Die langsamen Mühlen des Parlaments

dab. Unter dem Motto «Wem gehört die Stadt?» nimmt die PdA Bern mit der Liste 16 an den Stadtratswahlen vom 29.November teil. Die Stadtpartei hat Listenverbindungen mit der Grün-alternativen Partei (GaP), der Alternativen Linken (AL) und der «Lieben, sehr sehr Lieben Partei» (DLSSLP). Die bisherige Stadträtin Zora Schneider erzählt aus
ihrer Ratstätigkeit.

Was gefällt dir an deiner Tätigkeit im Stadtrat?
Mir gefällt es, eine unangepasste und revolutionäre Stimme im Stadtrat zu sein. Ich setze mich konsequent für die sozial Benachteiligten und gleichzeitig für die Interessen von Arbeiter*innen und der allgemeinen Bevölkerung ein und habe als Mitglied der PdA Bern die Chance und die Freiheit, für angepasste Parteien heikle Themen ohne Kompromisse anzupacken.

Mit welchen Schwierigkeiten musstest du fertig werden?
Ich musste mich zuerst mit der Langsamkeit und Trägheit der parlamentarischen Arbeit abfinden. Die grossen Veränderungen kommen oft nicht von innerhalb des Parlaments, sondern es muss Druck von aussen aufgebaut werden. Häufig wird auch versucht, einen in wichtigen Fragen wie zum Beispiel dem Stopp von Ausschaffungen von Sans Papiers mit der Meinung abzuspeisen, das habe man noch nie gemacht und das könne man auch nicht machen. Leider fehlt häufig der nötige Mut und die nötige Phantasie für die Umsetzung von drängenden Gerechtigkeitsanliegen. Eine gewisse Desillusionierung kann aber auch stärker machen! Ein weiteres Beispiel für zum Teil etwas «billige» Ausreden war beim Ausbau der städtische Verkehrsinfrastruktur wie unserem sozial und ökologisch wichtigen Vorschlag eines steuerfinanzierten «Gratis-ÖV» zu beobachten. Dort sprach man trotz zahlreicher ökologisch wirkungsvoller und positiver Gratis-ÖV-Beispiele aus Städten und sogar Ländern in ganz Europa davon, dass das Anliegen finanziell nicht zu stemmen sei. Man muss sich aber vor Augen halten, dass der öffentliche Verkehr in der Schweiz und insbesondere in der Stadt Bern für die ihn Benutzenden sehr teuer ist und von unserem Anliegen alle unter einem Einkommen von 100000 Franken pro Jahr profitieren könnten. Ausserdem zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern, dass bei diesem Ansatz bis zu dreissig Prozent der Einwohner*innen vom Auto auf den öffentlichen Verkehr umsteigen würden. Daher haben wir die Gratis-ÖV-Initiative für eine ökologischere und sozialere Stadt gestartet.

Was waren weitere thematische Schwerpunkte?
Ich reichte diverse Forderungen in den Bereichen Flüchtlingspolitik und Feminismus ein: bessere und günstigere Sprachkurse für Geflüchtete, transparente und kurze Einbürgerungsverfahren auf Gemeindeebene, um Willkür vorzubeugen, Legalisierung von Sans Papiers, Finanzierung einer Kampagne gegen Gewalt an Frauen, geschlechterneutrale WCs an Schulen und die Förderung von sexueller Freiheit mit meinem Vorstoss zu den «Vulva-Tagen» in der Stadt Bern. Wiederholt forderte die PdA Bern ausserdem, dass bis zu 2000 Flüchtlinge aus Griechenland und Libyen direkt in die Stadt Bern geholt werden sollen. Zwar wurden unsere Vorstösse angenommen, aber die grüne Gemeinderätin war der Meinung, sie könnten nicht umgesetzt werden. Wegen den Schlagzeilen zum abgebrannten Flüchtlingslager Moria in Lesbos hat Gemeinderätin Franziska Teuscher zwar vor Kurzem unseren Vorschlag mit ihrer Teilnahme an der Sendung SRF-Club in die nationale Arena getragen, aber dabei nur die Aufnahme von 20 Flüchtlingen gefordert. Dies kann leider höchstens als symbolische Aktion betrachtet werden. Und genau deshalb braucht es weiterhin eine Kraft wie die PdA Bern, die dazu kritische Fragen stellt und weiterhin Druck ausübt und die richtigen Forderungen auf den Tisch bringt. Ein Schwerpunkt meiner Ratstätigkeit lag darin, in sozialen Bereichen Verbesserungen vorzuschlagen: Ich schlug Nachholbildungsstipendien für Verkaufspersonal und einen qualifizierteren Ausbildungsschlüssel beim Personal von Altersheimen vor, aber auch eine Verbesserung der Hilfe bei Obdachlosigkeit. Schliesslich zeigte sich die Armut in der Schweiz während der Corona-Krise mit Essensschlangen auch in der Stadt Bern. Dort agierte der Gemeinderat sehr vernachlässigend, denn es konnte während des Lockdowns nur noch eine Mahlzeit pro Woche angeboten werden, obwohl die Menschen mit Lebensmittelpunkt auf der Gasse in diesen Zeiten besonders darauf angewiesen sind!

Was wirst du in der kommenden Legislatur anpacken?
Da die Mühlen des Parlaments sehr langsam mahlen, werden viele der eingereichten Vorstösse erst in den nächsten Jahren traktandiert werden. Ich fordere mehr Stadtratssitzungen, um die schnelle Handlungsfähigkeit des Stadtrats sicherzustellen. Ausserdem herrschen nicht nur an den Grenzen Europas, sondern auch in der Schweiz und in der Stadt Bern und Umgebung schreckliche Zustände in den Flüchtlingszentren. In den nächsten Jahren eröffnen sich in diesem Bereich neue Möglichkeiten der Einflussnahme, weil die Stadt Bern vom Kanton das Mandat zur Flüchtlingsbetreuung übernommen hat. Konkret fordern wir eine Abschaffung oder mindestens eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer in Kollektivunterkünften, die Einhaltung von Menschenrechten wie ausreichende medizinische Versorgung, Recht auf Bildung und Wohnen und Bewegungsfreiheit und eine Aufstockung der Nothilfe auf das Niveau der Sozialhilfe. Die Zustände in den Kollektivunterkünften sind für die Schweiz eine Schande! Geflüchtete beschrieben das Leben unter den Bedingungen der Asylunterkünfte als ein «Amöbenleben» (Zitat aus Migrant-Solidarity -Network.ch). Dies darf Menschen nicht zugemutet werden! Ein weiteres wichtiges Thema ist der sich verschärfende Klimawandel und die zu langsame Reaktion der Stadt Bern. Man will sich nicht auf eine konkrete CO2-Einsparung bis zu einem gewissen Datum festlegen. Diesen Bereich werde ich mit klaren Forderungen notwendigerweise vermehrt angehen. Einen ersten Schritt machen wir mit der Gratis-ÖV-Initiative.

Mehr Wahlprogramm: https://pdabern.ch/kampagnen/wahlen-bern/

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