Die SP und ihre Taktik zum Erfolg

Die SP-Führung will das laufende Referendum gegen die Verschärfung im Asylwesen nicht unterstützen. Es geht ihr um den Erfolg und nicht um die Moral. Sie argumentiert mit taktischen Überlegungen und scheint dabei aus der Geschichte nichts gelernt zu haben.

Geht es nach dem Willen der SP-Spitze, wird die Sozialdemokratische Partei das Referendum gegen die Verschärfungen im Asylwesen nicht unterstützen. In verschiedenen Zeitungsinterviews betont SP-Parteipräsident Christan Levrat, dass man «der SVP in einem allfälligen Abstimmungskampf keine Plattform für ausländerfeindliche Parolen» bieten wolle. Beim Referendum gehe es nicht um «moralische Überlegungen», sondern einzig um die Frage, ob eine Perspektive «auf Erfolg» bestehe. Levrat verweist gerne auf die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Stimmberechtigten «jede Verschärfung des Asylgesetzes angenommen haben.» So geht die SP-Spitze davon aus, dass das Nein-Lager bei einer allfälligen Volksabstimmung kaum über 30 Prozent der Stimmen erreichen kann und schliesst daraus: «Ein schlechtes Abschneiden bei einem Referendum würde die Position der Asylsuchenden massiv schwächen».

Man könnte jetzt lange über die Moral streiten. Man könnte der SP in Erinnerung rufen, dass der wahre Zivilisationsgrad einer Gesellschaft sich am Umgang mit den Schwächsten misst. Oder ganz einfach: Wo Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht.

Am Anfang standen die Zwangsmassnahmen

Aber lassen wir die Moral sein, fragen wir nach der Taktik, mit der sich die SP den Erfolg verspricht. Ein Blick in die Geschichte ist hier aufschlussreich. Wir schreiben das Jahr 1993. Im November wird ein Gesetzesentwurf für «Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht» vorgelegt. Angeblicher Grund: Bei den wenigen tatsächlich kriminellen AsylbewerberInnen gebe es «einen Vollzugsnotstand», der nur mittels einer Gesetzesänderung behoben werden könne. Das neue Gesetz sieht vor, Asylsuchende «ohne geregelten Aufenthalt» zunächst für drei Monate in Vorbereitungshaft und anschliessend für sechs Monate (mit einer Verlängerungsoption um weitere drei Monate) in Ausschaffungshaft setzen zu können. Eingeführt wird auch das «Rayonverbot», das zeitlich unbefristete Verbot für Asylsuchende, einen bestimmten Ort (Kanton, Region, Ortschaft) zu betreten. Als Haftgrund genügte neu der blosse Verdacht(!), dass eine Person ohne geregelten Aufenthalt sich der Ausschaffung entziehen wolle. Die Unschuldsvermutung, ein fundamentales Recht, wird so für diese illegalisierten Menschen aufgehoben. Damit werden Tür und Tor für künftige Verschärfungen aufgerissen.

Heute so wie damals

Das «Referendum gegen die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht» wurde von einer Vielzahl Organisationen ergriffen, unter denen «lokale asylpolitische Bewegungen dominieren und von den Parteien nur die PdA vertreten ist», wie unter www.anneepolitique.ch nachzulesen ist. Vertreter der SP, der Grünen und des Gewerkschaftsbundes wollen auf das Referendum verzichten. Sie befürchten, dass in einer Abstimmungskampagne das Thema «kriminelle Ausländer» dominieren würde, und sich diese Diskussion «für die Anliegen der Ausländer in der Schweiz negativ auswirken» könnte. Erst auf Druck der Basis änderte die SP-Führung spät ihre Haltung.

Wir sehen: Die SP verspricht sich heute den Erfolg mit denselben Argumenten und der gleichen Taktik wie vor 20 Jahren. Die Moral der Geschichte ist aber leider, dass in den letzten zwei Jahrzehnten der Erfolg im Asylwesen Mangelware war. Wäre es nicht an der Zeit, liebe SP, die Taktik zu ändern?

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