Heuchelei auf höchstem Niveau

flo. Die Enthüllungen rund um die SVP und ihre Kontakte zu Faschist:innen dürften niemanden erstaunen. Aber auch wenn sie niemanden überraschen werden: Dass die Kontakte der SVP zu einigen der bekanntesten Neofaschisten des Landes publik werden, ist eine positive Entwicklung.

Nachdem öffentlich wurde, dass die Winterthurer SVP-Ortsparteipräsidentin Maria Wegelin so etwa die beiden berühmtesten Neonazis des Landes als Wahlkampfleiter engagiert hat, war erst einmal eines angesagt: Mauern! Tatsächlich schien man auch in der Zentrale der kantonalen SVP das Gefühl gehabt zu haben, dass man so eine Krise einfach aussitzen muss. Der Druck muss nun aber doch zu gross geworden sein: Zu einem ganzen Rücktritt hat es leider nicht gereicht, doch zumindest lässt Wegelin fürs erste ihr Amt als SVP-Präsidentin in Winterthur ruhen. Von ihrem Amt als Winterthurer Stadtparlamentarierin will Wegelin jedoch nicht zurücktreten.

Unser täglicher Einzelfall…
Die Kontakte von Wegelin zu den beiden Anführern der Winterthurer Neonaziorganisation Junge Tat (Tobias Lingg und Manuel Corchia) sind ja eigentlich unappetitlich genug. Doch noch am selben Tag, an dem Wegelin ihren Rücktritt bekannt gab, wurde publik, dass einer der Faschisten auch Mitglied der Jungen SVP Thurgau ist und für die Parteisektionen Plakate entworfen hat. Sowohl die Leitung der JSVP-Thurgau, als auch Wegelin schützten sich nach den Enthüllungen mit angeblicher Unwissenheit. Die JSVP-Thurgau behauptete, dass sie doch unmöglich alle Mitglieder prüfen könne. Wegelin ging sogar so weit, in der NZZ zu behaupten, dass sie gar nicht wisse, was die junge Tat sei. Sie lese ja sowieso nur den Winterthurer Landboten. Der Landbote reagierte auf das Interview indes damit, dass man ins Feld führte, dass im letzten Jahr etwa 20-mal über die junge Tat geschrieben wurde.
SVP Kanton Zürich Präsident Ledergerber entblödete sich zu behaupten, dass die Wahl des Wahlkampfteams bei einer Parteipräsidentin und einem Mitglied des Stadtparlaments eh Privatsache sei. Wegelin selbst doppelte dann tatsächlich noch nach. Aktionen wie Heil-Hitler-Rufe, derentwegen Corchia aus der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK) hinausgeschmissen wurde, seien schlicht «Jugendsünden» gewesen. Das einzig Überraschende bei dem ganzen Vorgang ist wohl, für wie dumm die SVP wahrlich die Stimmbevölkerung hält. So fand die letzte Razzia bei Manuel Corchia wegen seiner faschistischen Aktivitäten im letzten Monat statt.
Ein ungekannter Skandal oder ein Dammbruch in Sachen Demokratie sind die Enthüllungen dennoch nicht. Schon in der Vergangenheit fiel die SVP durch ihre Offenheit in Richtung rechter Rand auf. Kurz vor dem Bekanntwerden der Affäre Wegelin posteten der SVP Präsident Chiesa und der Walliser SVP-Nationalrat Addor ein Bild von sich und Mitgliedern der neofaschistischen Organisation «Nemesis». Letztes Jahr publizierte der Präsident der SVP Ebikon ein Bild von sich in einem T-Shirt einer bekannten neofaschistischen Kleidermarke. Seine Schutzbehauptung: Das Oberteil sei einfach ein Relikt aus seiner Zeit bei der PNOS gewesen.

Kein Wunder
Dass man gegenüber Neofaschist:innen in der grössten Schweizer Partei eine derart freundliche Haltung hat, ist in der DNA der SVP angelegt. Zumindest historisch hatte die Partei ein gutes Händchen darin, sich auf die falsche Seite zu stellen. So begrüsste in den 1930er-Jahren der damalige Bundesrat Rudolf Minger das Aufkommen der Faschisten in der Schweiz. Die Frontenbewegung, so Minger, sei eine «gesunde Reaktion» auf die Stärke der politischen Linken – viele der Fröntler endeten als Landesverräter und schlossen sich der Waffen-SS an. Rudolf Minger war Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), der Vorläuferpartei der SVP. Und auch sonst sind die Berührungsängste der SVP zu Faschist:innen nicht wirklich vorhanden, solange es darum geht, gegen alle zu hetzen, die den Rechten ein Dorn im Auge sind. Aber wieso diese Offenheit gegenüber Faschist:innen, wenn diese am Schluss zum Rücktrittsgrund und Karrierekiller werden kann? Zum einen dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, die ganze SVP als faschistisch abzustempeln. Diese Haltung hat nichts mit einer Verharmlosung der Gefahr zu tun, die von ihr für die Werktätigen, für Migrant:innen und andere Marginalisierte in der Schweiz ausgeht. Was aber in den Parteien des bürgerlichen Mainstreams möglich ist, was gesagt werden kann, steht dem mörderischen Rassismus von Faschist:innen oft in nichts wirklich nach. Der Unterschied zwischen den Neofaschist:innen und der SVP ist vor allem einer: das Verhältnis zur Gewalt und zur Arbeiter:innenbewegung. Während eine SVP selbstverständlich jede Gelegenheit nutzt, um die Interessen der Werktätigen und ihrer Organisationen zu unterminieren und anzugreifen, geht es im Faschismus um die physische Vernichtung der Organisationen unserer Klasse. Sodann ist es nicht erstaunlich, dass die meisten faschistischen Machtergreifungen, ob in Deutschland, in Österreich, in Italien oder in Chile, mit Massakern unter Linken begannen.

Antifaschistisch, entschlossen, vehement!
Für proletarische Antifaschist:innen ist klar: Bezüglich Umgang mit der SVP ändert sich durch die Enthüllungen der Nazikontakte der Partei nicht wirklich etwas. Schon zuvor war die SVP Feindin des Proletariats. Und es ist nicht so, als sei etwa die FDP eine Partei, die weniger schlimme Folgen für die Lebensbedingungen der Arbeiter:innenschaft hätte, bloss weil ihre Kader «anständig» genug sind, nicht auf Du-und-Du mit Faschisten zusammenzuarbeiten. Die einzige korrekte Losung für uns ist dieselbe, wie schon vor Bekanntwerden der Jungen-Tat-Verbindungen der SVP: proletarischer Antifaschismus. Das heisst der Kampf in den Strassen, in den Betrieben, in den Schulen gegen jede Ideologie, die die Herrschaft der Bourgeoisie über die Arbeiter:innenklasse zementiert, indem unsere Klasse gespalten wird, sowie die Zerschlagung von faschistischen Gruppierungen, die mit Gewalt gegen das Proletariat und seine Organisationen vorgehen.

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