Der syrische Bürgerkrieg

Der Publizist Jürgen Todenhöfer, früherer CDU-Politiker und Burda-Manager, veröffentlichte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel unter dem Titel: »Die syrische Tragödie«. Darin heißt es:

(…) Auch die syrische Revolution hätte meine uneingeschränkte Sympathie, wenn sie gewaltfrei geblieben wäre und nicht vom Westen finanziert würde. Doch nach dem Sturz Ben Alis und Mubaraks hat sich viel geändert. Gewaltlosigkeit war plötzlich nicht mehr gefragt. Und seit Libyen waren die Aufstände keine rein arabischen mehr. Der Westen, der die Entwicklung in Tunis und Kairo verschlafen hatte, mischte plötzlich kräftig mit. Er hatte erkannt, daß er vieles, was er durch Kriege nicht erreicht hatte, durch eine listige Beteiligung an den Aufständen realisieren konnte. Vor allem das alte Ziel der amerikanischen Neokonservativen: einen durchgängig proamerikanischen Nahen Osten. (…) Priorität hat die Korrektur der fatalen Ergebnisse des Irak-Kriegs, den »leider« Iran, Amerikas Hauptfeind in der Region, gewonnen hat. Irans Einfluß erstreckt sich seither über Irak, Syrien und den Libanon bis tief in die schiitischen Gebiete Saudi-Arabiens hinein. Ausgerechnet George W. Bush hat Iran in diese Vormachtstellung gebombt. Assads Sturz bietet die historische Chance, dieses strategische Eigentor zu korrigieren.

Schon wenige Tage nach Beginn der syrischen Unruhen gelangten über Katar moderne Waffen in die Hände der Rebellen. Gleichzeitig begann eine gigantische Medienkampagne gegen das Syrien Assads. (…) Jede zweite Meldung, die ich während meines vierwöchigen Aufenthalts in Syrien überprüfte, war falsch. Das ändert nichts am Widerstandsrecht der Syrer gegen Diktatur, an ihrem Recht auf Demokratie. (…) Wenn der im Westen ausgebildete Assad derselben Meinung ist, muß er sich an die Spitze der Demokratiebewegung stellen. Was aber ist, wenn Assad genau das versucht? Was, wenn der Volksaufstand in Syrien, anders als der in Tunesien, Ägypten und Libyen, gar kein klassischer Volksaufstand ist, sondern ein Aufstand starker lokaler Gruppen, dem mindestens ebenso starke Pro-Assad-Gruppen gegenüberstehen, die auch Demokratie wollen, aber mit Assad? (…) In dieser Auseinandersetzung zwischen Pro- und Anti-Assad-Gruppen mischen die Vereinigten Staaten von Anfang an offensiv mit. (…) Die klügsten Vorschläge hat Rußland gemacht. Es hat die Konfliktparteien nach Moskau zum Dialog eingeladen. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß ich einmal russische Außenpolitik westlicher Politik vorziehen könnte. Syrien braucht diesen Dialog der verfeindeten Gruppen so dringend. Nur so läßt sich das Blutvergießen beenden. (…)