Sexismus in Medien und Forschung?

sah. Ein Artikel über eine unpublizierte Studie schlägt Wellen. Mit Sexismus wird versucht, die Gleichstellungsarbeit zu sabotieren und falsche Bilder zu vermitteln: Vorurteile über faule Student:innen und abhängige, ambitionslose Frauen.

«Zwei renommierte Forscherinnen haben 10000 Studierende über ihre Ansichten zu Karriere, Familie, Partnerschaft und Diskriminierung befragt. Das Resultat verblüfft – und könnte die Debatte um die Gleichstellung verändern.» So beginnt der skandalöse Artikel von Rico Bandle mit dem Titel «Umfrage an der ETH und Uni Zürich: Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen», der am 6.Mai 2023 in der SonntagsZeitung publiziert wurde. In der Studie wurde die sogenannte Leaky Pipeline erforscht, um herauszufinden, warum der Frauenanteil auf verschiedenen Karrierestufen stetig sinkt. Befragt wurde eine jüngere Generation im Alter von 20 bis 35 Jahren. Schnell wurde klar, dass die Frauen Kinder wollen, um dann Teilzeit zu arbeiten.
Sie bevorzugen Männer, die älter sind und die so mehr verdienen als sie. Männliche Studierende wünschen Frauen, die jünger und weniger ehrgeizig im Beruf sind als sie selbst. Auch sollen sie Teilzeit arbeiten, wenn Kinder da sind. Im Artikel kamen die Autorinnen Katja Rost und Margit Osterloh zu Wort. Sie sagten, dass es vor allem an den geringen Ambitionen der Frauen liege, weshalb sie keine Karriere machen. Strukturelle Probleme und Diskriminierung spielen angeblich keine Rolle.

Alles nur Einbildung, meint Osterloh
Sofort nach der Veröffentlichung des Artikels berichteten weitere Medien über dieses Beispiel einer einseitigen und unseriösen Berichterstattung. Doch es geht nicht nur um den Bericht. War auch das Forschungsvorgehen unprofessionell? Die Newsplattform Watson schrieb am 8.Mai 2023 darüber und konnte eine Teilnehmerin der Studie finden, die über den Ablauf berichtete. Die Frau war erstaunt über die Fragen, die für die Erfassung gestellt wurden. Sie waren oft suggestiv, so dass sie sich überlegte, die Teilnahme abzubrechen. Im ganzen Trubel blieb vor allem Margit Osterloh mit ihrer Aussage in der SonntagsZeitung in Erinnerung: «Frauen wird eingeredet, sie würden diskriminier werden». Es kommt noch schlimmer. Sie meinte, dass sie diskriminierende Situationen verinnerlichten, auch wenn sie das selber nie so erlebt hätten.  Doch, wer ist Margit Osterloh? Sie ist Professorin an der Universität Basel. Ihr Spezialgebiet ist unter anderem auch Gender Economics. In einem Text mit dem Titel «Krippensubvention bringt nicht viel, sagt Margrit Osterloh» von Thomas Studer, ordnete die Professorin die Resultate der Studie ein und erzählte vom sogenannten «gender equality paradox». Zahlreiche empirische Befunde beweisen, dass je wohlhabender ein Land ist, desto stärker die Geschmäcker der Geschlechter wieder auseinandergehen. Das heisst, in wohlhabenden Ländern ergreifen Frauen im Schnitt viel eher typisch weibliche Berufe. 

Wahrheitsgetreuer Journalismus jetzt!
Zwanghaft wurde versucht, irgendwelche antiquierten Rollenbilder zu zementieren. Aber es formiert sich Widerstand. Eine Gruppe aus der feministischen Bewegung hat eine Campax-Petition als Antwort auf die Berichterstattung über die Studie gestartet. «Dieser Fall ist nicht der erste von sexistischer, sensationsheischender Berichterstattung. Aber jetzt ist es genug!», beginnt der Petitionstext. Keineswegs könnten solche Schlüsse aus der noch unpublizierten Studie gezogen werden, schrieben die Autor:innen der Petition weiter. Den Drang für Schlagzeilen und Sensationen dürfe nicht die professionelle Arbeit der Journalist:innen überschatten. In der Folge wurden in Form von verschiedenen Punkten Aspekte gesucht, warum der Artikel den Richtlinien des Presserates widerspricht. Der Artikel arbeitet nicht mit Wahrheitssuche. Der Titel «Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann, als selber Karriere machen» kann so kausal nicht als Schlussfolgerung aus der betreffenden Studie abgeleitet werden. Zwar geben 23 Prozent (in «Frauenfächern») beziehungsweise 28 Prozent (in «Männerfächern») der Studentinnen an, eine Führungsposition mit Personalverantwortung anzustreben, während 45 Prozent (in «Frauenfächern») beziehungsweise 32 Prozent (in «Männerfächern») einen Partner mit höheren Karrierechancen und -aussichten suchen. Doch die Schnittmenge dieser beiden Gruppen ist in der Studie nicht berechnet worden und kann rechnerisch nicht die Mehrheit der Studentinnen abbilden. Ebenfalls wird mit dem Titel suggeriert, dass fehlendes Interesse an Führungspositionen mit dem Geschlecht korreliere, während die Studie aufzeigt, dass Führungspositionen beim Grossteil der Studierenden unbeliebt sind, unabhängig vom Geschlecht. Diese Beschwerde wurde am 10.Mai an den Schweizer Presserat weitergeschickt. Zudem hatte die Petition am 20.Mai 2800 von 3000 angestrebten Unterschriften erreicht. 

Petition:
act.campax.org/petitions/genug-von-unwahrem-sensationsjournalismus

Infos zur Studie:
business.uzh.ch/de/research/professorships/formermembers/osterloh.html

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