Die Kitas im Kanton Zürich sind in der Krise

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Die Corona-Krise macht deutlich, wie unentbehrlich ein funktionierendes Kinderbetreuungswesen ist. Dies wird nun zwar allerseits anerkannt, auf die Arbeitsbedingungen der Betreuer*innen wirkt sich diese Anerkennung aber nicht aus. Die derzeitige Krise macht deutlich, dass endlich ein grundlegender Wandel in der Organisation der Kindertagesstätten (Kitas) nötig ist.

Auswirkungen der Corona-Krise auf die Betreuer*innen

Bei der Trotzphase, einer selbstorganisierten Gruppe ausgebildeter und angehender Fachpersonen aus der familienergänzenden Kinderbetreuung, gehen zurzeit täglich unzählige Nachrichten von den Betreuer*innen aus den Kitas ein, die von schwierigen Betreuungssituationen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen berichten. Ursache dafür ist, dass Bund und Kanton die Kitas in dieser ausserordentlichen Lage dazu verpflichtet haben, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Damit sind die Krippen zu einem systemrelevanten Angebot geworden. Somit ist es folgerichtig, dass die öffentliche Hand dafür sorgen muss, die Betriebe schadlos zu halten. Wie diese finanzielle Abgeltung der Trägerschaften genau aussehen soll, wird zurzeit auf verschiedenen Ebenen abgeklärt. Genaueres dazu, lässt sich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Die Belegung der Kitas ist aktuell sehr unterschiedlich; viele Kitas in der Stadt Zürich betreuen zurzeit nur noch einen Bruchteil der Kinder, manchmal sind es weniger als 20% der normalen Belegung. Dies ist einer grossen Solidarität der Eltern zu verdanken, welche ihre Kinder nun freiwillig zu Hause betreuen – oft neben ihrer Arbeit im Homeoffice und obwohl sie die Betreuungskosten weiterhin bezahlen. Die momentane Unterbelegung in den Kitas führt in einigen Fällen dazu, dass das Personal beispielsweise mit Haushalts-Arbeiten beschäftigt wird und dadurch unnötigerweise einem potenziellen gesundheitlichen Risiko ausgesetzt wird, obwohl es auch die Möglichkeit gäbe, im Homeoffice konzeptuell zu arbeiten. In anderen Kitas werden die Betreuer*innen nach Hause und ins Minus geschickt, obwohl ein Annahmeverzug des Arbeitgebers vorliegt. Wiederum zeigen Berichte von Betreuer*innen auf, dass es ebenfalls Kitas gibt, bei denen ein Grossteil der Eltern der betreuten Kinder gezwungen sind, weiter zu arbeiten. Daher sind solche Betriebe nach wie vor normal ausgelastet. In diesen Kitas sind die alltäglichen Probleme der Kinderbetreuer*innen die gleichen wie zu «normalen» Zeiten, ausser dass die Krankheitsausfälle des Personals durch die Ausbreitung des Virus markant ansteigen.

Reaktionen auf die Corona-Krise

An seiner Pressekonferenz am Montag, 16. März 2020 präsentierte der Schweizer Bundesrat einschneidende (wenn auch ungenügende) Massnahem zur Eindämmung des Coronavirus. In Bezug auf das Kinderbetreuungswesen liess er einzig verlauten, dass die Kantone «Notlösungen» vornehmen sollen, um die Betreuung zu gewährleisten (insbesondere für Personen, die in lebenswichtigen Berufen arbeiten). Die meisten Kantone schoben die Verantwortung weiter an die Gemeinden ab, welche wiederum Empfehlungen statt klare Direktiven ausgeben. Diese Vorgehensweise kennt man aus dem Kinderbetreuungsbereich nur allzu gut und die zuständigen Behörden ziehen sich dadurch einmal mehr aus der Verantwortung. Denn solange sich die Betriebe nur auf Empfehlungen stützen können, tragen sie die Konsequenzen einer allfälligen Schliessung selbst. Und der grösste Teil der Deckung der Betreuungskosten lastet somit weiterhin auf den Eltern, trotz der Aufforderung, ihre Kinder solidarisch zu Hause zu betreuen.

Die Corona-Krise verschärft die prekäre Situation in der Kinderbetreuung

Seien es das Herabsetzen der Kitarichtlinien und somit eine noch schlechter werdende Situation für alle Fachpersonen in der Kinderbetreuung oder die neuen Tagesschulen, in denen hunderte Kinder gleichzeitig betreut werden müssen; die Trotzphase steht bereits seit einigen Jahren für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung für die Kinderbetreuung ein. Sie haben genug von chronischer Unterbesetzung, tiefen Löhnen und Sozialabbau! Die Gesellschaft muss endlich einsehen, dass Kinderbetreuung keine Privatangelegenheit der Eltern ist und von der öffentlichen Hand finanziert werden muss. Mit ihrer im Juli 2019 eingereichten Petition wollten sie Schritt für Schritt den Weg zur Besserung anstossen. Doch von Seiten der politischen Akteure hiess es nur: «Dafür sind wir nicht zuständig». Dauernd wird die Verantwortung für die prekäre Lage in den Kitas hin und her geschoben und niemand fühlt sich verantwortlich, endlich etwas zu tun.

