Kämpfen lohnt sich

Transparent vor dem Bezirksgericht Zürich am 13.Februar 2022. Bild: zVg

8.März Frauenbündnis Zürich. Errungenschaften gegen reaktionäre Angriffe
verteidigen. Wir veröffentlichen die Prozesserklärung einer Genossin, die am
15.Februar 2022 vor Gericht stand im Zusammenhang mit den Protesten gegen den «Marsch für’s Läbe» im September 2019.

Das Recht auf Abtreibung ist eine der vielen Errungenschaften der Frauenbewegung. Seit Anfang des 20.Jahrhunderts kämpfen Frauen in Europa und der ganzen Welt darum, eine Abtreibung vornehmen zu können, ohne dafür bestraft zu werden. Die Kämpfe mündeten in der Schweiz 2002 in der Fristenregelung, welche bis zur 12.Schwangerschaftswoche einen selbstbestimmten und straffreien Schwangerschaftsabbruch erlaubt. Doch nicht nur die Kämpfe für das Recht auf Abtreibung haben eine lange Geschichte, sondern auch die Angriffe auf diese Errungenschaft vonseiten reaktionären und fundamental-christlichen Kräften des «Marsch für’s Läbe». Diese inszenieren sich als Lebensschützer_innen, vertreten aber nichts anderes als erzreaktionäre und patriarchale Geschlechterpolitik. Sie wollen es den Frauen absprechen, selbstbestimmt über eine Mutterschaft entscheiden zu können, denn Frauen sollen sich der ihnen von Gott zugedachten Rolle als fürsorgliche Mutter unterordnen. Die gottgewollte Rolle der Frau spielt in Ehe und Familie, mit dem Mann als deren Oberhaupt. Die Männer werden in die Rolle des Ernährers gedrängt; die klassische Aufteilung in bezahlte Produktions- und unbezahlte Reproduktionsarbeit wird zementiert.

Diese Angriffe finden nicht nur auf der Strasse statt, auch im Parlament wird gegen unsere Errungenschaften vorgegangen. So lancierte die SVP kürzlich zwei Initiativen, welche das Recht auf Abtreibung beschränken sollen. Die erste will vor jeder Abtreibung einen Tag Bedenkzeit zur Pflicht machen und somit den Frauen diese eh schon schwere Entscheidung noch mehr erschweren. Dadurch glauben die Initiant_innen zehn Prozent der jährlichen Abtreibungen, der Zahl nach an die tausend, verhindern zu können. Die zweite Initiative zielt darauf ab, auch Schwangerschaftsabbrüche nach der 12.Schwangerschaftswoche, welche mit der heutigen Gesetzgebung legal sind, zu kriminalisieren. Gründe für legale Spätabtreibungen sind beispielsweise die Gefährdung des Lebens der Mutter, eine seelische Notlage oder eine Behinderung des Fötus.

Dass eine Frau in die Situation kommt, ein Kind nicht haben zu wollen oder zu können, kam schon immer vor und wird auch in Zukunft immer vorkommen. Ein Abtreibungsverbot, wie es der «Marsch für’s Läbe» fordert, verhindert Abtreibungen nicht, sondern es kriminalisiert sie. Die Folgen sind Pfuscherei, Selbstabtreibungen, Ärzte die sich auf Kosten der Schwangeren bereichern, Zwangsgeburten und massiver finanzieller und moralischer Druck auf die Betroffenen. Das Recht auf Abtreibung ist also nicht nur ein wichtiges Moment der weiblichen Selbstbestimmung; die Möglichkeit von medizinisch seriösen Schwangerschaftsabbrüchen und ideologiefreier Beratung bedeutet auch einen Schutz der körperlichen und psychischen Gesundheit von Frauen.

Wohin der Weg führen kann, wenn die rechten Fundamentalisten freien Lauf haben, wird am Beispiel von vielen Ländern der Welt deutlich. In Polen und in vielen Bundesstaaten der USA ist das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in grosser Gefahr oder bereits beschnitten. Ein besonders krasses Beispiel ist El Salvador. Dort gilt ein totales Abtreibungsverbot. Das heisst, dass jede Schwangerschaft ausgetragen werden muss, auch wenn die körperlichen und psychischen Folgen verheerend sind. Wenn das Leben einer Frau durch die Schwangerschaft bedroht ist, steht sie vor der Entscheidung eine illegale Abtreibung durchzuführen und damit eine jahrzehntelange Haftstrafe zu riskieren, oder sie riskiert ihren eigenen Tod, wenn sie dies nicht tut. Wenn Frauen eine Fehlgeburt erleiden, werden sie wegen schwerwiegenden Mordes verurteilt und erhalten Haftstrafen von bis zu 40 Jahren. Wenn Mädchen vergewaltigt und dadurch schwanger werden, sind sie gezwungen, die Schwangerschaft auszutragen.

Diese Realität zeigt, dass mit einem Abtreibungsverbot keinesfalls Leben geschützt werden, im Gegenteil: Es führt zum Tod hunderter Frauen und Mädchen. Sie müssen sich heimlichen, gefährlichen Abtreibungen unterziehen oder sind gezwungen, gesundheitsgefährdende Schwangerschaften auszutragen. Oder aber sie werden wegen Mordes zu jahrzehntelangen Haftstrafen verurteilt. Dass diese Praxis hauptsächlich proletarische Frauen betrifft, liegt auf der Hand. Denn diese haben keine Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, um dort einen Schwangerschaftsabbruch auf legale und sichere Weise durchführen zu können oder sich im eigenen Land in teuren Privatkliniken behandeln zu lassen, welche sichere Abtreibungen durchführen und die Frauen nicht denunzieren.

Das Erstarken der rechtsklerikalen Kräfte ist kein Zufall. Es ist Teil des derzeitigen Rechtsrucks, welcher Ausdruck der kapitalistischen Krise ist. Rassismus und Sexismus sind auf dem Vormarsch, emanzipatorische Positionen geraten in Bedrängnis. Dabei gewannen in den letzten Monaten auch Neonazis immer mehr an Boden. Diese Tendenzen gilt es ernst zu nehmen und im Keim zu ersticken.

Dass Kämpfen sich lohnt, zeigt sich anhand der Geschichte des Widerstands gegen den «Marsch für’s Läbe» in der Schweiz. Dank der massiven Gegenproteste, welche Jahr für Jahr stattfinden, wird es für die rechten Christen immer schwieriger, ihre frauen- und menschenverachtende Propaganda zu verbreiten. Die breiten Gegenproteste nehmen ihnen die Öffentlichkeit, so dass sie nur noch an abgelegenen Orten oder gar nicht mehr marschieren können. Dabei sind die verschiedensten Mittel, die darauf abzielen, ihnen die Plattform zu nehmen und sie zu verjagen, nicht nur wichtig und richtig, sondern eben genau notwendig. Den Versuch des Staates, die Bewegung zu schwächen, indem er sie in friedlich und militant spaltet, darf nicht zugelassen werden.

Vieles haben unsere Genossinnen und Genossen schon erreicht, vieles mehr muss die Frauenbewegung noch erkämpfen. Dass sie sich dabei nicht auf den Staat verlassen kann, wird gerade am heutigen Prozess einmal mehr sichtbar. Wir kriegen nichts geschenkt, wir kriegen nur das, was wir mit geeinter Stärke erkämpfen.

Es gilt, emanzipatorische und feministische Kämpfe zu verbinden. Deshalb: Heraus zum 8.März!

 

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