Gegen Rückschritte, Sexismus und Transphobie

Annick sitzt für die PdA im Genfer Stadtparlament

PdA Genf. Seit November 2017 hat die Partei der Arbeit Genf eine neue Gemeinderätin: Annick Ecuyer (41) trat die Nachfolge einer langjährigen PdA-Vertreterin an. Sie ist die erste Transfrau überhaupt mit einem Sitz in einem Genfer Parlament und kämpft dort für ihre spezifischen sowie ihre Klasseninteressen.

Du bist Gemeinderätin in der Stadt Genf innerhalb der parlamentarischen Gruppe Ensemble à Gauche. Die Kompetenzen auf kommunaler Ebene sind in Genf ziemlich eingeschränkt. Die rechte Mehrheit im Gemeinderat verringert den Handlungsspielraum noch zusätzlich. Wie verstehst du die Rolle einer PdA-Vertreterin im Gemeinderat? Wie siehst du den politischen Kampf für die Prinzipien und Ziele unserer Partei?
Auch wenn die Mehrheitsverhältnisse ungünstig sind, folgen uns bestimmte Gruppen bei Themen, die weniger rechts-links polarisiert sind. Auch sind die Debatten in den Kommissionen sehr viel offener als bei den Sitzungen im Plenum. Der ausserparlamentarische Kampf ergibt sich teilweise aus dem, was dort entschieden wird. Aufmerksam sein, reagieren, wenn es nötig ist, Vorschläge machen und mit unseren BündnispartnerInnen zusammenzuarbeiten, um vorwärts zu kommen, dies bildet die Basis der parlamentarischen Arbeit. Klar, als Vertreterin der Partei der Arbeit und meiner gesellschaftlichen Klasse sind meine Erfahrung und Vision notwendigerweise verschieden, sogar von unseren nächsten Verbündeten. Deshalb ist es Teil meiner Arbeit, gewisse Aspekte hervorzuheben, die ihnen entgehen.

Du hast dich schon bei der Gemeinderatssitzung, an der du vereidigt wurdest, in die Debatte eingebracht. Die Intervention verschaffte dir etwas Aufmerksamkeit und wurde teilweise von anderen RednerInnen aufgegriffen. Kannst du ein paar Worte zu diesem Thema sagen, weshalb es sich um eine wichtige Frage für unsere Partei und unseren Kampf handelt?
Auf den ersten Blick hat das Reglement der kommunalen Schwimmbäder nicht den Anschein einer wichtigen politischen Frage. Aber die Forderungen nach sexistischen und islamophoben Regeln zur Bekleidung haben mich zum Einspruch gezwungen. Obwohl das Reglement, das vom Regierungsrat eingesetzt wurde, bereits das Wesentliche enthält und Badekleidung vorschreibt, greift der Vorschlag der Rechten ein inexistentes Problem auf: der Burkini – abgesehen davon, dass er selten getragen wird, ist er überhaupt keine Erfindung der ExtremistInnen. Sie geben damit vor, gegen Sexismus zu kämpfen, indem sie Verbote einführen möchten, die nicht nur spezifisch Frauen treffen – es macht genauso die Situation von Transmenschen komplizierter.
Für mich ist es unbedingt nötig, gegen die Einführung von Diskriminierungen zu kämpfen, gegen Rückschritt bei der Frage der Gleichheit der Geschlechter und der Inklusion. Natürlich ist es auch inakzeptabel, den Kampf gegen Sexismus zu missbrauchen, um unverhüllten Rassismus zu rechtfertigen.

Am 4. März werden die Stimmberechtigten der Stadt Genf über vier Kürzungen im Budget abstimmen, bei denen das Referendum ergriffen wurde. Die Abstimmung war wegen der «Affaire Pagani» verschoben worden. Der Bürgermeister Pagani von Solidarités war einer regelrechten Hysterie von den Rechten ausgesetzt, weil das Abstimmungsbüchlein damals nicht neutral verfasst war. Was denkst du diesbezüglich?
Es war interessant zu sehen, dass die Rechte nicht dasselbe Gebaren an den Tag legte, als über andere Themen erneut abgestimmt werden musste aufgrund von Fehlern der Kantonsregierung. Das Abstimmungsbüchlein wird regelmässig angefochten. Dass man die ganze Schuld Rémy Pagani gab für einen Text, der zur Verantwortung des Regierungsrats gehört und der vor der Veröffentlichung durch die Abstimmungsbehörde gegangen ist, scheint mir eindeutig übertrieben. Ich denke, es gibt zwei Gründe für diese Attacken: Man will eine Volksabstimmung verhindern oder sie zumindest wirkungslos machen und direkt einen linken Bürgermeister angreifen.

