teilnehmen. Das WEF vom Innern heraus «umwälzen» zu wollen, ist ein deprimierend hoffnungsloses Unterfangen. Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist nicht der Ursprung unserer Probleme – und wird sicherlich auch nicht der Ursprung ihrer Lösung sein.
Das WEF ist ein Symbol. Eines, das gerade mit der Anti-Globalisierungsbewegung in den früheren 2000er-Jahren für die Linke auch ein Anlass und zugleich Symbol zum Protest wurde. Zugleich muss aber klar sein, dass das WEF vor allem ein Symptom ist. Ein Symptom für einen Kapitalismus, der unfähig ist, seine inneren Probleme und Widersprüche aufzulösen und sich in einer derart desaströsen Abwärtsspirale befindet, dass mittlerweile unser langfristiges Überleben auf diesem Planeten infrage gestellt wird. Der Kampf gegen das Weltwirtschaftsforum muss also immer der Kampf gegen ein System von Imperialismus und Ausbeutung sein.

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