Seit der Offenlegung der skandalösen Zustände in den Kitas des privaten Unternehmens «Globegarden» im Dezember 2019, das trotz staatlichen Subventionen und hohen Elternbeiträgen nicht in der Lage ist, für eine anständige Versorgung der Kinder und der Betreuer*innen zu sorgen, ist das Thema medial präsenter. Die Corona-Krise ist offensichtlich nicht die Ursache der Probleme im Kinderbetreuungswesen, sondern verschärft diese bloss. Aus all diesen Gründen plant die Trotzphase im Herbst dieses Jahres eine grosse Demonstration, um ein weiteres unüberhörbares Zeichen für mehr Wertschätzung gegenüber jeder Form der Kinderbetreuung zu setzen.

Kinderbetreuung muss eine öffentliche Sache sein

«Die Kitas in der Stadt Zürich leisten einen elementaren Beitrag zur Aufrechterhaltung systemrelevanter Leistungen in der aktuellen Ausnahmesituation», schreibt die Online-Zeitung Nau. Zurzeit gibt die Stadt Zürich Weisungen an die überwiegend privaten Kitas heraus, wie sie ihr Betreuungsangebot aufrecht erhalten müssen. Und sie hat den Kitas – neben den überlebenswichtigen Subventionen – finanzielle Unterstützung angeboten, falls sie wegen der Coronakrise in finanzielle Engpässe geraten. Zwar sind diese Massnahmen ungenügend [siehe folgenden Notfallplan], es zeigt aber auf, dass es durchaus möglich wäre, das die familienergänzende Kinderbetreuung nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu organisieren.

Die aktuelle Krise offenbart also, dass eine grundlegende Reorganisation des Kinderbetreuungswesens längst überfällig ist. Zudem bestätigen alle erziehungswissenschaftlichen Forschungen, dass die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung massgebliche Auswirkungen auf den Verlauf der kognitiven Entwicklung eines Menschen hat. Es gibt also weder einen politischen, noch einen pädagogisch haltbaren Grund, warum die Kitas nicht in das öffentliche Bildungssystem integriert werden sollten!

Die Kitas brauchen einen Notfallplan und die Überführung in das öffentliche Bildungssystem

Dass die derzeitige Situation in erster Linie auf den Schultern der Betreuer*innen und der Eltern ausgetragen wird, ist inakzeptabel. Die Kinderbetreuer*innen sind pädagogisch ausgebildete Fachkräfte, die am besten wissen, wie ein Kitawesen organisiert werden soll, das sowohl den Interessen der Kinder und Eltern, als auch den Arbeiter*innen entspricht. Da die Entscheidungsträger*innen keinen dringend benötigten Notfallplan für die Kitas bereit zu haben scheinen, macht die Trotzphase nun einen konkreten Vorschlag.

Der empfohlene Notfallplan der Trotzphase für Kitas im Kanton Zürich:

  1. Der gesundheitliche Schutz der Betreuer*innen und der Kinder hat oberste Priorität. Alle Massnahmen müssen sich daran richten. Qualitätssichernde Vorgaben dürfen nicht aufgeweicht werden.
  2. Schliessung aller Kitas mit Aufrechterhaltung einer Not-Betreuung. Diese beinhaltet nur Plätze von Kindern,deren Eltern in einem grundversorgenden Beruf im Einsatz stehen und keine geeignete alternative Betreuung organisieren können- bei welchen im Rahmen einer behördlichen Massnahme die Betreuung durch eine Kita angeordnet wurde oder im Ausnahmefall in einer privaten Notsituation.
  3. Pro Standort darf eine Kindergruppe von maximal 4 Plätzen angeboten werden, welche von mindestens einer ausgebildeten Fachperson (Wechsel Früh-/Spätschicht) betreut wird. Eine zweite Gruppe pro Standort darf geführt werden, wenn strikte Massnahmen zum Gesundheitsschutz eingehalten werden.
  4. Nicht eingesetztes Personal bleibt zu Hause und erledigt bei Bedarf Arbeiten im Homeoffice. Klar definiert ist, wer bei allfälligem Personalausfall zur Verfügung stehen muss. So können Kinder weiterhin von vertrauten Bezugspersonen betreut werden.
  5. Keine Entlassungen und bedingungslose Fortzahlung der Löhne aller Betreuer*innen (inkl. Lernende, Praktikant*innen, Temporärangestellte und Betreuer*innen mit befristeten Arbeitsverträgen). Kurzarbeit wird angemeldet. Aufgrund der tiefen Löhne in dieser Branche stocken die Kitas die Löhne auf 100% auf.
  6. Eltern, welche keine Not-Betreuung in Anspruch nehmen, sind während der Dauer der Schliessung nicht weiter verpflichtet die Betreuungskosten zu bezahlen. Die öffentliche Hand kompensiert die ausfallenden Elternbeiträge, bezahlt Subventionen bedingungslos weiter und sorgt dafür, dass die Kitas keinen finanziellen Schaden aufgrund dieser Krise nehmen.

Darüber hinaus fordern wir, dass die öffentliche Hand zukünftig eine qualitativ hochstehende Kinderbetreuung als Teil der Grundversorgung sicherstellt. Die gesamte familienergänzende Kinderbetreuung, welche nun aufgrund der Coronakrise von der öffentlichen Hand stark finanziert wird, soll ins öffentliche Bildungssystem integriert werden. Die Arbeits- und Rahmenbedingungen müssen zwingend mit den Kinderbetreuungsfachpersonen ausgehandelt werden. Sie müssen in die Erstellung eines Notfallplans miteinbezogen werden und sie sollen bei der Integration der gesamten familienergänzenden Kinderbetreuung ins Bildungssystem beteiligt sein. Denn Zeiten der Krise sind auch Zeiten der Veränderung!

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