Bern bleibt links dominiert

dab. Nach den Gemeindewahlen in Bern überschlugen sich die Leitmedien euphorisch, als ob die Welt jetzt gerettet und die korrupte Politik geläutert sei: «Bern hat das weiblichste und linksgrünste Parlament der Schweiz!». Die PdA-Stadträtin Zora Schneider ist wiedergewählt und die rein weibliche «Freie Fraktion» wurde durch den dritten Sitz der AL gestärkt.

Die Alternative Linke (AL) legte von zwei auf drei Sitze zu und ist neu mit drei Frauen im Stadtrat vertreten, die Grün-Alternative Partei (GAP) ist ebenfalls mit einer Frau vertreten. Die AL ist natürlich erfreut über ihr gutes Abschneiden und schreibt weiter auf ihrer Webseite: «Das ebenfalls gute Abschneiden anderer progressiver Kräfte in Bern setzt an die neue Regierung ein klares Zeichen: Es darf keinen Abbau im sozialen, gesundheitlichen, kulturellen und demokratischen Bereich geben. Ganz im Gegenteil müssen die fortschrittlichen Entwicklungen weitergeführt und in ihrer Radikalität ausgeweitet werden. Neu braucht es die Grüne Freie Liste (GFL) nicht mehr, um eine linke Mehrheit im Parlament zu haben.»
Die GFL, Partei des wiedergewählten Stadtpräsidenten und Immobilienlobbyisten Alec von Graffenried, ist mehr grünliberal als links und verlor im Stadtrat einen Sitz.

Unterschiedliche Sichtbarkeit
PdA, AL und GAP sind seit vielen Jahren zur Fraktion zusammengeschlossen. «Wir alle profitieren von der Fraktion: Kommissionen, Presseecho und so weiter», sagt die wieder gewählte Genossin Zora Schneider. Für die Wahlen gingen die drei Parteien untereinander und mit Die liebe, sehr sehr liebe Partei (DLSSLP) Listenverbindungen ein. «Die AL verdankt ihren dritten Sitz neben ihrer Stärke auch der Listenverbindung mit den drei anderen linken Parteien», hält Zora fest.
Die bestehende Fraktion bringe mehr Medienanfragen, «weil wir als grössere linksradikale Kraft wahrgenommen werden und man deshalb unter dem Namen ‹Freie Fraktion› auch mehr über uns berichtet; zweitens bringt sie wie gesagt Einsitz in die Kommissionen, was mehr Übersicht über die politischen Abläufe und zusätzliches Wissen über die Vorlagen bringt.» Die Fraktion habe Vor- und Nachteile: «Manchmal schränkt sie die Sichtbarkeit der PdA ein, aber manchmal erhöht sie sie auch, weil wir mehr verschiedene Stimmen, keine Einzelruferinnen im Wald sind.»

Eloquentes Kokettieren
In der Wahlberichterstattung wurde die «Freie Fraktion» von den Mainstreammedien allerdings ignoriert, bei den Resultaten allenfalls die AL erwähnt. Lediglich Telebärn führte in der Resultaten-Grafik alle Sitze inklusive jene von PdA und GAP auf. Meist wurden frisch gewählte SP- und GFL-Frauen mit Interviews belohnt. Neugewählte Frauen stellten ihr Licht mit falscher Bescheidenheit unter den Scheffel und kokettierten eloquent damit, dass sie ja eigentlich nur Listenfüllerinnen gewesen seien und überhaupt nicht mit einer Wahl gerechnet hatten – ein Verhalten oder Ritual, das bisher eher bei männlichen Gewählten in Innerschweizer Kantonen zu beobachten war. Das «weiblichste und linksgrünste Parlament der Schweiz» wurde abgefeiert, manche wollten sogar wissen, es sei ein Weltrekord. Die Frauen legten von 45 auf 55 Sitze zu, was knapp 70 Prozent entspricht.
Grösste Fraktion im Stadtrat bleibt trotz dem Verlust von einem Sitz die SP. Zugelegt haben neben der AL auch die zweitstärkste Kraft, die Grünliberalen GLP (plus 3) und die drittstärkste, das Grüne Bündnis GB (plus 1). Auch die Junge Alternative JA! (eigentlich Junge Grüne) machte einen zusätzlichen Sitz. Die Bürgerlichen verloren: SVP (minus 2), FDP und BDP (jeweils minus 1). CVP und EVP halten ihre jeweils zwei Sitze.

RGM-Mehrheit bleibt
Mit der Wahlallianz SVP-FDP-Jungfreisinnige wollten die Rechtsbürgerlichen die Rot-Grün-Mitte (RGM)-Mehrheit von SP, GB und GFL (vier Sitze) im Berner Gemeinderat, der Stadtregierung, brechen, was nicht gelang. Im Gegensatz zum Kanton Baselstadt, wo der Regierungsrat nach 16 Jahren Mehrheit von SP und Grünen neu aus drei SP, drei Bürgerlichen und einer GLP-Frau besteht.
In Bern wurde der Superrechte und der gegenüber Links und Reitschule extrem polemisierende Spitzenkandidat, alt-Nationalrat Thomas Fuchs auf der SVP-Liste mit dem besten Resultat in den Stadtrat gewählt. Als Gemeinderat aber hatte er keine Chance. Der einzige Bürgerliche in der Regierung, der gegenüber Demonstrierenden und der Reitschule nicht unzimperliche CVP-Polizeidirektor Reto Nause, wurde mit dem schlechtesten Resultat wiedergewählt. Trotzdem freute er sich sehr, da er verglichen mit seinen schlechtesten Resultaten der drei vorhergehenden Legislaturen Stimmen zulegen konnte. Er ist der bürgerliche Gegenspieler in der Regierung, vor allem von Stadtpräsident Alec von Graffenried, der gerne den besonnenen Doyen spielt, seinen mässigenden Einfluss geltend macht und den kläffenden Polizeihund zurückhält. So zum Beispiel während der Besetzung des Bundesplatzes durch die Klimajugend während der Behandlung des CO2-Gesetzes im Bundeshaus, als er die Besetzer*innen länger gewähren liess als es dem Scharfmacher Nause lieb war.

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