Am 7. November feierten wir den hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution, die das wichtigste Ereignis des letzten Jahrhunderts darstellt, ein richtungweisendes Ereignis für diejenigen, die für eine neue und von den Ketten der kapitalistischen Ausbeutung befreiten Gesellschaft kämpfen. Was repräsentiert deiner Meinung nach das Erbe der Oktoberrevolution heute, was ist unser Platz dabei, was sind die Perspektiven dieser Ideen?
Die Revolution zeigte, dass es möglich ist, aus diesem intrinsisch unterdrückenden System des Kapitalismus herauszukommen. Sie wurde von enormen Fortschritten für die Gleichheit der Geschlechter gefolgt, sie wurde von der Entkriminalisierung der Homosexualität gefolgt und vielen anderen gesellschaftlichen Fortschritten. Die Möglichkeit, aus dem Kapitalismus hinauszudenken, eine andere Gesellschaft zu sehen, die auf anderen Werten als der Ausbeutung basiert, behält bis heute ihre Bedeutung. Auch die Organisierungsmethoden der damaligen Epoche wenden wir heute im kleineren Massstab noch an.
Der Wille zur Emanzipation bleibt unter den Minderheiten bestehen, seien sie MigrantInnen, Feminstinnen, queere Menschen. Das Vorhandensein der Erfahrung der Oktoberrevolution bereichert unser Denken für die Wege, die die Kräfte des Fortschritts folgen müssen.

Dein Einzug in den Gemeinderat hat die Aufmerksamkeit der Medien erregt, weil du als erste Transperson einen Sitz in einem Genfer Parlament besetzt. Du bist ebenfalls Mitglied der Lesbenorganisation Lestime und vom Transgender Network. Kannst du uns etwas über dein Engagement in diesem Bereich erzählen und wie du es im Gemeinderat fortsetzen möchtest?
Ich mache ein bisschen alles, ich folge meinen Möglichkeiten und Gelegenheiten. Ich debattiere in einem Komitee, schreibe Artikel, nehme an Konferenzen und an Podiumsdiskussionen teil, organisiere Workshops … Es scheint mir äusserst wichtig, dass Transmenschen eine gewisse Sichtbarkeit haben und präsent sind, einschliesslich dort, wo die Entscheidungen gefällt werden: Die Transfrage ist transversal und kann nicht von den anderen queeren, den lesbischen, schwulen, bisexuellen und allgemeiner den feministischen Fragen getrennt werden. Und sie berührt Personen mit jeglichem Hintergrund und aus allen Gesellschaftsklassen.
Im Gemeinderat möchte ich gegen den Sexismus kämpfen, der direkt die lesbischen und/oder Transmenschen betrifft, sowie die LGBT+-Organisationen und ihre Projekte verteidigen. Viele von ihnen werden durch die Stadt subventioniert, wie Lestime, Association 360 oder Totem, das sich an die Jüngsten wendet, und werden von der rechten Sparpolitik bedroht.
Es gibt auch den nicht unbedeutenden Aspekt der Normalisierung, der Demystifizierung, wenn ein Transmensch sichtbar in einem Parlament ist.

Du bist ebenfalls Kandidatin für das Kantonsparlament bei den Wahlen, die im Frühling 2018 stattfinden werden. Wie beurteilst du die aktuelle politische Situation im Kanton und welche Kämpfe würdest du auf der Ebene des Kantonsparlaments führen, falls du gewählt würdest?
Unser Kanton führt gegenwärtig eine Politik, die den Interessen der arbeitenden Klassen entgegensteht. Es wird ein Schwerpunkt auf die Sicherheitspolitik im Dienste der Reicheren gelegt, gleichzeitig wird aktiv gegen die sichtbarsten Symptome der Armut gekämpft zum Schaden der schlecht gestellten Bevölkerung. Räume für alternatives Leben werden angegriffen, ebenso gibt es eine Krise im Wohnungswesen. Ich will gegen den staatlichen Rassismus, gegen die Transphobie der Institutionen und gegen sexistische Gewalt kämpfen, da der Kanton ein wichtiger Akteur ist im Kampf gegen Diskriminierungen.

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